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vollkommensten Ausdruck fand; ihre Geistlichkeit stand im engsten Anschluß an die römische Hierarchie; in ihrer Verfassung war das feudale System zu einer so vollständigen Herrschaft gelangt wie in keiner andern staatlichen Bildung der Zeit. So geschah es, daß sich lange Zeit die normännischen Sieger und die angelsächsischen Besiegten feindlich und in unvermitteltem Gegensatz gegenüberstanden, diese das Joch der Fremdherrschaft, widerwillig und immer zu Aufständen geneigt, nur trugen, weil sie mußten, jene die Zügel der Regierung um so strenger und fester anzogen, je mißtrauischer und argwöhnischer sie gegen die Unterthanen zu sein Veranlassung hatten. Es bedurfte einer jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte, bis allmählich die Gegensätze sich ausglichen und Angelsachsen und Normannen zu Einer Nation, der englischen, verschmolzen.
England unter Wilhelm dem Eroberer und seinen nächsten Nachkommen (1066-1154).
Die politische Geschichte der Regierung Wilhelms I. (1066-1087) bewegt sich in drei großen Kämpfen. Den ersten hatte er gegen die eingebornen Angelsachsen zu führen, welche an den verschiedensten Stellen Englands bald allein, bald mit fremder (schottischer und dänischer) Unterstützung das Banner der Empörung aufpflanzten und erst nach siebenjährigen, mit unerhörter Grausamkeit und Erbitterung geführten Kämpfen unterworfen wurden. Unmittelbar nachher, im J. 1074, brach gegen den König eine Verschwörung seiner eignen normännischen Barone aus, an deren Spitze Roger von Breteuil, Graf von Hereford, und Radulf von Guader, Graf von Norfolk, standen, die mit den vom König ihnen verliehenen Lehen nicht zufrieden waren, deren Aufstand aber schnell und mit Härte unterdrückt wurde. Im J. 1078 folgte endlich eine Empörung des Prinzen Robert, des ältesten Sohns von Wilhelm, welcher das Herzogtum der Normandie für sich beanspruchte: der Aufstand endete mit der Flucht des Sohns aus den väterlichen Reichen, verwickelte aber den König in Händel mit Frankreich, wo Robert Unterstützung gefunden hatte, und endlich in einen Krieg, in welchem Wilhelm infolge eines Sturzes von seinem Roß in Rouen [* 2] verstarb.
Die Zustände Englands beim Tode des Eroberers erkennt man am besten aus dem zwischen 1083 und 1086 verfaßten Domsdaybook oder Reichsgrundbuch, das eine Grundlage für die ältere Statistik Englands gewährt, wie sie kein andres Land besitzt, und aus dem wir von den damaligen Verhältnissen des Grund und Bodens fast eine genauere Kenntnis erlangen, als wir sie von den heutigen besitzen. Die daraus entwickelte, noch heute der Theorie nach geltende Grundmaxime des englischen Rechts ist, daß der König alleiniger Eigentümer des ganzen eroberten England ist, und daß niemand in seinem Reich Land besitzen kann, das er nicht mittelbar oder unmittelbar durch seine Verleihung erlangt hat.
Der König selbst besaß ein Reservat von ursprünglich mehr als 1000 manors, welche neben einer großen Anzahl von Jagden, Parken und Forsten die königliche Domäne bildeten. Ungefähr 600 Personen und Körperschaften erscheinen als weltliche und geistliche Kronvasallen (chief-tenants, tenentes in capite), welche unmittelbar vom König belehnt und mit größern Güterkomplexen, aber in sehr verschiedenem Maß, ausgestattet waren. Außerdem werden 7871 Afterlehnsleute, 10,097 Freisassen und 23,072 Sochemannen, d. h. Freie mindern Rechts, erwähnt.
