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»Germania« [* 2] und in den »Abhandlungen« der Berliner [* 3] Akademie nieder; von letztern erschien in besonderm Abdruck die Schrift »Über den Ursprung der Sprache« [* 4] (Berl. 1852, 7. Aufl. 1879). In der Vorrede zu Merkels »Lex salica« (Berl. 1850) behandelte er ausführlich die Malbergische Glosse. In Gemeinschaft mit seinem Bruder begann er endlich noch in hohem Alter die umfassendste Arbeit seines Lebens, das »Deutsche [* 5] Wörterbuch« (Leipz. 1852 ff.), welches den gesamten neuhochdeutschen Sprachschatz, soweit er in den Litteraturwerken von Luther bis Goethe enthalten, darzulegen bestimmt ist, und dessen Weiterführung nach seinem Tod Hildebrand und Weigand übernahmen, denen sich später Moritz Heyne und M. Lexer anreihten. Grimm starb unverheiratet in Berlin. [* 6]
Eine Sammlung von Abhandlungen, Rezensionen, Reden etc. von Jakob Grimm erschien unter dem Titel: »Kleinere Schriften« (Berl. 1867-86, 8 Bde.; Auswahl daraus, 2. Ausg. 1875),
worin auch seine Selbstbiographie enthalten ist. Ein lebendiges Bild seiner Persönlichkeit geben seine in großer Anzahl veröffentlichten Briefe, so: der »Briefwechsel zwischen Jakob Grimm und J. D. ^[richtig: F. D. für Friedrich David] Graeter aus den Jahren 1810-13« (Heilbr. 1877);
»Freundesbriefe von Wilh. und Jakob Grimm« (das. 1878);
»Briefwechsel des Freiherrn v. Meusebach mit Jakob und Wilh. Grimm« (das. 1880);
»Briefwechsel zwischen Wilhelm und Jakob Grimm aus der Jugendzeit« (Berl. 1881);
»Briefe an Hendrik Willem Tydeman« (Heilbr. 1882);
»Briefwechsel der Brüder Grimm mit nordischen Gelehrten« (Berl. 1885);
»Briefwechsel zwischen Jakob und Wilhelm Grimm, Dahlmann und Gervinus« (das. 1885, 2 Bde.).
Vgl. Scherer, Jakob Grimm (2. Aufl., Berl. 1884);
Berndt, Jakob Grimms Leben und Werke (Halle [* 7] 1884);
A. Duncker, Die Brüder Grimm (Kassel [* 8] 1884);
Schönbach, Die Brüder Grimm (Berl. 1885);
Stengel, [* 9] Private und amtliche Beziehungen der Brüder Grimm zu Hessen [* 10] (Marb. 1885, 2 Bde.).
3) Wilhelm Karl, ausgezeichneter deutscher Altertumsforscher, Bruder des vorigen, geb. zu Hanau, [* 11] genoß mit seinem Bruder Jakob gleiche Erziehung und gleichen Unterricht, besuchte, wie dieser, das Lyceum zu Kassel und die Universität Marburg, [* 12] letztere jedoch ein Jahr später als Jakob, und erfreute sich ebenfalls des Wohlwollens Savignys, der ihn für die Rechtswissenschaft bestimmte. Asthmatische Beschwerden und eine Herzkrankheit, zu deren Heilung er 1809 zu Reil nach Halle ging, verboten ihm längere Zeit, sich um ein Amt zu bewerben. Er genas nur langsam, doch vollständig, wenn er auch seinem Bruder Jakob an körperlicher Rüstigkeit stets nachstand. Er wurde 1814 zum Bibliotheksekretär in Kassel ernannt, wo er sich auch verheiratete, und folgte Anfang 1830 seinem Bruder nach Göttingen, [* 13] wo er die Stelle eines Unterbibliothekars und 1835 eine außerordentliche Professur in der philosophischen Fakultät erhielt.
Seine übrigen Lebensschicksale sind aufs engste mit denen seines Bruders Jakob verflochten: auch er gehörte zu den Sieben, welche gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes protestierten, und wurde infolgedessen seines Amtes entsetzt, durfte aber noch bis Oktober 1838 in Göttingen bleiben, worauf er sich zu seinem Bruder nach Kassel begab. Mit diesem ging er 1841 nach Berlin; hier starb er Die Gemeinsamkeit und gegenseitige Ergänzung der beiden Brüder in Hinsicht auf deutsche Wissenschaft und Politik, Überzeugungstreue, Arbeitskraft und Richtung ihres Wirkens steht als ein seltenes Beispiel da. Mit liebevoller Hingabe hat Wilhelm Grimm seine Forschungen besonders der Poesie des Mittelalters zugewendet.
