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Hand [* 2] gegen das Herz halten und den linken Arm mit einer leichten Beugung des [* 3] Kopfes sinken lassen. Die Schließung der Ehe wird als Geschäftssache behandelt, welche die Väter ohne weitere Befragung der Kinder abmachen. Der Bräutigam erhält das Verzeichnis der Mitgift schriftlich, führt die Braut nach der Trauung im festlichen Zug mit Musik in seine Wohnung, wo sie nach der Sitte acht Tage für die Welt unsichtbar bleibt. Das Leben der griechischen Frauen ist ein häuslich abgeschlossenes.
Ehescheidungen kommen häufig vor. Bei Todesfällen wird der Leichnam mit Wein gewaschen und mit Blumen geschmückt, wobei Verwandte und Freunde eine Totenklage anstimmen. Für Musik, Tanz und Festlichkeiten haben die Griechen eine große Vorliebe. Ihre Volkslieder singen sie in einförmigen, melancholischen Weisen. Auch herumziehende Rhapsoden findet man oft. Zu solcher Musik tanzen die Männer zu zweien, aber ohne besondere Lebhaftigkeit. Die Frauen, welche den Tanz leidenschaftlich lieben, jedoch nur unter sich und von den Männern getrennt ausüben, kauern während des Schauspiels als müßige Zuschauer in der Ferne an den Mauern. Eine Standesverschiedenheit der Bewohner besteht nur in deren verschiedenen Beschäftigungsarten. Einen Adel gibt es in Griechenland [* 4] nicht; einige fanariotische Familien legen sich zwar den Fürsten-, einige ionische den Grafentitel bei, indessen verbot schon die Verfassung von Trözen (1827) die Erteilung von Adelstiteln.
Bodenkultur.
Zu den fruchtbarsten Strichen Griechenlands gehören die reichen Thäler und Ebenen des Aspropotamo, des Vuriendi, des Mavronero, des Iri, der Pernitsa in Messenien und des Gastuni und Ruphia in Elis sowie die Inseln Euböa, Andros, Naxos und Paros. Im allgemeinen hat Griechenland nicht Wasser genug, um seine Felder während der trocknen Jahreszeit zu bewässern, und die früher angelegten künstlichen Wasserleitungen sind während der Befreiungskriege größtenteils zu Grunde gegangen. Von der Gesamtoberfläche Griechenlands (mit Ausnahme der Ionischen Inseln) waren 1875: 360,624 Hektar mit Getreide [* 5] bebaut und zwar mit
Weizen | 159586 Hektar, welche ergaben | 1540317 Hektol. |
Halbfrucht | 57749 | 502011 |
Roggen | 846 | 5663 |
Gerste | 67910 | 589649 |
Hafer | 4078 | 43289 |
Mais | 61816 | 982295 |
Buchweizen | 5831 | 46328 |
Hirse etc. | 2808 | 22652 |
Drei Fünftel alles ackerbaren Landes (der alten Provinzen) sind zwar noch unbebaut, und nur etwa ein Viertel der Bevölkerung [* 6] Griechenlands beschäftigt sich mit dem Ackerbau; aber immerhin hat sich in den Jahren 1865-80 der Anbau des Sommergetreides in um 50 Proz., der des Weizens um 61, des Tabaks um 53, des Weins um 33, der Korinthen gar um 300 Proz. gesteigert. Hierdurch wird erklärlich, daß selbst eine gute Ernte [* 7] den Bedarf der einheimischen Bevölkerung nicht zu decken vermag und Getreide (Weizen, Gerste, [* 8] Mais) den stärksten Posten der Einfuhr Griechenlands bildet.
Ursachen dieses niedern Standes der Bodenbewirtschaftung sind Mangel an hinreichenden Arbeitskräften, an einem allgemeinen freien Grundbesitz, an Wegen, an vollkommenen Ackergerätschaften (der Pflug [* 9] ist meist noch der alte griechische) und der mangelhafte Zustand der Rinder- und Pferdezucht. [* 10] Einen Gegenstand des Gewinns wirft die Bodenkultur nur in der Produktion von Korinthen, Wein, Feigen und Öl sowie in der Seidenzucht ab. Durch die Vertreibung der Türken fielen sämtliche diesen gehörige Besitzungen dem Staat anheim, so daß dieser noch jetzt fast die Hälfte alles Grundes und Bodens sein eigen nennt.
