griechischen Minister sträubten sich anfangs, das Dargebotene anzunehmen, brachten aber 28. Mai auf die entschiedenen Drohungen
der Mächte, allein zu lassen, ihrer Vaterlandsliebe das Opfer des Beitritts zur Konvention.
Die Übergabe der neuen Provinzen erfolgte noch 1881. Von der Presse und in der Kammer wurde aber trotzdem nicht bloß
das Ministerium, sondern auch der König wegen dieses angeblich ungünstigen Ausgangs des Grenzstreits heftig angegriffen,
wie denn Georg I. beim Volk nicht Popularität zu gewinnen vermochte. Die Dynastie befestigte sich nur insofern, als dem König,
der sich 27. Okt. 1867 mit der russischen Großfürstin Olga vermählt hatte, außerdem am 2. Aug. 1868 gebornen
Thronfolger Konstantin, Herzog von Sparta, noch drei Prinzen (vgl. Georg 9) geboren wurden. Das Ministerium Kumunduros, dem Griechenland die
beträchtliche Gebietsvergrößerung verdankte, wurde schon 1882 gestürzt. Sein Nachfolger Trikupis, welcher sich der Ordnung
der Finanzen widmete, einen neuen Zolltarif einführte und den Zwangskurs durch Aufnahme einer Anleihe beseitigte,
behauptete sich bis 1885. Durch die Neuwahlen zur Kammer verlor er die Mehrheit, und Deligiannis trat im Mai 1885 an die Spitze der
Regierung.
Dieser ließ sich, als im September die Ostrumelier den türkischen Generalgouverneur verjagten und sich mit Bulgarien vereinigten
und infolgedessen Serbien letzterm den Krieg erklärte, durch die Hoffnung auf einen allgemeinen Kampf auf
der Balkanhalbinsel, in dem Griechenland von neuem sein Gebiet auf Kosten der Türkei erweitern könne, zu umfangreichen Rüstungen verleiten.
Als indes der Friede wiederhergestellt wurde, ehe Griechenland zum Eingreifen bereit war, setzte Deligiannis die Rüstungen dennoch fort,
indem er die friedensbedürftigen Mächte durch die Drohung mit einem Einfall in Makedonien und einem Angriff
auf die türkische Flotte einschüchtern und zur Befriedigung der griechischen Ländergier bewegen zu können glaubte; denn
einen ernsten Krieg hätte Griechenland bei der Langsamkeit und Geringfügigkeit seiner Rüstungen gegen die stark bewaffnete Türkei
nicht wagen können.
Frankreich leistete den Griechen auch seinen diplomatischen Beistand; England aber verlangte im Januar 1886 energisch
die Abrüstung, und die übrigen Mächte schlossen sich ihm an, auch Rußland. Deligiannis weigerte sich lange, abzurüsten,
indem er sich auf den Anspruch Griechenlands auf die Grenze von 1880 berief. Die Mächte blieben aber fest und einig, schickten
eine ansehnliche Kriegsflotte nach der Sudabai auf Kreta und stellten, als Deligiannis trotzdem das griechische
Heer an der Nordgrenze bis auf 80,000 Mann verstärkte und dort schon Konflikte mit den Türken vorfielen, 6. Mai ein Ultimatum.
Als Deligiannis dies ablehnte, verließen die Gesandten der Mächte (außer Frankreich) Athen, nachdem sie über
alle griechischen Häfen der Ostseeküste die Blockade verhängt hatten. Jetzt endlich sah Deligiannis die Nutzlosigkeit seines
Widerstandes ein und trat zurück. Trikupis übernahm 21. Mai das Ministerium und befahl die Abrüstung, worauf die Blockade aufgehoben
wurde. Darauf widmete er sich der Regelung der Finanzen, die durch die Kosten der Rüstungen (über 100 Mill.)
wieder in die ärgste Verwirrung geraten waren, indem er sich von der Kammer eine Goldanleihe von 19 Mill. bewilligen ließ.
Zugleich ließ er von der Kammer eine Änderung des Wahlgesetzes beschließen, wonach dieselbe fortan nur aus 150 Deputierten
bestehen und diese nach Provinzen (Nomen) gewählt werden sollen.
