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Carthy, setzten diesen Vorschlägen der Regierung den hartnäckigsten Widerstand entgegen und suchten durch eine selbst nach den Erfahrungen der letzten Jahre unerhörte »Obstruktion« das Durchgehen derselben zu verhindern. Nach mehreren Wochen fruchtloser Beratungen war es klar geworden, daß die bisherigen Mittel, welche die Geschäftsordnung an die Hand [* 2] gab, nicht ausreichten, den Widerstand zu brechen, welchen die kleine, aber gut disziplinierte irische Minorität dem Willen der Mehrheit des Hauses entgegenstellte.
Erst ein in der Geschichte des englischen Parlamentarismus unerhörter Staatsstreich des Sprechers des Unterhauses (2. Febr.), der nach einer ununterbrochenen Sitzung von 41 Stunden auf seine eigne Verantwortlichkeit die Debatte für geschlossen erklärte und die Anträge der Regierung zur Abstimmung brachte, sowie am folgenden Tag eine auf Gladstones Antrag nach den heftigsten Szenen angenommene Änderung der Geschäftsordnung ermöglichten eine schnellere Beratung der beiden Ausnahmegesetze, welche 21. März Gesetzeskraft erlangten. Demnächst wurde 7. April von Gladstone die irische Landbill eingebracht. Der Kern dieses Gesetzentwurfs war die Einsetzung einer königlichen Kommission von drei Mitgliedern, welche nach diskretionärem Ermessen Streitigkeiten zwischen Landeigentümern und Pachtern in Irland schlichten und in streitigen Fällen die Höhe des Pachtzinses auf je 15 Jahre festzustellen befugt sein sollte. Außerdem wurden der Kommission Mittel zur Verfügung gestellt, um Pachtern den Erwerb des Eigentums ihrer Pachtgüter durch Vorschüsse bis zur Höhe von drei Vierteln des Kaufpreises zu erleichtern, sowie um mittellosen Bauern die Anwanderung zu ermöglichen. Die Zugeständnisse, welche die Bill den Irländern machte, waren, wie man sieht, sehr groß; trotzdem ward dieselbe nicht nur von der konservativen Partei, welche in jeder staatlichen Einmischung in die Beziehungen zwischen Landeigentümern und Pachtern einen Eingriff in das unbedingte Eigentumsrecht sah, sondern auch von der Mehrzahl der irischen Abgeordneten, welche von der Annahme dieses Gesetzes eine Abschwächung der Agitation in Irland und damit ihres eignen politischen Einflusses fürchteten, aufs hartnäckigste bekämpft und erst 29. Juli im Unterhaus sowie 16. Aug. nach heftigem Widerstand Lord Salisburys im Oberhaus angenommen. Am 27. Aug. wurde die Session des Parlaments, die, abgesehen von den irischen Gesetzen, nur unbedeutende legislatorische Ergebnisse aufzuweisen hatte, geschlossen.
Die auswärtigen Angelegenheiten waren im Parlament gleichfalls sehr in den Hintergrund getreten, obwohl die Lage der Dinge keineswegs überall eine für England günstige war. Zwar in Europa [* 3] begannen die kriegerischen Befürchtungen im Lauf des Frühjahrs zu schwinden, indem Griechenland [* 4] und die Türkei [* 5] sich unter dem Druck der Großmächte über die neue Grenze einigten. Entschiedenen Mißerfolgen begegnete dagegen die Politik des Ministeriums in Asien [* 6] und Afrika. [* 7] In Asien entschloß dasselbe sich, die Errungenschaften des afghanischen Kriegs im wesentlichen aufzugeben, und räumte im April Kandahar vollständig von britischen Truppen.
