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insbesondere der mächtigen Familie Nevil, der Warwick, der »Königsmacher«, angehörte. 1469 erhob sich im Norden [* 2] ein Aufstand, an dessen Spitze Warwick und des Königs Bruder, Herzog Georg von Clarence, traten. Ersterer zersprengte die königlichen Truppen, nahm Eduard selbst gefangen, gab ihn später zwar wieder frei, hielt ihn aber doch in einer gewissen Abhängigkeit. 1470 brach ein neuer Aufstand in Lincoln gegen Eduard IV. aus; doch gelang es dem König, die Rebellen zu Paaren zu treiben und Warwick zur Flucht nach Frankreich zu nötigen.
Dieser versöhnte sich nun mit der Königin Margarete und dem Haus Lancaster, kehrte an der Spitze eines Heers zurück und erhob Heinrich VI. von neuem auf den Thron. [* 3] Eduard IV., der nach Holland entflohen war, kam aber bald mit burgundischer Unterstützung zurück, siegte bei Barnet über Warwick, der im Kampfe fiel und nahm Heinrich VI. abermals gefangen. Auch die Königin Margarete, die von neuem mit einem Heer gelandet, ward bei Tewksbury geschlagen, mit ihrem Sohn gefangen und letzterer sogleich ermordet. Unter den Anhängern der Roten Rose ließ der König ein furchtbares Blutbad anrichten. Heinrich VI. starb im Tower, nach einem Gerücht durch Eduards IV. Bruder, den Herzog von Gloucester (Richard III.), ermordet.
Während nun das Land einige Zeit Ruhe genoß, entstanden am Hof [* 4] Zwistigkeiten zwischen des Königs Brüdern, den Herzögen Georg von Clarence, welcher sich vor der Schlacht von Barnet mit Eduard wieder versöhnt hatte, und Richard von Gloucester, um das Erbe Warwicks, dessen Töchter sie geheiratet; sie endeten 1478 damit, daß der König den erstern auf unerwiesene Anklagen hin als Hochverräter in den Tower bringen ließ, wo er 18. Febr. starb. Schon vorher hatte Eduard IV. mit seinem Schwager Karl dem Kühnen von Burgund das Bündnis gegen Frankreich erneuert und war 1475 von Calais [* 5] aus in Frankreich eingefallen, ließ sich aber von Ludwig XI. durch eine bedeutende Jahresrente abfinden. In seinen letzten Jahren ward Eduard noch einmal in Zwistigkeiten mit Schottland verwickelt, denen er die Stadt Berwick abgewann: starb er. Nach seinem Tod bemächtigte sich sein Bruder Richard von Gloucester durch einen kühnen Handstreich gegen den Willen der Königin und ihrer Familie des zwölfjährigen Prinzen von Wales, seines Neffen, ließ diesen, einen hoffnungsvollen, über seine Jahre hinaus entwickelten Knaben, als Eduard V. zum König ausrufen und sich selbst zum Protektor des Reichs ernennen.
Die Großen teilten sich in zwei Parteien: die eine, der Königin-Witwe anhängend, hatte den Bruder der letztern, den Grafen Rivers, sowie deren Söhne aus erster Ehe, den Marquis von Dorset und den Lord Richard Grey, die andre den Herzog von Buckingham und den Lord Hastings zu Häuptern. Mit Hilfe Buckinghams war Gloucester zum Protektorat gelangt, und eine Zeitlang, solange er seiner bedurfte, bediente er sich des Herzogs bei seinen Plänen. Zuerst beseitigte er Lord Hastings, der enthauptet wurde; dann bemächtigte er sich, das Asylrecht von Westminster, wohin sich die Königin Elisabeth geflüchtet hatte, nicht achtend, ihres zweiten Sohns, des neunjährigen Herzogs Richard von York, und brachte ihn zu seinem Bruder in den Tower; wenige Tage später wurden Lord Grey und Graf Rivers ohne Urteil und Recht hingerichtet.