[Litteratur.]
Über
die Geschichte Neugriechenlands vgl. Mitford, History of Greece (Lond. 1784 ff.; neue Aufl.
1838, 8 Bde.; deutsch von Eichstädt, Leipz. 1802-1808, 6 Bde.);
Fallmerayer, Geschichte der Halbinsel Morea während des Mittelalters (Stuttg. 1830-36, 2 Bde.);
Hopf, Geschichte Griechenlands vom Mittelalter bis auf unsre Zeit (aus Ersch und Grubers Encyklopädie, Leipz.
1870);
Sathas, Documents inédits à l'histoire de la Grèce au moyen-âge (Par. 1880-82, 3 Bde.);
Finlay, Geschichte Griechenlands von seiner Eroberung durch die Kreuzfahrer bis zur Besitznahme durch die Türken (a. d. Engl.
von Reiching; Tübing. 1853);
Derselbe, History of Greece under the Othoman and Venetian domination (Lond. 1856);
Derselbe, History of the Greek revolution (das. 1861, 2 Bde.);
Mendelssohn-Bartholdy, Geschichte Griechenlands von der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 bis auf unsre Tage (Leipz.
1870, 2 Tle.);
Hertzberg, Geschichte Griechenlands seit Absterben des antiken Lebens bis zur Gegenwart (Gotha 1875-78, 4 Bde.);
Thom. Gordon, History of the Greek revolution (2. Aufl., Lond.
1842, 2 Bde.; deutsch bearbeitet und fortgeführt von Zinkeisen, Leipz. 1840, 2 Bde.);
Klüber, Pragmatische Geschichte der nationalen und politischen Wiedergeburt Griechenlands (Frankf. 1835);
Trikupis, Geschichte
der griechischen Wiedergeburt (griech., Lond. 1853-57, 4 Bde.);
Gervinus, Geschichte des 19. Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen, Bd. 5 und 6 (Leipz.
1861-62);
Lenormant, La révolution de Grèce, ses causes et ses conséquences (Par. 1862);
v. Prokesch-Osten, Geschichte des
Abfalls der Griechen vom türkischen Reich im Jahr 1821 und der Gründung des hellenischen Königreichs (Wien 1867-68, 6 Bde.);
Schmeidler, Geschichte des Königreichs Griechenland (Heidelb. 1877).
Kirche (griechisch-katholische oder, wie sie sich selbst gern nennt, orientalisch-orthodoxe
Kirche), derjenige der drei Hauptzweige der christlichen Kirche, welcher die im ehemaligen oströmischen Reiche geltenden Dogmen,
Gebräuche und Verfassungsformen beibehalten hat und gegenwärtig in Vorderasien und im Osten von Europa herrschend ist.
Geschichtliche Entwickelung.
Die Griechen waren zwar kein selbständiges Volk mehr, als sie die christliche Religion annahmen; aber
sie liehen derselben doch ihre Sprache und den weit ausgebreiteten Schauplatz ihrer Bildung, wiewohl dabei das eigentliche
Griechenland hinter Alexandria zurücktrat (s. Alexandrinische Schule). Während aber noch durch das ganze 4. Jahrh. das Abendland
theologisch abhängig ist von dem Geiste der griechischen Kirche, ging in den folgenden Jahrhunderten allmählich
auch die Trennung des Orients und Occidents von dem politischen Boden auf den kirchlichen über, und zwar standen im Osten die
Patriarchate von Konstantinopel, Alexandria, Antiochia, Cäsarea und Ephesos, auch wohl Jerusalem, lange koordiniert nebeneinander,
und erst allmählich hob sich der Bischofsitz zu Konstantinopel durch die Bedeutung dieser Stadt und die
Größe seines Sprengels zu solchem allgemeinen Ansehen, daß er mit Rom rivalisieren konnte. Daß der entferntere Orient kein
drittes kirchliches Ganze bildete, sondern sich der griechischen Kirche anschloß, erklärt ein flüchtiger Blick auf den Schauplatz
und den Zusammenhang der damals die ganze morgenländische Kirche so sehr bewegenden dogmatischen, namentlich
christologischen, Streitigkeiten, die in der Regel in Konstantinopel durch kaiserliche Einflüsse entschieden wurden, zum
mehr
Teil freilich nur um den Preis einer schismatischen Absonderung der Nestorianer, Monophysiten und Monotheleten, so daß die kirchliche
Einheit im Orient bald ganz verloren ging. Die griechisch-kirchliche Litteratur hatte sich während ihrer Blütezeit im 4. bis 6. Jahrh.
