mehr
bald an die Genuesen, bald an die Venezianer anschlossen, zu sichern, so daß Naxos erst im 16. Jahrh. dem osmanischen Reich einverleibt ward, während die Herrschaft der venezianischen Nobili auf den übrigen Inseln, die meist wieder von den Byzantinern erobert wurden, von weit kürzerm Bestand war; auch diese Inseln fielen endlich den Türken zu.
Mit mehr Schwierigkeit war für die Osmanen die Eroberung der zahlreichen unmittelbaren Besitzungen der Venezianer im Archipel und auf dem Festland verbunden, welche unter deren trefflicher Verwaltung in Handel und Gewerbe eine große Blüte [* 2] erreicht hatten. Modon, Argos, Napoli di Romania und andre wichtige Punkte mußten nach und nach den Venezianern abgerungen werden. 1462 fiel das wichtige Lesbos in Mohammeds I. Gewalt. Der Krieg der Türken mit den Venezianern dauerte 15 Jahre (1464-79), vernichtete den Handel der Republik und veranlaßte verheerende Einfälle der Türken in das italienische Gebiet; die meisten Besitzungen im Archipel, namentlich 1470 das wichtige Negroponte (Euböa), gingen für die Venezianer verloren, die im Frieden von Konstantinopel [* 3] von ihren griechischen Erwerbungen nur wenige Platze auf Morea behielten.
Doch trat ihnen der Sultan noch 1480 die dem Despoten von Arta abgenommenen Inseln Zante und Kephalonia gegen einen jährlichen Tribut ab. Ein zweiter Krieg (1499-1503) entriß den Venezianern auch Lepanto, Koron, Navarino und Ägina, die sie 1503 im Frieden mit Bajesid II. gegen Handelsbegünstigungen abtraten. Die Insel Rhodos ward 1522 den Johannitern, der Rest von Morea 1540 und Cypern [* 4] 1571 den Venezianern entrissen, denen ein 1573 abgeschlossener Friede nur noch einige Festungen auf der albanesischen Küste, Kreta und die Ionischen Inseln ließ.
Griechenland unter der Herrschaft der Türken.
Mit dem Frieden von 1503 war die Herrschaft der Pforte auf dem griechischen Festland entschieden. Griechenland [* 5] ward nun völlig zur türkischen Provinz, der ein Beglerbeg vorstand, und welche nach osmanischer Weise wieder in mehrere Sandschaks geteilt war, von denen das von Morea, von einem Bei verwaltet, das bedeutendste war. Die Kykladen gaben anfangs nur einen bestimmten jährlichen Tribut, blieben aber infolge der häufigen Angriffe der Malteserritter faktisch unabhängig und zahlten den Tribut (zusammen jährlich ungefähr 300,000 Piaster) auch nur dann, wenn der Kapudan-Pascha mit seiner ganzen Flotte im Ägeischen Meer erschien, um ihn beizutreiben.
Ein neuer Krieg mit den Venezianern brachte auch Kreta 1659 in den Besitz der Türken, die dagegen in dem nächsten Krieg von 1687 bis 1699 Morea verloren, wo nun von den Venezianern eine geordnete, wenn auch despotische Verwaltung eingeführt wurde. Der Kampf um die Halbinsel dauerte fort bis 1715; die Türken gewannen damals Morea wieder und erhielten es 1718 im Passarowitzer Frieden nebst noch einigen Punkten förmlich abgetreten. Griechenland, nun wieder ganz türkisch, wurde in Paschaliks geteilt und dem Rumeli-Valessi (Großrichter von Rumelien) untergeordnet, während 31 Inseln des Ägeischen Meers dem Namen nach dem Kapudan-Pascha und andern türkischen Beamten zur Verwaltung oder vielmehr Nutznießung überlassen wurden.