Die unfreie, in verschiedenen Abstufungen der Abhängigkeit stehende Bauernschaft und das ländliche Gesinde werden zu etwa 200,000, die Zahl der Knechte auf 25,000 anzunehmen sein, so daß die gesamte ländliche Bevölkerung [* 3] etwa 270,000 Haushaltungen gezählt haben wird. Nur in der ersten Klasse, der der Kronvasallen, sind fast ausschließlich Normannen zu finden; alle übrigen setzen sich aus ihnen und Angelsachsen zusammen. Die Bevölkerung vieler größerer Städte, wie London [* 4] und Winchester, die übrigens durch die Eroberung sehr gelitten hatten, ist im Domsdaybook nicht angegeben, das nur 7968 Bürger aufzählt; bringt man sie mit in Anschlag, so wird man die Zahl der Haushaltungen auf etwa 300,000, die Gesamtbevölkerung Englands aber höchstens auf 2 Mill. Seelen schätzen können.
Die alte Einteilung des Landes in Grafschaften ward beibehalten; an der Spitze einer jeden stand ein Vizecomes oder Sheriff als oberster Beamter in militärischen, finanziellen, administrativen und Justizsachen, der vom König ernannt ward und absetzbar war. Wiederholt im Jahr versammelte der König seine Großen und Vasallen, geistliche wie weltliche, zu Hoftagen, auf denen wohl auch finanzielle Geschäfte erledigt, Recht gesprochen und über wichtige Angelegenheiten in Krieg und Frieden Rat gepflogen wurde. Aber man ist nicht berechtigt, in diesen Versammlungen eine Fortsetzung der angelsächsischen Reichstage oder Witenagemote zu suchen; das normännische Königtum ist ursprünglich kein konstitutionelles, parlamentarisch beschränktes, sondern eine persönliche Regierung im eigentlichsten Sinn des Wortes, von der nur die Kirche vermöge ihres kanonischen Rechts eine gewisse Unabhängigkeit und Selbständigkeit bewahrte.
Auf Wilhelm den Eroberer folgte nach seinem Willen in der Normandie sein ältester Sohn, Robert, in England der zweite, Wilhelm II. (der Rote, 1087-1100), während der dritte, Heinrich, mit einer Geldsumme abgefunden wurde. Ein Aufstand der Barone in England, welche dasselbe nicht von der Normandie getrennt sehen wollten, zu gunsten Roberts wurde von dem König mit Hilfe der von ihm aufgebotenen und dadurch der Krone näher gebrachten angelsächsischen Bevölkerung bald unterdrückt.
Wilhelm bekriegte daraus den König Malcolm von Schottland, der seine Oberhoheit nicht anerkennen wollte, ließ 1093 ihn und seinen ältesten Sohn, Eduard, ermorden und gewann während der darauf in Schottland ausbrechenden Wirren Einfluß auf das Reich. Weniger glücklich waren seine Unternehmungen gegen die Walliser; dagegen erwarb er in Frankreich 1098 Le Mans, [* 5] verunglückte aber auf der Jagd, vielleicht ermordet. Die Versprechungen, gut und gesetzmäßig zu regieren, die er seinen Unterthanen wiederholt gegeben hatte, hat er nicht gehalten; hart und grausam lastete seine Hand [* 6] auf seinem durch Erpressung und Tyrannei schwer bedrückten Lande.
Da er keine Kinder hinterließ und Robert auf einem Kreuzzug begriffen war, so bestieg sein jüngster Bruder, Heinrich I. (Beauclerc, »der schöne Scholar«, oder Clericus genannt, 1100-35), den Thron. [* 7] Um sich denselben durch die Volksgunst zu sichern, bestätigte er in der sogen. Charta libertatum, einer Art von Wahlkapitulation, die alte angelsächsische Verfassung oder, wie man damals sagte, die Gesetze König Eduards mit den Zusätzen Wilhelms des Eroberers. Mit seinen angelsächsischen Unterthanen suchte Heinrich auch dadurch in ein besseres Verhältnis zu gelangen, daß er sich mit Mathilde, einer Urenkelin König Edmunds, vermählte. Als Robert von der Normandie die Krone von ¶
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England durch Waffengewalt zu gewinnen suchte, kam Heinrich durch Vermittelung des Erzbischofs Anselm von Canterbury mit ihm dahin überein, daß Robert die Normandie als Herzog behalten und jährlich 3000 Mark von Heinrich erhalten sollte. Als aber Robert sich weder weise noch stark genug bewies, die Barone der Normandie im Zaum zu halten, erschien Heinrich 1104 daselbst, schlug den Bruder, nachdem mehrere Versuche, eine Versöhnung herbeizuführen, gescheitert waren, bei Tinchebray und hielt ihn 28 Jahre lang bis zu seinem Tod in Cardiff gefangen. So kam die Normandie wieder an die englische Krone und wurde auch gegen Ludwig VI. von Frankreich, welcher Roberts Sohn Wilhelm in deren Besitz schützen wollte, durch einen vom Papst 1119 vermittelten Vergleich behauptet.