Außer einer Anzahl mit seinem Bruder Jakob bearbeiteter Werke (so der »Kinder- und Hausmärchen«, an deren Bearbeitung ihm der Hauptanteil gebührt) veröffentlichte er allein: »Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen«, übersetzt (Heidelb. 1811);
»Über deutsche Runen« [* 14] (Götting. 1821; Nachtrag: »Zur Litteratur der Runen«, 1828);
Ausgaben des »Grave Ruodolf« (das. 1828, 2. Aufl. 1844; Bruchstücke eines Gedichts aus dem 12. Jahrh.),
des »Hildebrandsliedes« (Faksimile, das. 1830),
des »Freidank« (das. 1834, 2. Ausg. 1860),
des »Rosengarten« (das. 1836),
des »Rolandsliedes« (das. 1838),
des »Wernher vom Niederrhein« (das. 1839),
der »Goldenen Schmiede« (Berl. 1840) und des »Silvester« von Konrad von Würzburg (Götting. 1841),
des »Athis und Prophilias« (das. 1846, Nachtrag 1852),
der »Altdeutschen Gespräche« (Berl. 1851, Nachtrag 1852).
Sein Hauptwerk ist »Die deutsche Heldensage« (Götting. 1829; 2. Aufl., Berl. 1867),
eine Zusammenstellung der Zeugnisse für dieselbe, nebst einer Abhandlung über ihren Ursprung und ihre Fortbildung. Außerdem sind zu erwähnen: die in der Berliner Akademie gelesene Abhandlung »Exhortatio ad plebem christianam« (Berl. 1848),
mit der eine Abhandlung über die »Glossae Casselanae«, welche zu den ältesten Denkmälern der deutschen Sprache gehören (Nachtrag hierzu 1855),
sowie eine andre »Über die Bedeutung der deutschen Fingernamen« verbunden ist;
ferner die gelehrte Untersuchung über »Die Sage vom Ursprung der Christusbilder« (das. 1843);
die Abhandlung »Über Freidank« (das. 1850, mit 2 Nachträgen 1852 u. 1856);
»Zur Geschichte des Reims« [* 15] (das. 1852) und »Die Sage von Polyphem« (das. 1857);
seine »Kleinern Schriften« (hrsg. von Hinrichs, Berl. 1881-86, 4 Bde.) enthalten eine Sammlung seiner Rezensionen und zerstreuten Abhandlungen, darunter seine Autobiographie. Grimm veranstaltete 1839 auch eine Ausgabe der Werke Achim v. Arnims.
4) Ludwig Emil, Maler und Kupferstecher, Bruder der beiden vorigen, geb. zu Hanau, kam um 1808 nach München [* 16] zum Kupferstecher Karl Heß, unter dessen Leitung er bald mit der Radiernadel und später auch mit dem Grabstichel Tüchtiges leistete; doch zog er später die Radiernadel vor und verband nur da, wo es Kraft [* 17] und Harmonie erforderten, mit der erstern die kalte Nadel. Grimm radierte eigne Kompositionen, Landschaften, Tiere, am liebsten Bildnisse. Seine Behandlung der Nadel ist frei, die Gegenstände sind durchgehends rein, zierlich und zuweilen bis zur Vollendung ausgeführt.
Nachdem er an den Befreiungskriegen teilgenommen, kehrte er 1814 nach Kassel zurück, besuchte 1816 Italien [* 18] und arbeitete dann bis Anfang 1818 in München, worauf er sich in seiner Heimat niederließ. 1832 wurde er Professor an der Akademie zu Kassel. Er starb daselbst. Bekannt ist seine Madonna in einer Landschaft mit Joseph, Georg und Augustin. Eine Sammlung radierter Blätter, enthaltend historische Darstellungen, Genrebilder, Köpfe, Bildnisse und Landschaften, gab er 1840 mit einem Titelblatt: die Märchenerzählerin, heraus, welchem Werk 1854 noch 30 Blätter als Supplement folgten.
