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Bouvines wurde das vereinigte deutsch-englische Heer entscheidend geschlagen, worauf der König sich zu einem ungünstigen Frieden mit Philipp genötigt sah.
Begründung der englischen Verfassung.
Als Johann nach England zurückkehrte, fand er sein Land in voller Gärung; immer entschiedener verlangten die Barone und großen Kommunen die Anerkennung der alten, von Johann ihnen bisher vorenthaltenen Rechte und Freiheiten. Zuletzt kam es zu offenem Abfall der Barone, die ein großes Heer rüsteten, und mit denen sich die Bürger von London [* 2] verbanden; Johann, von allen verlassen, konnte nicht an Widerstand denken und sah sich genötigt, zu Runnymede, einer Wiese an der Themse unweit Staines, die Magna Charta zu unterzeichnen, welche das ganze Mittelalter hindurch als eine Zusammenfassung der wichtigsten Gesetze Englands gegolten hat, und auf welcher zum Teil noch heute die Freiheiten dieses Landes beruhen. Vor allem sind es zwei Festsetzungen dieses Gesetzes, welche bleibende Wichtigkeit erlangt haben: die eine (Art. 39) sicherte die Freiheit der Person durch die Bestimmung, daß niemand verhaftet, zum Verlust seines Eigentums oder zur Verbannung verurteilt werden solle, wenn er nicht durch gesetzmäßigen Spruch seiner Standesgenossen verurteilt sei;
die andre (Art. 12-14) garantierte die Sicherheit des Eigentums, indem sie die Steuererhebung an die Bewilligung des großen Reichsrats knüpfte, zu welchem die großen Barone einzeln durch königliches Schreiben (writ), die kleinern insgesamt durch den Sheriff geladen werden sollten. Um die Beobachtung dieser und andrer dem Land zugestandener Rechte und Freiheiten zu sichern, ward ein Ausschuß von 25 Baronen eingesetzt, der nötigen Falls mit Waffengewalt für ihre Aufrechthaltung sorgen sollte, und dem das ganze Land den Eid der Treue zu leisten hatte.
Johann hatte zwar die treue Erfüllung seiner Versprechungen beschworen, dachte aber nur an Rache für den Schimpf, den er ertragen hatte. Er ließ daher durch eine Bulle Innocenz' III. vom den Freibrief als erzwungen für ungültig erklären, durchzog mit Soldtruppen plündernd das Land und eroberte Stadt für Stadt, ausgenommen London. In dieser Lage entschlossen sich die Barone, die seit dem Bruch der Magna Charta an eine Aussöhnung mit Johann nicht mehr dachten, französische Hilfe anzurufen, und boten dem Kronprinzen Ludwig von Frankreich, dem Sohn Philipps II., die Krone an. Ludwig erschien auch mit einem Heer und eroberte mit Alexander II. von Schottland den größten Teil von England.
Johann starb in Newark. Ihm folgte sein neunjähriger Sohn Heinrich III. (1216-72) unter der Vormundschaft des päpstlichen Kardinallegaten Guala und des Marschalls Grafen Wilhelm von Pembroke, der unter dem Titel eines »Protektors des Königs und des Landes« die Rechte seines Schützlings mit Umsicht und Kraft [* 3] verteidigte. Er bestätigte die Magna Charta im Namen des Königs, jedoch mit Übergehung der Bestimmung, nach welcher keine Abgabe ohne die Einwilligung der Barone des Großen Rats erhoben werden sollte.
Allmählich begann sich der Anhang des jungen Königs zu verstärken, zumal zwischen den Baronen und ihren französischen Bundesgenossen Mißhelligkeiten ausbrachen; Pembroke erfocht bei Lincoln einen großen Sieg, und auch die französische Flotte erlitt im August bei Dover [* 4] eine schwere Niederlage, worauf Ludwig im Frieden von Lambeth seine Ansprüche aufgab und Großbritannien [* 5] verließ. Darauf leistete auch der König von Schottland von neuem den Lehnseid.
