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System d-d'' mit einem b heißt daher das lydische. Also die Oktave f'-f gehört
ohne Vorzeichen ins System | A-a' | = hypolydisch |
mit 1 b | d-d'' | = lydisch |
2 b | G-g' | = hypophrygisch |
3 b | c-c'' | = phrygisch |
4 b | F - f' | = hypodorisch |
5 b | b-b'' | = dorisch |
6 b | es-es'' | = mixolydisch (hyperdorisch). |
Die (zweifellos jüngern) Kreuztonarten bringen dagegen lauter neue Namen; es gehört fis'-fis
mit 1 # ins System | e-e'' | = hyperiastisch (hoch mixolydisch) |
2 # | H-h' | = iastisch (hoch dorisch). |
3 # | Fis-fis' | = hypoiastisch oder lokrisch (hoch hypodorisch) |
mit 4 # ins System | cis-cis' | = äolisch (hoch phrygisch) |
mit 5 # | Gis-gis' | = hypoäolisch (hochhypophrygisch) |
mit 6 # | dis-dis'' | = hyperdorisch (hoch lydisch). |
Das System dis-dis'' mit 6 # ist enharmonisch identisch mit es-es'' mit 6 b; beide werden hyperdorisch genannt; hier schließt sich der Quintenzirkel.
IV.
Griechische Notenschrift
(Semantik). Die Griechen besaßen zweierlei
Arten der Notation, eine ältere,
von
Haus aus diatonische, welche später als Instrumentalnotation sich noch hielt, als die jüngere, gleich enharmonisch-chromatisch
angelegte Notierung für den
Gesang eingeführt wurde. Die Notenzeichen sind teils intakte, teils verstümmelte und verdrehte
Buchstaben des griechischen
Alphabets:
^[img]
Übersicht der griechischen
Notenschrift, mit Übersetzung in die heutige Notation.
Ausführlicheres darüber
s. in den Spezialschriften von
Fortlage,
Bellermann,
Riemann
(»Studien zur Geschichte der Notenschrift«,
Leipz. 1878) etc. Leider sind nur dürftige Reste altgriechischer
Kompositionen auf uns gekommen, so daß die Kenntnis der Bedeutung der
Noten bisher wenig praktischen Wert hat.
V. Die Tongeschlechter der Griechen waren nicht harmonische Unterscheidungen wie die unsrigen (Dur und Moll), sondern melodische. Die Griechen zerlegten, wie bereits erwähnt, die Skalen in Tetrachorde; das normale Tetrachord war das dorische, aus zwei Ganztonschritten und einem Halbtonschritt bestehend, z. B.: e' d' c' h. Dieses diatonische Geschlecht war das älteste. Neben ihm kam noch im grauen Altertum (nach der Sage eine Erfindung des Ulympos) das (ältere) enharmonische Tongeschlecht auf, bei welchem die beiden mittlern Töne des Tetrachords durch Herabstimmung des höhern auf gleiche Tonhöhe gebracht wurden, so daß also die Lichanos, resp. die Paranete fortfiel, z. B.: e' c' c' h ^[img].
Als drittes Geschlecht kam das chromatische hinzu, welches die Lichanos oder Paranete nicht ausließ, sondern um einen Halbton erniedrigte, so daß zwei Halbtonschritte einander direkt folgten: e' bd' c'h ^[img]. Endlich teilte die (neuere) Enharmonik den Halbton des diatonischen Tetrachords, oder, vielleicht richtiger, sie führte neben dem diatonischen den chromatischen Halbton ein: e' # h' c' h ^[siehe Bildansicht]. Im Hinblick auf die verschiedenen Tongeschlechter, welche die Paranete, Trite, resp. Lichanos und Parhypate veränderten, unterschieden die Griechen diese Töne als veränderliche, während die Grenztöne des Tetrachords (Nete und Hypate, resp. Mese, Paramese und Proslambanomenos) unveränderliche waren.
Außer diesen drei Tongeschlechtern stellten die Theoretiker noch eine große Anzahl andrer Tetrachordenteilungen auf, welche Färbungen (Chroai) genannt wurden und in der Notenschrift keine Darstellung fanden. Dieselben sind zum Teil wunderlichster Art, und es ist nichts andres als eine Zufälligkeit, daß sich darunter auch die unsern heutigen Bestimmungen genau entsprechenden mit 15:16 für den Halbton und 4:5 für die große Terz befinden (bei Didymos und Ptolemäos).
Bekanntlich beziehen sich Fogliano und Zarlino, welche diese Verhältnisse zuerst endgültig aufstellten, auf Ptolemäos. Näheres s. bei O. Paul, Die absolute Harmonik der Griechen (Leipz. 1866). Die vollständige Entwickelung des Systems geben F. Bellermann, Die Tonleitern und Musiknoten der Griechen (Berl. 1847), und R. Fortlage, Das musikalische System der Griechen (Leipz. 1847). Sehr interessant, aber in vieler Beziehung irre führend sind die bezüglichen Schriften von R. Westphal (s. d.).
Vgl. auch Gevaert, Histoire et théorie de la musique de l'antiquité (Gent [* 2] 1875-81, 2 Bde.).
