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Smith O'Brien betrieb seine Rüstungen [* 2] ganz ungescheut und begann mit etwa 2000 Mann im Sommer die Erhebung. Aber die Regierung hatte rechtzeitige Gegenvorkehrungen getroffen, sprengte diesen Haufen in der Grafschaft Tipperary mit leichter Mühe auseinander und ließ die Führer verhaften und zum Tod oder zur Deportation verurteilen.
Gegenüber diesen Vorgängen traten die parlamentarischen
Debatten natürlich in den
Hintergrund. Nur eine wichtige Reformmaßregel
wurde in dieser
Session wenigstens angebahnt. Der
Bericht eines schon 1847 niedergesetzten Parlamentsausschusses zeigte klar,
daß die noch
aus dem 17. Jahrh. stammenden Navigationsgesetze mit ihren auf die Beschränkung
der auswärtigen
Schiffahrt berechneten Bestimmungen thatsächlich nur noch
einen nachteiligen Einfluß
auf den britischen Handelsverkehr ausübten.
Die
Regierung konnte daher auf die volle Zustimmung der Freihändler rechnen, als sie die völlige Aufhebung dieser
Beschränkungen vorschlug. Die von den Schutzzöllnern lebhaft bekämpfte
Bill
kam in dieser
Session nicht zur Erledigung, erhielt
aber in der nächsten, Gesetzeskraft. Von Bedeutung war endlich noch
eine andre
Verhandlung
der am geschlossenen
Session. Das
Ministerium hatte aus
Anlaß von
Rothschilds
Wahl in der
City im
Dezember 1847 einen
Vorschlag eingebracht, der den
Juden den
Eintritt ins
Parlament möglich machen sollte.
Das Unterhaus nahm die Bill an, das Oberhaus aber verwarf sie mit 125 gegen 96 Stimmen. Auch in der am 1. Febr. eröffneten Session von 1849 hatte das gleiche Gesetz kein besseres Geschick. Das lebhafteste Interesse nahmen in diesem Jahr die Kolonien und die auswärtige Politik der Regierung in Anspruch. Von den erstern machten besonders Kanada, wo es im April 1849 zu einem förmlichen Aufstand kam, und die Kapkolonie, wo die alten Zwistigkeiten zwischen den sich immer weiter ins Innere zurückziehenden holländischen Buren und der englischen Verwaltung fortdauerten, der Regierung Sorge.
Bedrohlicher noch
gestalteten sich die Verhältnisse in
Asien.
[* 3]
Schon im April 1848 hatten sich im
Pandschab
Symptome einer neuen
Erhebung gegen die britische Herrschaft gezeigt. Der Tributärfürst Mulradsch in
Multan hatte offen gegen
die
Regierung rebelliert; unter den Sikhtruppen in
Lahor entdeckte man eine
Verschwörung; auch die
Sikh in
Peschawar fielen ab,
und es zeigte sich, daß sie mit den Afghanen im
Bund standen. Im
September rückte der Oberbefehlshaber
Lord
Gough selbst in das
Pandschab, erzwang sich nach einer unentschiedenen
Schlacht bei Ramnapur (22. Nov.
) im
Dezember den Übergang
über den Tschenabfluß und eroberte endlich
Multan. Während der Belagerung kam es (13. Jan.) am Tschelam
(Hydaspes)
zu einer neuen blutigen
Schlacht gegen die
Sikh, die unentschieden blieb, aber den Engländern 2200 Mann
und 89
Offiziere kostete.
Nun endlich beschloß das Mutterland, Verstärkungen zu senden, und ersetzte den Oberbefehlshaber
Lord
Gough durch den bewährten
Sieger früherer Jahre,
Sir
Charles
Napier. Bevor indessen derselbe eingetroffen war, hatte
Lord
Gough 21. Febr. das überlegene
Heer der
Sikh bei
Gudscharat völlig geschlagen und die Aufständischen unterworfen.
Am 29. März wurde die Einverleibung des
Pandschab verkündigt.
