großes, teilweise unter dän.
Landeshoheit stehendes Nordpolarland, welches die europäischen
Eismeere (zunächst
die
Dänemarkstraße und
Grönlandsee) von den amerikanischen
(Davisstraße,
Baffinsbai,
Smithsund,
Kennedy- und
Robesonkanal) trennt.
Von
KapFarewell im S. (59° 45' nördl.
Br.) erstreckt sich Grönland, soweit dasselbe bisher bekannt ist, bis über den 83. Breitengrad
hinaus. Die Form des
Landes erfährt von der Südspitze aus durch nordöstliche
Richtung der Ostküste eine allmähliche Verbreiterung;
vom 70.° nördl.
Br. ab laufen beide
Küsten in fast nördlicher
Richtung parallel, bis auf der Westseite bei
KapWalker
[* 10] im Innern
der Melvillebai eine ausgedehnte Halbinselbildung eintritt, bei der die allgemeine Küstenrichtung jedoch
vom
Smithsund an (das Kanebecken, den
Kennedykanal, das Hallbecken und den
Robesonkanal entlang) eine nordöstliche wird, so
daß jenseit des 82.
Parallels dem Land anscheinend nur noch eine
Breite
[* 11] von weniger als 30 Längengraden bleibt.
Der Flächeninhalt bis zum 82½ Breitengrad beträgt 2,169,750 qkm (34,905 QM.).
Dieser gewaltige Inselkörper bildet ein
Hochland, welches die höchsten
Gebirge der Polarregion umfaßt. Der bedeutendste,
von
Payer in Ostgrönland gemessene Berggipfel, die Petermannspitze, in der
Nähe des
Franz Josephs-Fjords, steigt bis zu ungefähr 4270
m an;
nördlich davon gelegene Eisspitzen übertreffen diese
Höhe noch bei weitem.
Hohe Steilküsten erheben sich
über den grönländischen
Meeren; mächtige
Fjorde schneiden tief in das Land ein; bei manchem derselben ist das Ende bis
heute unerforscht.
Das
Innere überzieht eine ungeheure
Eis- und Gletschermasse bis in die unmittelbare
Nähe der südlichen und westlichen
Küsten,
so daß hier nur ein schmaler, an der Westküste 100-130, an der Ostküste 15-30 km breiter
Saum als bewohnbar
übrigbleibt. In die großen
Fjorde münden
Gletscher von kolossaler
Breite und
Höhe, die mit steilen
Wänden ins
Meer abfallen
und bei reißend schnellem Fortschreiten (der Eisstrom des Jakobshavner
Fjordes legt in 24
Stunden 15
Meilen zurück) jene riesenhaften
Eisberge absetzen, welche von den
Meeresströmungen
[* 12] bis weit nach dem
Süden in den Bereich unsrer atlantischen
Schiffahrt geführt werden.
Die eigentümliche Gruppenentwickelung der grönländischen
Gebirge und die vielen nur in ihren Anfängen bekannt gewordenen
Fjorde haben die
Vermutung hervorgerufen, daß Grönland aus einer Anzahl größerer und kleinerer
Inseln bestehe. Seine bedeutendste
Erhebung erreicht an der Ostseite und senkt sich wahrscheinlich allmählich nach der weniger hohen
Westküste. Die in Grönland am häufigsten vorkommenden
Gebirgsarten sind:
Granit und
Gneis, metamorphischer
Schiefer (in welchem der
talkartige sogen.
Topfstein vorkommt, aus dem der Grönländer seine
Gefäße macht), silurischer
Kalkstein im
NW., roter
Sandstein
devonischen
Alters, fernerSyenite und
Grünsteine, alle reich an beigemengten schönen
Mineralien
[* 13]
(Granat,
[* 14] Zirkon,
[* 15] Sodalit etc.).
Porphyre und
Basalte sind nicht minder verbreitet.
Bei
Disko finden sich Kreidelager und tertiäre
Braunkohle vor, in welcher untergegangene Laubwälder eine
MengeAbdrücke hinterlassen
haben (s.
