Veteranen. In Thessalien behauptete nur Larissa einen Schatten ehemaliger Größe; in Böotien galten Tanagra und Thespiä als nennenswerte
Städte, während Theben zum unbedeutenden Flecken herabgesunken war. In Attika hatte zwar Athen mit der Freiheit auch die alte
Pracht bewahrt, allein nach der Zerstörung der Befestigungswerke am Piräeus durch Sulla war die maritime
Bedeutung und mit ihr die Hoffnung zu neuer Erhebung für die Stadt geschwunden. Die meisten Städte Arkadiens lagen in Trümmern;
der Ort, wo Megalopolis gestanden, war eine Einöde, nur Tegea war noch einigermaßen bevölkert; in Lakonien zählte man statt
der frühern 100 nur noch 30 Städte.
Die Gunst, welche einzelne Kaiser den Hellenen bezeigten, konnte den völligen Verfall alter Sitte und Kraft
nicht abwenden. Ein Wohlthäter Griechenlands war der Kaiser Trajan, dem auf gemeinsamen Beschluß aller Hellenen zu Olympia
ein Standbild errichtet ward. Noch mehr aber gilt dies von Hadrian, welcher, wie keiner der römischen Kaiser von der Hellenen
altem Glanz und Ruhm begeistert, neben dem, was er zur Belebung der Kunst und Wissenschaft beigetragen, auch manches that, um
den politischen Zustand der hellenischen Staaten, namentlich Athens, das er durch großartige Neubauten verschönerte, zu verbessern.
Aber unter dem Druck der römischen Provinzialverwaltung gerieten auch althellenische Wissenschaft und Kunst
immer mehr in Verfall. Philosophie und Redekunst sanken zu täuschender Sophistik herab, worin man das höchste Ziel menschlicher
Geistesthätigkeit sah, und verschwanden endlich völlig in den Rhetorenschulen zu Rom, Athen und Alexandria. Die bildende Kunst,
obgleich von Kaisern und reichen Privatleuten sehr gepflegt, verlor durch ihre fast ausschließliche Anwendung auf
die Baukunst ihren selbständigen Charakter und sank immer tiefer, je mehr der Sinn für ihre höhere Bedeutung sowie Talent
und Thätigkeit der Künstler mit den äußern Mitteln zu ihrer Erhaltung verloren gingen.
Mit der alten Sitte wich auch der Glaube an die alten Götter und Heroen; die Tempel und Altäre standen verlassen,
die Orakel verstummten. Die Nachkommen derer, welche die unsterblichen Werke eines Äschylos, Sophokles und Euripides begeistert
hatten, ergötzten sich in den Theatern zu Athen und Korinth sowie bei den Festspielen zu Olympia und auf dem Isthmos an den Grimassen
römischer Possenreißer und an Tierkämpfen und blutigen Gladiatorengefechten. Zwar suchte man durch
alljährliche Festlichkeiten das Andenken an glorreiche Tage und Helden der Vorzeit zu erhalten; allein Geist und Kraft der Vorfahren
erwachten nimmer wieder in den entarteten Nachkommen, welche, in Trägheit und entnervenden Sinnengenuß versunken, den von
Norden her andringenden Barbaren bald völlig erlagen. In den Stürmen der Völkerwanderung zerfiel vollends
das schon längst morsche Gebäude hellenischer Nationalität, und selbst die Erinnerung an die untergegangene Herrlichkeit
ward auf lange Zeit unter seinen Trümmern begraben. Weiteres s. unter Griechenland (Neu-Griechenland), S. 705 f.
[Litteratur.]
Die wichtigsten Quellen der griechischen Geschichte sind die historischen Werke des Herodot, Thukydides, Xenophon,
Plutarch, Diodor, die Reden des Demosthenes, die geographischen Beschreibungen des Strabon und Pausanias.
Von den neuern Gesamtdarstellungen der Geschichte Altgriechenlands sind hervorzuheben: Zinkeisen, Geschichte Griechenlands,
Bd. 1 (Leipz. 1832);
Kortüm, Geschichte Griechenlands bis zum Untergang des Achäischen Bundes (Heidelb. 1854, 3 Bde.);
F. Ch. Schlosser, Universalhistorische Übersicht der Geschichte der Alten Welt (Frankf. 1826-34, 9 Bde.);
Griechenland Grote, History of Greece (5.