Nicht so günstig gestaltete sich Großbritanniens europäische Politik. Großbritannien [* 4] hatte sich seit 1848 fast mit allen europäischen Staaten der Reihe nach überworfen. Mit Spanien [* 5] waren die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, weil der englische Gesandte Sir Henry Bulwer bei den republikanischen Aufständen von 1848 die Hand im [* 6] Spiel gehabt haben sollte; erst 1850 kam eine Aussöhnung zwischen Spanien und England zu stande; daneben bestand längere Zeit auch eine Spannung mit Österreich, [* 7] wo man durch die englischen Sympathien mit den aufständischen Magyaren und mit den durch Karl Albert von Sardinien [* 8] verfochtenen italienischen Einheitsbestrebungen sehr unangenehm berührt wurde.
Hatte
Palmerston den letztern nur indirekt unterstützt, so war er in
Sizilien
[* 9] noch
weiter gegangen: er begünstigte den dort
ausgebrochenen
Aufstand und vermittelte nach dessen Besiegung und nach der Erstürmung von
Messina
[* 10] gemeinschaftlich mit
Frankreich den Sizilianern einen leidlichen
Waffenstillstand. Zu derselben Zeit hatte sich Großbritannien durch seine Beschützung
Dänemarks
auch zu
Preußen
[* 11] in feindlichen
Gegensatz gestellt. Die
Restauration in
Italien,
[* 12] die Überwältigung
Sardiniens, die
Intervention
der
Franzosen und
Österreicher im
Kirchenstaat sowie die Niederwerfung der ungarischen
Revolution im
August 1849 durch
Russen
und
Österreicher waren deshalb empfindliche
Niederlagen der Palmerstonschen
Politik, die dafür nach einer
Kompensation suchte.
Als die Sieger die Türkei [* 13] bedrohten, weil diese den ungarischen Flüchtlingen ein Asyl gewährt hatte, stellte sich Großbritannien auf die Seite der Pforte, und eine englische Flotte lief in die Dardanellen ein, wogegen die Ostmächte vergebens Protest erhoben. Gleichzeitig machte Palmerston von der Machtüberlegenheit Großbritanniens dem kleinen Griechenland [* 14] gegenüber rücksichtslosen Gebrauch. Überhaupt waren diese Revolutionsjahre die Zeit, in der Palmerston (Lord Feuerbrand, wie man ihn nannte) fast in ganz Europa [* 15] und zwar meist in liberalem Sinn zu intervenieren versuchte, was ihm zwar große Popularität eintrug, schließlich aber doch der Machtstellung Großbritanniens mehr schadete als nützte.
Demgemäß
war in der eröffneten Parlamentssession die auswärtige
Politik der
Regierung um so mehr der Hauptzielpunkt
der
Angriffe seitens der
Tories, als die innere
Lage, namentlich die der
Finanzen, sich entschieden gebessert hatte. Im
Oberhaus
wurde denn auch 18. Juni eine von
Lord
Stanley beantragte
Resolution, welche die gegen die griechische
Regierung
ergriffenen Maßregeln mißbilligte, mit 169
Stimmen gegen 132 angeno
mmen. Das
Unterhaus dagegen, auf dessen
Entscheidung alles
ankam, stellte sich nach fünftägigen aufregenden
Debatten 29. Juni mit 310 gegen 264
Stimmen auf die Seite des
Ministeriums u.
billigte dessen gesamte auswärtige
Politik.
Trotzdem schloß die Session 15. Aug. unter bedenklichen Auspizien. Die Mißhandlung des Besiegers der Magyaren, des Generals Haynau, durch den Pöbel in einer Londoner Brauerei (4. Sept.) steigerte das gespannte Verhältnis zu Österreich, gegen dessen deutsche Politik sich gleichzeitig Großbritannien entschieden erklärte. Um dieselbe Zeit rief die vom Papste durch die Bulle vom verfügte Errichtung von zwölf katholischen Bistümern und die Ernennung des Kardinals Wiseman zum Erzbischof von Westminster im ganzen Land lebhafteste Erregung hervor, und unter dem alten Feldgeschrei »No popery!« erklärten sich zahlreiche Versammlungen, Adressen und Proteste gegen die päpstliche Anmaßung.
