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Griechen Äsopos für den Erfinder derselben. Sie ist viel älter, tritt aber früher bloß sporadisch auf; Äsop war der erste, welcher die Gewohnheit, alle Lagen des Lebens unter irgend einem Vorgang in der Tierwelt zu begreifen, zur Virtuosität ausbildete, und dessen Name später für alle und jede sinnvolle Fabel typisch geworden ist. - Durch die Fortschritte, welche im 7. Jahrh. die Musik bei den Griechen machte, wurde auch die lyrische Poesie, welche mit der Musik in der innigsten Verbindung steht, nicht wenig gefördert.
Der eigentliche Schöpfer der klassischen Musik der Griechen und damit Begründer der melischen Lyrik ist Terpandros von Antissa auf Lesbos (um 676), der die an den Apollonfesten üblichen choralartigen Kultusgesänge, die sogen. Nomen, zuerst kunstreich gliederte und statt der bisherigen viersaitigen Kithara [* 2] die siebensaitige erfand, auch selbst epische Stoffe zu Texten für seine musikalischen Kompositionen bearbeitete. Die von ihm in Sparta eingeführte hexametrische Nomenpoesie und den epischen Stoff verließ der gleichfalls in Sparta ansässige Lydier Alkman (um 660), indem er mannigfache Rhythmen zu Systemen oder Strophen verband und das spartanische Leben zugleich nach seiner religiösen und weltlichen Seite in Chorgesängen und Liedern darstellte.
Etwas später (um 625) bildete Arion von Methymna den an den Dionysosfesten üblichen Dithyrambos zur eigentümlichen Kunstform aus. Nach Alkman trennte sich die Lyrik in eine erhabene, überwiegend religiöse und eine mehr weltliche Richtung. Während jene sich unter den Doriern des Peloponnes und Siziliens als chorische Poesie langsam entwickelte, erblühte diese rasch unter den Äoliern auf Lesbos. Beide Schulen, die dorische und die äolische, unterscheiden sich voneinander nicht allein im Dialekt, sondern, wie angedeutet, auch in Inhalt und Darstellungsweise.
Während die Dichtungen der äolischen Sänger nur von einem einzelnen, meist mit Begleitung eines Saiteninstruments, aber auch der Flöte, vorgetragen wurden, waren die der dorischen bestimmt, beim Chortanz gesungen zu werden. In der erstern klangen Lust und Klage, überhaupt die persönlichen Empfindungen wider, während die dorische Chorlyrik, welche nur an öffentlichen Festen zur Geltung kam, einen Gegenstand von öffentlichem, allgemeinem Interesse erforderte. Am bedeutendsten in der äolischen Schule sind Alkäos (um 600) und die gleichzeitige Dichterin Sappho (beide aus Lesbos), ersterer ausgezeichnet durch Großartigkeit und tiefen Ernst der Gedanken, Freiheitsgefühl, sinnliche Glut der Empfindung und Kraft [* 3] der Sprache, [* 4] letztere durch Innigkeit und Lebendigkeit der Empfindung und Anmut des Ausdrucks, aber auch durch Glut der Liebesleidenschaft. An die äolischen Dichter reiht sich Anakreon aus Teos (um 550), dessen Poesie, fast einzig der Liebe und dem heitern Lebensgenuß geweiht, von den Alten ganz besonders die erotische genannt wurde.
Nach Anakreon wird die äolische Dichtungsweise durch die dorische Chorpoesie zurückgedrängt; nur ein einzelner Zweig derselben, die bei Gastmählern während des Trinkens gesungenen Skolien, erhielt sich noch lange in Übung. Ihre höhere Kunstgestaltung erhielt die dorische Chorpoesie, welche sich über ganz Griechenland [* 5] verbreitete und die größte Mannigfaltigkeit des Inhalts zeigt (wir finden in ihr Siegeslieder, Hymnen, Päane, Dithyramben, Prozessionslieder, mimische Tanzlieder, Tischlieder, Trauer- und Lobgesänge u. a.), durch Stesichoros aus Himera (um 580), der die dreiteilige Ordnung in Strophe, Gegenstrophe und Epode zuerst einführte, und Ibykos aus Rhegion (um 540), ihre Vollendung durch Simonides aus Keos (um 556-468), dessen Schwestersohn Bakchylides (um 460) und vor allen Pindaros aus Theben (von 522-442). Letzterer bildet ebenso wie Homer und sein jüngerer Zeitgenosse Sophokles einen Glanz- und Wendepunkt in der Entwickelung des griechischen Volkes. Wie in Homer die epische und in Sophokles die dramatische, so kommt in ihm die lyrische Poesie zu ihrer höchsten Entfaltung.