Übrigens haben einen beträchtlichen Teil der Staatsbesitzungen die Landleute sich eigenmächtig angeeignet, und durch Art. 101 der Konstitution von 1864 ist für Verteilung von Nationaleigentum an Grund und Boden Fürsorge getroffen. Pachter desselben bezahlen 15 Proz. ihrer Einnahme als Pacht. Am meisten wird Weizen gebaut, sodann Gerste, neben Bohnen die Hauptnahrung der ärmern Volksklasse, und Mais. Reis baut man in den Niederungen von Elis. Hülsenfrüchte und viele Gemüsearten (Artischocken, Lattich, Kürbisse, Gurken, Zwiebeln etc.) gedeihen um Athen [* 11] und an den Ufern des Kephisos vortrefflich.
Auf den Inseln baut man sehr guten Blumenkohl. Wenig produktiv, aber von vorzüglicher Qualität ist der Krapp. Der Tabaksbau (Ausfuhr nach Ägypten [* 12] 1,783,000 Okken jährlich) nimmt merklich zu und wird hauptsächlich in den schönen Ebenen von Argolis, an den Ufern des Busens von Korinth, [* 13] in der Gegend von Kalavryta und in der Ebene von Kalamata betrieben. Mehr als die Hälfte der Ernte fällt der Ausfuhr zu. Baumwolle, [* 14] von geringer Qualität, wird in mildern Gegenden mit Erfolg gebaut, z. B. auf der Insel Santorin, ebenso Mohn.
Sehr ansehnlich ist, sowohl auf den Inseln als auf dem Festland, der beständig zunehmende Weinbau (1875: 87,107 Hektar), der jetzt (1875) jährlich für 19½ Mill. Drachmen Wein ergibt. 1882 belief sich die Ausfuhr (meist nach Frankreich und Italien) [* 15] auf 37,000 hl im Wert von 9 Mill. Drachmen. Man keltert den Wein aus Mangel an Bottichen in Thongruben und verwahrt ihn zum Teil noch heute, wie im Altertum, in Schläuchen, d. h. durch Öl und Gummiharz dicht gemachten Tierhäuten oder Ledersäcken, wodurch derselbe einen widerlichen Geschmack erhält.
Sehr berühmt war ehedem der sogen. Malvasier (von Napoli di Malvasia in Morea); heutzutage indessen liefern nur die Inseln Tinos und Naxos ein dem Malvasier früherer Zeit ähnliches Gewächs. Von vortrefflicher Qualität sind auch die weißen Weine von Kephalonia und Patras. Die übrigen Weine des Festlandes sind meist mittlern Ranges (s. Griechische Weine). Noch größere Wichtigkeit hat der Bau von Korinthen, welche Griechenland eigentümlich sind. Sie wurden ursprünglich bei Korinth, am Golf von Lepanto, gezogen, kommen jetzt aber mehr westlich bei Pyrgos, Vostitsa bis gegen Patras, auch bei Missolunghi, außerdem in Messenien, auf Kephalonia, Santa Maura und Thiaki vor. 1875 nahmen die Korinthenpflanzungen ein Areal von 36,630 Hektar ein und dehnen sich fortgesetzt auf Kosten der Oliven-, Maulbeer- und Südfruchtpflanzungen aus.
