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griechischen Volkstums und griechischer Kultur. Unter seinen Heiligtümern erlangte aber bald eine herrschende Stellung der Tempel [* 2] zu Delphi, an dem schroffen Südabfall des Parnaß in einer tiefen Schlucht gelegen. Als Mittelpunkt der von den Doriern gegründeten Amphiktyonie behielt Delphi auf die von den Doriern ausgehenden Staaten des Peloponnes stets einen maßgebenden Einfluß. Von Delphi ging die Hellensage aus, in welcher die Einheit aller griechischen Stämme ihren mythologischen Ausdruck fand; das Heiligtum des pythischen Apollon [* 3] wurde nun der geistige Mittelpunkt der Hellenen, wie weit verstreut sie auch waren.
Die delphische Priesterschaft pflegte mit Klugheit und Ausdauer die Idee der Einheit, das Nationalgefühl. Das Orakel, durch welches Apollon den Willen des Zeus [* 4] verkündete, diente dazu, Entzweiungen unter den einzelnen Stämmen vorzubeugen oder sie beizulegen, die Achtung vor der Religion und ihren Geboten gegenüber menschlicher Willkür aufrecht zu erhalten, den Gottesdienst vor Entartung zu wahren und durch Feststellung einer geschlossenen Anzahl nationaler Gottheiten unter der höchsten Weltregierung des Zeus, neben dem kein andrer Gott einen besondern Willen habe, den Gefahren der Vielgötterei zu begegnen, so daß auch in religiöser Beziehung die Einheit der Entwickelung erhalten wurde.
Auch das sittliche Bewußtsein der Hellenen erhielt von Delphi seine Anregung und Regelung. Selbstprüfung, weise Mäßigung und klare Besonnenheit forderte Apollon von seinen Verehrern; die Sophrosyne blieb stets den Griechen das Ziel sittlichen Strebens. Die Ordnung der Zeiten, der Festspiele, die Ausbildung der Gymnastik als des notwendigen Gegengewichts gegen die einseitige geistige Bildung, die Umgestaltung der phönikischen Schrift in die griechische, die Anfänge einer Geschichtschreibung, die Anwendung der Künste im Dienste [* 5] der Religion, kurz, die Grundlagen einer nationalen Bildung verdankt Hellas der Priesterschaft des Apollon.
Das delphische Orakel war der ideale Mittelpunkt der griechischen Welt, der eine geistige Verbindung der weit verstreuten Volksgenossen aufrecht erhielt und förderte und ein Oberaufsichtsrecht über die Beobachtung des göttlichen Rechts ausübte; es verbot Fehden, ordnete die Verhältnisse der einzelnen Staaten zu einander, ja griff sogar in die innere Ordnung derselben ein und nahm das Recht der Bestätigung aller neuen Verfassungen in Anspruch, wobei es die aristokratische Verfassung begünstigte.
Auch dem Ausland gegenüber vertrat Delphi die Einheit der griechischen Interessen. Dieser mächtige, tief greifende Einfluß behauptete sich bis in das 6. Jahrh.; er schwand, als offenbar wurde, daß die Priesterschaft, von Habsucht verleitet, Barbarenkönige begünstigte, die Tyrannen, wie die Orthagoriden in Sikyon, unterstützte, ja endlich sich zum Werkzeug eigennütziger Bestrebungen erniedrigte. Als die großen Kämpfe des griechischen Volkes mit den Barbaren begannen, war Delphis herrschende Stellung dahin; seine Priesterschaft benahm sich unentschlossen, ja feig. Aber gerade in diesen Kämpfen stärkte sich das Nationalbewußtsein so, daß es nicht nur den Untergang des alten Mittelpunktes überdauerte, sondern sich sogar zum Versuch einer politischen Einigung erheben konnte.
Unterwerfung der kleinasiatischen Griechen.
