Nicola Pisani auf der Höhe von Loiera 29. Aug. so vollständig geschlagen, daß von der ganzen genuesischen Seemacht nur 17 Schiffe
entkamen und die Genuesen genötigt wurden, sich unter den Schutz Johann Viscontis, des Herrschers von Mailand, zu begeben.
3) Giovanni, erfocht als Admiral des Herzogs von Mailand auf dem Po einen großen Sieg über die venezianische
Flotte unter Nicola Trevisani obwohl Carmagnola, der berühmteste General jener Zeit, mit einer bedeutenden Landmacht
am Ufer des Flusses zum Beistand der Venezianer bereit stand, und nahm jener 28 Galeeren und 42 Transportschiffe nebst einer unermeßlichen
Beute ab.
4) Domenico, Kardinal, Erzbischof und Vizelegat von Avignon, war Oberaufseher der päpstlichen Galeeren und
zeichnete sich als solcher 1571 in der Seeschlacht von Lepanto aus. In seiner Diözese Avignon machte er sich später als eifriger
Ketzerverfolger bemerklich. Er starb 1592.
1) Giovanni Francesco, ital. Maler, genannt il Bolognese, geb. 1606 zu Bologna, bildete
sich daselbst in der Schule der Carracci und begab sich später nach Rom, wo ihn Papst Innocenz X. im Vatikan und in der Galerie
des Palastes auf dem Monte Cavallo beschäftigte. Im J. 1648 ging Grimáldi nach Frankreich, wo Ludwig XIV. und der Kardinal Mazarin, namentlich
für mehrere Säle des Louvre, seine Dienste in Anspruch nahmen. Reich belohnt kehrte er nach Rom zurück,
wo die Päpste Alexander VII. und Clemens IX. ebenfalls seine Gönner waren. Grimáldi starb 1680 in Rom. Seine landschaftlichen Darstellungen
dekorativen Charakters zeichnen sich durch edle Komposition, kräftiges Kolorit, breiten, großen Baumschlag, gesättigten, zwar
etwas dunkeln, aber klaren Ton aus. In Rom befinden sich noch zahlreiche Gemälde Grimaldis in der Galerie
des Belvedere und im Quirinal, andre im Louvre.
2) Francesco Maria, Mathematiker, geb. zu Bologna, trat in den Jesuitenorden, wurde Lehrer der Mathematik im Ordenskollegium
zu Bologna und starb daselbst. Er unterstützte Riccioli bei seinen Arbeiten, lieferte eine
genaue Beschreibung der Mondflecke, denen er auch andre seitdem gewöhnlich gewordene Namen erteilte, und stellte besonders
über das Licht wichtige Forschungen an, die er in seinem Werk »Physico-mathesis de
lumine, coloribus et iride, aliisque annexis libri II« (Bologna 1665) niederlegte. So entdeckte er unter
anderm die Diffraktion des Lichts. Sein Werk war die Grundlage von Newtons Lehre vom Licht.
3) Bernardino, ital. Finanzminister, geb. 1841 zu Catanzaro, stammt aus einer kalabresischen Familie. Sein Vater war Advokat und
namentlich auf dem Gebiet der Statistik und Staatswirtschaft geachtet. Grimáldi, schon mit 20 Jahren Laureat, folgte
seinem Vater 1863 auf dem Katheder und veröffentlichte kurze Zeit später Kommentare über die neapolitanische Gesetzgebung.
Nach längern Reisen im Ausland widmete er sich nach seiner Heimkehr der Advokatur. Nach der parlamentarischen Revolution wurde
er Deputierter seiner Vaterstadt und Finanzminister im Kabinett Cairoli. Da er aber beim Studium
des Budgets erkannte, daß die Abschaffung der Mahlsteuer ohne Einführung neuer Steuern unmöglich sei, und seine Kollegen hierauf
nicht eingehen wollten, trat er schon im November von seinem Posten wieder zurück und übernahm die Führung einer Gruppe der
Linken. 1884 übernahm er im Kabinett Depretis das Portefeuille des Ackerbaues und Handels.