Dann verdächtigte Richard die Rechtmäßigkeit der Heirat Eduards IV. mit Elisabeth und demgemäß die legitime Geburt der Prinzen. Da nun Clarence, Gloucesters älterer Bruder, und seine Nachkommenschaft 1478 geächtet worden waren, ließ der Protektor predigen und verkündigen, er, der legitime Sohn Richards von York, sei der allein berechtigte Thronerbe. Am 24. Juni, kurz vor dem für die Krönung Eduards V. angesetzten Tag, hielt Buckingham vor dem Stadtrat und den Bürgern von London [* 6] eine Lobrede auf den Protektor und trug auf einige bestochene Stimmen hin, die als Ausdruck des Volkswillens genommen wurden, mit dem Lord-Mayor und einigen Aldermen am folgenden Tag jenem die Krone an. Wirklich wurde derselbe als Richard III. (1483-85) zum König ausgerufen und 6. Juli gekrönt.
Bald nach dieser Usurpation bereitete sich im Süden und Westen des Reichs eine Erhebung für die im Tower gefangen gehaltenen Prinzen vor. Ehe dieselbe aber noch zum Ausbruch kam, verbreitete sich das Gerücht, dieselben seien im Tower eines gewaltsamen Todes gestorben: wie, ist nicht bekannt geworden; nur eine späte und trübe Quelle [* 7] meldet, daß ein gewisser Sir James Tyrrel, dem der König für eine Nacht die Obhut des Towers anvertraut, die Prinzen unter Kissen und Bettdecken grausam erstickt habe.
Den hierdurch verstärkten Haß des Volkes gegen den Thronräuber benutzend, unterstützte Buckingham aus ehrgeizigen Absichten, oder weil er sich von Richard zurückgesetzt glaubte, die Ansprüche, welche Heinrich Tudor, Graf von Richmond, aus dem Haus Lancaster (von mütterlicher Seite), auf den Thron erhob, und zog zur Unterstützung eines zu gunsten des letztern ausgebrochenen Aufstandes an die Küste, focht aber unglücklich, ward ergriffen und 2. Nov. enthauptet.
Heinrich Richmond, dessen Landung an der englischen Küste mißglückte, floh darauf nach Frankreich zurück; während viele seiner Anhänger unter dem Beil endeten. Ein von Richard berufenes Parlament erklärte die Nachkommenschaft Eduards IV. für unehelich und bestätigte jenem und seinen Nachkommen die Krone. Der Tod seines Sohns und seiner Gemahlin Anna Nevil ließ den König daran denken, sich mit Elisabeth, der ältesten Tochter seines Bruders Eduard IV., zu vermählen und dadurch zugleich deren Verbindung mit Heinrich von Richmond zu verhindern, als dieser, von Karl VIII. von Frankreich unterstützt, bei Milford in Pembrokeshire (Wales) mit etwa 2000 Mann landete, eine große Menge Unzufriedener an sich zog und bei Bosworth (22. Aug.) einen vollständigen Sieg über Richard III. erfocht, den seine eignen Anhänger während der Schlacht verließen. Richard selbst, der letzte männliche Sproß des Hauses Anjou (Plantagenet), wenn man von einem noch lebenden Sohn des Herzogs George von Clarence absieht, fiel nach tapferm Kampf, und damit endete der Krieg zwischen der Roten und Weißen Rose. Mit Heinrich von Richmond, als König Heinrich VII., bestieg das Haus Tudor (s. d.) den Thron von England, welchen es bis 1603 innehatte.