Infolgedessen brachte Russell gleich nach der Eröffnung der neuen Parlamentssession im Unterhaus eine gegen den Schritt des Papstes gerichtete Bill ein, welche allen nicht anglikanischen Geistlichen verbot, bischöfliche Titel anzunehmen und zu führen, und welche Vermächtnisse an solche Bischöfe, ¶
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welche unrechtmäßige Titel führten, für nichtig erklärte. Ehe es aber zur Annahme dieses Gesetzes kam, erlitt das Ministerium
bei Gelegenheit eines von ihm bekämpften Antrags der Radikalen auf Erweiterung des Stimmrechts eine derartige Niederlage, daß
Russell sich genötigt glaubte, 20. Febr. seine Entlassung einzureichen. Es folgte eine mehrtägige Ministerkrisis; da
aber Lord Stanley nicht im stande war, ein toryistisches Ministerium zu bilden, so mußte Russell, dem eine Vereinigung mit den
Anhängern des gestorbenen Sir Robert Peel nicht gelang, sich auf die Entscheidung der Königin 3. März zur Fortführung
der Geschäfte entschließen. Er legte nun die Bill über die kirchlichen Titel wieder vor, aber so abgeschwächt,
daß nur das Verbot der Annahme kirchlicher Territorialtitel blieb. Am 5. Juli wurde sie mit einigen trotz des Widerstandes der
Regierung hinzugefügten verschärfenden Amendements angeno
mmen.
Noch mehrere andre sogen. »harmlose« Niederlagen, bei denen es eine Majorität von 1 bis zu 60 Stimmen gegen
sich hatte, erlitt das Kabinett; doch blieb es, weil man, wie die letzte Krisis gezeigt hatte, kein andres an seine Stelle zu
setzen wußte. Größeres Interesse als die 8. Aug. geschlossene Session hatte die großartige Schöpfung des Prinzen Albert, die im
Kristallpalast eröffnete erste allgemeine Industrieausstellung, in Anspruch geno
mmen.
Ende 1851 (22. Dez.) überraschte die politische Welt die Nachricht von dem Austritt Palmerstons aus dem Kabinett. Die damals verborgen gebliebenen Gründe dieses Schrittes sind erst später bekannt geworden: Palmerston hatte sofort nach dem Staatsstreich Napoleons III., ohne die Genehmigung der Königin oder die Zustimmung seiner Kollegen abzuwarten, seine Billigung desselben ausgesprochen, ein eigenmächtiges Vorgehen, das natürlich zu seiner sofortigen Entlassung führen mußte, die man ihm übrigens um so lieber erteilte, als seine vielgeschäftige Interventionslust in aller Herren Ländern dem Ministerium schon viele Unbequemlichkeiten verursacht hatte. Als Staatssekretär des Äußern trat Graf Granville ein.
Am wurde das Parlament eröffnet, und 9. Febr. legte Russell dem Unterhaus seine in der vorigen Session angekündigte neue Reformbill vor, die indes so wenig den Ansprüchen der liberaler Gesinnten auf eine wirklich eingreifende Ausdehnung [* 17] des Wahlrechts entsprach, daß sie vom Haus gleichgültig, von der Presse [* 18] aber und im Land mit Hohn und Spott aufgenommen wurde. Ehe es aber noch zu einer ernsthaften Diskussion derselben kam, stürzte Lord Palmerston seine frühern Kollegen.
Das Ministerium hatte angesichts der gespannten auswärtigen Verhältnisse eine beträchtliche Verstärkung [* 19] der Land- und Seemacht beantragt; Palmerston unterstützte zwar die Maßregel, setzte aber 20. Febr. mit Hilfe der Tories ein den Grundcharakter derselben veränderndes Amendement durch und nötigte so die Regierung zum Rücktritt. Nun bildete Lord Stanley, der inzwischen als Lord Derby ins Oberhaus getreten war, ein neues, rein toryistisches Kabinett, in dem er selbst den Vorsitz übernahm, und dessen namhafteste Mitglieder Horace Walpole (Staatssekretär für das Innere), Disraeli (Schatzkanzler), Pakington (Minister für die Kolonien), Henley (Präsident des Handelsamtes) und Lord Malmesbury (Minister der auswärtigen Angelegenheiten) waren.
