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Grundbesitz umfaßt 72,000 Hektar mit einem Pachtertrag von 32 Mill. Mk. In Schottland beträgt der größte Besitz über 500,000 Hektar. 12 Großgrundbesitzer haben zusammen 1,735,889 Hektar (25 Proz.), 70 haben 37,600,000 Hektar (50 Proz.), und weniger als 1700 Personen teilen sich in neun Zehntel von ganz Schottland. Die größte Besitzung in Irland enthält 68,000 Hektar. Nahezu die Hälfte der Insel gehört 749 Eigentümern, und mehr als vier Fünftel des Landes werden von 3750 Eigentümern besessen. Nach einem dem Parlament 1872 vorgelegten Bericht lebten 1870 auf ihren Gütern 5589 Eigentümer von 3,552,219 Hektar; gewöhnlich oder beständig abwesend, aber doch in Irland waren 4842 Eigentümer von 2,086,106 Hektar, selten oder nie in Irland hielten sich 2973 Eigentümer von 2,151,668 Hektar auf.
Ganz anders als in England liegt die Sache in Frankreich. Hier herrscht der kleine Besitz vor. In den 60er Jahren zahlte man 3,225,877 Einzelwirtschaften, von denen jede im Durchschnitt 10,5 Hektar umfaßte. Von dem gesamten Grundbesitz hatten 56 Proz. der Güter einen Umfang bis zu 5 Hektar, 75,6 Proz. bis zu 10 Hektar, 30 Proz. von 5 bis 20 Hektar, und nur 4,8 Proz. waren 40 und mehr Hektare groß. Diese Verteilung war zunächst eine Folge der Revolution, dann des Grundsatzes der gleichen Erbteilung und endlich des zähen Festhaltens am einmal errungenen Grundbesitz. In England dagegen hat sich bei voller Testierfreiheit die Gewohnheit ausgebildet und behauptet, den Grundbesitz auf den ältesten Sohn zu vererben und durch das Entail (s. d.) auf längere Zeit zu binden.
In Österreich-Ungarn [* 2] ist der Grundbesitz sehr verschieden verteilt. Nach dem neuen Grundsteuerkataster gab es in den österreichischen Ländern 1883: 5,198,904 Grundbesitzer und kam im Durchschnitt auf einen Besitzer eine Grundfläche von 10 Joch (5,755 Hektar). Gegen die letzte Katasteraufstellung von 1857, wo diese Durchschnittsarea 14 Joch betrug, hat demnach eine bedeutende Grundzerstückelung stattgefunden. Am größten ist die durchschnittlich auf einen Besitzer entfallende Fläche in den Alpenländern (Salzburg [* 3] 35,9 Joch), am kleinsten im Küstenland (6,1 Joch), Mähren [* 4] und Galizien. In Ungarn [* 5] (ohne Kroatien und Slawonien) zählte man:
Grundbesitzer von 5-30 Joch 2348110 mit 15,0 Mill. Joch
Grundbesitzer von 30-200 Joch 118981 mit 6,7 Mill. Joch
Grundbesitzer von 200-1000 Joch 13748 mit 6,6 Mill. Joch
Grundbesitzer von 1000-10000 Joch 5195 mit 14,2 Mill. Joch
Latifundien über 10000 Joch 221 mit 3,9 Mill. Joch
In Deutschland [* 6] herrscht der Großgrundbesitz vor im Nordosten: Ost- und Westpreußen, [* 7] Schlesien, [* 8] Posen, [* 9] Brandenburg, [* 10] Pommern, [* 11] Mecklenburg. [* 12] In Mecklenburg-Schwerin gehören von der gesamten Oberfläche des Landes 42,3 Proz. der Ritterschaft, 42,3 Proz. dem Domanium, 10,8 Proz. Städten und 3 Proz. Klöstern. Der Grundbesitz von mittlerer Größe ist mehr vertreten in Schleswig-Holstein, [* 13] Hannover, [* 14] Braunschweig, [* 15] Oldenburg, [* 16] Westfalen, [* 17] Sachsen, [* 18] Thüringen, Bayern [* 19] und Elsaß-Lothringen. [* 20] Dagegen überwiegt der kleine in Württemberg, [* 21] Baden, [* 22] Hessen, [* 23] Pfalz, Rheinland und Hessen-Nassau. [* 24] Es umfaßt durchschnittlich ein land- und forstwirtschaftliches Besitztum
in Westdeutschland (Westfalen, Rheinland, Hessen-Nassau, Rheinpfalz) | 4.23 Hektar |