Das Ansehen des Parlaments und des Unterhauses hatte besonders unter den Königen aus dem Haus Lancaster zugenommen. Zweimal saßen Ober- und Unterhaus zu Gericht über die Könige. Das Steuerbewilligungsrecht der Gemeinen und ihr Anteil an der Gesetzgebung waren unantastbar geworden und konnten selbst von den gewaltthätigsten Regenten nicht mehr unbeachtet gelassen werden. Der Sprecher begann stets seine erste Anrede an den König mit der Forderung der Redefreiheit im Unterhaus, und das letztere beanspruchte als sein Privilegium, daß seine Mitglieder während der ganzen Dauer des Parlaments gegen alle gerichtlichen Verfolgungen geschützt ¶
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sein sollten. Unter Heinrich VI. ward eine feste Wahlordnung durchgeführt, indem das Wahlrecht auf solche Freeholders beschränkt ward, welche jährlich ein reines Einkommen von wenigstens 40 Schilling hatten. Hierdurch wurde eine unübersteigliche Grenze zwischen den untersten Klassen und dem Mittelstand gezogen und so während der Zerstörung der alten Aristokratie der Grundstein zu einer neuen gelegt. Diese Vernichtung des alten Adels selbst aber kam wesentlich wieder den Gemeinen zu gute; aus den 30jährigen blutigen Kriegen ging neben dem Königtum nur das Haus der Gemeinen ungeschwächt hervor: es hatte das volle Gleichgewicht [* 9] gegen das Oberhaus erlangt.
Nur noch 29 der alten Lords waren vorhanden, als die Tudors den Thron bestiegen; trotzdem aber blieb eine fortgehende Demütigung der Barone der Grundgedanke der innern Politik der ersten Könige aus dem neuen Haus; wesentlich der mittlere Bürgerstand, die Gentry, ist es, auf die sie sich stützen. Dieser Stand wuchs immer mehr an Stelle des alten großen Adels zu einer regierenden Klasse empor, schied sich aber auch immer bestimmter von den untern Schichten der Bevölkerung. [* 10]
England unter dem Hans Tudor (1485-1603).
Heinrich VII. (1485-1509) war ein kluger Herrscher, vor allem aber ein guter Haushalter. Er ließ durch das Parlament sein und seiner Nachkommen alleiniges Erbfolgerecht anerkennen, erteilte eine allgemeine Amnestie und vermählte sich mit der Prinzessin Elisabeth, der ältesten Tochter Eduards IV. und Erbin des Hauses York, wodurch die Rote und die Weiße Rose vereinigt wurden. Mit leichter Mühe unterdrückte er in den ersten Jahren seiner Regierung einige schwächliche Empörungsversuche.
Lambert Simnel, der sich für den im Tower gefangenen Grafen Eduard von Warwick, den Sohn Georgs von Clarence, ausgab und in Dublin [* 11] als Eduard VI. zum König gekrönt wurde, nahm er 1487 gefangen, strafte seine Anhänger und machte den jungen Prätendenten zu seinem Küchenjungen; Perkin Warbeck, ein andrer Betrüger, der 1492 in Frankreich als Richard, Herzog von York, auftrat, in Flandern anerkannt wurde und seit 1495 in wiederholten Landungen in England, Schottland und Irland sein Glück versuchte, geriet ebenfalls in Gefangenschaft und wurde 1499 mit dem echten Warwick, den er im Tower kennen gelernt und zu einem Fluchtversuch verleitet hatte, hingerichtet. Mit Frankreich war Heinrich seit 1488 gespannt, landete auch 1492 auf französischem Boden und belagerte zum Schein Boulogne, während er schon über einen Frieden verhandelte, der am zu Etaples abgeschlossen ward und den König gegen große Jahrgelder zur Rückkehr bewog.
Am bedeutendsten trat Heinrichs Wirksamkeit in der innern Regierung und Verwaltung hervor. Seine strengen Maßregeln gegen die störrische Aristokratie füllten den Königsschatz und verminderten die Lasten des Volkes. Er setzte eine Kommission ein, um die Krongüter zurückzufordern, welche sich die Großen in Zeiten der Unordnung ohne Rechtstitel angemaßt hatten. Die Gerichtsbarkeit des Geheimen Rats in der Sternkammer dehnte Heinrich auf alle Verbrechen gegen die Autorität des Staats aus und unterwarf ihr auch den Adel. Es entstand somit ein Staatsgerichtshof ohne Geschworne, ohne Appellation, den Mächtigen furchtbar, aber ebendeshalb lange Zeit sehr populär.