Die Folge war, daß nun der mit englischer Hilfe eingesetzte Emir Abd ur Rahmân von Kabul sich seinem Gegner durchaus nicht gewachsen zeigte. Im Juli rückte Ejub Chan von Herat aus in Afghanistan [* 8] ein; am 27. Juli errang er einen vollständigen Sieg über den Emir, dessen Truppen zum Teil zu ihm übergingen; am 30. zog er als Sieger in Kandahar ein. Obwohl somit der erbitterte Gegner Englands hier wieder zur Herrschaft gelangte, blieb doch die indische Regierung diesen Vorgängen gegenüber zunächst völlig neutral. In Südafrika [* 9] erreichte der Widerstand, welchen die Buren des Transvaallandes den zu ihrer Unterwerfung abgesandten englischen Kolonnen entgegensetzten, eine unerwartete Ausdehnung, [* 10] und die britische Regierung mußte sich nach zwei Niederlagen, welche ihre Truppen unter Sir George Collier 28. Jan. bei Laings Neck und 27. Febr. bei Majubahill erlitten hatten, und in deren zweiter der General selbst gefallen war, 23. März zu einem von dem Präsidenten der Oranjerepublik, Brand, vermittelten Friedensschluß verstehen.
Durch denselben gestand sie die Wiederherstellung der Transvaalrepublik zu, versprach den Buren vollständige Selbstregierung und behielt sich nur die nominelle Anerkennung der englischen Suzeränität, die Kontrolle über die auswärtigen Angelegenheiten der Republik, die Aufnahme eines britischen Residenten in der Hauptstadt und einen gewissen Einfluß auf die Regelung der Beziehungen zwischen der Republik und den afrikanischen Eingebornen vor.
Von den außerordentlichen Vollmachten, welche die Regierung durch die irischen Zwangsgesetze erhalten hatte, begann sie erst in den letzten Monaten des Jahrs energischern Gebrauch zu machen. Auf der Nationalkonvention der irischen Landliga waren Beschlüsse gefaßt, welche die vom Parlament angenommene Landakte für durchaus ungenügend erklärten, da die Prinzipien der Liga nicht eine Ermäßigung oder Fixierung, sondern die gänzliche Abschaffung der Pachtzinsen erheischten. Da somit eine Versöhnung mit der Liga unmöglich erschien, entschloß sich die Regierung, die Organisation derselben zu sprengen. Am 14. Okt. und in den nächsten Tagen wurden die Führer derselben, darunter auch Parnell, auf Grund der Zwangsakte als »Verdächtige« verhaftet und ins Gefängnis gebracht; andre Leiter der Bewegung entgingen dem gleichen Schicksal nur durch eilige Flucht.
Die Liga selbst wurde 21. Okt. durch Proklamation des Vizekönigs für ungesetzlich erklärt und ihre Versammlungen verboten. Andre Verhaftungen folgten, bald füllten sich die Gefängnisse mit Beamten und Mitgliedern der Liga. Trotzdem gelang die Aufrechthaltung der Ordnung in Irland nicht. An die Stelle der zerstörten Organisation der Landliga traten geheime, nur um so gesetzlosere Verbindungen. Der Widerstand gegen die Grundherren, die Terrorisierung der Pachter, die zu einem Ausgleich geneigt gewesen wären, dauerte fort: das von den verhafteten Führern der Liga ausgegebene No rent-Manifest, d. h. die Parole, bis zur Aufhebung der Zwangsmaßregeln überhaupt keinen Pachtzins mehr zu zahlen, fand entweder freiwilligen Gehorsam, oder die Schreckensthaten der »Mondscheinbande«, die in ihren nächtlichen Expeditionen unfaßbar erschien, verschafften ihm solchen.
Selten gelang die Verhaftung eines der Missethäter, fast nie seine Verurteilung, da keine irische Jury zu finden war, die ihn schuldig zu sprechen den Mut gehabt hätte. Und während so die Regierung den Zweck ihrer in der vorigen Session getroffenen Maßregeln, durch die Zwangsakte die Verbrecher zu schrecken, durch die Landakte die gemäßigten Elemente zu versöhnen, verfehlte, ward gleichzeitig die Opposition der Grundbesitzer gegen die letztere immer heftiger. Die Landgerichtshöfe hatten inzwischen ihre Thätigkeit begonnen; fast in allen Fällen hatten ihre Entscheidungen eine Herabsetzung der Pachtzinsen verfügt und dadurch die Interessen der Grundbesitzer geschädigt; am ¶
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traten 4000 derselben unter dem Vorsitz des Herzogs von Abercorn zu einem Protestmeeting in Dublin [* 12] zusammen.