Das Verhältnis der Griechen unter der türkischen Herrschaft war anfangs kein sehr drückendes; es war ihnen sogar eine gewisse Freiheit gesichert, und namentlich litten sie bis zum Tod Solimans I. weniger durch die türkische Unterjochung als dadurch, daß Griechenland der Zankapfel zwischen der Pforte und den abendländischen Seemächten war. Unerträglicher wurden das Verhältnis durch das Verwaltungssystem, das nach der letzten Eroberung eingeführt ward. Die Käuflichkeit und der häufige Wechsel der Beamtenstellen verführten zur Willkür in Erhöhung der Abgaben und machten ein Aussaugungssystem herrschend, das bald zur grausamsten Despotie ausartete.
Dies und der Umstand, daß der größte Teil des Grundeigentums in die Hände der Türken gefallen war, lähmte die produktive Thätigkeit des Landes völlig und bewirkte, daß die Griechen sich fast ausschließlich auf den Handel warfen. Nur die Inseln und einige Gebirgsdistrikte bewahrten sich eine gewisse Unabhängigkeit, die auch für den spätern Freiheitskampf von dem bedeutendsten Einfluß war. Auf dem Festland war mit der politischen Vernichtung die Ertötung alles wissenschaftlichen Lebens und die servile Entwürdigung in sittlicher Hinsicht notwendig verbunden gewesen, und so würde die Nationalität der Griechen wohl zu Grunde gegangen sein, wenn sie nicht durch zwei Institute, die Kirche und die Lokalverwaltung, noch aufrecht erhalten worden wäre.
Die griechische Kirche, die von den Türken, wenn auch mit Verachtung, geduldet wurden und mit der griechischen Sprache [* 6] zugleich ein nationales Unterscheidungszeichen von den herrschenden Bekennern des Islam erhielt, nahm sich durch den Patriarchen und die heilige Synode zu Konstantinopel der Rechte der Griechen der Pforte gegenüber mit Erfolg an, bildete einen Mittelpunkt der Nation und übte einen mächtigen Einfluß auf die innern Angelegenheiten derselben aus.
Für die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten blieben den Griechen ferner selbstgewählte Lokalobrigkeiten, die Demogeronten (auch Archonten, Primaten, Ephoren, Kodscha-Baschi) genannt, die an manchen Orten im erblichen Besitz ihres Amtes den Charakter eines Provinzial- und Landadels annahmen. Dieser bewahrte eine gewisse Selbständigkeit, verhinderte die politische Vermischung der Griechen mit den Türken und war eine treffliche Grundlage zu einem spätern politischen Organismus.
Neben ihnen erhoben sich seit dem Anfang des 18. Jahrh. als eine Art Patriziat die Fanarioten (s. Fanar), die auf die türkische Regierung und ihre Beziehungen zu der griechischen Nation bedeutenden Einfluß gewannen, den jedoch ihr Ehrgeiz, ihre Herrschsucht und ihre intrigenvolle Gewandtheit um alle wohlthätigen Folgen in nationaler Hinsicht brachten. Außer ihnen machten sich noch als besondere Klasse die Armatolen (s. d.) an der Spitze ihrer kriegerischen Klephthen (»Räuber«) geltend, welche in den gebirgigen Gegenden Nordgriechenlands den türkischen Befehlshabern gegenüber eine gewisse Unabhängigkeit behaupteten.
Von großer Bedeutung für die Kultur der Neugriechen war auch die Ausbreitung ihres Handels, der sie nötigte, für eine eigne Marine zu sorgen, und sie mit den zivilisierten Völkern in Verbindung brachte. Von griechischen Handelshäusern ging die Gründung der ersten griechischen Bildungsanstalten in der Türkei [* 7] aus, welche, von den Türken anfangs beschränkt, sich durch den Schutz Rußlands immer mehr erweiterten. Endlich bewahrten sich die Griechen unversehrt das Gut ihrer nationalen Sprache, die unter der türkischen Herrschaft nicht zurückgedrängt, vielmehr von den zahlreichen eingewanderten Albanesen angenommen wurde. Ihre Litteratur beschränkte sich freilich auf das Volkslied. Dies alles bewirkte, daß sich trotz des religiösen Aberglaubens, ¶
mehr
der niedrigen Gewinnsucht und grausamen Roheit, in welche die Neugriechen mehr und mehr versanken, doch eine immer stärker werdende Sehnsucht nach geistig-sittlicher und politischer Wiedergeburt unter ihnen regte. Einzelne Versuche, sich zu befreien, mißlangen freilich durch den Mangel an Einheit und an Hilfe von außen gänzlich und machten nur das türkische Joch noch unerträglicher, oder sie erloschen, wie die Insurrektion unter Skanderbeg (Kastriota), mit dem Tod ihres Urhebers. Größern Erfolg versprachen die Erhebungen, die unter russischem Einfluß stattfanden, obwohl auch sie infolge der Treulosigkeit Rußlands endlich scheitern mußten.