Der Ertrag der Korinthenpflanzungen wechselt sehr; 1870 wurden für 17,3 Mill. Drachmen ausgeführt, 1871 für 30,3, 1872 für 25,4, 1873 für 35,6, 1874 für 37,2, 1875 für 37,5, jetzt für ca. 50. Die 85er Ernte ergab 103 Mill. kg, ein Drittel weniger als 1884. Die am meisten vorkommenden Obstarten sind Kirschen, Äpfel und Birnen; doch steht die Obstbaumzucht im allgemeinen auf einer niedern Stufe. Einen wichtigen Handelsartikel bilden die Feigen, deren Kultur namentlich in der Provinz Messenien betrieben wird (1875: 6347 Hektar). Auch der Olivenbau hat sich wieder sehr gehoben; eigentliche Wälder von Ölbäumen finden sich bei Athen, Megara, Salona, Sparta, Kalamata und Koron, auch auf den Inseln. 1838 zählte man 2½ Mill. Bäume, gegenwärtig dürfte sich ¶
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ihre Zahl auf 9-10 Mill. belaufen (1875: 167,900 Hektar; Produktion im Wert von 20 Mill. Drachmen). Mit Maulbeerbäumen, welche für die Seidenzucht in Betracht kommen, waren 1875 ca. 5400 Hektar bepflanzt. Es gedeihen auch Melonen von seltener Größe, Limonen (bei Trözen und Sparta), Orangen, Quitten, Granatäpfel, Johannisbrot, Pfirsiche, eßbare Kastanien, Mandeln, Walnüsse, Süßholz (ein bedeutender Handelsartikel). Felder und Gärten liefern ferner: Sesam, Gummitragant, Anis, Kümmel, Pfriemkraut, Rosmarin, Salbei, Baldrian, Meerrettich, Rettich, Kürbisse;
eine Menge Farbepflanzen, [* 17] Judenkirschen, Nieswurz, Osterluzei, Schwarzwurzel, Zichorien;
auch Hanf und Flachs gedeihen. Zu den verbreitetsten Waldbäumen gehören: die italienische Kiefer, die Weißtanne, die italienische Eiche, die levantische oder Knoppereiche, welche die Knoppern liefert (besonders in der Maina und auf Kea), die gemeine Eiche, die Platane, [* 18] die griechische Pappel, die rauhe Ulme;
seltener sind der Ahorn, der Eibenbaum (Taxus) und die Steinlinde. Zu den gewöhnlichen Straucharten gehören: die Sandbeere, der Mastixbaum, der Wacholder und der Buchsbaum.
Schöne Wälder haben übrigens nur die Gebirge im nordwestlichen Griechenland, das Innere von Morea und Euböa; sonst sind vielfach die Wälder gänzlich ruiniert. Manche Länder und Inseln, wie Argos und Attika, sind fast baumlos, viele Berge, wie der Helikon und Pentelikon, vom Blätterschmuck entkleidet. Die Waldfläche wird auf 8200 qkm geschätzt, wovon 2200 auf die neuen Provinzen (ausschließlich der Berge), 3300 auf Mittelgriechenland (besonders die Osthälfte), 2070 auf den Peloponnes und 630 auf Euböa entfallen. 80 Proz. sind Staatswald. Erst seit 1877 besteht eine Waldwirtschaft mit 3 Forstinspektoren und 190 Forstgendarmen unter einem Hauptmann und je einem Oberleutnant für jede Provinz.
Vgl. Chloros, Die Waldverhältnisse Griechenlands (Münch. 1884).
Tierwelt.
Was das Tierreich betrifft, so sind Raubtiere [* 19] gegenwärtig selten; hin und wieder finden sich Wölfe, häufiger Schakale. In den Wäldern von Akarnanien und Ätolien gibt es Eber; Hasen, Wachteln und Rebhühner sind häufig; Fasanen werden in der Nähe von Thermopylä und in Arkadien gefunden. Schnepfen, Steinhühner und andres Federwild geben im Herbst und Frühling einen guten Fang, und alle Zugvögel machen bei ihrem Flug über das Mittelländische Meer in Griechenland Halt.
Hier und da trifft man auch Pelikane, wilde Schwäne und Trappen, auf den Inseln besonders viele Wachteln. Nachtigallen finden sich in quellenreichen Strichen; Raubvögel [* 20] sind häufig. Die See liefert gute Fische, [* 21] Austern und Muscheln. [* 22] Bezüglich der Viehzucht [* 23] (man zählte 1875: 159,153 Rinder, [* 24] 81,984 Kühe, 794 Büffel, 37,514 Kälber, 97,176 Pferde, [* 25] 45,440 Maulesel, 97,395 Esel, 179,662 Schweine, [* 26] 2,291,917 Schafe, [* 27] 1,836,628 Ziegen) ist die Schaf- und Ziegenzucht am bedeutendsten.
Das griechische Schaf [* 28] ist eine kleine Art mit langen Hörnern und schlechter, aber reichlicher Wolle; aus der Milch bereitet man Butter und vortrefflichen Käse (für Arkadien Ausfuhrartikel). Wo die Schafzucht keinen guten Erfolg hat, treten Ziegen an ihre Stelle. Schafe wie Ziegen, welche beide die üblichste Fleischspeise liefern, bleiben immer im Freien: im Sommer auf den Gebirgen, im Winter in den Ebenen. Das Rindvieh Griechenlands ist eine kleine Gattung (das beste in Livadien) und wird fast nur zum Pflügen benutzt.