Noch einmal, 1127, kam es zwischen Heinrich und Wilhelm, welcher inzwischen die Grafschaft Flandern geerbt hatte, zum Kampf, den aber der Tod des erstern bald beendete; seitdem blieb Heinrich in ruhigem Besitz seiner Reiche. Im Innern führte die Regierung Heinrichs I. zu einer bedeutenden Steigerung der königlichen Macht durch die Demütigung mehrerer übermächtiger Kronvasallen: insbesondere erregte gleich zu Anfang seiner Regierung der Sturz des Grafen von Shrewsbury, Robert von Belesme, die allgemeine Freude der Engländer. Mit dem Klerus stand er in freundlichen Beziehungen, ohne jemals die Hoheitsrechte des Staats den Ansprüchen der Kurie aufzuopfern.
Da Heinrichs einziger Sohn, Wilhelm, samt der Blüte [* 9] des normännisch-englischen Adels 1120 durch Schiffbruch umkam, ließ er seine Tochter Mathilde, die Witwe des deutschen Kaisers Heinrich V., zur Kronerbin erklären und vermählte sie 1129 mit dem 16jährigen Gottfried Plantagenet, Grafen von Anjou. Mathilde fand jedoch nach Heinrichs Tod einen Rival an Stephan von Blois (1135-54), dem Sohn der Adele, einer Tochter Wilhelms des Eroberers, und zwar wußte derselbe durch Bestätigung der Gesetze König Eduards, Milderung der strengen Jagdgesetze und das Versprechen, die geistlichen Pfründen, die seine Vorgänger für sich behalten, herauszugeben sowie die kanonische Wahl der Bischöfe zuzulassen, seine Anerkennung durchzusetzen.
Die Normandie nahm er von Ludwig von Frankreich zu Lehen und besiegte den Grafen Robert von Gloucester, natürlichen Sohn Heinrichs I., der sich wider ihn erhob, sowie in der Standartenschlacht den König David von Schottland, der Mathildens Rechte verteidigte. Da er jedoch bald die bei seiner Thronbesteigung gegebenen Versprechungen vergaß, brach ein allgemeiner Aufstand aus; selbst Stephans eigner Bruder, Bischof Heinrich von Winchester, der seit 1139 zugleich das wichtige Amt eines römischen Legaten bekleidete, erklärte sich gegen ihn, und im September 1139 landeten Mathilde und Robert von Gloucester in England, denen sich ein großer Teil der Barone anschloß. Der Krieg nahm einen für den König ungünstigen Verlauf, und in der Schlacht bei Lincoln mußte Stephan selbst sich ergeben und wurde zu Bristol gefangen gehalten, worauf Mathilde sich 8. April in Winchester zur Königin wählen und krönen ließ. Da sie sich aber weigerte, die Gesetze Eduards anzuerkennen, und durch ihren Übermut und ihre Herrschsucht vielfach Anstoß erregte, dauerte der Kampf fort, in welchem das Land entsetzlich litt.