Alte Sagen wiesen die Griechen auf einen von Norden [* 9] kommenden Retter hin, und schon seit Peter d. Gr. war Rußland von ihnen als ihr natürlicher Beschützer betrachtet worden. Katharina II. dachte zuerst mit Ernst daran, das in Rußland schon lange gehegte Projekt einer Eroberung Griechenlands zu verwirklichen. Ehe sie aber noch an die Ausführung dieses Plans gehen konnte, erklärte ihr die Pforte 1768 den Krieg. Rußland setzte nun alles in Bewegung, um einen Aufstand der Griechen zu bewirken; namentlich sendete es einen gewissen Pappas Oglu, welcher mit russischem Gelde die Griechen bearbeiten sollte.
Indes erhoben sich diese erst, als ein Teil der russischen See-Expedition unter Feodor Orlow bei Witylo in Morea landete, namentlich in Missolunghi und auf den Inseln. Die von der Pforte angeworbenen Albanesen eroberten jedoch Missolunghi, wo sie alle Männer niedermachten, und schlugen die Russen in Morea. Diese wilde Soldateska wütete nun aufs furchtbarste gegen die Griechen, durchzog plündernd und mordend Morea, metzelte das russische Belagerungskorps vor Modon nieder und zog gegen Navarino, wo sich Feodor Orlow mit dem Überrest seiner Landungstruppen in größter Eile einschiffen mußte, die Griechen ihrem traurigen Schicksal überlassend.
Selbst die Vernichtung der türkischen Flotte durch Alexis Orlow bei Tschesme hatte keine bleibenden Folgen für Griechenland Rußland ließ im Frieden von Kütschük Kainardschi die Griechen im Stiche. Die Albanesenbanden, welche Morea unterworfen hatten, sahen sich als die Herren des Landes an und verwüsteten das unglückliche Griechenland auf die furchtbarste Weise, bis die Pforte endlich Maßregeln gegen die ihr selbst gefährlichen Horden ergriff und Hassan Pascha sie bei Tripolizza fast gänzlich aufrieb. Ebenso sahen sich die Griechen in den Hoffnungen getäuscht, welche der Krieg Österreichs und Rußlands gegen die Türkei 1787-92 in ihnen erweckt hatte.
Die nun folgende Zeit der Ruhe erlaubte den Griechen, ihrem Handel einen außerordentlichen Aufschwung zu geben und eine höhere geistige Kultur zu erwerben. Schulen wurden errichtet, namentlich in Athen, [* 10] Salonichi, Kydonia, Janina, Kuru-Tschesme am Bosporus [* 11] etc. und auf mehreren Inseln des Archipelagus, und wie viele Jünglinge die Bildungsanstalten auf den Ionischen Inseln, in Odessa, [* 12] Petersburg, [* 13] Triest, [* 14] Wien, [* 15] Paris [* 16] bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. zu besuchen pflegten, so beförderte seit 1815 die Gesellschaft der »Philomusen« zu Athen dieses Streben durch Unterstützung junger Griechen, die ihre Studien in Italien, [* 17] Frankreich und Deutschland [* 18] zu vollenden wünschten.
Angeregt von den großen politischen Ideen, die von Frankreich ausgingen, suchte der Dichter Konstantin Rhigas aus Pherä in Thessalien teils mittels einer Verbrüderung (Hetärie), die bald einen politischen Charakter erhielt, teils durch seine Nationalgesänge unter allen Ständen patriotische Gesinnung zu erwecken. Neben den Unterrichtsanstalten entwickelte sich eine eigne neugriechische Nationallitteratur, die bald eine hohe politische Bedeutung gewann.