VI. Die praktische Musikübung der Griechen war entweder bloßer Gesang oder Gesang mit Begleitung von Saiteninstrumenten (Kitharodie) oder Blasinstrumenten (Aulodie), oder bloßes Saitenspiel (Kitharistik) oder Flötenspiel (Auletik). Die wichtigsten und für die Kunstmusik beinahe allein in Frage kommenden Instrumente waren die Lyra, [* 3] Kithara [* 4] und der Aulos. Die Lyra hatte einen gewölbten, die Kithara einen flachen Resonanzkasten; die Saitenzahl beider war lange Zeit 7, später stieg sie erheblich. Die Magadis war ein größeres Saiteninstrument mit 20 Saiten, auf welchem in Oktaven gespielt wurde. Sämtliche Saiteninstrumente der Griechen, auch die ältern ¶
mehr
vielsaitigen, Barbitos und Pektis, wurden mit den Fingern gezupft, erst in späterer Zeit kam das Plektron auf.
Vgl. K. v. Jan, Die Saiteninstrumente der Griechen (Programm, Leipz. 1882).
Der Aulos war eine Art Schnabelflöte, die in verschiedenen Größen gebaut wurde; die Syrinx (Pansflöte) war ein untergeordnetes Instrument. Die Weisen, welche die Komponisten erfanden, erhielten bestimmte Namen, ähnlich wie bei den Meistersängern; der allgemeine Name war Nomos (Gesetz, Satz). Berühmt war z. B. der pythische Nomos des Flötenspielers Sakadas (585 v. Chr.), welcher es zuerst durchsetzte, daß bei den Pythischen Spielen neben der Kithara auch der Aulos zugelassen wurde. Um die Kitharodik machte sich besonders der noch 50 Jahre ältere Terpandros verdient, welcher wohl als der Begründer eigentlicher musikalischer Kunstformen bei den Griechen angesehen wird.
Weiter sind als hervorragende Förderer der Komposition zu nennen: Klonas, der vor Sakadas und nach Terpandros blühte, der Erfinder wichtiger Formen der Aulodie;
der viel ältere Archilochos (um 700), der statt der vorher allein üblichen daktylischen Hexameter volkstümlichere lyrische Rhythmen einbürgerte (Iamben);
weiter der Lyriker Alkäos, die Dichterin Sappho etc. Plutarch datiert in seiner dialogisch abgefaßten Musikgeschichte die Periode der neuern Musik von Thaletas (670), dem Begründer der spartanischen Chortänze (Gymnopädien), und Sakadas;
um diese Zeit soll die neuere Enharmonik eingeführt worden sein (s. oben V).
Zur größten Entfaltung ihrer Mittel gelangte die griechische
Musik in der Tragödie, welche
in ähnlichem Sinn wie das moderne musikalische Drama eine Vereinigung von Dichtkunst, Musik und Schauspielkunst (Mimik,
[* 6] Hypokritik)
war; die Chöre wurden durchaus gesungen, und auch viele Monologe waren komponiert. Leider ist noch keine
Tragödienmusik aufgefunden worden, so daß wir eine konkrete Vorstellung von einer solchen nicht haben.
VII. Musikschriftsteller. Eine große Zahl musiktheoretischer Traktate griechischer
Schriftsteller ist auf uns gekommen. Der
älteste und zugleich einer der interessantesten ist das 19. Kapitel der »Probleme« des Aristoteles (gest. 322 v. Chr.),
ferner
das 5. Kapitel des 8. Buches seiner »Republik«. Von größter Wichtigkeit sind die noch vorhandenen Schriften des Aristoxenos
(Schüler des Aristoteles) über Harmonik und Rhythmik; leider sind viele Werke dieses bedeutendsten aller griechischen
Theoretiker
verloren gegangen. Ein Auszug aus Aristoxenischen Schriften ist unter dem Namen Euklids erhalten, während eine Intervallenlehre
(Saitenteilung) wohl wirklich von dem Mathematiker Euklid (3. Jahrh.) herrührt. Die interessante Schrift Plutarchs über die
Musik (deutsch von Westphal, mit geistreichem Kommentar, Leipz. 1865) gehört ins 1. Jahrh. n. Chr.; ins 2. Jahrh. gehören die
Schriften des Pythagoreers Klaudios Ptolemäos, Aristeides Quintilianus, Gaudentios, Bakchios, Theon von Smyrna und des Nikomachos;
ins 3. Jahrh. der Kommentar des Porphyrios zum Ptolemäos sowie die Skalentabellen des Alypios.
Auch das 14. Buch des Athenäos und das 26. Kapitel des Iamblichos enthalten musikalische Notizen. Das »Syntagma« des Psellos gehört
ins 11., die Harmonik des Bryennios sowie des Nikephoros Gregoras Ergänzungskapitel zum Ptolemäos nebst dem Kommentar
von Barlaam ins 14. Jahrh. Eine klassische lateinische Überarbeitung der griechischen
Musiklehre
ist das Werk des Boethius (gest. 524): »De musica« (deutsch von O. Paul, Leipz. 1872). Eine vortreffliche Textausgabe des Aristoxenos
besorgte
P. Marquard (Berl. 1868, mit Übersetzung). Im übrigen sind die Sammelwerke von Meibom (1652) und Wallis
(1682)
in den meisten größern Bibliotheken zu finden. Einige kleine, weniger beachtete Schriften über griechische
Musik hat Fr. Bellermann (Berl.
1840) herausgegeben. Reste griechischer
Hymnenkomposition, etwa aus dem 2. Jahrh. n. Chr., s. in Bellermanns »Hymnen des Dionysios
und Mesomedes« (Berl. 1840).