Nachdem der Kardinal nach Rom [* 6] zurückgekehrt und Pembroke 1219 gestorben war, machten sich der Großrichter des Königs, Hubert de Burgh, und der ehrgeizige Bischof Peter von Winchester eine Zeitlang die Leitung der Regierung streitig. 1225 wurde die Magna Charta in der letzterwähnten Gestalt (also ohne Steuerbewilligungsrecht) noch einmal erneuert; 1227 wurde Heinrich III. für mündig erklärt und übernahm die Regierung selbst, stand aber nichtsdestoweniger nach wie vor unter Huberts Leitung, bis es den Intrigen des Bischofs von Winchester gelang, diesen 1232 zu stürzen. Doch schon 1234 erlag auch Peter der allgemeinen Unzufriedenheit über seine Mißregierung. Heinrichs erneuerte Ansprüche auf die Normandie und Poitou führten 1242 zu einem Krieg mit Frankreich; allein er wurde 22. Juli bei Tailleborc an der Charente geschlagen und zum Frieden von Bordeaux [* 7] genötigt, worin er Ludwig IX. sein Recht auf die Länder diesseit der Garonne förmlich abtrat.
Die Bedrückung Englands durch die steigenden Anforderungen seines päpstlichen Oberlehnsherrn wurde immer unerträglicher; als »einen Brunnen, [* 8] der nicht zu erschöpfen sei«, betrachtete Papst Innocenz IV. dies Land. Die allgemeine Unzufriedenheit stieg noch, als 1254 Heinrich mit dem Papst einen Vertrag schloß, durch welchen dieser des Königs Sohn Edmund mit Neapel [* 9] und Sizilien [* 10] belehnte, wogegen der ohnehin mit ungeheuern Schulden belastete König über 135,000 Mark Sterl. nach Rom zu zahlen versprach.
Als nun überdies Richard von Cornwall, Heinrichs Bruder, die deutsche Königskrone annahm, was England mit neuen Opfern bezahlen mußte, und als 1258 infolge einer Mißernte Hungersnot drohte, brach auf dem Parlament zu Westminster (April 1258; der Name Parlament kommt für die Reichsversammlung der Barone eben in dieser Zeit in Aufnahme) der Sturm des Widerstandes los. Das Parlament drängte den König zur Niedersetzung eines Ausschusses von 24 Baronen, von denen er 12 ernennen, das Parlament 12 erwählen sollte, und welche die Klagen des Landes untersuchen und die gesetzliche Ordnung im Reich herstellen sollten. Im Juni d. J. kam dieser Beschluß in einem zweiten Parlament zu Oxford, [* 11] das die spätere Zeit das »wahnsinnige« (the mad parliament) genannt hat, zur Ausführung.
Die 24 Kommissare setzten einen Regierungsausschuß von 15 Personen nieder, in welchem die Gegner des Königs die Majorität hatten, und trafen eine Reihe von Bestimmungen, die sogen. Provisionen von Oxford, deren Ziel es war, die monarchische Regierung durch eine aristokratisch-landständische zu ersetzen. Die hohen Kronbeamten, Großrichter, Kanzler, Schatzmeister, sollten jährlich im Parlament ernannt werden; wenigstens dreimal im Jahr sollte ein Parlament stattfinden und in demselben der Regierungsausschuß mit zwölf von den Baronen gewählten Vertretern für die »ganze Gemeinde des Landes« die öffentlichen Angelegenheiten ordnen.