Disko). Bei Ivigtut im Arsukfjord (61° 12' nördl.
Br.) treten
Kupfer-, Eisen.- und
Zinnerze sowie
Silber- und Bleierze zu
Tage, und an derselben
Stelle findet sich der sonst nur bei
Mijask in
Sibirien vorkommende
Kryolith, der
durch eine 1850 konzessionierte
Gesellschaft abgebaut wird, welche 1883-84: 112
Arbeiter beschäftigte und 571½ Kubikklafter
Kryolith ausführte.
Reißblei gehört ebenfalls zu den mineralogischen Erzeugnissen Westgrönlands. Eine besonders merkwürdige
Erscheinung ist das im
Basalt gediegen vorkommende
Eisen,
[* 16] welches bis auf die neueste Zeit
(Steenstrup) für meteorisch gehalten
wurde.
HeißeQuellen sollen früher vorgekommen sein; nach einer
Sage benutzten die
Mönche des normännischen Thomasklosters
eine solche nicht nur zur
Heizung,
[* 17] sondern auch zum
Kochen und zur
Anlage von Wintergärten. Die
Vegetation
Grönlands bleibt infolge der niedrigern
Temperatur selbst auf den bewohnten
Strecken der südlichen und westlichen
Küste weit
hinter derjenigen
Skandinaviens und andrer unter gleicher
Breite liegender Gegenden
Europas,
Asiens und des westlichen
Amerika
[* 18] zurück. So hat
Godthaab in Westgrönland unter 64° nördl.
Br. ein Jahresmittel von -2,05° C., ein Wintermittel
von -9,8° C., während bei
Tromsö in
Norwegen,
[* 19] unter fast 70° nördl.
Br., diese
Mittel +2,15° C. und -3,8° C. betragen.
Das Pflanzenverzeichnis der dänischen
Kolonien umfaßt neben
Moosen,
Flechten
[* 20] und
Algen
[* 21] nicht mehr als 378
Blütenpflanzen; nur
an einzelnen geschütztern
Stellen unterbricht zur Sommerzeit ein bunter
Schmuck wilder
Blumen auf grünem
Rasen die
Öde der Felsenufer. Die Baumvegetation ist vertreten durch
Weiden- und Birkengestrüppe; im äußersten
Süden kommt
der
Wacholder
(Juniperus nana) vor.
Beeren und Seepflanzen ersetzen das
Gemüse. Das westliche Grönland ist durch ein etwas milderes,
aber auch feuchteres
Klima
[* 22] bevorzugt; ein die Westküste begleitender
Arm des atlantischen Flutwassers
macht zugleich diese Küstenstrecke bis weit nach
Norden
[* 23] hinauf zugänglich. Einen nachteiligen Einfluß auf die
Temperatur-
und Eisverhältnisse übt bis gegen Frederikshaab der um
KapFarewell herumbiegende
Arm des ostgrönländischen
Polarstroms aus.
An der Ostküste zieht dieser Eisstrom in seiner
¶
mehr
ganzen Mächtigkeit hin. Das Klima ist hier trockner als irgendwo sonst in der Nordpolregion, abgesehen von den Festländern;
im Winter herrscht strenge Kälte, doch ermöglichen die heißen Sommer ein verhältnismäßig üppiges Pflanzenleben. Die Tierwelt
Grönlands ist ziemlich reich ausgestattet. Das Meer hat Überfluß an Fischen und großen Säugetieren; unter den
Landsäugetieren sind der Eisbär, der Eisfuchs, der Eskimohund, der Lemming, der Schneehase, das Renntier, das Hermelin und
der Moschusochs zu nennen.
