mehr
die Stadt Kalabryta erobert. Kolokotronis, der die Arkadier, und Petros Mauromichalis, der die Mainoten insurgierte, siegten in mehreren Gefechten, nahmen mehrere Städte ein und bildeten in Kalamata eine Art Nationalversammlung unter dem Namen des »Senats von Messenien«, welcher 9. April seine Sitzungen eröffnete, den Aufstand zu organisieren begann und die Geschäfte einer Regierung übernahm. Am 7. April wurde Athen [* 2] eingenommen, die türkische Besatzung auf die Akropolis [* 3] beschränkt. In Böotien pflanzte der kühne und schlaue Odysseus die Fahne der Empörung auf.
Nach dem Vorgang von Hydra, Spezzia, Ipsara, Tino und Samos schlossen sich auch die meisten Inseln des Archipels der Erhebung an, und in kurzer Zeit wurde eine Flotte von 180 trefflich bemannten Briggs zusammengebracht, deren Oberbefehl man Jakob Tombazis übertrug, und die bald zahlreiche türkische Handelsfahrzeuge aufbrachte, welche ansehnliche Beute lieferten. Die Ereignisse auf Morea öffneten der Pforte die Augen über die Bedeutung der Ereignisse. Ein Hattischerif des aufs äußerste erzürnten Großherrn Mahmud II. rief alle Muselmanen unter die Waffen, [* 4] und der türkische Pöbel stürzte sich mordend über die griechischen Bewohner Konstantinopels und andrer türkischer Städte, besonders an der asiatischen Küste.
In der Hauptstadt wurden 300 der reichsten Kaufleute hingerichtet. Der Patriarch von Konstantinopel, [* 5] Gregorios, ward am Osterfest (22. April) nach vollendetem Gottesdienst nebst mehreren andern Geistlichen an der Thür der Kirche aufgehängt. An 200 Kirchen (16 in Konstantinopel) wurden aller Protestationen der christlichen Gesandten ungeachtet zerstört, ja diese Gesandten selbst mit argwöhnischen Augen betrachtet, der russische, Stroganow, offen insultiert, die Wohnung eines Gesandtschaftsrats vom Pöbel demoliert und der Bosporus [* 6] den Russen geschlossen.
Die Nachricht von diesen Greueln konnte die Wut der Insurgenten nur steigern; auch in den bisher noch ruhigen Distrikten Griechenlands wurde nun die Fahne des Aufstandes erhoben. Eleusis, Megara und alle bedeutenden Ortschaften der Korinthischen Landenge erhoben sich; ein vormaliger Mönch, Dikaios, nahm Korinth [* 7] und schloß die Türken in die Burg ein, während sein Waffenbruder Diakos sich in den Thermopylen festsetzte, um einem türkischen Heerhaufen die Straße nach Athen zu verlegen.
Zwar erfocht Omer Vrione 4. Mai an den Thermopylen einen blutigen Sieg über die Griechen, und Diakos erlitt nach heldenmütigem Kampf einen martervollen Tod; aber nun eilte Odysseus zur Rache herbei, trieb jenen bis Brodnizza zurück und eroberte die Burg von Arachova, und bald stand von den Thermopylen bis zum Ambrakischen Meerbusen ganz Hellas in Waffen. Auch die Ionischen Inseln unterstützten den Aufstand durch Lieferungen von Geld und Kriegsbedürfnissen. Auf Kreta wurden die Türken in ihre festen Plätze Kanea und Suda zurückgedrängt, Samos trotzte allen Angriffen, und eine gewaltige türkische Flotte, welche diese Warte der Freiheit zertrümmern sollte, wurde 21. Juli von zwei griechischen Brandern in die Flucht geschlagen.