Dabei war der griechische Handel fortdauernd im Steigen, schon 1813 belief sich die griechische Handelsmarine auf 600 zum Teil gut bewaffnete Schiffe [* 19] mit etwa 20,000 Seeleuten. Die in ihr Vaterland zurückkehrenden Griechen, die in den französischen, englischen und russischen Heeren gedient hatten, verpflanzten militärischen Geist nach Griechenland und trugen so ebenfalls das Ihrige dazu bei, das Volk für seine Erhebung vorzubereiten. Während des Kongresses zu Wien 1814, der die Hoffnungen der Griechen auf den Beistand Europas wiederum täuschte, bildete sich in Odessa von neuem eine Hetärie, die Gesellschaft der Philiker, die bald zahlreiche Mitglieder in den höchsten Kreisen, darunter den russischen Minister Johann Kapo d'Istrias, zählte und über bedeutende Geldmittel gebot.
Die Schwäche der Türkei, welche 1806-12 einen unglücklichen Krieg mit Rußland geführt hatte und rebellische Paschas, wie Ali Pascha von Janina, nicht unterwerfen konnte, ermutigte die Griechen, einen Aufstand zu versuchen, dem, wie sie hofften, sich auch die übrigen christlichen Völker der Balkanhalbinsel [* 20] anschließen würden. Die Mächte waren unter Metternichs Einfluß der griechischen Erhebung allerdings nicht wohlgesinnt, selbst Alexander von Rußland scheute sich, eine revolutionäre Erhebung zu billigen, während er auf den Kongressen zu Troppau [* 21] und Laibach [* 22] ähnliche in Italien und Spanien [* 23] verdammte und ihre bewaffnete Unterdrückung unterstützte. Dagegen konnten die Griechen auf die Sympathien des gebildeten Europa [* 24] rechnen, wenn sie es unternahmen, sich von dem unerträglichen Joch der Türken zu befreien.
Der griechische Freiheitskrieg.
Die Erhebung begann damit, daß der Fanariot, Fürst Alexander Ypsilantis, Sohn eines moldauischen Hospodars und russischer General, in Bessarabien eine Schar Hetäristen um sich sammelte und 1821 im März in die Moldau einfiel in der Hoffnung, daß dies das Signal zur allgemeinen Erhebung der Griechen auf der ganzen Halbinsel sein werde. Wirklich erhob sich zu Galatz und Jassy das Volk und ermordete einige Hundert Türken, und binnen kurzem sammelte sich ein Heer von etwa 5500 Streitern, dessen Kern die »heilige Schar« war, aus enthusiastischen, aus allen Teilen Europas zusammengeströmten Griechen, mit Totenköpfen auf der Kopfbedeckung und den Achselklappen, bestehend.
Der Widerstand, den das Unternehmen bei den walachischen Bojaren fand, der Abfall der Bauern, welche für das Ziel der Erhebung die Vertreibung der fanariotischen Regierung gehalten hatten, der Verrat des Walachen Wladimiresko und die Zurückhaltung Serbiens mußten zwar die Aufständischen entmutigen; aber trotzdem drang Ypsilantis in die Walachei ein und griff die Türken bei Dragaschan an. Der Verrat der walachischen Truppen führte seine Niederlage herbei, die »heilige Schar« fiel im heldenmütigen Kampf. Ypsilantis trat auf österreichisches Gebiet über, wurde auf die Feste Munkács gebracht und starb, endlich freigelassen, 1828 in Wien. Georgakis führte den Rest des Heers in die Moldau und sprengte sich nach heldenmütiger Gegenwehr im Kloster Sekko in die Luft. In den Donaufürstentümern war der Aufstand unterdrückt.
Inzwischen hatte aber im Peloponnes, wo die Hetärie zahlreiche Anhänger zählte, Bischof Germanos die Griechen zu den Waffen [* 25] gerufen und Ende März ¶