1) Friedrich Melchior, Freiherr von, geistreicher Litterator des 18. Jahrh., geb. zu
Regensburg als Sohn armer Eltern und sorgfältig erzogen, begleitete nach beendeten Studien den jungen Grafen von Schönberg
auf die Universität zu Leipzig, dann nach Paris, wo er Vorleser des damaligen Erbprinzen von Sachsen-Gotha wurde. Rousseau, den
ihm seine musikalischen Kenntnisse bekannt machten, führte ihn bei d'Alembert, Holbach, Diderot, der Frau
v. Epinay u. a., der Graf Friesen, Neffe des Marschalls von Sachsen, als dessen Sekretär er fungierte, in die ersten Zirkel von
Paris ein, und überall machte sich Grimm durch seinen lebendigen Geist wie durch sein feines und gewandtes Wesen beliebt. Eine
gewisse Berühmtheit erhielt er als Stimmführer der Partei (genannt »le coin de la reine«),
welche die
damals nach Paris gekommenen italienischen Buffones auf Kosten der französischen Bouffons in Schutz nahm, durch seine pikanten
Broschüren zu gunsten der erstern: »Le petit prophète de Boemischbroda«
(Par. 1753) und »Lettre sur la musique française« (das. 1753), die ihn beinahe
in die Bastille gebracht hätten. Nach dem Tode des Grafen Friesen wurde Grimm Sekretär des Herzogs von Orléans, fand aber noch Zeit
genug, seine litterarischen (vielleicht mit Beihilfe Diderots und Raynals verfaßten) Bülletins für mehrere deutsche Fürsten
zu schreiben, die 37 Jahre lang fortgesetzt wurden und nach seinem Tod unter dem Titel: »Correspondance
littéraire, philosophique et critique« (Par. 1812-13, 17 Bde.,
nebst »Supplément«, das. 1814; neu hrsg. von Taschereau,
das. 1829-31, 15 Bde.; von Tourneux,
das. 1878-82, 16 Bde.; deutsch im
Auszug, Brandenb. 1820-23, 2 Bde.)
erschienen.
Sie bilden eine vollständige Geschichte der französischen Litteratur von 1753 bis 1790 und zeichnen
sich sowohl in sprachlicher Hinsicht als durch glänzende und pikante Urteile aus. Seit 1776 versah Grimm, zum Baron ernannt,
am französischen Hof die Funktionen eines bevollmächtigten Ministers des Herzogs von Gotha. Nach dem Ausbruch der Revolution
begab er sich nach Gotha, wo ihn 1795 die Kaiserin Katharina II. von Rußland zum Staatsrat und Ministerresidenten
in Hamburg ernannte. Als er infolge einer Krankheit ein Auge verloren, nahm er seine Entlassung und kehrte nach Gotha zurück,
wo er starb. Noch erschien: »Correspondance inédite de Grimm et Diderot« (Par. 1829).
Vgl. Sainte-Beuve, Études sur
Grimm (Par. 1854);
Avezac-Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach (das. 1875).
2) Jakob Ludwig Karl, der Begründer der deutschen Philologie und Altertumswissenschaft, geb. zu Hanau, wurde in Steinau,
wohin sein Vater 1791 als Amtmann versetzt worden war, erzogen, kam 1798 mit seinem Bruder Wilhelm auf das Lyceum in
Kassel und bezog 1802 die Universität Marburg, um sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Durch Wachlers Vorträge wurde
indes seine Aufmerksamkeit mehr und mehr auf den deutschen Sprachstamm und die Schätze der deutschen Litteratur fixiert, worauf
sie schon Savignys rechtshistorische Forschungen hingelenkt hatten. Als letzterer 1804 behufs wissenschaftlicher Forschungen
nach Paris ging, ließ er Grimm bald dahin
mehr
nachkommen, um sich seiner Hilfe bei litterarischen Arbeiten zu bedienen. Im September 1805 nach Kassel, dem Wohnort seiner Mutter,
zurückgekehrt, erlangte er hier mit vieler Mühe den Posten eines Accessisten beim Sekretariat des Kriegskollegiums, nahm
aber noch vor Ablauf eines Jahrs seine Entlassung. Durch Johannes v. Müller dem damaligen Kabinettssekretär
des Königs von Westfalen empfohlen, erhielt er im Juli 1808 eine Anstellung als Bibliothekar des Königs und ward im Februar 1809 außerdem
zum Auditor im Staatsrat ernannt. Die viele Muße, die ihm die amtlichen Geschäfte ließen, verwendete er auf das Studium der
altdeutschen Poesie u. Sprache. Die ersten Resultate seines Fleißes legte er in der Schrift »Über den altdeutschen
Meistergesang« (Götting. 1811) nieder, welcher bald der 1. Band der allbekannten, unmittelbar aus dem Volksmund geschöpften
»Kinder- und Hausmärchen« (Berl. 1812) folgte. Das letztere Werk, von dem der 2. Band 1815 und der dritte, die Märchenlitteratur
enthaltend, 1822 erschien (3. Aufl. 1856), während vom ersten und zweiten
neue Ausgaben (20. Aufl. 1885) und vom Ganzen eine kleinere Ausgabe (welche fortwährend in neuen Auflagen erscheint) nötig
wurden, fand sofort den ungeteiltesten Beifall. Im folgenden Jahr gab Grimm die »Altdeutschen Wälder« (Kassel 1813-16, 3 Bde.)