Aufl., Lond. 1883, 12 Bde.;
deutsch, 2. Aufl., Berl. 1880-83, 4 Bde.);
E. Curtius, Griechische Geschichte (5. Aufl., das. 1881 ff., 3 Bde.);
M. Duncker, Geschichte des Altertums, Bd. 5-9 (das. 1881-86);
Busolt, Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chäroneia (Gotha 1885 ff.);
Holm, Griechische Geschichte
(Berl. 1885 ff., 4 Bde.);
Duruy, Histoire des Grecs (neue Ausg., Par. 1886, 3 Bde.).
Kürzere Darstellungen sind: Jäger, Geschichte der Griechen (4. Aufl., Gütersloh 1881);
Hertzberg, Geschichte von Hellas (Berl.
1879);
Derselbe, Griechische Geschichte (Halle 1884);
Roth-Westermayer, Griechische Geschichte (3. Aufl., Nördling. 1882);
vgl. ferner: O. Müller, Geschichten hellenischer Stämme und Städte (2. Aufl., Bresl. 1844, 3 Bde.);
Droysen, Geschichte des Hellenismus (2. Aufl., Gotha 1877, 3 Bde.);
Hertzberg, Geschichte Griechenlands bis zum Beginn des Mittelalters (aus Ersch und Grubers Encyklopädie, Leipz. 1870);
Derselbe,
Geschichte Griechenlands unter der Herrschaft der Römer (Halle 1866-75, 3 Bde.);
Finlay, Greece under the
Romans (Lond. 1844; deutsch, Leipz. 1861).
(Neugriechenland, offiziell Hellas genannt, hierzu die Karte »Griechenland«),
Königreich im SO. Europas, 1832 gegründet, 14. Nov. 1863 um
die bis dahin einen besondern Freistaat unter englischem Schutz bildenden Ionischen Inseln und durch die Berliner Konferenz (Juni
1880) um Thessalien und ein Stück von Epirus vergrößert, liegt (mit Einrechnung der Inseln) zwischen 35°
50' und 39° 54' nördl. Br. sowie 19° 20' und 26° 10' östl. L. v. Gr.
und hängt nur im N. mit der Türkei (Albanien und Makedonien) zusammen, während es auf den übrigen drei Seiten vom Meer
umgeben ist, im O. vom Archipelagus, im S. vom Mittelmeer, im W. vom Ionischen Meer. Das Land besteht aus drei Hauptteilen: Nordgriechenland
(umfassend Thessalien und Mittelgriechenland, unter türkischer Herrschaft Livadien genannt), die Halbinsel Morea (Peloponnes)
u. die Inseln.
Übersicht des Inhalts:
Bodenbeschaffenheit
S. 696
Bewässerung
698
Klima
698
Areal und Bevölkerung
699
Religion
699
Bildung, Charakter und Lebensweise
700
Bodenkultur
701
Tierwelt
702
Bergbau, Industrie
702
Handel und Verkehr
703
Staatsverfassung und Verwaltung
704
Heer und Flotte
704
Wappen, Flagge, Orden
705
Geschichte
705
Bodenbeschaffenheit, Bewässerung, Klima.
Was die Bodenbeschaffenheit und die geognostischen Verhältnisse anlangt, so bestimmen vornehmlich zwei
Hauptgebirgsrichtungen die Gestaltung sowohl des Festlandes und Moreas als der Inseln. Die eine bedeutendste Richtung ist die
des vorwiegend aus Kreidekalken bestehenden Pindos, von NNW. nach SSO., welche nicht allein in Nordgriechenland, sondern selbst
im äußersten Süden, in der Bildung der beiden peloponnesischen Halbinseln, der Maina und der von Monemvasia,
zur Erscheinung kommt. Der zweiten Richtung, der des Olympos, von NW. nach SO., gehören mehrere parallele Ketten an, die von
Attika, die von Euböa, die Nordküste Moreas von Argolis bis Patras und die Inselreihen der Kykladen. Eine dritte Richtung wird
durch die Verbindungsstränge zwischen den beiden vorigen, durch das thessalische Grenzgebirge, den Othrys,
von W. nach O., und durch den hohen Kalkstock des
Nomarchien:
1. Attika u. Böotia.
2. Euböa.
3. Phthiotis u. Phokis.
4. Akarnania u. Aetolia.
5. Achaïa u. Elis.
6. Arkadia.
7. Lakonia.
8. Messenia.
9. Argolis u. Korinthia.
10.
Kykladen.