Die Angriffe barbarischer Völker auf die griechischen Städte, namentlich in Kleinasien, waren eine natürliche Reaktion gegen die bisher ungestörte Ausbreitung der Kolonien und die Ausbeutung des Hinterlandes. Gefahrvoll wurden sie, als mit Gyges 716 eine neue Dynastie, die der Mermnaden, den lydischen Thron [* 6] bestieg und sofort sich der griechischen Städte an der Westküste Kleinasiens zu bemächtigen suchte. Bereits Gyges begann den Kampf, in dem die ionischen Städte Smyrna, Milet, Ephesos, [* 7] allein auf sich angewiesen, mit Heldenmut kämpften.
Nur vorübergehend unter Ardys und Alyattes verschafften kriegerische Bedrängnisse Lydiens von Osten her den Küstenstädten einige Ruhe. Krösos (560-548) vollendete die Unterwerfung, welche Ephesos und Smyrna hart betraf, den übrigen Städten aber nur Anerkennung seiner Landeshoheit und einen mäßigen Tribut auferlegte. Der Sturz des lydischen Reichs (548) brachte den Griechen ein noch schlimmeres Los. Da sie die Anträge des Perserkönigs Kyros auf freiwilligen Anschluß zurückwiesen und einen Befreiungsversuch machten, wurden sie von Harpagos mit Waffengewalt unterjocht (546). Viele Einwohner wanderten in entfernte Pflanzstädte aus, zwei ganze Stadtgemeinden, Teos und Phokäa, suchten sich in Thrakien und in Gallien eine neue Heimat.
Die Zurückbleibenden behielten zwar ihre Religion, Sprache [* 8] und Sitte; aber im übrigen wurden sie dem fremden Staat einverleibt, dem sie Abgaben zahlen und Heeresfolge leisten mußten. Die Perser beherrschten nun nicht nur das ganze Festland von Kleinasien, auch die Inseln Chios und Lesbos hatten sich ihnen bereits unterworfen. Die einzige ionische Macht, welche dem weitern Vordringen der Perser hätte Einhalt thun können, Samos, das der Tyrann Polykrates zum Mittelpunkt einer glänzenden, großen Seeherrschaft erhoben hatte, ging damals auch zu Grunde; durch Habsucht verleitet, lieferte sich Polykrates dem hinterlistigen Satrapen Orötes in die Hände und ward ans Kreuz [* 9] geschlagen (522), Samos vom König Dareios, dem Neubegründer des persischen Reichs, besetzt.
Die griechischen Städte und Inseln an der Westküste Kleinasiens bildeten nun eine Provinz desselben, Juna genannt. In jeder Stadt stand ein Tyrann an der Spitze des Gemeinwesens, der durch persischen Einfluß in seiner Macht erhalten wurde und aus eignem Interesse dem Großkönig treu diente. Glänzend und erfolgreich erwiesen sich diese Dienste bei dem großen Zug des Dareios gegen die Skythen (513), bei dem die Ionier eine gewaltige Flotte stellten und bei dem Bau der Brücken [* 10] über den Bosporus [* 11] und die Donau ihre technische Fertigkeit bewährten.
Ja, als die griechischen Fürsten die günstige Gelegenheit, durch Abbruch der Donaubrücke die persische Heeresmacht dem Verderben preiszugeben, nicht benutzten, weil der Untergang des Großkönigs auch den ihrigen nach sich zog und der Bund mit Persien [* 12] den Ioniern Ruhm und eine neue Blüte [* 13] ihres Handels versprach, schien die Vereinigung Ioniens mit dem großen Reich des Ostens fest und dauerhaft zu sein, und schon unternahmen die Perser auch die Unterwerfung Europas. Da begannen die kleinasiatischen Griechen, durch ehrgeizige Führer, wie Histiäos und Aristagoras, welche sich wegen enttäuschter Hoffnungen und verletzter Eitelkeit an den Persern rächen wollten, aufgereizt, 499 unbedachterweise einen Aufstand (ionischer Aufstand), welcher sich zwar über die ganze Küste Kleinasiens und die Inseln verbreitete, aber planlos und ohne genügende Streitkräfte ins Werk gesetzt wurde. Nach dem verunglückten Zuge gegen Sardes 498 mußten sich die Ionier auf die Verteidigung ihrer Städte und den Seekrieg beschränken. Die Perser, welche zahlreiche, im Belagerungskrieg wohlgeübte Truppen ins Feld führten und planmäßig vorgingen, unterwarfen sich bald die Städte ¶
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des Festlandes; ihre von den Rivalen der Griechen, den Phönikern, gebildete Flotte besiegte die uneinigen Ionier bei Lade 494; Milet wurde dem Erdboden gleichgemacht und auch die Inseln wieder unterworfen und aufs grausamste bestraft.