Einige Jahre hindurch führten nun diese landständischen Vertreter in der That die Regierung, indem der König sich widerwillig ihrer Überlegenheit beugte. Als er aber der Unterstützung des Papstes und Frankreichs sicher zu sein glaubte, versuchte Heinrich, die verlorne Gewalt wiederzugewinnen, und es kam zu offenem Kampf zwischen ihm und den Baronen, deren Führer der hochbegabte Simon von Montfort, Graf von Leicester, [* 12] war. In dem Kampf bei Northampton (5. ¶
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April 1264), worin sich besonders Prinz Eduard, Heinrichs Sohn, auszeichnete, wurden die Barone geschlagen; aber in der Schlacht bei Lewes errang Leicester einen vollständigen Sieg, und König Heinrich und sein Bruder Richard von Cornwall wurden gefangen genommen; zwei Tage darauf ergaben sich auch die beiden Prinzen Heinrich und Eduard. Während nun Leicester, in dessen Händen der König ein willenloses Werkzeug war, die Regierungsgewalt kräftig handhabte, bot die Königin Eleonore in Frankreich und den Niederlanden alles auf, um ihren Gemahl zu befreien.
Leicester mochte empfinden, daß er, um sich zu behaupten, nicht nur der Unterstützung seitens der Barone, sondern auch der Mitwirkung des ganzen Volkes bedürfe; so faßte er einen Beschluß, der für die Entwickelung des englischen Parlamentarismus von der entscheidendsten Bedeutung geworden ist und seinem Namen ein bleibendes Andenken sichert. Noch im Dezember berief er ein Parlament, zu dem nicht nur die Barone gehören, sondern auch aus jeder Grafschaft zwei Ritter, aus einer Anzahl von Städten und Flecken je zwei Bürger gewählt werden sollten.
Der an welchem dies neue Parlament zusammentrat, ist mit Recht als der Geburtstag des englischen Unterhauses bezeichnet worden. Diese Neuerung ist von bleibendem Bestand gewesen, wenn auch Leicester seinen Einfluß zu behaupten nicht vermochte. Ein Bruch zwischen ihm und seinem bisherigen Anhänger, dem Grafen Gilbert von Gloucester, bereitete ihm den Untergang: Gloucester verband sich mit dem aus der Gefangenschaft entflohenen Prinzen Eduard, der Aufstand griff reißend um sich, und Eduard erkämpfte bei Evesham wo Leicester fiel, die Freiheit seines Vaters.
Jetzt glaubte Gloucester die Rolle Leicesters spielen zu können und wendete sich besonders an die Londoner; doch rückte Eduard rasch heran, und der König berief zur Herstellung des Friedens ein Parlament, auf welchem er die Magna Charta von neuem anerkannte, während von den Provisionen von Oxford allerdings nicht mehr die Rede sein durfte. 1270 unternahm Prinz Eduard eine Kreuzfahrt; noch vor seiner Rückkehr starb Heinrich III. Sein Sohn Eduard (IV. oder, als der erste dieses Namens aus dem Haus Anjou, I., 1272-1307) setzte sich vor allem das Ziel, die ganze Insel von Großbritannien unter seinem Zepter zu vereinigen.
Wales hatte bis dahin unter dem mutigen Fürsten Llewellin trotz aller Angriffe seine Unabhängigkeit im wesentlichen behauptet; 1282 wagte dieser sich sogar aus seinen unzugänglichen Bergen [* 14] in die Ebene hervor, ward aber in der Nähe von Carmarthen überwältigt (11. Dez.) und fiel im Kampf. Als dann 1283 auch sein Bruder David gefangen und hingerichtet worden, war die Unterwerfung des Landes vollendet; indem Eduard 1284 seinen eignen, auf dem Schloß Carnarvon gebornen Sohn zum Prinzen von Wales erhob, gab er den Wallisern einen »eingebornen« Fürsten und vollzog zugleich die Vereinigung des Fürstentums mit der englischen Krone. Es folgte der Versuch Eduards, auch Schottland zu unterwerfen. Zunächst ließ er sich nach Aussterben des schottischen Königshauses von Johann Baliol, dem er die Krone zuerkannte, als Oberlehnsherrn von Schottland anerkennen sah sich aber später genötigt, seine so erworbenen Rechte den Schotten gegenüber, welche gegen die englische Herrschaft in Frankreich Hilfe fanden, mit Waffengewalt geltend zu machen.
