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griechischer Bildung nach der Welthauptstadt zusammenströmten, um dort Ehre, Existenz und auch mannigfache Anregung zu finden. Die Leistungen dieser sogen. römischen Periode auf dem Gebiet der Poesie bieten wenig Hervorragendes dar. Eine Wiederbelebung des Dramas war um so weniger möglich, als der Pantomimus (s. d.) eine Teilnahme an edlern Erzeugnissen der dramatischen Kunst nicht aufkommen ließ. Die lyrische Poesie vertreten die Hymnen des Mesomedes, Synesios, Proklos und der Orphiker sowie anakreontische Spielereien.
Das Lehrgedicht fand auch in dieser Zeit mannigfache Bearbeitung, so durch den sogen. Manetho, den Verfasser eines wüsten astrologischen Gedichts aus dem Anfang der Kaiserzeit, Oppianos von Anazarbos (zweite Hälfte des 2. Jahrh.) mit seinen wohlstilisierten »Halieutica« und seinen unbekannten Nachahmer aus Apamea mit den etwas schwülstigen »Cynegetica«. Unter den epischen Dichtungen sind als eine unverächtliche Leistung anzuerkennen die umfangreichen »Posthomerica« (14 Bücher) des Quintus Smyrnäos (Ende des 4. Jahrh.). Der bedeutendste Epiker der ganzen Zeit ist der Ägypter Nonnos von Panopolis (um 400) mit seinen »Dionysiaca« in 48 Büchern, der Begründer einer eignen Schule, zu der außer den wenig bedeutenden Dichtern Triphiodoros und Kolluthos der Verfasser der reizenden Dichtung »Hero und Leander«, Musäos, gehört. Kaum Erwähnung verdienen die aus den Kreisen der Orphiker hervorgegangenen mystischen »Argonautica« und »Lithica«. Wie die alexandrinische, so leistete auch diese Zeit Wertvolles im Epigramm, dessen zahlreiche Vertreter den Hauptbestand der sogen. Anthologie (s. d.) bilden. Die äsopische Fabel schließlich fand einen poetischen Bearbeiter in Babrios (wahrscheinlich Anfang des 3. Jahrh.).
Die litterarische Hauptthätigkeit auch dieser Periode liegt auf den verschiedenen Gebieten der wissenschaftlichen Prosa, welche zuerst als die unmittelbare Fortsetzung der alexandrinischen Periode mit ihrer Gelehrsamkeit und Polyhistorie erscheint, um bald einen neuen, selbständigen Charakter anzunehmen. Auf dem Gebiet der Geschichte gingen zunächst mehrere Schriftsteller darauf aus, für das praktische Interesse der Zeitgenossen die gesamte Weltgeschichte in übersichtlichen Kompilationen zu bearbeiten. So verfaßte der Sizilier Diodoros um 40 v. Chr. zu Rom [* 2] seine »Historische Bibliothek«, eine Universalgeschichte in 40 Büchern, deren umfängliche Überreste einigermaßen für den Verlust der bedeutendsten Geschichtschreiber der vorigen Periode entschädigen.
Ansehnliche Bruchstücke sind auch von der großen Weltgeschichte (in 144 Büchern) des wenig spätern Nikolaos von Damaskus erhalten. Geschmackvolle Form und sorgfältige Forschung vereinigte Dionysios von Halikarnassos, der Verfasser von zahlreichen und wertvollen litterarisch-ästhetischen Schriften über die alten Redner, in seiner »Römischen Archäologie« (um 8 v. Chr. verfaßt), einer etwa zur Hälfte erhaltenen Darstellung der ältern römischen Geschichte.
In der zweiten Hälfte des 1. Jahrh. n. Chr. schrieb der Jude Josephos griechisch seine jüdische Archäologie und die Geschichte des jüdischen Kriegs. Aus dem Anfang des 2. Jahrh. sind uns die vortrefflichen Parallelbiographien berühmter Griechen und Römer [* 3] des geist- und gemütvollen Platonikers Plutarchos von Chäroneia erhalten, von dem wir auch zahlreiche philosophische Abhandlungen besitzen, aus dem Verlauf desselben die nach den besten Quellen geschriebene und für den Untergang der Geschichtschreiber.