heraus, denen »Die beiden ältesten deutschen Gedichte, das
Lied von Hildebrand und Hadubrand und das Weißenbrunner Gebet« (das. 1812) vorhergegangen waren.
Mit Ausnahme der Schrift über den Meistergesang hatte Grimm die übrigen in Verbindung mit seinem Bruder Wilhelm bearbeitet und
herausgegeben. Beim Einpacken der reichhaltigen königlichen Bibliothek zu Kassel behufs deren Versendung nach Paris mitbeschäftigt,
wußte Grimm manche wertvolle Handschrift als unwichtig darzustellen und zurückzuhalten. Nach der Rückkehr
des Kurfürsten wurde Grimm zum Legationssekretär des hessischen Gesandten Grafen Keller ernannt und begab sich mit diesem ins
Hauptquartier der Alliierten. In Paris war er Mitglied der Kommission, welche die entführten litterarischen Schätze zurückforderte.
Im Sommer 1814 nach Kassel zurückgekehrt ging er alsbald zum Kongreß nach Wien, wo er bis Juni 1815 blieb.
Um jene Zeit begann er sich mit den slawischen Sprachen bekannt zu machen, deren Studium er später, bei mehr Muße, wieder
aufnahm.
Eine Frucht dieser Beschäftigung war, wenn wir von den anderweitigen Ergebnissen für die allgemeine linguistische
Vergleichung absehen, »Wuk Stephanowitsch' Kleine serbische Grammatik, verdeutscht mit einer Vorrede« (Leipz. 1824). Von Kassel
aus, wohin er sich nach Erledigung seiner Wiener Aufträge begeben hatte, mußte er auf Requisition der preußischen Regierung
wieder nach Paris eilen, um dort die aus verschiedenen Gegenden Preußens geraubten Handschriften zu ermitteln und zurückzuverlangen.
Diese Aufträge brachten ihn mit dem preußischen Geheimen Kammergerichtsrat Eichhorn, dem spätern Unterrichtsminister, zusammen,
mit dem er ein dauerndes freundschaftliches Verhältnis anknüpfte. Gegen Ende 1815 nach Kassel zurückgekehrt, ward er zweiter
Bibliothekar an der Bibliothek in Kassel, an der sein Bruder Wilhelm das Jahr vorher Sekretär geworden war.
Schon 1815 hatte er zu Wien »Irmenstraße und Irmensäule« und »Silva de romances viejos« und zu Berlin gemeinschaftlich mit seinem
Bruder Wilhelm »Der arme Heinrich von Hartmann von Aue« und »Lieder der alten Edda« (neue Ausgabe der deutschen Übersetzung von
Hoffory, Berl. 1885) erscheinen lassen. Nach
ihrer Anstellung an der Bibliothek veröffentlichten die Brüder
gemeinschaftlich: »Deutsche Sagen« (Berl. 1816-18, 2 Bde.; 2. Aufl.
1866) und »Irische Elfenmärchen« (Leipz. 1826),
eine Übersetzung von Crofton Crokers »Fairy legends and traditions of the
South of Ireland«, der sie eine treffliche Einleitung vorausschickten. Zwei der wichtigsten Arbeiten Grimms, die in der deutschen
Altertumswissenschaft Epoche machen, fallen in diese Zeit des Aufenthalts zu Kassel: »Die deutsche Grammatik«
(Götting. 1819, Bd. 1, 2. Aufl.
1822, 3. Aufl. 1840; Bd. 2-4, 1826-37, 2. Abdruck 1853; vermehrte Ausgabe des 1. Bds. durch W. Scherer nach Grimms Handexemplar,
Berl. 1870; des 2. Bds., 1875 bis 1878)
und »Deutsche Rechtsaltertümer« (Götting. 1828; 3. Aufl., das. 1881). In seiner »Deutschen Grammatik«
hat Grimm den ersten wesentlichen Schritt zur Begründung tieferer Erkenntnis des deutschen Altertums gethan.