Mit dem alten Ali Tepelen von Janina verbündet, rückten Anfang Mai auch die Sulioten aus ihren Bergen [* 8] hervor, schlugen türkische Truppen bei Kandscha, organisierten sich hierauf unter Marko Botzaris, riefen die ganze Landschaft von Margeriti und Prevesa zu den Waffen, eroberten die Feste Variades, die den Eingang nach Suli deckte, schlugen in der Ebene von Passaron Ismail Pascha und nahmen endlich eine Stellung bei Plaka. Namentlich auf Morea blieb der Aufstand siegreich. Die Versuche mehrerer türkischer Heere, den Hauptplatz von Morea, Tripolizza, zu entsetzen, wurden durch die Tapferkeit der griechischen Scharen zurückgeschlagen. Am wurde Tripolizza mit Sturm genommen, die Besatzung von 8000 Mann niedergemacht und Kolokotronis' Sohn Panos als Statthalter eingesetzt.
Die Uneinigkeit unter den griechischen Führern, welche mancherlei Unfälle verschuldete, hatte schon längst das Bedürfnis einer festen Verfassung fühlbar gemacht. Zwar waren bereits im Anfang der Bewegung zu Kalamata in Messenien, dann auch auf Hydra und in andern Teilen des Landes Regierungen unter verschiedenen Namen errichtet worden. Dies befriedigte aber das dringende Bedürfnis der Einheit nicht, und es ward deshalb im Dezember 1821 eine allgemeine Nationalversammlung nach Argos ausgeschrieben, welche aus 67 Abgeordneten aller griechischen Provinzen bestehende Versammlung sich bald darauf nach Epidauros (Piada) begab, um hier eine Unabhängigkeitserklärung und den Entwurf einer vorläufigen Regierungsverfassung zu beraten.
Die bekannt gemachte provisorische Staatsverfassung, das »organische Gesetz von Epidauros«, stellte als allgemeine Grundsätze auf: allgemeine Duldung in Religionssachen, gleiche Rechte vor Gericht, zu Ämtern und bei Abgaben. Die Regierung sollte in einen gesetzgebenden Rat von 70 und einen vollziehenden Rat von 5 Mitgliedern zerfallen; letzterer sollte für die Vollziehung der Gesetze sorgen und 8 Minister ernennen. Die Rechtspflege sollte unabhängig von beiden sein.
Als Gesetzbuch ward das der alten griechischen Kaiser, für den Handel das französische angenommen. Der Fanariot, Fürst Alexander Maurokordatos, der mit europäischer Zivilisation und Politik vollkommen vertraut war, ward zum Präsidenten (Proedros) und Theodor Negris zum Staatssekretär ernannt. Der Kongreß erklärte zunächst die Vereinigung Griechenlands zum unabhängigen Föderativstaat sowie den Blockadezustand jedes von den Türken besetzten Ortes.
Indessen machte sich bald der Mangel eines gut organisierten Heers und des Geldes, noch mehr aber eines Hauptes geltend, das den Aufstand zu beherrschen und zu leiten fähig gewesen wäre. Dazu hatten sich Rußland und Österreich [* 9] gegen den Aufstand erklärt, England zeigte sich geradezu feindselig, Frankreich bewahrte eine strenge Neutralität, und die Pforte suchte dadurch, daß sie mit Rußland wieder in engere Verbindung trat, mehrere griechische Kirchen in Konstantinopel wieder aufbaute und einen neuen Patriarchen wählen ließ, die asiatischen Horden, welche Jassy noch beim Abzug in Brand steckten, aus der Moldau und Walachei zurückzog und neue und eingeborne Hospodare einsetzte, feindlichen Bewegungen auf dieser Seite vorzubeugen, um alle Streitkräfte gegen das eigentliche Griechenland [* 10] konzentrieren zu können. Zwei Flotten wurden ausgerüstet, in Konstantinopel und von Mehemed Ali in Ägypten, [* 11] um den Landkrieg zu unterstützen, für den nun auch nach der Bezwingung Ali Paschas die Truppen in Albanien verfügbar waren. Die Anfänge waren allerdings nicht glücklich. Ein türkisches Korps von 1500 Mann ward bei Vostizza zurückgeschlagen und eine andre Schar in den Engwegen des Makrynoros bis auf 600 Mann zusammengehauen. Der Seraskier selbst, der mit 3000 Mann bei Vonizza landete, wurde hier von Makrys mit großem ¶
mehr
Verlust nach Prevesa zurückgeworfen. Am 21. Juni fiel auch die Akropolis von Athen den Aufständischen in die Hände. Dagegen vollzog der Kapudan-Pascha Karackli einen Akt grausamster Rache. Im April 1822 erschien er vor Chios, das im Februar sich zwar gegen die türkische Herrschaft erhoben, aber nicht gerüstet hatte. Nachdem er ungehindert gelandet, wurde die blühende Insel der Verwüstung preisgegeben, die Männer (23,000) wurden hingeschlachtet, die Frauen, Jungfrauen und Kinder (47,000) in die Sklaverei verkauft. Andreas Miaulis eilte mit der griechischen Flotte herbei und griff die Türken tapfer an. Das Gefecht blieb unentschieden, aber in der Nacht vom 18. zum 19. Juni zerstörte Kanaris mit zwei Brandern einen Teil der türkischen Flotte, wobei der Kapudan-Pascha mit 3000 Mann seinen Tod fand.