Heinrichs finanzielle Verwaltung war oft drückend und lästig, dafür aber begünstigte er Handel und Industrie, die unter ihm mächtig emporblühten; mit der Hansa und den Niederlanden wurden Handelsverträge abgeschlossen, gelegentlich beteiligte er sich auch einmal selbst bei merkantilischen Unternehmungen, wenn sie Gewinn versprachen. Das Volk hatte Grund, mit Heinrich VII. zufrieden zu sein, und nannte ihn den »König der armen Leute«; England genoß seit langer Zeit zum erstenmal die Segnungen des Friedens. Bei seinem Tod, hinterließ Heinrich einen Schatz von 1,800,000 Pfd. Sterl.
Sein Sohn Heinrich VIII. (1509-47) folgte ihm, der im Beginn seiner Regierung, um das Volk für sich zu gewinnen, einige Milderungen der harten fiskalischen Maßregeln anordnete und die unpopulärsten Finanzbeamten beseitigte. Für die auswärtige Politik Heinrichs VIII. war seine 1509 vollzogene Vermählung mit Katharina, Tochter Ferdinands von Aragonien, entscheidend. Im Bund mit seinem Schwiegervater beteiligte er sich am Kriege gegen Ludwig XII. von Frankreich, von dem er die Normandie, Guienne, Anjou, Maine als englische Lehen zurückforderte; doch brachte das Unternehmen nur jenem Vorteil.
Durch den Vertrag von Mecheln [* 12] nahm er 1513 teil an der Heiligen Liga, ging mit 25,000 Mann selbst nach Frankreich und gewann mit seinem Verbündeten, dem Kaiser, die »Sporenschlacht« bei Terouanne am Hügel Guinegate König Jakob IV. von Schottland, welcher den Franzosen durch einen Einfall in England zu Hilfe kommen wollte, verlor bei Flodden Schlacht und Leben. Da aber Heinrichs Allierte ^[richtig: Alliierte] für sich Frieden mit Frankreich schlossen, so gab auch er 1514 den Krieg auf.
Der hauptsächlichste Leiter von Heinrichs Politik in diesen ersten Jahren seiner Regierung war sein Almosenier Thomas Wolsey, der aus niederm Stand zum Erzbischof von York und päpstlichen Kardinallegaten für Großbritannien [* 13] emporstieg, und dessen Ehrgeiz nach der päpstlichen Tiara [* 14] trachtete. Da Kaiser Karl V. ihm seine Unterstützung hierin zusagte, brachte er ein Bündnis zwischen dem Kaiser und Heinrich VIII. zu stande, vermöge dessen Heinrich an dem Kriege gegen Franz I. von Frankreich teilnahm in der Hoffnung, auf dem Festland Eroberungen zu machen; doch mißlangen seine beiden Einfälle in die Picardie (1522 und 1523), und er sah sich, da das Parlament keine weitern Hilfsmittel bewilligte und die von ihm eigenmächtig ausgeschriebene Steuer auf hartnäckigen Widerstand stieß, genötigt, im August 1525 gegen eine bedeutende Geldsumme mit Frankreich Frieden zu schließen.
Unmittelbar nachher begannen die Vorbereitungen zu dem Schritte, der Heinrichs VIII. Regierung vor allem wichtig gemacht hat: zur Lossagung Englands vom Papsttum und zur Einführung der Reformation. Aus des Königs Ehe mit Katharina lebte nur eine Tochter, Maria; zwei Söhne waren jung verstorben. Das erregte Befürchtungen für die Sicherheit der Succession: bis dahin hatte noch nie eine Königin aus eignem Recht in England geherrscht. Auch andre Gründe legten Heinrich und seinem Minister den Gedanken an eine Ehescheidung nahe.
Der letztere wünschte die englische Politik von dem habsburgischen Bündnis zu trennen und die neugeschaffene Allianz mit Frankreich durch eine Verbindung des Königs mit einer französischen Prinzessin zu festigen, und Heinrich selbst war von Liebe zu einer schönen Hofdame seiner Gemahlin, Anna Boleyn, ergriffen, welche seine Gunstbezeigungen zurückwies, solange sie nur seine Buhlerin, nicht seine Gemahlin sein konnte. Als nun überdies gefällige Hoftheologen religiöse Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Heinrichs Ehe vorbrachten (Katharina war vorher seinem Bruder ¶