Die Grammatik erscheint in diesem Werk nicht mehr als trockne Schematisierung; Grimm wußte »ein
historisches Leben mit allem Fluß freudiger Entwickelung in sie zu zaubern« und hat dadurch zu dem Bau unsrer
nationalen Philologie einen neuen Grund gelegt. Was die »Rechtsaltertümer« für das innigere Verständnis
des ältesten Rechtslebens sind, das leistete für die Religion der Altdeutschen Grimms »Deutsche Mythologie« (Götting. 1835, 3. Aufl.
1854; 4. Aufl. durch E. H. Meyer, Berl. 1875-78), ein Werk von nicht minder großer Tragweite für
die germanistische Wissenschaft. Da nach dem 1829 erfolgten Tod Völkels, des Oberbibliothekars, die Gebrüder Grimm ihren Anspruch
auf Beförderung nicht berücksichtigt sahen, folgten sie in demselben Jahr einem Ruf nach Göttingen, und zwar Jakob als ordentlicher
Professor und Bibliothekar und Wilhelm als Unterbibliothekar.
Hier wurde die »Deutsche Grammatik« vollendet und die schon erwähnte »Mythologie« ausgearbeitet. In jene
Zeit fallen auch Grimms kleinere Werke: »Hymnorum veteris ecclesiae XXVI interpretatio theotisca« (Götting. 1830),
»Die angelsächsischen
Dichtungen Andreas und Elene« (Kassel 1840);
von größern Arbeiten noch »Reinhart Fuchs« (1834), worin Grimm nebeneinander den mittelhochdeutschen
Reinhart, den niederländischen Reinaert und andre deutsche und lateinische Gedichte der mittelalterlichen
Tierfabel veröffentlichte und mit umfassenden Untersuchungen über die Tiersage begleitete.
Da G. mit seinem Bruder Wilhelm
die bekannte Protestation der Göttinger Sieben gegen die Aufhebung des hannöverschen Staatsgrundgesetzes von 1833 unterschrieb,
wurden beide Ende 1837 ihres Amtes entsetzt und begaben sich zurück nach Kassel (vgl. Jakob Grimm,. Über meine
Entlassung, Basel
1838). Im J. 1840 zu ordentlichen Mitgliedern der Akademie der Wissenschaften zu Berlin mit dem Recht, Vorlesungen
an der Universität zu halten, ernannt, eröffnete Jakob seine Vorlesungen über Altertümer des deutschen Rechts.
Er war Vorsitzender der Germanistenversammlungen zu Frankfurt (1846) und Lübeck (1847) und saß 1848 kurze
Zeit in der Nationalversammlung zu Frankfurt, tagte auch 1849 mit zu Gotha. Im J. 1828 erschien seine »Geschichte
der deutschen Sprache« (Leipz., 2 Bde.; 4. Aufl.,
das. 1880). Schon früher hatte er im Anschluß an seine »Rechtsaltertümer« eine
Sammlung deutscher »Weistümer« (Götting. 1840-63, 4 Bde.) unternommen, von denen nach seinem
Tod noch 2 Bände (das. 1867-70, Registerband 1878) erschienen. Viele besondere Untersuchungen legte
in Haupts »Zeitschrift für deutsches Altertum«, in Pfeiffers
mehr
»Germania« und in den »Abhandlungen«
der Berliner Akademie nieder; von letztern erschien in besonderm Abdruck die Schrift »Über den Ursprung der Sprache« (Berl. 1852, 7. Aufl.
1879). In der Vorrede zu Merkels »Lex salica« (Berl. 1850) behandelte er ausführlich die Malbergische Glosse. In Gemeinschaft
mit seinem Bruder begann er endlich noch in hohem Alter die umfassendste Arbeit seines Lebens, das »Deutsche
Wörterbuch« (Leipz. 1852 ff.), welches den gesamten
neuhochdeutschen Sprachschatz, soweit er in den Litteraturwerken von Luther bis Goethe enthalten, darzulegen bestimmt ist,
und dessen Weiterführung nach seinem Tod Hildebrand und Weigand übernahmen, denen sich später Moritz Heyne und M.
Lexer anreihten. Grimm starb unverheiratet in Berlin.