Auch zu Lande waren die Griechen nicht müßig. Im Juli zog Maurokordatos mit einem kleinen, aber ausgesuchten Korps, unter welchem sich die Sulioten unter Markos Botzaris, das reguläre Regiment der Taktiker und die Schar der aus Europa [* 13] herbeigeeilten Griechenfreunde (Philhellenen) unter dem frühern württembergischen General Normann befanden, nach dem westlichen Livadien, dem alten Akarnanien, um die Türken von dort zu vertreiben. Anfänglich waren die Griechen im Vorteil.
Aber 16. Juli kam es bei Peta zu einer Schlacht, in welcher die Türken, von dem Verrat eines albanesischen Häuptlings, Gogo, der mitten im Gefecht seine Stellung verließ, begünstigt, einen vollständigen Sieg erfochten. Mehrere Tausend Griechen fielen, auch die Schar der Philhellenen, deren Anführer schwer verwundet wurde. Mahmud Pascha versuchte jetzt Morea zu unterwerfen. Korinth, Theben und Napoli di Romania fielen in seine Gewalt. Argos aber verteidigte Demetrios Ypsilantis mit rühmlicher Ausdauer.
Unterdessen war Nikitas vom Parnaß herabgestiegen und nach dem Engpaß von Tretä (Birbali) geeilt, um dem nach Argos vorgedrungenen Türkenheer den Rückzug nach Korinth abzuschneiden, da die Türken die genügende Besetzung der Korinthischen Landenge verabsäumt hatten, während Kolokotronis und Petro Bei die übrigen Engwege besetzten. Die Türken erlitten daher auf ihrem Rückzug im Engweg von Tretä durch Nikitas einen Verlust von mehr als dritthalbtausend Mann, sodann durch Kolokotronis einen neuen empfindlichen in der Schlucht des Bergs Kleonä (Dezember). Der Einbruch in Morea hatte den Türken 10,000 Mann gekostet.
Seit dem Unglückstag von Peta hatte Maurokordatos die Trümmer seines Heers bei Langada gesammelt und sie nach dem von Omer Vrione bedrohten Missolunghi geworfen, das er 17. Okt. erreichte; er versorgte die Stadt mit Lebensmitteln und rettete die Greise, Frauen und Kinder nach dem Peloponnes. Die Türken begannen sofort die Belagerung von Missolunghi. Die Not dieser Stadt entflammte die zu Astros versammelten Häuptlinge zu edlem Wetteifer. Während man sich sogleich zur Abreise nach Andravida am Kyllenischen Golf rüstete, um von hier aus nach Missolunghi unter Segel zu gehen, gelang es Kanaris, mit zwei Brandern das Admiralschiff und noch ein andres Schiff [* 14] der Feinde in Brand zu stecken und durch die hierdurch entstandene Verwirrung der türkischen Flotte eine Niederlage beizubringen, welche ihr 18 Schiffe [* 15] kostete. Ein Angriff der Türken unter Omer Vrione auf Missolunghi ward abgeschlagen, und Omer Vrione, der, durch die Nachricht von den gewaltigen Rüstungen des Feindes in seinem Rücken erschreckt, 13. Jan. mit Zurücklassung der Geschütze [* 16] und aller Kriegsvorräte plötzlich aufgebrochen war, ward am Acheloos wiederholt geschlagen und erreichte mit kaum 4000 Mann 5. März Vonizza, von wo er weiter nach Prevesa flüchtete.