Zahllose Scharen von Seevögeln beleben im Sommer die Küsten. Für menschliche Ansiedelungen geeignet sind nur der westliche
und südliche Küstenrand, etwa 88,100 qkm (1600 QM.); an der Westküste zählte
man 9781 Eskimo (5503 in Südgrönland, 4278 in Nordgrönland) und 280 Europäer. An der Ostküste fand man im Herbst 1884 südlich
vom 68.° nördl. Br. 548 Bewohner, davon 247 männlichen, 301 weiblichen Geschlechts. Lebensweise, Wohnung und Kleidung der
grönländischen Eskimo sind den polaren Verhältnissen vortrefflich angepaßt, Schlitten und Kajak (Einmannboot)
ihre wichtigsten Geräte, ihre Haupterwerbsquellen der Fang der Seehunde, Wale
[* 25] und Weißfische, die Renntierjagd und die Ausbeutung
der Vogelfjelde.
Auf Moralität und Bildungszustand dieser Naturmenschen haben die dänischen und deutschen Missionäre in vorteilhafter Weise
eingewirkt. Von den jetzt bestehenden 13 Missionsplätzen gehören 7 der 1721 von HansEgede begründeten
dänischen Mission an, welche 7 europäische Missionäre und 10 eingeborne Gehilfen beschäftigt und gegen 6000 Bekenner zählt,
die übrigen 6 der HerrnhuterBrüdergemeinde, welche sich seit 1733 mit Erfolg an dem grönländischen Missionswerk beteiligt
hat und 9 europäische Missionäre mit 36 eingebornen Gehilfen beschäftigt; die Zahl ihrer Anhänger betrug
1886: 1556. In kirchlicher Beziehung wird das dänische Grönland zum Sprengel des Bischofs von Zeeland gerechnet, in weltlicher Beziehung
steht es unter dem Direktorat für den königlichen grönländischen Handel und zerfällt in zwei Inspektorate: Nordgrönland
mit den KolonienUpernavik, Omenak, Ritenbenk, Jakobshavn, Kristianshaab, Egedesminde und Godhavn und Südgrönland mit
Holstenborg ^[richtig: Holstensborg], Sukkertoppen, Godthaab, Frederikshaab (mit dem Bergwerksort Ivigtut) und Julianehaab.
Der Handel ist ausschließlich in den Händen der Regierung, welche 1883 für 742,644 Kronen
[* 26] ein- und für 462,433 Kronen ausführte.
Die Ausfuhr bestand 1883 bis 1884 aus 10,632 Ton. Robbenspeck, 1419 Ton. Fischleber, Seehundsfellen, Walfischbarten, Eiderdaunen
und etwas Pelzwerk;
[* 27] die Einfuhr aus Schiffsbrot, Butter, Speck, Grieß, Erbsen etc. und den nötigen Kolonialwaren.
S. Karte »Nordpolarländer«
[* 28] und »Nordamerika«.
[* 29]
[Geschichte.]
Im Anfang des 10. Jahrh. n. Chr. entdeckte der Isländer Gunnbjörn, des Ulf Kraka Sohn, die nach ihm benannten
Gunnbjörnschären (jetzt Danellsinseln) und sah von hier aus die südliche Ostküste Grönlands. Dann
landete 983 der aus Island
[* 30] verbannte Normanne Eirekr hinn Raudi Thorvaldson (Erich der Rote) an der Westküste und brachte mehrere
Jahre an derselben zu. 985 kehrte er nach Island zurück, wo er über das »grüne Land« im Innern der Fjorde so günstig berichtete,
daß er 986 eine größere Ansiedelung dorthin führen konnte, der bald andre folgten.
Erik selbst erbaute sich sein Haus zu Brattahlid zwischen dem Eriks- und dem Einarsfjord, wo noch heute die Grundmauern desselben
zu sehen sind. Die Kolonie blühte 300-400 Jahre, und es entstand zwischen ihr und dem Mutterland ein
regelmäßiger Verkehr.
Die Zahl der Ansiedler wuchs so schnell, daß bald nach Einführung der christlichen Religion (um 1000)
durch Leif Erikson, den der norwegische König Olaf dahin sandte, mehrere Kirchen längs der Küste gebaut und unter einen Bischof
gestellt wurden, der 1126 seinen Sitz zu Gardar bei Brattahlid aufschlug.