in außerordentlicher Fülle und Vielseitigkeit entwickelt; wir erinnern nur an die dogmatischen Werke
Theodorets und des Areopagiten Dionys, an die kirchenhistorischen Werke des Eusebios und Epiphanias, an die Homilien und Reden
des Chrysostomos, Gregor von Nyssa, Basilius d. Gr. und Gregor von Nazianz, an die exegetischen Werke des Diodoros von Tarsos und
Theodoros von Mopsuestia, an die liturgischen Erzeugnisse, welche unter den Namen des Markus und Jakobus,
des Basilius und Chrysostomos gehen, an die Katechesen des Cyrillus von Jerusalem und die Beiträge zur geistlichen Poesie und
Hymnologie.
Unter den Epigonen stellte der Mönch Johannes Damascenus (s. d.) die Resultate der Glaubensstreitigkeiten zusammen und schloß
damit die Dogmatik für seine Kirche auf ein Jahrtausend ab. Verschiedene Umstände lockerten gleichzeitig
die Gemeinschaft der griechischen Kirche mit der abendländischen. Schon 484 trat infolge eines vom Kaiser Zeno 482 erlassenen,
den Lateinern anstößigen Edikts (Henotikons) ein förmliches Schisma ein, welches bis 519 währte. Das zweite trullanische
Konzil von 692 war in seinem Resultat geradezu eine Beleidigung Roms, und in den Streitigkeiten über Bilderdienst
und Bilderverehrung (s. d.) stand der Papst gewöhnlich auf der Gegenseite zu den griechischen Kaisern.
Der wirksamste Grund zur wachsenden Entzweiung ist aber in der fortschreitenden Zentralisation der occidentalischen Kirche unter
dem römischen Papsttum zu suchen. Schon Photius (s. d.) beschwerte sich über die Herrschsucht des römischen
Bischofs, welcher auch den byzantinischen Patriarchen sich zu unterwerfen trachte, und die Erbitterung wurde noch gesteigert,
als der von griechischen Priestern bekehrte König der Bulgaren, Bogoris, in den Verband der abendländischen Kirche gezogen
wurde (866). Photius erließ zur Abwehr der römischen Übergriffe ein Rundschreiben (867), welches die abweichenden Gebrauche
der abendländischen Kirche, das Fasten am Sonnabend, die Erleichterung der großen Fasten, die Verwerfung
der Firmung durch die Hand des Presbyters und das Verbot der rechtmäßigen Priesterehe als Ketzereien rügte und gegen die
lateinische Kirche zugleich den Vorwurf der Symbolfälschung erhob, da die noch vom Papst Leo III. zwar an sich gebilligte,
aber als Zusatz im Symbol gemißbilligte Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes »auch vom Sohn« (filioque) in die lateinische
Fassung des Symbols aufgenommen worden war.
Das gute Einvernehmen mit Rom wurde zwar durch den Sturz des Photius wiederhergestellt, aber des letztern Rundschreiben war
ein bleibendes Zeugnis der Verschiedenheit beider Kirchen. Als vollends ein Schreiben des Patriarchen Michael
Cärularius (s. d.) zu den hergebrachten Vorwürfen wider die römische Kirche noch den Gebrauch von ungesäuertem Brot beim
Abendmahl als jüdische Ketzerei hinzufügte, legten die römischen Legaten 16. Juli 1054 den päpstlicherseits gegen den Patriarchen
erlassenen Bannspruch auf dem Hochaltar der Sophienkirche nieder.