Alexanders d. Gr. entschädigende »Anabasis Alexanders« von Arrianos aus Nikomedia, der zugleich als philosophischer und geographischer Schriftsteller zu nennen ist, und ein Teil der nach ethnographischen Gesichtspunkten geordneten römischen Geschichte des wenig geistvollen und sorgfältigen Alexandriners Appianos. Eine bedeutende Leistung ist die großartig angelegte, leider nur sehr unvollständig erhaltene römische Geschichte des Dio Cassius von Nicäa aus dem Anfang des 3. Jahrh., von dessen jüngerm Zeitgenossen Herodianos eine interessante Kaisergeschichte vom Tod Mark Aurels bis Gordian vorhanden ist. Von den spätern Schriftstellern verdient noch Erwähnung Zosimos mit seiner Kaisergeschichte von Augustus bis 410. Um die Chronologie erwarben sich Verdienste Phlegon von Tralles unter Hadrian und der Kirchenschriftsteller Eusebios von Cäsarea (4. Jahrh.) mit seinem freilich nur in Übersetzungen vorhandenen »Chronikon«. - In der Geographie leistete Hervorragendes der Kappadokier Strabon mit seiner 19 v. Chr. in Rom verfaßten allgemeinen Erdbeschreibung und der um 150 n. Chr. in Alexandria thätige Ägypter Klaudios Ptolemäos, dessen Werke für die mathematische Geographie ebenso epochemachend sind wie für die Astronomie. [* 4] Gleichzeitig verfaßte der Lydier Pausanias seine Periegese Griechenlands, eine unerschöpfliche Fundgrube für religionsgeschichtliche und archäologische Forschung. - Auch auf dem Gebiet der exakten Wissenschaften herrschte eine rege Thätigkeit, deren Mittelpunkt Alexandria bleibt.
Außer Ptolemäos ist unter den zahlreichen mathematischen Schriftstellern, wie Nikomachos von Gerasa, Theon von Smyrna und der gleichnamige Mathematiker von Alexandria, Pappos von Alexandria, besonders hervorzuheben Diophantos von Alexandria (um 360), der bedeutendste Arithmetiker der Griechen. Über die Konstruktion der Kriegsmaschinen schrieb Apollodoros von Damaskus, der berühmte Baumeister des Kaisers Hadrian. Als medizinische Schriftsteller sind zu nennen Pedanios Dioskorides aus Anazarbos (um 60 n. Chr.), Soranos von Ephesos [* 5] (um 140) und vornehmlich der vielseitige Klaudios Galenos aus Pergamon [* 6] (geb. 131), auch Oribasios von Pergamon (um 360) und Aëtios von Amida (Anfang des 6. Jahrh.), der Verfasser großer medizinischer Sammelwerke.
Für die grammatischen Studien war auch in dieser Periode Alexandria der Mittelpunkt. Am meisten ragen auf diesem Gebiet hervor Didymos (geb. 63 v. Chr.), Apollonios Dyskolos und sein Sohn Herodianos (2. Jahrh. n. Chr.), alle drei aus Alexandria gebürtig und in Rom thätig. Das schon früher betriebene Sammeln und Erläutern seltener und veralteter Ausdrücke (Glossen) fand auch jetzt Vertreter, so besonders an Pamphilos (um 60 n. Chr.), auf dessen großes Glossenwerk das Lexikon des Hesychios (4. Jahrh.) zurückgeht.