In der letzten Zeit dieser Periode (Mitte des 6. Jahrh.) finden wir bei den Griechen die ersten Anfänge der Prosa. Sie schließen sich zunächst an die philosophischen Bestrebungen der Ionier an. Der erste Grieche, von dem uns Fragmente in Prosa erhalten sind, ist Pherekydes von Syros (um 560). Seine Prosa schloß sich noch eng an die Poesie an und unterschied sich von dieser nur durch den Mangel des Versmaßes. An ihn reihen sich die übrigen ionischen Philosophen: Anaximandros, mit welchem die eigentliche philosophische Schriftstellerei beginnt, Anaximenes, Heraklit von Ephesos, [* 6] Anaxagoras aus Klazomenä.
Mehrere dieser Philosophen wandten sich nach Athen [* 7] und trugen dazu bei, dort die großartigen Erscheinungen in der Litteratur, welche die folgende Periode aufweist, vorzubereiten. Außer den ionischen Philosophen blühten in dieser Periode in Unteritalien die beiden Schulen der Eleaten und des Pythagoras. Es ist unzweifelhaft, daß auch die Untersuchungen dieser Männer, besonders der Pythagoreer (denn die Eleaten bedienten sich meist noch der gebundenen Rede), auf die Ausbildung der Prosa bedeutenden Einfluß gehabt haben. Zu einer Geschichtschreibung kam es in Griechenland erst ziemlich spät.
Den Übergang dazu bilden die sogen. Logographen, welche in einer sich erst allmählich dem Ton der wirklichen Prosa nähernden Sprache ihren meist der Stamm- und Lokalsage entnommenen Stoff ohne kritische Sichtung und Anordnung nach einem höhern Gesichtspunkt darstellten. Ihre Blütezeit fällt von 550 bis zu den Perserkriegen; ihre bedeutendsten Vertreter sind Hekatäos von Milet und Hellanikos von Lesbos. Als der eigentliche Vater der Geschichtschreibung bei den Griechen gilt unbestritten Herodotos von Halikarnassos (um 485-424). Er zuerst verarbeitete einen auf ausgedehnten Reisen und durch langjährige Forschung gesammelten historischen und geographischen Stoff zu einem einheitlichen Ganzen, dessen Grundthema der Kampf der Hellenen gegen die Perser ist.
Sein Werk, welches in der griechischen Prosa dieselbe Stelle einnimmt wie die Ilias und Odyssee in der Poesie, zeichnet sich durch schlichte, gemütvolle Erzählung, durch Grundlegung einer sittlich-religiösen Idee (der waltenden Nemesis) und durch unparteiische Wahrheitsliebe aus. Hatten bis jetzt die einzelnen Stämme des griechischen Volkes ziemlich gleichmäßig an der Förderung der Litteratur sich beteiligt, so tritt jetzt Ein Staat durch einen wunderbaren Reichtum an Talenten in den Vordergrund und gewinnt das Ansehen einer Hauptstadt Griechenlands in Kunst und Wissenschaft: Athen, und zwar ist es jetzt die Blüte [* 8] aller Poesie, das Drama, welches in den Vordergrund tritt. Die dramatische Poesie ist aus den Dionysosfesten entstanden, bei denen die Festchöre um den Opferaltar die Leiden [* 9] und Freuden des Gottes in Liedern und mimischem Tanz darstellten. Von der Darstellung der Leiden stammt die tragische Gattung, der sich das Satyrdrama anschloß, in welchem der ¶
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Chor die schwärmenden Begleiter des Dionysos [* 11] vorstellte, von der ausgelassenen Darstellung der Freuden die komische. Als derjenige, welcher aus dem dionysischen Dithyrambos die ersten Anfänge zum wirklichen Drama bildete, gilt der Athener Thespis (um 536), welcher zwischen den Chorliedern und Chortänzen als Schauspieler die einzelnen Vorgänge eines mythischen Stoffes erzählte und auch in den verschiedenen Masken [* 12] der darin handelnden Personen darstellte.