11. Kérkyra (Corfu).
12. Kephalonia.
13. Zakynthos (Zante).
14. Larissa.
15. Tríkkala.
16. Arta.
Die Hauptorte der Nomarchien sind unterstrichen.
Zum Artikel »Griechenland«.
mehr
Makroplagi (Geraneia, 1370 m) auf dem Isthmus repräsentiert. Unter allen Gesteinen sind es die Kalkgesteine der verschiedensten,
hauptsächlich aber der Kreideformation, welche über alle andern vorherrschen und durch ihre vielfach wilden, mannigfaltigen
Formen Griechenland charakterisieren. Ausgedehnt ist ferner die Verbreitung des kristallinischen Schiefergebirges,
während die kristallinisch-körnigen Gesteine, wie Granit und Syenit, nur auf einigen Inseln in größerer
Bedeutung auftreten.
Auf dies kristallinische Gebirge folgen von wahrscheinlich paläozoischen Gesteinen: Thonschiefer, Kalkthonschiefer, grüne Grauwackesandsteine
und ungemein mächtige graue, versteinerungsarme Kalksteine, die am Parnaß durch jüngere, ebenfalls mächtige Kalke überlagert
werden. Nach S. zu löst sich das Pindossystem zu einem großartigen, von tiefen Felsschluchten wild
zerrissenen Gebirgsland auf, das aus den alten Sedimentgesteinen zusammengesetzt ist, und zu dessen steilen Kalkstöcken die
Gebirge von Agrapha, das Ötagebirge (mit dem 2152 m hohen Katavothra), der Parnaß (Liakura, 2459 m), der Helikon (Paläo-Vuno, 1749 m),
wohl auch der Kithäron und Makroplagi gehören.
Auch in den Gebirgen von Achaia, im Voidia (1927 m), Olonos (Erymanthos, 2224 m), im mächtigen Ziria (Kyllene, 2371 m),
finden sich ähnliche dichte Kalksteine. Dieselben alten Sedimente setzen auch den Zug
des Othrys und den Bergzug der Thermopylen
zusammen und bilden weithin durch Böotien niedrige Bergzüge und die Unterlage der Kreidekalksteine. Kristallinisches Schiefergebirge
mit ungemein entwickeltem kristallinischen Kalk, zum Teil trefflichem Statuenmarmor (Pentelikon), bildet dagegen den Kranz einzelner
Bergmassen, welcher Athen umringt, den Parnes (Ozea), Pentelikon und Hymettos (1027 m), und die erzreichen Berge von Laurion.
Ebenso bildet es die hohen, steilen Gebirgszüge des Südens mit fast senkrechter Schichtenstellung, das Pentedaktylongebirge
(Taygetos, mit dem 2409 m hohen Hag Ilias) in der Maina und das etwas niedrigere Malevogebirge (Parnon, 1957 m).
Lakonien lieferte einst nicht allein geschätzte Marmore, sondern auch rote Porphyre, vor allem aber die prachtvollen grünen
Oligoklasporphyre oder Prasophyre der Franzosen (Ophit oder porfido verde antico der Italiener), so zwischen Marathonisi und
Levetsova. Ganz Euböa (s. d.) ist von einer solchen Achse kristallinischen Schiefergebirges, dem auch der grün gestreifte
Marmor von Karystos, der sog. Zwiebelmarmor (Cipollino), angehört, der Länge nach durchzogen; die höchste Kuppe steigt im
Delphysgebirge zu 1745 m an; an sie schließen sich zu beiden Seiten die aufgerichteten paläozoischen Gesteine an.
Die Inseln der Kykladen, über deren geologische Zusammensetzung die die einzelnen Inseln betreffenden Artikel zu vergleichen
sind, folgen der Richtung Euböas und Attikas und setzen weit ins Meer hinaus fort, wie die Spitzen eines untergegangenen Festlandes.
Die Kaimenigruppe, Santorin und Therasia, zusammen einen Krater bildend, durch die jüngsten Ausbrüche (1866
ff.) berühmt geworden, zeigt mächtige vulkanische Massen (s. Santorin). Die jungvulkanischen und trachytischen Gebilde setzen
von da über die Milosgruppe fort und erreichen ihr Ende erst im Golf von Ägina (Poros, Halbinsel Methana und Ägina).