Zeitalter der Perserkriege.
Spartas König Kleomenes hatte das Hilfegesuch des Aristagoras zurückgewiesen, das Orakel zu Delphi that nichts, um die Gesamthellenen zum gemeinsamen Kampf gegen die Barbaren aufzurufen; bloß Athen [* 15] und Eretria hatten den Ioniern mit 25 Schiffen Hilfe geleistet, aber nach dem Mißerfolg des Zugs gegen Sardes sich zurückgezogen. Auch als die Perser in Thrakien sich festsetzten und den Makedonierkönig Amyntas zwangen, die Oberhoheit des Großkönigs anzuerkennen, erwachte in Hellas noch nicht die Erkenntnis der nahen Gefahr.
Den persischen Machthabern erschien die Unterwerfung der sämtlichen griechischen Städte bloß als eine Frage der Zeit, und nur darüber waren sie (wie z. B. Artaphernes und Mardonios) uneinig, ob man dabei gewaltsam die griechische Nationalität ausrotten oder die Hellenen mit beschränkter staatlicher Unabhängigkeit, aber mit ihren eigentümlichen Sitten, Sprache, Religion und Staatsformen in das Weltreich aufnehmen solle. Bereits 492 unternahm der philhellenische Mardonios einen Zug durch Thrakien gegen Hellas, den der Schiffbruch seiner Flotte am Athos unterbrach.
Gleichzeitig sollte das den Phönikern stammverwandte Karthago [* 16] der Macht der Griechen in Italien [* 17] und Sizilien [* 18] ein Ende machen. Diesen schien unabwendbar das Schicksal der Phöniker zu drohen: daß zwar ihre Existenz erhalten blieb, ihr Handel und Verkehr fortblühen konnten, ihre eigenartige Entwickelung zu einer Nation jedoch für immer abgeschnitten wurde. Da aber traten die Hellenen des Mutterlandes, vor allem die kräftigsten Staaten desselben, Athen und Sparta, als Retter der griechischen Freiheit auf und erhoben das eigentliche Hellas, das vor der üppigen Entwickelung der Kolonien fast zurückgetreten war, zum Mittelpunkt der griechischen Welt und zu einer dem asiatischen Reich ebenbürtigen politischen Macht. Dies ist die Bedeutung der Perserkriege (490-479).
Der Sturz der Peisistratiden und die Verfassungsreform des Kleisthenes sowie die glückliche Abwehr der spartanischen Einmischung hatten das Selbstbewußtsein und den Patriotismus der Athener bedeutend gesteigert. Der Widerwille gegen jede Fremdherrschaft, die Zuversicht auf eine glänzende Zukunft des Vaterlandes war nirgends so lebendig wie in Athen, und es fehlte auch an hervorragenden Männern nicht, welche, auf diese Stimmung der Bürgerschaft gestützt, mit weit blickender Einsicht die Kräfte des Staats entwickelten und seine Politik in eine neue, vielverheißende Bahn lenkten: Aristeides, Themistokles und Miltiades. Dem letztern war der Sieg bei Marathon (12. Sept. 490) zu danken, welchen die Athener, nur von einer Schar Platäer unterstützt, über das große Heer der Perser unter Datis und Artaphernes erfochten, welches Eretria zur Strafe für die den Ioniern geleistete Hilfe zerstört hatte und in Attika gelandet war, um auch Athen zu züchtigen und Hippias als persischen Vasallen wieder auf den Thron zu setzen.
Der Mißerfolg der Unternehmung gegen Paros, für welchen Miltiades hart büßen mußte, entmutigte die Athener nicht. Auf Antrieb des Themistokles, der bereits 493 den neuen Hafen Piräeus gegründet hatte, beschlossen sie, eine große Kriegsflotte zu erbauen und die Einkünfte der laurischen Silberbergwerke darauf zu verwenden. Der Grundstein zur Größe Athens war damit gelegt, zunächst die Herrschaft auf dem Element gewonnen, auf dem man allein die Perser mit Erfolg zu bekämpfen hoffen konnte.