Das Wiederaufblühen der Sophistik im 2. Jahrh. n. Chr. richtete die Aufmerksamkeit der Grammatiker speziell auf die attischen Schriftsteller und veranlaßte die Richtung der Attizisten, welche den streng attischen Sprachgebrauch in lexikalischen Werken festzustellen suchten, wie der Bithynier Phrynichos, der berühmteste Attizist, Harpokration von Alexandria, Julius Pollux von Naukratis u. a. Von unschätzbarem Wert für die Kenntnis des Altertums in den verschiedensten Beziehungen ist die in Form von Tischgesprächen angelegte Sammlung gelehrter Notizen des Athenäos von Naukratis (um 170-230). Nicht minder ¶
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wertvoll sind die nach moralischen Gesichtspunkten angelegten Exzerptensammlungen des Johannes aus Stobi, gewöhnlich Stobäus genannt (5. Jahrh.), u. Orions von Theben in Ägypten. [* 8] - Bedeutend sind die Leistungen der römischen Periode in der Rhetorik (vgl. Rhetoren). Die litterarisch-ästhetische Seite derselben behandelten der schon als Historiker erwähnte Dionysios von Halikarnassos in einer Reihe wertvoller Schriften, in welchen er auf die attischen Redner als Geschmacksmuster hinwies, sowie sein jüngerer Zeitgenosse Cäcilius von Kaleakte und der unbekannte Verfasser der (dem Cassius Longinus fälschlich beigelegten) geistvollen Schrift »Über das Erhabene«.
Unter den Schriftstellern der Folgezeit, welche über die Theorie des rednerischen Ausdrucks schrieben, wie Demetrios, Älios Aristides, Apsines, Menandros, nimmt den ersten Rang ein Hermogenes von Tarsos (zweite Hälfte des 2. Jahrh.), der scharfsinnigste Rhetor dieser und der vorhergehenden Periode. Praktische Verwertung fand die Rhetorik durch die seit Ende des 1. Jahrh. n. Chr. auftretenden Sophisten. Mit diesem seit Sokrates fast vergessenen Namen bezeichneten sich Männer, welche die Redekunst zur Virtuosität ausgebildet hatten und von Stadt zu Stadt zogen, um sich mit teils improvisierten, teils vorbereiteten Prunkreden über Stoffe der Vorzeit, Tagesfragen, auch Themata allgemeinern Inhalts hören und bewundern zu lassen.
Die Blütezeit der Sophistik fällt in das 2. Jahrh. n. Chr., dessen Kaiser den wissenschaftlichen Bestrebungen der Griechen ihre dauernde und freigebige Huld zuwandten; im 3. Jahrh. zurückgedrängt, trat sie noch einmal in der Mitte des 4. Jahrh. hervor, um im Bund mit der Philosophie die erfolglose Verteidigung des heidnischen Glaubens gegen das Christentum zu führen. Ihr Verdienst ist, jahrhundertelang die Kenntnis der antiken Litteratur lebendig erhalten und der hereinbrechenden Barbarei einen kräftigen Damm entgegengesetzt zu haben.
Als die gefeiertsten Sophisten der Blütezeit sind zu nennen: Dion Chrysostomos von Prusa, Favorinus von Arelate, Antonios Polemon von Laodikeia, Herodes Attikos, Älios Aristides von Adriani in Mysien und Lukianos von Samosata (um 190 n. Chr.), wegen seiner Originalität und Vielseitigkeit für uns der interessanteste. Auch der gelehrte Römer Claudius Älianus von Präneste, der Verfasser zweier erhaltener Sammlungen von allerlei Merkwürdigkeiten, sowie der schon unter den Attizisten erwähnte Pollux zählten zu den Sophisten.
Der bedeutendste Vertreter der Richtung im Anfang des 3. Jahrh. ist Flavius Philostratos von Lemnos, wie Lukianos ein vielseitiger und origineller Schriftsteller. Dem 4. Jahrh. gehören an Himerios von Prusias, der Kaiser Julianos, Libanios von Antiochia, Themistios aus Paphlagonien und Synesios von Kyrene, der letzte Sophist von Bedeutung. Ein eigentümliches Produkt der sophistischen Litteratur sind die fingierten Briefe, welche meist die Bestimmung hatten, kleine Genrebilder des gesellschaftlichen Lebens zu geben.