Als der eigentliche Begründer eines kunstmäßigen Dramas und zugleich als der erste der drei großen Meister der griechischen Tragödie ist aber Äschylos aus Eleusis (525-456) zu betrachten. Er fügte zu dem einen noch einen zweiten Schauspieler, wodurch der eigentliche Dialog erst möglich wurde, sorgte für eine würdige Ausstattung der Bühne, der Schauspieler und des Chors und erhob die Handlung, welche im Verhältnis zum Chor bis jetzt als Nebensache betrachtet worden war, zur Hauptsache.
Seine Dramen sind einfach, aber großartig angelegt, seine das menschliche Maß überragenden Charaktere mit wenig Strichen, aber fest und gediegen gezeichnet; seine Sprache ist teilweise hart und dunkel, aber immer erhaben. Am höchsten unter den griechischen Tragödiendichtern steht der Athener Sophokles (496-406). Er führte den dritten Schauspieler ein, der dazu diente, die Personen durch Gegensätze in helleres Licht [* 13] zu stellen: Anlage und Durchführung des Plans, Zeichnung der nach menschlichen Proportionen geformten Charaktere, Zauber der Sprache und des Rhythmus, kurz alles trägt das Gepräge eines in sich vollendeten genialen Geistes.
Der dritte große Tragiker, Euripides aus Salamis (480-405), repräsentiert bereits die Zersetzung des griechischen Wesens, den Widerspruch, in welchen die alten Überlieferungen mit dem vorgeschrittenen Denken treten. Seine Vorzüge sind die glänzende, wenn auch sophistische und rhetorische Darstellung und die Kunst, die Leidenschaften der sinnlichen Natur und das Elend des wirklichen Lebens zu malen. Neben diesen drei Meistern versuchten sich noch viele andre in der Tragödie (den Bestand der für die Bühne Athens geschriebenen Tragödien berechnet man auf 1400), blieben aber alle hinter jenen weit zurück. Am bedeutendsten waren nächst ihnen Ion von Chios, Achäos von Eretria und Agathon aus Athen.
In dem Satyrdrama, welches als Nachspiel eine untergeordnetere Rolle spielte, und wovon wir nur ein einziges Muster (den »Kyklops« des Euripides) besitzen, zeichnete sich besonders Pratinas von Phlius (um 500) aus. Dagegen ist der Komödie bei den Griechen eine ebenso hohe Ausbildung zu teil geworden wie der Tragödie. Die Anfänge der Komödie finden sich in Megara, wo sich aus den bei dem Komos, dem dionysischen Festzug, üblichen Possen zuerst ein mimisches Possenspiel ausgebildet haben soll.
Mit den Doriern nach Sizilien [* 14] verpflanzt, wurde es hier zum Drama namentlich durch Epicharmos (um 540-480) ausgebildet, der mit festem Plan und lebendigem Dialog insbesondere mythologische Stoffe travestierend bearbeitete. Ihre Vollendung erhielt auch diese Gattung der Poesie in Athen. Man unterscheidet alte, mittlere und neue Komödie. Der bedeutendste Dichter der alten Komödie ist der Athener Aristophanes, dessen Stücke zwischen 427 und 388 aufgeführt wurden. Er vereinigt Erhabenheit mit unerschöpflicher Laune, sittlichen Ernst mit heiterer Anmut, naturwüchsiger Derbheit, ja zügelloser Ausgelassenheit.