in Süddeutschland (Bayern, Württemberg) | 5.74 Hektar |
in Mitteldeutschland | 11.87 Hektar |
in Ostdeutschland (Schlesien, Brandenburg) | 16.36 Hektar |
in Norddeutschland (Hannover, Pommern) | 20.93 Hektar |
Nähern Aufschluß im einzelnen geben die Erhebungen von 1882. Nach denselben ergeben sich:
Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe überhaupt | Die Betriebe mit einem Flächenumfang von | ||||
---|---|---|---|---|---|
unter 1 Hektar | 1 bis 10 Hektar | 10 bis 100 Hektar | 100 Hektar u. mehr | ||
nehmen von der Gesamtfläche ein Prozente | |||||
Ostpreußen | 188179 | 1.0 | 9.3 | 51.1 | 38.6 |
Westpreußen | 134026 | 1.3 | 9.1 | 42.5 | 47.1 |
Stadt Berlin | 1739 | 7.9 | 27.3 | 48.4 | 16.4 |
Brandenburg | 261101 | 2.0 | 13.7 | 48.0 | 36.3 |
Pommern | 169275 | 1.3 | 10.1 | 31.2 | 57.4 |
Posen | 165785 | 1.4 | 10.8 | 32.5 | 55.3 |
Schlesien | 366616 | 1.9 | 26.5 | 37.1 | 34.5 |
Sachsen | 285681 | 3.2 | 19.8 | 50.0 | 27.0 |
Schleswig-Holstein | 137133 | 0.8 | 10.6 | 72.2 | 16.4 |
Hannover | 328739 | 2.9 | 26.9 | 63.3 | 6.9 |
Westfalen | 305009 | 4.3 | 33.1 | 57.8 | 4.8 |
Hessen-Nassau | 199369 | 4.4 | 48.6 | 40.3 | 6.7 |
Rheinland | 485332 | 5.5 | 52.0 | 39.8 | 2.7 |
Hohenzollern | 12212 | 1.9 | 52.1 | 43.4 | 2.6 |
Preußen: | 3040196 | 2.2 | 19.8 | 46.3 | 31.7 |
Ober-, Mittel- und Unfranken ^[richtig Unterfranken] | 238615 | 2.1 | 42.5 | 53.3 | 2.1 |
Ober- u. Niederbayern, Schwaben, Oberpfalz | 335782 | 0.8 | 29.5 | 67.4 | 2.3 |
Rheinpfalz | 107124 | 5.8 | 60.9 | 31.0 | 2.3 |
Bayern: | 681521 | 1.6 | 35.6 | 60.5 | 2.3 |
Königreich Sachsen | 192921 | 3.0 | 25.7 | 57.2 | 14.1 |
Württemberg | 308118 | 3.9 | 51.9 | 42.2 | 2.0 |
Baden | 232287 | 4.6 | 62.3 | 31.3 | 1.8 |
Hessen | 128526 | 4.9 | 54.4 | 35.8 | 4.9 |
Mecklenburg-Schwerin | 93097 | 2.2 | 6.9 | 31.0 | 52.9 |
Sachsen-Weimar | 40203 | 2.6 | 34.0 | 51.4 | 12.0 |
Mecklenburg-Strelitz | 17721 | 2.3 | 4.5 | 32.2 | 61.0 |
Oldenburg | 58026 | 1.8 | 29.0 | 65.8 | 3.4 |
Braunschweig | 53611 | 5.2 | 21.8 | 55.1 | 17.9 |
Sachsen-Meiningen | 31835 | 4.6 | 40.9 | 45.8 | 8.7 |
Sachsen-Altenburg | 16208 | 2.5 | 25.1 | 64.9 | 7.5 |
Sachsen-Koburg-Gotha | 26403 | 4.2 | 34.8 | 49.5 | 11.5 |
Anhalt | 29800 | 4.4 | 18.6 | 42.0 | 35.0 |
Schwarzb.-Sondersh. | 11137 | 3.9 | 34.8 | 43.1 | 18.2 |
Schwarzb.-Rudolstadt | 12503 | 6.0 | 39.4 | 43.0 | 11.6 |
Waldeck | 9455 | 2.6 | 27.7 | 58.6 | 11.1 |
Reuß ältere Linie | 3992 | 3.1 | 30.9 | 56.7 | 9.3 |
Reuß jüngere Linie | 8519 | 3.1 | 30.6 | 56.5 | 9.8 |
Schaumburg-Lippe | 6433 | 6.7 | 34.6 | 53.7 | 5.0 |
Lippe | 23321 | 8.3 | 29.4 | 54.3 | 8.0 |
Lübeck | 3915 | 2.8 | 8.8 | 67.6 | 20.8 |
Bremen | 6185 | 4.8 | 22.4 | 72.8 | - |
Hamburg | 6543 | 4.2 | 13.7 | 71.5 | 10.6 |
Elsaß-Lothringen | 233866 | 5.0 | 51.8 | 35.9 | 7.3 |
Deutsches Reich: | 5276344 | 2.4 | 25.6 | 47.6 | 24.4 |
Die Frage, ob großer oder kleiner Grundbesitz im Gesamtinteresse vorteilhafter sei, läßt keine unbedingte allgemein gültige Lösung zu. Auch kommen für dieselbe nicht allein die Gestaltung der Technik und die Höhe der Rente bei verschiedenem Besitzumfang, sondern auch sozialpolitische Erwägungen in Betracht, wobei insbesondere auch noch die Frage von Bedeutung ist, in welcher Form der Grundbesitz auftritt, ob als Besitz der Toten Hand, der Kirche, überhaupt öffentlicher Anstalten, des Staats, der Gemeinde, als Besitz von genossenschaftlichen Verbänden oder als Besitz einzelner Familien und physischer Personen. Im allgemeinen erweist sich ausschließliches oder vorherrschendes Vorkommen von großen Gütern für die Dauer unhaltbar, wie überhaupt der Gegensatz zwischen einer kleinen Zahl von Überreichen und einer großen Masse Besitzloser. Wo das ¶