Robert von Gloucester fiel in die Hände der Gegner und mußte gegen König Stephan ausgewechselt werden; auch Heinrich von Winchester trat wieder zur Partei seines Bruders über. 1147 entschloß sich Mathilde, der zwecklosen Kämpfe müde, nach Frankreich zurückzukehren, wogegen ihr Sohn Heinrich, der 1149 vom König David von Schottland zum Ritter geschlagen wurde, jetzt in den Vordergrund trat. Diesem übertrug König Ludwig VII. von Frankreich die Regierung der Normandie, womit er das von seinem Vater ererbte Anjou und 1152 nach seiner Vermählung mit der Gräfin Eleonore von Poitou und Guienne auch diese Lande vereinigte. 1153 landete Heinrich in England; aber eine entscheidende Schlacht ward vermieden, und unter Vermittelung der Großen kam es in Wallingford zu Friedensverhandlungen, welche in Westminster vervollständigt wurden.
Stephan adoptierte Heinrich als Sohn und Erben des Königreichs, wogegen dieser für Stephans Lebenszeit auf seine Rechte auf die Krone verzichtete; Stephans Sohn Wilhelm sollte alles, was sein Vater vor der Thronbesteigung besessen, und alles, was er selbst persönlich erworben hatte, behalten. Außerdem war in dem Vertrag die Bestimmung enthalten, daß die vielen seit Stephans Regierungsantritt unrechtmäßig errichteten Burgen [* 10] geschleift werden sollten. Kaum ein Jahr später, starb Stephan plötzlich in Canterbury, und dem Erbvertrag gemäß bestieg nun (die erste unbestrittene Erbfolge seit der Eroberung) Heinrich II. und mit ihm das Haus Anjou (Plantagenet, 1154 bis 1485) den Thron Englands.
Die ersten Könige aus dem Hans Plantagenet.
Heinrich II. (1154-89) vereinigte sein väterliches Erbe und das seiner Frau sowie später das der Frau seines Sohns mit England und breitete hierdurch die Herrschaft des Königs von England über einen großen Teil von Frankreich aus. Wiederholt hatte er mit den Fürsten von Wales zu kämpfen; 1171 unternahm er einen erfolgreichen Zug nach Irland, empfing die Huldigung der geistlichen und weltlichen Großen dieses vielgeteilten Landes, ließ sich zu Dublin, [* 11] wo er bis Februar 1172 verweilte, einen Palast erbauen und legte so den ersten Grund zu der Besitznahme Irlands durch die Schwesterinsel.
Auch gegen Schottland, das sich in die innern Angelegenheiten Englands einmischte, war Heinrich II. glücklich: König Wilhelm von Schottland wurde 1174 gefangen genommen und mußte seine Freiheit mit der Anerkennung der englischen Lehnshoheit erkaufen. Unter Heinrichs Kämpfen in Frankreich ist von besonderer Wichtigkeit sein Zug gegen Toulouse, [* 12] auf das seine Gemahlin Ansprüche hatte, 1159, weil auf ihm zuerst das Schildgeld (scutagium) erhoben ward, eine Kriegssteuer, welche in der Folge beibehalten wurde und dem Feudalwesen einen ersten Stoß versetzte, insofern sie die Ablösung des persönlichen Kriegsdienstes gestattete und dem König die Möglichkeit gewährte, ein Söldnerheer zu unterhalten.
Von ganz besonderer Bedeutung aber ist Heinrichs II. Regierung für die innere und Verfassungsgeschichte Englands gewesen. Durch seinen Streit mit Thomas Becket (s. d.), Erzbischof von Canterbury, wurde der Kampf zwischen Staat und Kirche, welcher zu derselben Zeit auf dem Kontinent stattfand, auch auf den Boden von Großbritannien [* 13] verpflanzt. Durch die 16 Konstitutionen von Clarendon (1164) suchte der König die streitigen Punkte unter strenger Wahrung der staatlichen Rechte zu schlichten, machte die Exkommunikation seiner Lehnsleute von seiner Zustimmung abhängig, behielt sich die Lehnsgerichtsbarkeit auch über Erzbischöfe und Bischöfe vor, ebenso einen Einfluß auf die Wahl zu den geistlichen Stellen und schränkte den Verkehr des Klerus mit Rom [* 14] ein. Der ¶