Das ganze öffentliche Leben der Athener und die einflußreichen politischen Charaktere zog er in den Bereich seiner Komik; die im Peloponnesischen Krieg beginnende Sittenverderbnis und die neuen Richtungen in Kunst und Wissenschaft lieferten ihm reichlichen Stoff. Neben ihm waren unter den zahlreichen Dichtern der alten Schule die bedeutendsten Kratinos und Eupolis. Als mit dem Untergang der alten Demokratie die unbeschränkte Freiheit der persönlichen Rüge, die eigentliche Grundbedingung der alten Komödie, aufhörte, erlosch diese, und an ihre Stelle trat die mittlere Komödie, deren hauptsächliches Gebiet die Parodie der Tragiker, überhaupt die parodische Darstellung der gesamten Mythologie, daneben die Verspottung des Philosophentreibens und auch schon die Schilderung des gewöhnlichen Lebens in typischen Charakteren war.
Als Hauptvertreter dieser Richtung gelten Antiphanes aus Athen (408-332) und Alexis aus Thurii (um 382 bis 287). Den Mittelpunkt der sich im letzten Viertel des 4. Jahrh. entwickelnden, unserm bürgerlichen Lustspiel vergleichbaren neuern Komödie bilden ausschließlich Zustände des alltäglichen Lebens mit scharfer Zeichnung der hierher gehörigen Charaktere, wobei selbstverständlich den Liebesgeschichten der weiteste Raum gegönnt wurde. Ihren Höhepunkt erreichte sie in Menandros von Athen (342-290), neben welchem sich namentlich Philemon, Diphilos und Apollodoros auszeichneten.
Außer diesen Arten des kunstmäßig ausgebildeten Dramas gab es in Griechenland eine Menge Possenspiele der verschiedensten Art, die bei Gastmählern und sonst von Lustigmachern aufgeführt wurden. Diese possenhaften Nachahmungen von Personen und Charakteren des gemeinen Lebens benannten die Griechen mit dem allgemeinen Namen Mimen. So hießen auch die freilich nicht für die Bühne, sondern höchstens zum Vorlesen bestimmten dialogisierten Charakterbilder des Sophron aus Syrakus [* 15] (um 420). - Bei dem fast ausschließlichen Interesse am Drama traten in dieser Periode die andern Dichtungsarten in den Hintergrund. Nur der Dithyrambos erhielt eine Fortbildung durch Melanippides von Melos (um 415), Philoxenos von Kythera (gest. 380) und Timotheos aus Milet (gest. 357). Auf dem Gebiet des Epos waren am bedeutendsten Panyasis (um 480), Chörilos (um 440-400), der in seiner »Perseis" den ersten Versuch mit dem historischen Epos machte, und Antimachos (um 400), der Begründer der gelehrten Dichtung.
Seit den Perserkriegen tritt auch die Prosa immer bedeutsamer hervor. Athen war wiederum der Boden, auf welchem auch diese Blüte des griechischen Geistes erwachsen sollte. Perikles galt durch klare Einsicht in die politischen Verhältnisse, durch Feinheit, Schärfe und Reichtum der Gedanken sowie durch natürliche rhetorische Kunst als einer der vollendetsten Redner. Tief eingreifend war der Einfluß, welchen die Sophisten auf die kunstmäßige Ausbildung der prosaischen Rede ausübten.
Protagoras von Abdera und Gorgias aus Leontinoi, die Hauptvertreter der Sophistik, nannten die Rhetorik die Kunst aller Künste, weil sie in den Stand setze, über jede Sache auch ohne genaue Kenntnis schön und überzeugend zu reden und die schlechtere Sache zur bessern zu machen. Sie verwandten weniger Fleiß auf den Inhalt als auf eine glänzende Sprache und gelangten darin zu großer Meisterschaft. Der erste, welcher die von den Sophisten gegebenen Anregungen für die praktische Beredsamkeit verwendete und die rednerische Darstellung durch Veröffentlichung von geschriebenen Reden zum Studienmuster für andre in die ¶