Die Kolonisten hielten Rindvieh und Schafe
[* 31] und trieben Jagd und Fischerei.
[* 32] Die Niederlassung hatte etwa 10,000
Einw. und zerfiel in einen östlichen und einen westlichen Teil, Estribygd und Vestribygd, beide
auf der Westküste gelegen, das erste zählte im 13. Jahrh. 190 Höfe und 12 Kirchen, das zweite 90 Höfe und 4 Kirchen. Die
Kolonie kam 1261 unter die Herrschaft Norwegens, die ihr durchaus nicht förderlich war. Der Handel mit
Europa
[* 33] geriet in Verfall, jahrelang war der Verkehr völlig unterbrochen.
Ende des 14. Jahrh. wurde die Vestribygd von den Skrälingern (Eskimo) vollständig, 1418 die Estribygd von englischen Seeräubern
fast ganz verwüstet. Erfolglos sandten in der Folge mehrere Könige von Dänemark
[* 34] Expeditionen zur Wiederauffindung
der verschwundenen grönländischen Kolonie aus, die man irrigerweise an der Ostküste suchte. Auch als die Westküste unterdessen
von Davis (1585-87), Hudson (1607), Baffin (1616) und von Walfischfahrern wieder besucht ward, fand man keine Spur von einer
europäischen Niederlassung.
Erst 1723 ward eine neue Kolonie (Godthaab) auf Grönland und zwar auf der Westküste durch den MissionärHansEgede (s. d.) gegründet. Während eine militärische und Strafkolonie, welche 1728 von der dänischen Regierung in Grönland gegründet
ward, bald wieder einging, behauptete sich Egede trotz großer Schwierigkeiten. Der Handel, der 1750 einer besondern Kompanie
als Monopolübertragen wurde, begann aufzublühen. 1782 erhielt die Niederlassung ihr Grundgesetz. Seit
der Abnahme des Walfischfanges sank der Handel wieder und erlitt auch zur Zeit der Napoleonischen Kriege harte Verluste.
Neuere Seefahrer haben die Kenntnis der Küsten bedeutend erweitert. Auf der Westküste drang Kane 1853 bis zur Rensselaerbai
vor (78° 38' nördl. Br.); den nördlichsten Punkt (83° 24' nördl. Br.) erreichte Lockwood In dasInnere in westöstlicher Richtung über die berühmte grönländische Eisdecke zu dringen, wurde wiederholt versucht, so drangen 1878 Jensen,
Kornerup und Groth 10 geogr. Meilen weit ins Innere vor und erstiegen am fernsten Punkte der mühevollen Eisfahrt einen
Gipfel von 1556 m absoluter Höhe, von dessen Spitze aus jedoch nur Eis
[* 35] auf ansteigendem Boden zu sehen war.
In denSommern der Jahre 1880 und 1881 bereiste der Marineleutnant Holm die Gegend beim KapFarewell, betrat dieses als erster
Europäer und bestimmte seine Lage mit Sicherheit. Im Sommer 1883 machte Nordenskjöld auf Kosten des Großhändlers
OskarDickson, und vom König von Schweden durch Überlassung des Postdampfers Sophia zu diesem Zweck unterstützt, den Versuch,
von dem Aulaitsivikfjord an der Westküste, südlich der Diskobai, aus den von ihm im Innern vermuteten eisfreien Kontinent
zu erreichen, fand seine Theorie aber nach einmonatlichen Versuchen widerlegt, so daß man zu dem sichern
Schluß gelangt ist, daß Binnengrönland unter Eis begraben liegt. Ebenfalls 1883, aber nach Nordenskjöld, gingen von Dänemark
zwei Expeditionen nach Grönland, von denen die eine unter dem Marineleutnant Hammer
[* 36] ihre Aufgabe, die Lücken an der Küste auszufüllen,
welche die Karte zur Zeit noch bot, ziemlich vollständig lösen konnte. HammersArbeiten wurden durch die
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