Michael säumte nicht, im Verein mit den übrigen orientalischen Patriarchen den Fluch zu erwidern, und so waren von jetzt an
die Kirchen des Morgenlandes und des Abendlandes, die beide ausschließende Ansprüche auf Katholizität
machten, auf immer
getrennt. Voll zähen Selbstgefühls, stolz auf den Besitz der ältern kirchlichen Verfassung und Sitten
sowie mancher einfacherer Lehrbestimmungen und echterer Überlieferungen, schloß sich die griechische Kirche immer schroffer gegen die
Fortentwickelung im Occident ab. Einzelne Versuche der Ausgleichung dienten nur dazu, den Riß zu erweitern, und die Heereszüge
der Kreuzfahrer steigerten den kirchlichen Gegensatz zum Nationalhaß.
Solange das lateinische Kaisertum bestand, verhinderte ebensowohl der gereizte Widerwille der Griechen
gegen ihre politischen Unterdrücker wie die Anmaßung der triumphierenden lateinischen Kirche eine Aussöhnung. Das Gebiet
der griechischen Kirche erweiterte sich zwar durch die Wiedergewinnung der Bulgarei, durch die Bekehrung sowohl der Mainoten
als der Slawen in Böhmen und Mähren, die jedoch im 10. Jahrh. meist zum römischen Kultus übertraten,
und durch die Gründung der russischen Kirche unter Wladimir d. Gr., erlitt aber anderseits Abbruch durch die von den Lateinern
und Türken gemachten Eroberungen.
Die kirchliche Wissenschaft beschränkte sich auf eine mechanische und äußerliche Fortpflanzung des Ererbten. Erwähnenswert
von Schriften der griechischen Kirche im Mittelalter sind außer den Katenen (s. Exegetische Sammlungen)
die kirchenhistorischen des Photius; die dogmatisch-polemischen des Euthymios, Niketas Choniates, Nikolaus von Methone; die liturgischen
des Maximus, Sophronios, Simeon aus Thessalonich. Die Beziehungen zur römischen Kirche blieben im ganzen feindlich.
Nur die wachsende Gefahr von seiten der Türken drängte wiederholt zu einer hilfesuchenden Annäherung an das
Abendland. Aber weder zu Lyon (1274) noch zu Florenz (1439) wurde eine dauernde Union (s. d.) erreicht. Als schon die Zelte der
Türken Konstantinopel umgaben, wurde noch einmal ein Versöhnungsfest (Dezember 1452) gefeiert und von einem römischen Kardinal-Legaten
in der Sophienkirche Messe gelesen; aber dadurch wurden nur neue Schwierigkeiten hervorgerufen. Verlassen
vom Abendland, wurde Konstantinopel endlich (29. Mai 1453) von den Türken erobert und die Sophienkirche zur Moschee entweiht. Zahllose
Gelehrte flohen nach Italien, um daselbst ihre Bildung und Kenntnisse belebend auf die Wissenschaft des Abendlandes einwirken
zu lassen und dadurch die geistigen Umwälzungen des folgenden Jahrhunderts vorzubereiten.
Aus der nachfolgenden Zeit sind besonders die Berührungen erwähnenswert, in welche die griechische Kirche mit
dem Protestantismus trat. Nachdem schon Melanchthon (1559) einem Griechen die griechische Übersetzung der Augsburgischen Konfession
nebst einer Begrüßung an den Patriarchen Joasaph II. eingehändigt hatte, wurden die Tübinger Theologen J. ^[Jakob] Andreä
und M. Crusius durch einen protestantischen Gesandtschaftsprediger in Konstantinopel veranlaßt, dem Patriarchen
Jeremias II. eine andre Übersetzung mit der Bitte um sein Urteil zu übersenden (1574). Es erfolgte eine Antwort, die im Sinn der
beschränktesten Orthodoxie der morgenländischen Kirche abgefaßt war und den fernern Schriftenwechsel abschnitt (1581). Ein
glücklicherer Erfolg schien die Annäherungsversuche des Cyrillus Lukaris (s. d.) krönen zu wollen.
Nachdem dieser Patriarch von Konstantinopel geworden war, sandte er ein Glaubensbekenntnis nach Genf in der Absicht, eine Wiedergeburt
der griechischen Kirche im Sinn der reformierten Kirche zu bewirken; aber die obsiegende Gegenpartei erwiderte seine reformatorischen