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feste Bindeglied eines gediegenen, selbständigen Mittelstandes fehlt, wird die Gesellschaft immer leicht der Gefahr einer sozialen Umwälzung ausgesetzt sein. Insbesondere ist der Grundbesitz ein echter Hort einer bestehenden gesellschaftlichen Verfassung. Eine tüchtige Vertretung des kleinen und mittlern Besitzes mit seiner naturgemäß meist echt konservativen Gesinnung wird immer allen Anfechtungen der bestehenden Besitzordnung den kräftigsten Widerstand entgegensetzen.
Solche Anfechtungen erfolgen von sozialistischer Seite. Der Umstand, daß viele Grundbesitzer lediglich in ihrer Eigenschaft als Besitzer Renten beziehen, daß der Boden nicht als eine Schöpfung der Arbeit erscheint, mußte zunächst in die Augen fallen und dazu Veranlassung geben, das Grundeigentum als ungerechtfertigt zu verwerfen und als ein »Patrimonium« des gesamten Volkes in Anspruch zu nehmen. Einen bestimmten Ausdruck fand diese Anschauung unter anderm auch in den Beschlüssen der Internationale 1868 und 1869 zu Brüssel [* 26] und Basel. [* 27] Hierbei konnten sich die Sozialisten vorzüglich auf verschiedene nationalökonomische Theorien über die Bodenrente (s. d.) stützen.
Nun läßt sich allerdings der Bezug eines Einkommens aus Grundbesitz keineswegs immer auf eine Leistung des Besitzers und seiner Rechtsvorgänger zurückführen. Trotzdem findet das Grundeigentum ganz die gleiche soziale Rechtfertigung wie die gesamte heutige Besitzordnung. Extragewinne, die nicht einem eignen Verdienst zu verdanken sind, wirft auch andrer Besitz ab, wie überhaupt dem schuldenfreien Grundeigentum mit seiner Rente der Zins gegenübergestellt werden kann. Daß aber der Kapitalismus eine notwendige Bedingung für den Kulturfortschritt war und selbst noch heute ist, dies haben tüchtige Sozialisten (Marx, Lassalle u. a.) unumwunden zugestanden.
Wollte man heute oder überhaupt in absehbarer Zeit das private Grundeigentum durch Kollektiveigen (Gesamteigen) verdrängen, so würde die Leistungsfähigkeit der Bodenwirtschaft aus Mangel an einem einheitlichen, fest bestimmenden Willen und an dem denselben begleitenden Interesse erheblich vermindert. Das Grundeigentum ist darum unentbehrlich als echte Stütze des Fortschritts von Wirtschaft und Kultur. Eine andre Frage ist die, ob nicht durch Gesetzgebung und Verwaltung bestimmten Arten der Verteilung vorzubeugen sei. So findet man noch in mehreren Ländern Bestimmungen, welche eine Besitzverringerung unter ein Mindestmaß nicht gestatten (vgl. Dismembration).
Wichtiger als diese meist unpraktische Beschränkung sind die Bestimmungen über Erbrecht, über Zulässigkeit von Fideikommissen und den Inhalt des Fideikommißrechts, dann die Anordnungen und Maßnahmen bezüglich der Verschuldung des Grundbesitzes, der Ermöglichung von Verbesserungen auf Grund bestimmter Majoritätsbeschlüsse (Umlegungen, Entwässerungen, Wegewesen etc.), der Bildung von Genossenschaften etc. In der neuern Zeit ist das Bestreben der praktischen Wirtschaftspolitik vorzüglich darauf gerichtet, möglichst das mittlere und kleine Grundeigentum zu erhalten.