Bei Dunbar errang Eduard einen vollständigen Sieg, Baliol mußte sich ergeben und ward entsetzt; Schottland schien unterworfen, aber schon 1297 fand ein neuer Aufstand unter William Wallace statt, und das englische Heer ward bei Stirling geschlagen. Um seine ganze Kraft auf die Unterwerfung der Schotten wenden zu können, schloß Eduard darauf unter Vermittelung des Papstes mit Frankreich Frieden; aber trotzdem kam es erst 1305 zur völligen Unterwerfung der aufständischen schottischen Bergvölker mit der Gefangennahme und Hinrichtung ihres Anführers Wallace. Schon im folgenden Jahr rief Robert Bruce seine schottischen Landsleute von neuem unter die Waffen [* 15] und ward zum König von Schottland gekrönt. Eduard aber starb während der Kriegsrüstung gegen ihn
Die fortwährenden Kämpfe, welche Eduard zu führen gehabt hatte, blieben nicht ohne Rückwirkung auf die Entwickelung der Verfassung. Wenn er oft genug Steuern und Abgaben ohne Zustimmung der Gemeinen ausschrieb, so ließ er doch anderseits häufig auch die Vertreter der Grafschaften und Städte zusammenkommen, um sich Abgaben bewilligen zu lassen oder in äußern und innern Angelegenheiten ihren Rat zu hören. 1297 aber mußte er sich, um den schottischen Aufstand zu bezwingen, dazu verstehen, einen Freiheitsbrief zu erlassen, worin den drei Ständen, Geistlichkeit, Adel und Gemeinen, aufs neue die Zusicherung gegeben wurde, daß keine neuen Steuern, Zölle oder Naturallieferungen ohne ihre Bewilligung erhoben werden sollten. Von Wichtigkeit war es auch, daß er die Anmaßungen des Papstes Bonifacius VIII., welcher ihm den Krieg gegen Schottland untersagte, mit Zustimmung der Stände entschieden zurückwies. Ebenso vertrat er dem Papst gegenüber die Statuten, welche er mit Einwilligung der Stände zur Einschränkung der Grundbesitzerwerbungen der Toten Hand (d. h. geistlicher Korporationen) erlassen hatte.
Sein Sohn und Nachfolger Eduard II. (1307-1327) war ein schwacher, genußsüchtiger Fürst, der seinem unwürdigen Günstling, dem Gascogner Piers de Gaveston, allzu großen Einfluß auf die Geschäfte einräumte. Wiederholt verlangten die Barone seine Entfernung, und als dieselbe verweigert ward, erschienen sie 1310 bewaffnet auf dem Parlament zu Westminster und nötigten den König, allen ihren Forderungen zuzustimmen. Ein Ausschuß von 21 Magnaten (die sogen. Ordainers) wurde niedergesetzt.
Die von diesen 1311 erlassene Akte untersagte dem König, ohne Zustimmung der Barone Krieg zu führen, das Land zu verlassen oder hohe Staatsämter zu vergeben, und bestimmte, daß jährlich mindestens einmal ein Parlament zusammentreten sollte. Der König mußte diese Ordonnanzen bestätigen; Gaveston wurde 1312 enthauptet. Auch nach außen hin hatte Eduard II. wenig Glück; Robert Bruce machte in Schottland immer weitere Fortschritte, und als Eduard gegen ihn zog, wurde er von den Schotten bei Bannockburn total geschlagen.
Infolgedessen konnten die Schotten sogar angriffsweise in England und Irland vorgehen; auch die päpstlichen Vermittelungsversuche blieben lange vergeblich, und erst 1319 kam ein zweijähriger Waffenstillstand zwischen Robert Bruce und Eduard zu stande. Bald brachen neue Kämpfe zwischen dem König, der sich den Satzungen der Ordainers nicht auf die Dauer fügen wollte, und in dessen Gunst jetzt die beiden Hugh d'Espencer (Spenser), Vater und Sohn, am höchsten standen, und den Baronen aus, deren Führer Thomas, Graf von Lancaster, war. Letzterer verhandelte mit den Schotten, wurde aber noch ehe die ¶