Denn so volkreich und blühend Hellas damals auch war, so trübe waren die politischen Verhältnisse. Sparta galt zwar als der hegemonische Staat, zeigte sich aber seiner Stellung keineswegs würdig. Es unterwarf sich den Persern nicht und ließ, wie Athen, die Gesandten des Großkönigs töten; aber ebensowenig setzte es nun alle seine Kräfte ein und stellte sich mutig an die Spitze ganz Griechenlands. Von den andern Staaten neigten einige offen zu den Persern, wie Argos aus Haß gegen Sparta, Theben und Korinth [* 19] aus Eifersucht gegen Athen, die Aleuaden in Thessalien aus Eigennutz und Herrschsucht.
Die Aristokraten fürchteten das Emporkommen der Demokratie infolge einer großen Volkserhebung gegen den auswärtigen Feind und wünschten ein freundschaftliches Verhältnis zu den fremden Königen: so namentlich die delphische Priesterschaft. Andre verkannten die Gefahr und zeigten sich lau und unthätig. Als daher Xerxes 480 mit einem ungeheuern Heer in Griechenland [* 20] eindrang, war der Widerstand nicht allgemein. Nordgriechenland wurde preisgegeben, ein kleines Landheer, zu dem die Spartaner nur 300 Mann unter dem König Leonidas stellten, sperrte die Thermopylen, während 271 Trieren [* 21] unter dem Spartaner Eurybiades u. unter Themistokles sich am Vorgebirge Artemision sammelten, um dem Landheer den Rücken zu decken.
Leonidas fand durch den Verrat des Ephialtes einen heldenmütigen Untergang; die Flotte kämpfte gegen die Perser, welche auch durch Stürme große Verluste erlitten, nicht unglücklich, mußte aber nach dem Verlust der Thermopylen nach dem Saronischen Meerbusen zurückkehren. Ganz Mittelgriechenland fiel in die Hände des Feindes, die Athener flüchteten auf ihre Schiffe [* 22] und nach Salamis und Trözen. Die Uneinigkeit und Entmutigung unter den Griechen waren groß. Die Peloponnesier wollten bloß ihre Halbinsel verteidigen, und nur durch eine List gelang es Themistokles, die griechische Flotte zu dem Sieg bei Salamis (20. Sept. 480) zu zwingen.
Xerxes mit seiner Flotte ging nach Asien [* 23] zurück und ließ nur ein auserlesenes Landheer von 300,000 Mann unter Mardonios in Europa [* 24] zurück, um die Unterwerfung von Hellas im nächsten Jahr zu vollenden. In diesem (479) zeigte sich Sparta in der Sammlung des peloponnesischen Heerbannes so saumselig, daß Mardonios zum zweitenmal in Attika eindrang, das von seinen Einwohnern wiederum geräumt worden war, und es völlig verwüstete. Erst im Spätsommer ward durch den Sieg der Griechen bei Platää das Perserheer vernichtet.
Das griechische Festland war jetzt für immer gegen die Perser gesichert. Schon hatten aber die Griechen begonnen, auch den Archipel von den Feinden zu säubern. Noch 480 hatte Themistokles die Kykladen zum Anschluß an Hellas bewogen; 479 segelte eine Flotte unter Leotychides und Xanthippos nach Kleinasien, und am Vorgebirge Mykale eroberte die Mannschaft das persische Schiffslager. Ionien wurde befreit, durch die Eroberung von Sestos und Byzantion die beiden Meerengen des Hellespont und des Bosporus in griechische Gewalt gebracht, ja sogar schon ein Teil von Cypern [* 25] erobert.
Rivalität Athens und Spartas.
Nach der Schlacht von Platää hatten die siegreichen Staaten ihren Waffenbund erneuert und die Höhe der Bundesstreitmacht festgesetzt; Haupt des Bundes war Sparta. Auch im Seekrieg hatte es zuerst die Führung. Als aber Pausanias 476 wegen seiner ¶