Jetzt, von 1823 an, fing der Kampf auf beiden Seiten zu ermatten an. Der innere Hader zwischen der Partei der Politiker (Maurokordatos, Demetrios Ypsilantis, Kollettis ^[richtig: Kolettis; = Ioannis Kolettis (1773-1847)] u. a.) und der militärischen Häuptlinge, Kapitani genannt (Kolokotronis, Mauromichalis, Odysseus), hinderte die Griechen an größern Unternehmungen, und den türkischen Befehlshabern fehlte es an militärischem Geschick, an Geld und an Mannschaften, da die regulären Truppen in Konstantinopel zurückgehalten wurden, die albanesischen und bosnischen Freiwilligen aber sich schnell verliefen, als sie keine Beute machen konnten.
Während die Griechen sich vergeblich bemühten, Thessalien, Makedonien und Epirus in den Aufstand hineinzuziehen, und alle Versuche an der Gleichgültigkeit der Bevölkerung [* 17] und ihren eignen geringen Streitkräften sowie der Zersplitterung in der Heeresleitung scheiterten, war es den Türken ebenso unmöglich, Morea und Livadien zu erobern. Hier feuerte der religiöse und nationale Haß die Griechen trotz aller Unglücksfälle und Grausamkeiten des Feindes zu heldenmütigen Thaten und zu todesverachtender Tapferkeit an. Als ein türkisches Heer von 13,000 Mann plötzlich, einen Waffenstillstand brechend, in Ätolien einbrach und ungehindert bis Karpenizza vordrang, schlich sich nach Sonnenuntergang M. Botzaris mit seinen Sulioten mitten in das feindliche Lager [* 18] und richtete hier ein furchtbares Blutbad an. Zwar fiel der Held in dem mörderischen Kampf, aber die Türken wurden in wilder Flucht nach den Bergen von Agrapha getrieben. Nicht weniger glänzend waren die Thaten der Flotte, deren Brander den Türken überall gefährlich wurden. Gegen die Türken allein durfte man hoffen, sich behaupten, ja schließlich den Sieg erringen zu können.
Die Hoffnungen der Griechen wurden indes gewaltig herabgestimmt, als Ibrahim Pascha, der Sohn des Vizekönigs von Ägypten, Mehemed Ali, den der Sultan zu Hilfe gerufen, und der bereits den Aufstand in Kreta unterdrückt hatte, nachdem seine Flotte 1824 im Archipel nichts hatte ausrichten können, ja durch die Griechen nicht unerhebliche Verluste erlitten hatte, mit 20,000 Mann europäisch geschulter Truppen und 150 Kanonen auf Morea landete. Die Felseninsel Sphakteria ward von ihm überwältigt, und auch Navarino, der beste Hafen und Waffenplatz Moreas, mußte trotz der Anstrengungen Miaulis', der den Ägyptern eine Fregatte, zwei Korvetten und drei Briggs verbrannte, und trotz der tapfersten Gegenwehr der schwachen Besatzung 18. Mai die Thore öffnen.
Der Feind drang hierauf zunächst gegen Tripolizza und Kalamata vor, die beide sich ergeben mußten. Am 15. Juni stand Ibrahim schon vor Argos, und sein Vortrab bedrohte Nauplia in demselben Augenblick, wo gegen die Schutzwehr des westlichen Griechenland, Missolunghi, ein neues starkes türkisches Heer unter Reschid Pascha heranzog. Zwar gelang es den vereinten Kräften Maurokordatos', Ypsilantis' und der tapfern französischen Philhellenen Fabvier und Delaroche, den Vortrab Ibrahims 28. Juni bei den Mühlen [* 19] (Lerna) nach Tripolizza zurückzuwerfen; dafür durchzog nun der Feind plündernd und mordend Morea nach allen Richtungen und machte das Land zur Einöde; der Kapudan-Pascha aber vereinigte sich im August mit der ¶