Das neue Ministerium war gesonnen, nach außen unter Billigung der Vorkehrungen zur Landesverteidigung eine friedliche Politik zu befolgen, im Innern aber, für diese Session wenigstens, weder in Bezug auf die Wahlreform noch in Bezug auf die Finanz- und Handelspolitik wichtigere Maßregeln zu beantragen. Die durch das Stimmenverhältnis im Unterhaus notwendig gemachte Auflösung desselben, welche die Liberalen möglichst frühzeitig wünschten und durch allerhand Interpellationen zu beschleunigen versuchten, sollte erst am Ende der ordentlichen Session erfolgen. In der That setzte die Regierung auch ihre Milizbill durch und schuf somit eine aus 80,000 Freiwilligen bestehende Streitmacht, welche aber nur bei einer Invasion des Landes oder bei drohender Gefahr einer solchen einberufen werden sollte. Dann erst wurde die Session geschlossen und darauf das Parlament aufgelöst.
Die Eröffnung des neuen Parlaments fand 4. Nov. statt. Unter den Mitgliedern des Unterhauses waren 240 zum erstenmal gewählt, so daß die Physiognomie desselben einigermaßen verändert war; das Ministerium konnte auf keine feste Majorität rechnen. Sein Bestand war denn auch nicht von langer Dauer; die von Disraeli eingebrachte Budgetvorlage, welche vorzugsweise die Interessen der seit 1845 durch die freihändlerische Gesetzgebung geschädigten Berufsstände, also z. B. des Grundbesitzes und der Reederei, berücksichtigte, stieß auf so entschiedenen Widerstand, daß das Ministerium 17. Dez. seine Entlassung einreichen mußte.
Graf Aberdeen [* 20] ward darauf mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt. Er selbst ward erster Lord des Schatzes, Schatzkanzler Gladstone, dessen Wendung zur liberalen Partei nun ganz vollzogen war, Staatssekretär des Innern Lord Palmerston, des Auswärtigen Lord J. ^[John] Russell (für den im Februar 1853 Lord Clarendon eintrat, während Russell das Präsidium des Geheimen Rats übernahm). Von den 13 Mitgliedern des Kabinetts gehörten 5 den Peeliten, 5 den Whigs und 3 den andern liberalen Meinungsschattierungen an, so daß die neue Regierung mit einem dem 18. Jahrh. entlehnten Ausdruck als das »Ministerium aller Talente« bezeichnet wurde.
Selten übernahm ein Kabinett unter so günstigen Verhältnissen die Verwaltung; sämtliche Neuwahlen zum Parlament fielen zu seinen gunsten aus, und die Stimmung des gesamten Landes war mit ihm. So verlief denn die Session von 1853, die 11. Febr. eröffnet wurde, auf das glatteste. Der Finanzplan Gladstones, welcher hauptsächlich eine Ausdehnung der Einkommensteuer auch auf die kleinern Einkommen und auf Irland ins Auge [* 21] faßte und dafür eine ganze Reihe wenig einträglicher und unbequemer oder den Verkehr belästigender Abgaben aufhob oder ermäßigte, fand allgemeine Zustimmung und wurde mit großer Majorität (2. Mai) angenommen. Ebenso wurde die Kolonialpolitik der Regierung vom Glück begünstigt und mit Beifall begrüßt. In Asien und Afrika [* 22] war nach dem Ende des Kaffernkriegs und dem günstigen Friedensschluß mit Birma das bedeutende Gebietsteile abtreten mußte (s. Birma, S. 970), die Ruhe hergestellt, und das immer kräftigere Aufblühen der australischen Kolonien förderte die Regierung auf das energischte. Die Entdeckung der Goldfelder in Neusüdwales und Victoria [* 23] (1851) führte große Einwandererströme in diese Länder, die seit dem Aufhören der Deportation von Verbrechern den Charakter als Strafkolonien verloren. Die Regierung erkannte, daß auf Losreißung vom Mutterland gerichteten Bestrebungen am sichersten dadurch vorgebeugt werden könne, daß man den Kolonien eine freie, auf Selbstregierung begründete, ¶