Eine Sammlung von Abhandlungen, Rezensionen, Reden etc. von Jakob Grimm erschien unter dem Titel: »Kleinere Schriften« (Berl. 1867-86, 8 Bde.;
Auswahl daraus, 2. Ausg. 1875),
worin auch seine Selbstbiographie enthalten ist. Ein lebendiges Bild seiner Persönlichkeit
geben seine in großer Anzahl veröffentlichten Briefe, so: der »Briefwechsel zwischen Jakob Grimm und J.
D. ^[richtig: F. D. für Friedrich David] Graeter aus den Jahren 1810-13« (Heilbr. 1877);
»Freundesbriefe von Wilh. und Jakob
Grimm« (das. 1878);
»Briefwechsel des Freiherrn v. Meusebach mit Jakob und Wilh. Grimm« (das. 1880);
»Briefwechsel zwischen Wilhelm
und Jakob Grimm aus der Jugendzeit« (Berl. 1881);
»Briefe an Hendrik Willem Tydeman« (Heilbr. 1882);
»Briefwechsel
der Brüder Grimm mit nordischen Gelehrten« (Berl. 1885);
»Briefwechsel zwischen Jakob und Wilhelm Grimm, Dahlmann und Gervinus« (das.
1885, 2 Bde.).
Vgl. Scherer, Jakob Grimm (2. Aufl., Berl. 1884);
Berndt, Jakob Grimms Leben und Werke (Halle
1884);
A. Duncker, Die Brüder Grimm (Kassel 1884);
Schönbach, Die Brüder Grimm (Berl. 1885);
Stengel, Private und amtliche Beziehungen
der Brüder Grimm zu Hessen (Marb. 1885, 2 Bde.).
3) Wilhelm Karl, ausgezeichneter deutscher Altertumsforscher, Bruder des vorigen, geb. zu Hanau, genoß mit seinem
Bruder Jakob gleiche Erziehung und gleichen Unterricht, besuchte, wie dieser, das Lyceum zu Kassel und die
Universität Marburg, letztere jedoch ein Jahr später als Jakob, und erfreute sich ebenfalls des Wohlwollens Savignys, der ihn
für die Rechtswissenschaft bestimmte. Asthmatische Beschwerden und eine Herzkrankheit, zu deren Heilung er 1809 zu Reil nach
Halle ging, verboten ihm längere Zeit, sich um ein Amt zu bewerben. Er genas nur langsam, doch vollständig,
wenn er auch seinem Bruder Jakob an körperlicher Rüstigkeit stets nachstand. Er wurde 1814 zum Bibliotheksekretär in Kassel
ernannt, wo er sich auch verheiratete, und folgte Anfang 1830 seinem Bruder nach Göttingen,
wo er die Stelle eines Unterbibliothekars und 1835 eine außerordentliche Professur in der philosophischen Fakultät erhielt.
Seine übrigen Lebensschicksale sind aufs engste mit denen seines Bruders Jakob verflochten: auch er gehörte zu den Sieben,
welche gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes protestierten, und wurde infolgedessen seines Amtes entsetzt, durfte aber
noch bis Oktober 1838 in Göttingen bleiben, worauf er sich zu seinem Bruder nach Kassel begab. Mit diesem
ging er 1841 nach Berlin; hier starb er Die Gemeinsamkeit und gegenseitige Ergänzung der beiden Brüder in Hinsicht
auf deutsche Wissenschaft und Politik, Überzeugungstreue, Arbeitskraft und Richtung ihres Wirkens steht
als ein seltenes Beispiel da. Mit liebevoller Hingabe hat Wilhelm Grimm seine Forschungen besonders der
Poesie des Mittelalters
zugewendet.
Außer einer Anzahl mit seinem Bruder Jakob bearbeiteter Werke (so der »Kinder- und Hausmärchen«, an deren Bearbeitung ihm
der Hauptanteil gebührt) veröffentlichte er allein: »Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen«, übersetzt (Heidelb.
1811);
»Über deutsche Runen« (Götting. 1821; Nachtrag: »Zur Litteratur der Runen«, 1828);
Ausgaben des »Grave Ruodolf« (das.
1828, 2. Aufl. 1844; Bruchstücke eines Gedichts aus dem 12. Jahrh.),
des »Hildebrandsliedes« (Faksimile, das. 1830),
des »Freidank« (das. 1834, 2. Ausg. 1860),
des »Rosengarten« (das. 1836),
des
»Rolandsliedes« (das. 1838),
des »Wernher vom Niederrhein« (das. 1839),
der »Goldenen Schmiede« (Berl. 1840)
und des »Silvester« von Konrad von Würzburg (Götting. 1841),
des »Athis und Prophilias« (das. 1846, Nachtrag
1852),
der »Altdeutschen Gespräche« (Berl. 1851, Nachtrag 1852).