5) Heinrich Gottfried, Mediziner, geb. zu Sargstedt bei Halberstadt, [* 19] studierte 1821 im Friedrich Wilhelms-Institut in Berlin, diente dann ein Jahr im Chariteekrankenhaus, dirigierte 1830 während der polnischen Insurrektion ein leichtes Feldlazarett und folgte 1832 einem Kommando in die französischen und holländischen Lazarette bei dem ¶
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Bombardement von Antwerpen. [* 21] Darauf zum Leibarzt des Königs ernannt, wurde er 1835 als Regimentsarzt nach Potsdam [* 22] versetzt, kehrte 1838 abermals nach Berlin zurück, um als Subdirektor die Leitung der militärärztlichen Bildungsanstalten zu übernehmen. 1844 wurde er Generalarzt, 1847 zweiter und 1851 erster Generalstabsarzt der Armee und Chef des Militärmedizinalwesens, in welcher Stellung er bis 1879 verblieben ist. Er starb in Berlin. hat sich große Verdienste um die Entwickelung des preußischen Militärmedizinalwesens erworben, das in seiner jetzigen Gestalt wesentlich sein Werk ist. Er hat durchgreifende Reformen in demselben ausgeführt, die zum Teil schon ihre Feuerproben in den letzten Kriegen rühmlichst bestanden haben. Als Schluß seiner Thätigkeit kann die 1880 erschienene »Kriegssanitätsordnung« betrachtet werden.
6) August Theodor von, Schriftsteller, geb. zu Stadtilm im Schwarzburgischen, widmete sich dem Studium der Philosophie und Geschichte in Jena, [* 23] Halle und Berlin und begab sich 1827 zu einem Oheim nach Petersburg, [* 24] wo er vorzugsweise französische, englische und russische Sprachstudien trieb und mehrere Jahre als Lehrer an einer Erziehungsanstalt wirkte. Nachdem er 1832 eine gräfliche Familie auf einer Reise nach Deutschland, [* 25] Frankreich und Italien begleitet hatte, vertiefte er sich in Rom [* 26] eine Zeitlang in das Studium der klassischen Altertümer, besuchte darauf mit dem Sohn des spätern Reichskanzlers, Grafen Nesselrode, die ersten Höfe Europas und wurde nach seiner Rückkehr 1835 zum Studiendirektor ernannt, als welcher er die Erziehung des Großfürsten Konstantin und der Großfürstin Alexandrine leitete.
Erstern begleitete er 1845-47 auf Reisen nach dem nördlichen und östlichen Rußland, nach der Krim, [* 27] nach Kaukasien, Syrien und Griechenland, [* 28] wo er einen längern Aufenthalt zum Studium der griechischen Altertümer benutzte, und nach Algerien. [* 29] Bei der Vermählung des Großfürsten 1847 ward er zum Staatsrat ernannt und geadelt, worauf er bis 1852 auch die Erziehung der jüngern Großfürsten, Michael und Nikolaus, leitete. Im genannten Jahr zog er sich aus Gesundheitsrücksichten nach Dresden [* 30] zurück, wo er seine »Wanderungen nach Südosten« (Berl. 1855-57, 3 Bde.) und seinen Roman »Die Fürstin der siebenten Werst« (Petersb. 1858; deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1861, 2 Bde.) schrieb, dessen Titel von dem in Petersburg üblichen Gebrauch, mit der »siebenten Werst« des Peterhofer Wegs ein berühmtes Irrenhaus bei Petersburg zu bezeichnen, hergenommen ist, und dessen Inhalt durch die vortreffliche Schilderung russischer Zustände großes Aufsehen erregte. Seit 1858 war Grimm wieder als Erzieher der kaiserlichen Kinder zu Petersburg thätig, trat aber nach dem Tode der Kaiserin-Mutter (1860) für immer von diesem Posten zurück und siedelte nach Berlin über, wo er ein umfassenderes Werk über die Verstorbene: »Alexandra Feodorowna, Kaiserin von Rußland« (2. Aufl., Leipz. 1866, 2 Bde.), ausarbeitete. Grimm starb in Wiesbaden. [* 31]
7) Karl Ludwig Wilibald, protest. Theolog, geb. zu. Jena, woselbst er 1827-32 studierte, sich 1833 habilitierte, 1837 außerordentlicher, 1844 ordentlicher Honorarprofessor der Theologie, 1871 Kirchenrat und 1885 Geheimer Kirchenrat wurde. Unter seinen Schriften heben wir hervor: »Kommentar über das Buch der Weisheit« (Leipz. 1837);
»Die Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte« (Jena 1845);
»Institutio theologiae dogmaticae« (2. Aufl., das. 1869);
»Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zu den Apokryphen des Alten Testaments« (mit Otto Fridolin Fritzsche, Leipz. 1851-60, 6 Bde.);
»Lexicon graeco-latinum in libros Novi Testamenti« (das. 1879);
»Kurzgefaßte Geschichte der Lutherschen Bibelübersetzung« (Jena 1883).