Büffel finden sich vorzugsweise auf dem Pindos, wo, man sie vor Wagen und Pflug spannt. Die Pferdezucht ist im Entstehen; die Rasse (ein Mittelding zwischen der arabischen und thrakischen) ist klein und unansehnlich, aber dauerhaft. Maulesel (bloß als Lasttiere benutzt) und Esel werden häufig gezogen (besonders im NW.), Maultiere dagegen sind selten. Schweine sind besonders in Arkadien häufig. Große und gefährliche Hunde [* 29] finden sich in jeder Dorfschaft. Von Belang ist ferner die Bienenzucht, [* 30] die einen vortrefflichen Honig liefert (seit alten Zeiten berühmt ist der Honig vom Hymettos bei Athen); Honig und Wachs sind Ausfuhrartikel.
Auf der Kermeseiche kommt der Kermes vor, am meisten um Tripolitsa. Einen hohen Aufschwung hat die Seidenzucht genommen. Die meiste Seide [* 31] wird in Morea gewonnen und im Land selbst abgehaspelt. Der durchschnittliche Ertrag der Kokons hat gegenwärtig einen Wert von mehr als 6 Mill. Drachmen, während er sich 1840 nur auf 650,000 Drachmen belief. Nennenswert sind endlich die Zucht von Blutegeln und die Gewinnung von Badeschwämmen (bei den Inseln Kalymnos und Symi sowie an den Küsten von Tripolis, Tunesien und Kreta). 1883 gab es 723 Boote mit je 5-7 Mann Besatzung, die jährlich für ca. 2½ Mill. Drachmen Schwämme [* 32] fischen.
Bergbau, Industrie, Handel und Verkehr.
Der Bergbau hatte bis in die neueste Zeit eine geringe Ausdehnung, [* 33] obwohl es, wie man schon aus dem Altertum wußte, an Eisen, [* 34] Blei [* 35] und Kupfer [* 36] nicht fehlt. Die einzigen mineralischen Produkte von Wichtigkeit, welche man gewann, waren der berühmte Marmor von Paros und vom Pentelikon, Schmirgel von Naxos, Puzzolanerde von Santorin, Braunkohlen von Euböa, Mühlsteine [* 37] und Gips [* 38] von Milos. Seit neuerdings (1864) das antike Silberbleibergwerk am Lauriongebirge mit Erfolg wieder aufgenommen wurde und eine weitere Prüfung der von den Alten bearbeiteten Minen ergab, daß die daliegenden Erzschlacken noch stark metallhaltig und die Minen selbst aus Mangel an passenden Werkzeugen nur sehr wenig tief ausgearbeitet waren, ist ein übergroßer Unternehmungsgeist auf montanem Gebiet erwacht.
Die Regierung wurde mit Gesuchen um Bergbaukonzessionen bestürmt, und 1882 bestanden über 20 Aktiengesellschaften zur Ausbeutung der Minen, von denen aber die meisten 1883 infolge der Finanzkrisis ihre Arbeiten einstellten. Für 1880 wurde die Gesamtproduktion (namentlich an Zink, Marmor und silberhaltigem Bleierz) auf ca. 7¼ Mill. Drachmen geschätzt. 1884 betrug die Bleiproduktion der griechischen Gesellschaft für Hüttenindustrie im Laurion 7786 Ton.; die französische Bergwerkskompanie förderte daselbst 1883: 106,630 T. Erze (besonders Galmei).
Die gewerbliche Industrie der Griechen lag bei Gründung des Königreichs gänzlich danieder und steht auch heute noch auf keiner sehr hohen Stufe. Indessen gelang es doch den Bemühungen der Regierung, unter Beiziehung auswärtiger Gewerbsleute innerhalb eines Vierteljahrhunderts fast alle Arten von Gewerben in Gang [* 39] zu bringen, so daß 1859 in Athen sogar eine Industrieausstellung veranstaltet werden könnte. 1875 bestanden in Griechenland 108 Fabriken mit Dampfbetrieb (zu 2884 Pferdekräften), die meisten (33) in Piräeus und (11) in Athen;
darunter 44 Mahlmühlen, 12 Kokonspinnereien, 6 Seidenspinnereien, 11 Ölmühlen, 10 Maschinenfabriken, 10 Wein- und Alkoholfabriken etc. Besondere Erwähnung unter den einzelnen Industriezweigen verdienen: das Leder von Syra (besonders Maroquin in roter und gelber Farbe);
Seife von ¶