Sein Hauptwerk ist »Die deutsche Heldensage« (Götting. 1829; 2. Aufl.,
Berl. 1867),
eine Zusammenstellung der Zeugnisse für dieselbe, nebst einer Abhandlung über ihren Ursprung
und ihre Fortbildung. Außerdem sind zu erwähnen: die in der Berliner Akademie gelesene Abhandlung »Exhortatio ad plebem christianam«
(Berl. 1848),
mit der eine Abhandlung über die »Glossae Casselanae«, welche zu den ältesten Denkmälern der deutschen Sprache
gehören (Nachtrag hierzu 1855),
sowie eine andre »Über die Bedeutung der deutschen Fingernamen«
verbunden ist;
ferner die gelehrte Untersuchung über »Die Sage vom Ursprung der Christusbilder« (das. 1843);
die Abhandlung
»Über Freidank« (das. 1850, mit 2 Nachträgen 1852 u. 1856);
»Zur Geschichte des Reims« (das. 1852) und »Die Sage von Polyphem« (das. 1857);
seine »Kleinern Schriften« (hrsg.
von Hinrichs, Berl. 1881-86, 4 Bde.)
enthalten eine Sammlung seiner Rezensionen und zerstreuten Abhandlungen, darunter seine Autobiographie. Grimm veranstaltete 1839 auch
eine Ausgabe der Werke Achim v. Arnims.
4) Ludwig Emil, Maler und Kupferstecher, Bruder der beiden vorigen, geb. zu Hanau, kam um 1808 nach München zum
Kupferstecher Karl Heß, unter dessen Leitung er bald mit der Radiernadel und später auch mit dem Grabstichel Tüchtiges leistete;
doch zog er später die Radiernadel vor und verband nur da, wo es Kraft und Harmonie erforderten, mit der erstern die kalte
Nadel. Grimm radierte eigne Kompositionen, Landschaften, Tiere, am liebsten Bildnisse. Seine Behandlung der
Nadel ist frei, die Gegenstände sind durchgehends rein, zierlich und zuweilen bis zur Vollendung ausgeführt.
Nachdem er an den Befreiungskriegen teilgenommen, kehrte er 1814 nach Kassel zurück, besuchte 1816 Italien und arbeitete dann
bis Anfang 1818 in München, worauf er sich in seiner Heimat niederließ. 1832 wurde er Professor an der
Akademie zu Kassel. Er starb daselbst. Bekannt ist seine Madonna in einer Landschaft mit Joseph, Georg und Augustin. Eine
Sammlung radierter Blätter, enthaltend historische Darstellungen, Genrebilder, Köpfe, Bildnisse und Landschaften, gab er 1840 mit
einem Titelblatt: die Märchenerzählerin, heraus, welchem Werk 1854 noch 30 Blätter als Supplement folgten.
5) Heinrich Gottfried, Mediziner, geb. zu Sargstedt bei Halberstadt, studierte 1821 im Friedrich Wilhelms-Institut in
Berlin, diente dann ein Jahr im Chariteekrankenhaus, dirigierte 1830 während der polnischen Insurrektion ein leichtes Feldlazarett
und folgte 1832 einem Kommando in die französischen und holländischen Lazarette bei dem
mehr
Bombardement von Antwerpen. Darauf zum Leibarzt des Königs ernannt, wurde er 1835 als Regimentsarzt nach Potsdam versetzt,
kehrte 1838 abermals nach Berlin zurück, um als Subdirektor die Leitung der militärärztlichen Bildungsanstalten zu übernehmen. 1844 wurde
er Generalarzt, 1847 zweiter und 1851 erster Generalstabsarzt der Armee und Chef des Militärmedizinalwesens, in
welcher Stellung er bis 1879 verblieben ist. Er starb in Berlin. hat sich große Verdienste um die Entwickelung des
preußischen Militärmedizinalwesens erworben, das in seiner jetzigen Gestalt wesentlich sein Werk ist. Er hat durchgreifende
Reformen in demselben ausgeführt, die zum Teil schon ihre Feuerproben in den letzten Kriegen rühmlichst
bestanden haben. Als Schluß seiner Thätigkeit kann die 1880 erschienene »Kriegssanitätsordnung« betrachtet werden.