In der am eröffneten Session des Parlaments wollte Gladstone vor allem eine Reform der Geschäftsordnung des Unterhauses durchsetzen, welche dem Unwesen des Obstruktionismus, durch das die irischen Abgeordneten ein fast vollständiges Stocken der englischen Gesetzgebung herbeigeführt hatten, ein Ende machen sollte. Zu diesem Zweck beabsichtigte er, den bisher in England unbekannten Schluß der Debatte einzuführen, kam aber während der ganzen Sommersession nicht dazu, die Annahme der von ihm beantragten Resolutionen durchzusetzen.
Zunächst hatte er einen Konflikt mit dem Oberhaus zu bestehen, das einen Untersuchungsausschuß eingesetzt hatte, um die Wirkungen der irischen Landakte zu prüfen: ein von der Regierung herbeigeführter Beschluß des Unterhauses vom 9. März schnitt diesem Ausschuß jede Möglichkeit einer erfolgreichen Thätigkeit ab. Demnächst nahmen die Zustände Irlands die Aufmerksamkeit des Parlaments auch noch nach andrer Richtung hin in Anspruch. Die Zwangsgesetze des vorigen Jahrs, mit denen die radikalen Mitglieder der Regierung ohnehin niemals vollkommen einverstanden gewesen waren, erwiesen sich immer mehr als erfolglos, immer neue Verbrechen kamen vor und blieben unentdeckt, von Amerika [* 13] flossen den Agitatoren reiche Mittel zu; Schreckensthaten, wie der Brand in den Albert Docks in England und die Dynamitexplosion zu Athlone in der Grafschaft Roscommon, zeigten, daß auch die Fenier sich wieder regten; offen kündeten ihre Führer, wie O'Donovan Rossa, der Regierung und allen Engländern den Vernichtungskrieg an. Unter diesen Umständen wurden mit den verhafteten Führern der Iren von dem radikalen Handelsminister Chamberlain Unterhandlungen über eine Verständigung angeknüpft, von denen auch Gladstone wußte.
Die Führer der Iren stellten eine Zurückziehung des No rent-Manifestes und die Geltendmachung ihres Einflusses zur Herstellung der Gesetzlichkeit in Irland in Aussicht, wenn die Regierung die Entlassung der Gefangenen verfüge und neue agrarische Reformmaßregeln ergreife. Daraufhin wurden im Lauf des Mai fast alle Verhafteten in Freiheit gesetzt; nur diejenigen, welche eines agrarischen Verbrechens verdächtig waren, blieben in Haft. Nicht alle Mitglieder der Regierung hatten diese Wendung mitzumachen sich entschließen können. Am 28. April traten der Vizekönig von Irland, Lord Cowper, 2. Mai irische Obersekretär Forster zurück; des erstern Amt übernahm Lord Spencer; an Forsters Stelle trat Lord F. Cavendish, ein jüngerer Bruder Lord Hartingtons. Am 4. Mai erklärte Gladstone im Unterhaus, er werde eine Bill über die Reform der Gerichte in Irland und eine andre zur Tilgung der Pachtrückstände einbringen.
Erregten diese Schritte der Regierung den heftigsten Unwillen der Konservativen und das Mißtrauen eines Teils der Whigs, die nur von rücksichtslosester Strenge, aber nicht von einer Politik des Hin- und Herschwankens eine Besserung der irischen Zustände erwarteten, so fanden sie auch unter den Iren selbst viele Gegner. Die revolutionären Elemente der irischen Agitationspartei wollten von keinem Ausgleich mit der Regierung etwas wissen und suchten deshalb die Versöhnung der Führer der Homerulers mit Gladstone zu hintertreiben.