Das Bedeutendste leistete auf diesem Gebiet Alkiphron (im 2. Jahrh.); neben ihm ist außer Älian und Philostratos zu nennen sein Nachahmer Aristänetos (5. Jahrh.). Ebenfalls unter dem Einfluß der sophistischen Richtung kam in dieser Periode zu selbständiger Ausbildung der erotische Roman, dessen Anfänge schon in den erotischen Dichtungen der Alexandriner wurzeln. Eins der ältesten Erzeugnisse dieser Gattung ist der nur im Auszug erhaltene Liebesroman des Syrers Iamblichos (um 175). Der Folgezeit bis ins 5. Jahrh. gehören an die noch vorhandenen Romane des Xenophon von Ephesos, Heliodoros von Emesa, Longos, Achilleus Tatios von Alexandria und Chariton von Aphrodisias. - Von den philosophischen Schriftstellern dieser Periode sind außer den schon genannten Plutarch, Arrianos und Galenos zu erwähnen Diogenes von Laerte (um 150), Verfasser eines wüsten und unkritischen, aber wegen des aufgespeicherten Materials höchst wertvollen Werkes über das Leben und die Lehrmeinungen berühmter Philosophen, und der gelehrte und scharfsinnige Arzt Sextus, genannt »der Empiriker« (Anfang des 3. Jahrh.), mit seinen im Geiste des Skeptizismus geschriebenen Werken.
Der gegen Mitte des 3. Jahrh. in Alexandria aufkommende Neuplatonismus brachte noch eine Reihe philosophischer Schriftsteller hervor, wie Plotinos, Porphyrios, Iamblichos und Proklos. Mit der Ausweisung der letzten Philosophen aus Athen [* 9] durch Justinian 529 hat der Hellenismus sein thatsächliches Ende erreicht, und es beginnt die byzantinische Zeit, welche Selbständiges und zum Teil Anerkennenswertes nur auf dem Gebiet der Geschichte leistete (s. Byzantiner), aber durch Ausnutzung der noch vorhandenen Schätze der alten Litteratur in Sammelwerken, Schollen u. a. sich auch große Verdienste um unsre Kenntnis des Altertums erworben hat (s. Suidas, Tzetzes, Eustathios 4).
Vgl. Fuhrmann, Handbuch der klassischen Litteratur der Griechen (Leipz. 1804-1808, 3 Bde.);
Mohnike, Geschichte der Litteratur der Griechen und Römer (Greifsw. 1813);
Groddeck, Initia historiae Graecorum literariae (2. Aufl., Wilna [* 10] 1821-23);
Schöll, Geschichte der griechischen Litteratur (a. d. Franz., mit Berichtigungen und Zusätzen von Schwarze und Pinder, Berl. 1828-30, 3 Bde.);
Bernhardy, Grundriß der griechischen Litteratur (Halle [* 11] 1836-45, 2 Bde.; Bd. 1, 4. Bearbeitung 1875; Bd. 2, 3. Bearbeitung 1867-72, 2 Tle.);
K. O. Müller, Geschichte der griechischen Litteratur bis auf Alexander d. Gr. (Bresl. 1841, 2 Bde., unvollendet; 4. Aufl. von Heitz, Stuttg. 1882);
Munk, Geschichte der griechischen Litteratur (3. Aufl. von Volkmann, Berl. 1879-80, 2 Bde.);
Mure, Critical history of the language and literature of ancient Greece (Lond. 1850-57, 5 Bde.);
Nicolai, Griechische Litteraturgeschichte (2. Aufl., Magdeb. 1873-1878, 3 Bde.);
Burnouf, Histoire de la littérature grecque (Par. 1869, 2 Bde.);
Bergk, Griechische Litteraturgeschichte (Bd. 1, Berl. 1872; Bd. 2 u. 3, von Hinrichs bearbeitet, 1883-84);
Stoll, Die Meister der griechischen Litteratur (Leipz. 1878);
Mähly, Geschichte der antiken Litteratur (das. 1880);
Mahaffy, History of classical Greek literature (Lond. 1880, 2 Bde.);
Sittl, Geschichte der griechischen Litteratur (Münch. 1883 ff., 3 Bde.).