6) August Theodor von, Schriftsteller, geb. zu Stadtilm im Schwarzburgischen, widmete sich dem Studium der Philosophie
und Geschichte in Jena, Halle und Berlin und begab sich 1827 zu einem Oheim nach Petersburg, wo er vorzugsweise
französische, englische und russische Sprachstudien trieb und mehrere Jahre als Lehrer an einer Erziehungsanstalt wirkte.
Nachdem er 1832 eine gräfliche Familie auf einer Reise nach Deutschland, Frankreich und Italien begleitet hatte, vertiefte er
sich in Rom eine Zeitlang in das Studium der klassischen Altertümer, besuchte darauf mit dem Sohn des spätern
Reichskanzlers, Grafen Nesselrode, die ersten Höfe Europas und wurde nach seiner Rückkehr 1835 zum Studiendirektor ernannt,
als welcher er die Erziehung des Großfürsten Konstantin und der Großfürstin Alexandrine leitete.
Erstern begleitete er 1845-47 auf Reisen nach dem nördlichen und östlichen Rußland, nach der Krim, nach
Kaukasien, Syrien und Griechenland, wo er einen längern Aufenthalt zum Studium der griechischen Altertümer benutzte, und nach
Algerien. Bei der Vermählung des Großfürsten 1847 ward er zum Staatsrat ernannt und geadelt, worauf er bis 1852 auch die
Erziehung der jüngern Großfürsten, Michael und Nikolaus, leitete. Im genannten Jahr zog er sich aus Gesundheitsrücksichten
nach Dresden zurück, wo er seine »Wanderungen nach Südosten« (Berl. 1855-57, 3 Bde.)
und seinen Roman »Die Fürstin der siebenten Werst« (Petersb. 1858; deutsch, 2. Aufl., Leipz.
1861, 2 Bde.) schrieb, dessen Titel von dem in Petersburg üblichen Gebrauch, mit der »siebenten Werst« des Peterhofer Wegs ein
berühmtes Irrenhaus bei Petersburg zu bezeichnen, hergenommen ist, und dessen Inhalt durch die vortreffliche Schilderung russischer
Zustände großes Aufsehen erregte. Seit 1858 war Grimm wieder als Erzieher der kaiserlichen Kinder zu Petersburg thätig, trat
aber nach dem Tode der Kaiserin-Mutter (1860) für immer von diesem Posten zurück und siedelte nach Berlin
über, wo er ein umfassenderes Werk über die Verstorbene: »Alexandra Feodorowna, Kaiserin von Rußland« (2. Aufl., Leipz.
1866, 2 Bde.), ausarbeitete. Grimm starb in
Wiesbaden.
7) Karl Ludwig Wilibald, protest. Theolog, geb. zu. Jena, woselbst er 1827-32 studierte, sich 1833 habilitierte, 1837 außerordentlicher, 1844 ordentlicher
Honorarprofessor der Theologie, 1871 Kirchenrat und 1885 Geheimer Kirchenrat wurde. Unter seinen Schriften heben wir hervor: »Kommentar
über das Buch der Weisheit« (Leipz. 1837);
»Die Glaubwürdigkeit der evangelischen Geschichte« (Jena 1845);
»Kurzgefaßtes exegetisches
Handbuch zu den Apokryphen des Alten Testaments« (mit
Otto Fridolin Fritzsche, Leipz. 1851-60, 6 Bde.);
»Lexicon graeco-latinum in libros Novi Testamenti« (das. 1879);
»Kurzgefaßte Geschichte der Lutherschen Bibelübersetzung«
(Jena 1883).
8) Julius Otto, Komponist, geb. zu Pernau in Livland, bezog 1844 die Universität Dorpat, wo er Philologie studierte, machte 1848 das
Oberlehrerexamen und wurde Hauslehrer in Petersburg bei einer deutschen Kaufmannsfamilie, welche ihm die
Mittel gewährte, sich von 1851 an am Leipziger Konservatorium zum Musiker auszubilden. Von besonderm Einfluß auf seine künstlerische
Entwickelung wurden Schumann und Brahms, in deren Nähe er die Jahre 1853 und 1854 bald in Hannover, bald in Düsseldorf verbrachte. 1855 ließ
er sich in Göttingen als Musiklehrer nieder, gründete einen Chorgesangverein und veranstaltete mit diesem
regelmäßige Konzerte und Oratorienaufführungen.