Fast überall finden sich daselbst ältere Grundgebirge als Basis der Trachyte, Obsidiane und Bimssteine und
der mancherlei Tuffe und Schlackenbildungen; Basalt ist nur auf Milos beobachtet. Die (nördlichen) Sporaden zeigen ähnliche
Zusammensetzung, nur nehmen daran ältere und jüngere sedimentäre Gesteine wesentlichern Anteil. Von Sedimenten einer spätern
als der paläozoischen Zeit kennt man nur solche der Kreidegebirge und der eocänen Formation mit nummulitenführenden Gesteinen
und ausgedehnte jüngere Tertiärablagerungen.
Aus der Kreidezeit ist wichtig die sehr mächtige Ablagerung von Hippuritenkalken, die man auf dem Festland in Attika und Böotien
sowie auf dem Schlachtfeld von Chäroneia und am Fuß des Parnaß, auf den Ionischen Inseln, in großer Ausdehnung aber besonders
in Morea kennt. Darüber folgen (nach Virlet) in Morea und auch auf den letztgenannten Inseln weitverbreitete,
mit Grünsand verbundene Ablagerungen roter, grüner und brauner Jaspis und feuersteinführender, lithographischer Kalkschiefer.
Ungemein mächtige Konglomerate und (oft pisolithische) Nummulitenkalke bilden den Schluß. Diese Sedimente erheben sich im Innern
Moreas bis zu bedeutenden Höhen (am Ziria bis zu 1460 m), sind aber auch durch Argolis, Achaia, Attika und
Böotien, auf Euböa und besonders auf den Ionischen Inseln, wo sie wieder zu bedeutenden Höhen ansteigen, weit verbreitet.
Alle diese Schichten sind hoch gehoben und mehrfach in ihrer Lagerung gestört. In der mittlern Tertiärzeit lagerten sich die
an Pflanzen- und Fischabdrücken reichen Braunkohlengebirge ab in den zum Teil hoch gelegenen Mulden Euböas,
so zu Kumi, wo Bergbau auf Kohlen getrieben wird, auf dem Festland zu Atalanti in Lokris und auf Chelidromia, einer der Sporaden,
die pflanzenführenden Mergel auf Ägina; ebenso gehören in diese Zeit Ablagerungen der Ionischen Inseln, so zu Lixuri auf Kephalonia.
Ausgedehnter sind die blauen Subapenninenthone mit Lignitflözen und die sandigen Meereskalke. Sie bilden
das weite, vom Alpheios im S. durchschnittene Plateau von Elis bis Patras im N., ebenso das Plateau zwischen Navarino und Koron;
überhaupt ist ganz Morea von neuen marinen Ablagerungen umgürtet, und die Ablagerungen auf dem Isthmus bei Korinth
beweisen, daß in nicht ferner Zeit die gegenwärtige Halbinsel rings vom Meer umflossen war, aus dem sie sich allmählich
erhob.
Zahlreich sind die Thermen auf dem Festland wie auf den Inseln, meist Kohlensäuerlinge und Schwefelwässer. Auf Thermia, zu Lipso
(bis 87° C. Wärme) auf Euböa, an den Thermopylen, bei Patradschik, bei Korinth, hoch oben am Olonos und
an andern Orten sind solche warme Quellen. Griechenland ist ein höhlenreiches Land; in den Kalken aller Formationen kommen solche vor,
so die berühmte Höhle von Antiparos mit ihren Aragonitstalaktiten im kristallinisch-körnigen Kalk, die am Parnaß und in
Böotien im paläozoischen Kalk, die von Syllaka auf Thermia im eisenschüssigen kristallinischen Schiefergebirge,
andre auf dem Peloponnes im Kreidekalk; das Höhlenkloster Megaspileion ist in das Konglomerat hineingebaut. Wichtig werden
viele dieser Höhlen als natürliche Abzugskanäle (Katabothren) für die Wasser der vielen geschlossenen Beckenthäler, in
Böotien sowohl als in Morea, von denen das von Tripolitsa das größte ist. Zu den merkwürdigsten Katabothren
gehören aber die Höhlen an der Küste von Kephalonia, in welche sich landeinwärts laufende, Mühlen treibende Meeresströme
verlieren (s. Argostoli).
Kein Land der Erde hat im Verhältnis zu seinem Flächeninhalt eine so reiche Gliederung und Einbuchtung wie Griechenland. Die Küstenausdehnung
beträgt mit Ausschluß der Inseln über 2000 km. Dieser maritime Charakter prägt sich immer entschiedener
aus,