8) Julius Otto, Komponist, geb. zu Pernau in Livland, [* 32] bezog 1844 die Universität Dorpat, [* 33] wo er Philologie studierte, machte 1848 das Oberlehrerexamen und wurde Hauslehrer in Petersburg bei einer deutschen Kaufmannsfamilie, welche ihm die Mittel gewährte, sich von 1851 an am Leipziger Konservatorium zum Musiker auszubilden. Von besonderm Einfluß auf seine künstlerische Entwickelung wurden Schumann und Brahms, in deren Nähe er die Jahre 1853 und 1854 bald in Hannover, [* 34] bald in Düsseldorf [* 35] verbrachte. 1855 ließ er sich in Göttingen als Musiklehrer nieder, gründete einen Chorgesangverein und veranstaltete mit diesem regelmäßige Konzerte und Oratorienaufführungen.
Seit 1860 Musikdirektor zu Münster, [* 36] ist er seit 1878 auch als königlicher Musikdirektor an der dortigen Akademie angestellt, die ihm bei seiner Ernennung zum Professor (1885) das Doktordiplom verlieh. Unter seinen Kompositionen sind hervorzuheben: ein- und mehrstimmige Lieder, zwei- und vierhändige Klavierstücke, zwei Suiten in Kanonform für Orchester, eine Symphonie in D moll, eine Sonate für Klavier und Violine, eine Kantate: »An die Musik«, mit Orchesterbegleitung u. a.
9) Herman, Schriftsteller, geb. zu Kassel, Sohn von Grimm 3), studierte in Berlin und Bonn [* 37] Jurisprudenz, wandte sich dann mehr philologischen und historischen Arbeiten zu und ließ sich in Berlin nieder, wo er 1872 zum Professor der Kunstgeschichte an der Universität und 1884 zum Geheimen Regierungsrat ernannt wurde. Als Schriftsteller trat Grimm zuerst mit dem Drama »Armin« (Leipz. 1851) auf. Darauf veröffentlichte er die Dichtung »Traum und Erwachen« (Berl. 1854),
das Trauerspiel »Demetrius« (Leipz. 1854) und »Novellen« (Berl. 1856, 2. Aufl. 1862). In den »Essays« (Hannov. 1859; 3. Aufl., Berl. 1884) und »Neuen Essays« (das. 1865, 2. Aufl. 1874) lieferte er eine Reihe vorzüglich geschriebener und gehaltvoller Betrachtungen über Personen und Gegenstände der Litteratur und Kunst und dann in seinem Hauptwerk: »Leben Michelangelos« (Hannov. 1860-63, 2 Bde.; 5. Aufl. 1879), nicht nur eine ausgezeichnete kunstgeschichtliche Monographie, sondern zugleich ein Kulturbild, das die politischen und sozialen Verhältnisse, in welchen der Künstler gelebt, und von denen er seine Anregung empfangen hat, zu einem reichen und mannigfaltigen Ganzen vereinigt. Seit 1865 gab Grimm die von ihm allein geschriebene Zeitschrift »Über Künstler und Kunstwerke« heraus, die jedoch mit dem 3. Band [* 38] (Berl. 1867) wieder einging. Noch sind zu erwähnen das Schriftchen »Goethe in Italien« (Berl. 1861),
worin er nachweist, wieviel der Dichter und die deutsche Bildung überhaupt Italien zu danken habe;
die »Zehn Essays zur Einführung in das Studium der modernen Kunst« (das. 1871, 2. vermehrte Aufl. 1883);
»Fünfzehn Essays, neue Folge« (das. 1875);
der in der Gegenwart spielende Roman »Unüberwindliche Mächte« (das. 1867, 3 Bde; 2. Aufl. 1870) und »Fünfzehn Essays, dritte Folge« (das. 1882).
Gegen die Ausstellungen, die ihm von seiten der Kritik über seine Herausgabe von Vasaris »Raffael« (Berl. 1872, Bd. 1; ital. Text, Übersetzung und Kommentar) gemacht wurden, schrieb er: »Zur Abwehr gegen Herrn Professor A. Springers Raffael-Studien« (das. 1873). Eine neue ¶