Seit 1860 Musikdirektor zu Münster, ist er seit 1878 auch als königlicher Musikdirektor an der dortigen Akademie angestellt,
die ihm bei seiner Ernennung zum Professor (1885) das Doktordiplom verlieh. Unter seinen Kompositionen
sind hervorzuheben: ein- und mehrstimmige Lieder, zwei- und vierhändige Klavierstücke, zwei Suiten in Kanonform für Orchester,
eine Symphonie in D moll, eine Sonate für Klavier und Violine, eine Kantate: »An die Musik«, mit Orchesterbegleitung u. a.
9) Herman, Schriftsteller, geb. zu Kassel, Sohn von Grimm 3), studierte in Berlin und Bonn Jurisprudenz,
wandte sich dann mehr philologischen und historischen Arbeiten zu und ließ sich in Berlin nieder, wo er 1872 zum Professor
der Kunstgeschichte an der Universität und 1884 zum Geheimen Regierungsrat ernannt wurde. Als Schriftsteller trat Grimm zuerst
mit dem Drama »Armin« (Leipz. 1851) auf. Darauf
veröffentlichte er die Dichtung »Traum und Erwachen« (Berl. 1854),
das Trauerspiel »Demetrius« (Leipz. 1854)
und »Novellen« (Berl. 1856, 2. Aufl. 1862). In den »Essays« (Hannov. 1859; 3. Aufl., Berl.
1884) und »Neuen Essays« (das. 1865, 2. Aufl. 1874) lieferte er eine Reihe vorzüglich geschriebener und gehaltvoller Betrachtungen
über Personen und Gegenstände der Litteratur und Kunst und dann in seinem Hauptwerk: »Leben Michelangelos«
(Hannov. 1860-63, 2 Bde.; 5. Aufl.
1879), nicht nur eine ausgezeichnete kunstgeschichtliche Monographie, sondern zugleich ein Kulturbild, das die politischen
und sozialen Verhältnisse, in welchen der Künstler gelebt, und von denen er seine Anregung empfangen hat, zu einem reichen
und mannigfaltigen Ganzen vereinigt. Seit 1865 gab Grimm die von ihm allein geschriebene Zeitschrift »Über Künstler und Kunstwerke«
heraus, die jedoch mit dem 3. Band (Berl. 1867) wieder einging. Noch sind zu erwähnen das Schriftchen »Goethe in Italien« (Berl.
1861),
worin er nachweist, wieviel der Dichter und die deutsche Bildung überhaupt Italien zu danken habe;
die »Zehn Essays zur Einführung in das Studium der modernen Kunst« (das. 1871, 2. vermehrte Aufl. 1883);
»Fünfzehn Essays, neue
Folge« (das. 1875);
der in der Gegenwart spielende Roman »Unüberwindliche Mächte« (das.
1867, 3 Bde; 2. Aufl. 1870) und »Fünfzehn Essays, dritte Folge« (das. 1882).
Gegen die Ausstellungen, die
ihm von seiten der Kritik über seine Herausgabe von Vasaris »Raffael« (Berl. 1872, Bd.
1; ital. Text, Übersetzung und Kommentar) gemacht wurden, schrieb er: »Zur Abwehr gegen Herrn Professor A. Springers Raffael-Studien«
(das. 1873). Eine neue
mehr
Bearbeitung des genannten Werkes, mit Abschluß des biographischen Teils, erschien 1886. Aus Vorlesungen an der Berliner Universität
ging das biographisch-kritische, durch einheitliche und große Auffassung ausgezeichnete Buch »Goethe« (Berl. 1877, 2 Bde.; 3. Aufl.
1882) hervor. Grimms litterarische Bedeutung liegt wesentlich in seinem feinsinnigen Urteil, in lebendiger, farbenreicher
Darstellung und einem überaus gebildeten, klaren Stil, Eigenschaften, die seinen Essays bleibende Bedeutung
sichern. Als Dichter fehlt ihm die energische Lebensfülle und innere Wärme. Eine gewisse kühle Ironie und blasierte Vornehmheit
beeinträchtigen die Totalwirkung seines Talents, welches gleichwohl in einzelnen Episoden der »Unüberwindlichen Mächte«
von großer Tiefe und Originalität erscheint. Vermählt ist Grimm mit Gisela v. Arnim, einer Tochter Bettinas
(s. Arnim 3).