Aus ihren Kreisen muß die Schreckensthat vom 7. Mai, die Ermordung des neuen Obersekretärs Lord Cavendish und seines Unterstaatssekretärs Burke in Dublin, hervorgegangen sein. Die Urheber des Attentats erreichten ihren Zweck. Vergebens sprachen Parnell und andre Führer der Landliga ihren Abscheu vor der Mordthat aus; die öffentliche Meinung erheischte gebieterisch die strengsten Maßregeln gegen die unheimlichen Verschwörer, welche Irland unsicher machten. Am 11. Mai brachte der Minister des Innern, Sir W. Harcourt, eine neue irische Zwangsbill im Unterhaus ein, welche der Polizei erhöhte Vollmachten für Verhaftungen und Haussuchungen gewährte, ein summarisches Verfahren zur Auflösung geheimer Verbindungen und Versammlungen sowie zur Unterdrückung verbotener Zeitschriften einführte, Ausnahmegerichte, die für gewisse Distrikte des Landes ohne Zuziehung von Geschwornen ein Urteil fällen konnten, einsetzte und in gewissen Bezirken des Landes die gesamte Bevölkerung [* 14] für den Ersatz böswilliger Beschädigungen, deren Urheber nicht entdeckt werden konnten, haftbar machte.
Dies Gesetz, das nach sehr in die Länge gezogenen Debatten im Juli angenommen wurde, vereitelte alle Verständigungsversuche mit den Anhängern Parnells. Nichtsdestoweniger hielt die Regierung ihr Versprechen und legte 15. Mai eine Bill vor, welche die allmähliche Tilgung der Pachtrückstände, die den Hauptgegenstand des Haders zwischen Grundbesitzern und Pachtern in Irland bildeten, mit Hilfe von Beiträgen des Staats, und indem sie auch den Grundherren gewisse Opfer auferlegte, herbeiführen sollte. Diese Bill ging im Unterhaus 22. Juli, bei den Lords, wo sie von Salisbury heftig bekämpft wurde, erst 8. Aug. durch.
So hatten irische Debatten wiederum fast die ganze dem Parlament zu Gebote stehende Zeit in Anspruch genommen, weder eine der in der Thronrede angekündigten Reformmaßregeln noch die Änderung der parlamentarischen Geschäftsordnung war zu stande gekommen. Auf die letztere wollte Gladstone um keinen Preis verzichten: er kündigte an, daß das Haus vom 18. Aug. bis zum 24. Okt. vertagt werden und dann zu einer Herbstsession lediglich zur Erledigung dieser Angelegenheit wieder zusammentreten solle. Sonst waren, abgesehen von dem Budget, das mit einem kleinen Überschuß abschloß, nur einige Gesetze von untergeordneter Bedeutung zu stande gekommen. Dagegen hatten die auswärtigen Angelegenheiten in der letzten Zeit das Parlament vielfach beschäftigt.
In Ägypten [* 15] war es schon 1881 zu einer Erhebung der Militärpartei unter Arabi Pascha gekommen, die im Anfang des Jahrs 1882 den schwachen Chedive vollständig beherrschte und eine nationale, gegen die Einmischung der Fremden in Ägypten sich richtende Tendenz annahm. So kam es 11. Juni Alexandria zu einem von den Behörden erst spät unterdrückten Aufstand, bei dem gegen 100 Europäer ermordet und der britische Konsul verwundet wurde. Eine in Konstantinopel [* 16] zusammengetretene Konferenz der Botschafter der Großmächte beschloß darauf 7. Juli, die Pforte zu einer bewaffneten Intervention in Ägypten unter bestimmten Bedingungen einzuladen.
Ehe aber der Sultan sich über diesen Beschluß erklärte, war England wegen der Befestigungsarbeiten, die Arabi in Alexandria vornehmen ließ, auf eigne Faust eingeschritten. Am 11. Juli eröffnete Sir Beauchamp Seymour, der Admiral des englischen Geschwaders, das Bombardement auf die Forts von Alexandria, das von Arabi 13. Juli geräumt und nach seinem Abzug von dem Pöbel in Brand gesteckt und geplündert wurde. Darauf landeten die Engländer, besetzten ¶