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das Volk zu unterdrücken und allen Besitz an sich zu bringen. Der entstehenden Gärung konnte Drakons Gesetzgebung (621) kein Ende machen. 612 versuchte Kylon, unterstützt von seinem Schwiegervater Theagenes von Megara, die Aristokratie zu stürzen und eine Tyrannis aufzurichten. Der Versuch scheiterte zwar, überzeugte jedoch die Eupatriden von der Notwendigkeit, durch Nachgiebigkeit den Staat aus seiner innern Zerrissenheit und äußern Ohnmacht zu erretten.
Das große Verfassungswerk Solons (s. d.), das er 594 als erster Archon, mit außerordentlichen Vollmachten ausgerüstet, durchführte, sollte den Zwiespalt der Stände versöhnen und den Staat auf einen neuen, festen Rechtsboden stellen. Seine großartige Gesetzgebung umfaßte alle Zweige des Lebens und legte überall fruchtbringende Keime. Pflichten und Rechte der Bürger wurden gerecht verteilt, durch die Unterordnung des Bürgers unter den Staat nicht seine sittliche Freiheit aufgehoben.
Wenn trotzdem die neue Staatsordnung nicht dauernden Bestand hatte, wenn der Ehrgeiz der adligen Geschlechter das Gemeinwesen in neue Parteikämpfe stürzte, wenn endlich der Neleide Peisistratos an der Spitze des armen Gebirgsvolkes, der Diakrier, welche er für sich gewonnen, erst zweimal auf kurze Zeit (560-559 und 554-552), endlich 541 dauernd eine Tyrannis aufrichtete, so blieben die Grundlagen der Solonischen Verfassung doch bestehen: Peisistratos pflegte alle Einrichtungen und Gesetze derselben, soweit sie mit seiner Herrschaft vereinbar waren.
Nach dem Sturz seines Sohns Hippias (510), zu dem die Spartaner unter Kleomenes Hilfe leisteten, brachen sofort wieder Zwistigkeiten zwischen den ehrgeizigen Geschlechtern aus. Indes die Partei des Isagoras, welche, von Kleomenes unterstützt, die alte Aristokratie wiederherstellen wollte, unterlag, und der Alkmäonide Kleisthenes erneuerte die Solonische Verfassung in ihren wesentlichen Einrichtungen und brach die Macht des Adels durch Auflösung der vier Phylen, die Verlosung der Ämter etc. (508). Die Einmischung Spartas ward abgewehrt, ein Rachezug des Kleomenes scheiterte an der Weigerung der peloponnesischen Bundesgenossen, gegen Athen [* 2] zu kämpfen; die Thebaner, welche, erbittert über Platääs Abfall zu den Athenern, zum Krieg rüsteten, und die mit ihnen verbündeten Chalkidier wurden einzeln geschlagen, das Gebiet von Chalkis in 4000 Losen athenischen Bürgern zugeteilt (507). Der Grundstein zu einer attischen Hegemonie über Mittelgriechenland war gelegt.
Überraschend schnell waren die Athener unter der Einwirkung der Solonischen Gesetze ein politisch geschultes Volk geworden und standen als Vertreter des ionischen Stammes ebenbürtig dem dorischen Sparta gegenüber, dessen Übergewicht durch Kleomenes' unüberlegte Politik einen Stoß erlitten. Wie der Seestaat Korinth [* 3] auf dem Peloponnes dem stammverwandten Sparta anregend und mäßigend zur Seite stand, so in Hellas die Landbau treibende Bevölkerung [* 4] von Böotien unter Thebens Führung neben Athen. Außer diesen vier Staaten war auf dem europäischen Festland ums Jahr 500 keiner von größerer Bedeutung.
Die Kolonisationen.
Gleichzeitig mit diesen politischen Bildungen erfolgten die großartigen Kolonisationen der Hellenen. Unermüdlich in ihrem Trieb, immer neue Handelswege aufzusuchen, bei allem Heimatsgefühl zur Auswanderung in die Ferne geneigt, haben die Hellenen sich vom Archipel über das ganze Mittelmeer verbreitet, an den Küsten der Mäotis, den Mündungen des Nils, in Italien, [* 5] den westlichen Inseln bis nach Gallien hin Pflanzstädte gegründet, welche den Handel mit dem Mutterland vermittelten, die Produkte des fremden Landes mit den Erzeugnissen des heimischen Gewerbfleißes austauschten und durch betriebsame Ausbeutung des Landbaues bald zu eignem Wohlstand gelangten. In kürzester Zeit übertrafen die meisten Kolonien an Zahl der Bevölkerung und Reichtum ihre Mutterstädte, denn sie waren weniger durch ebenbürtige Nachbarn beschränkt.
Mit der materiellen Entwickelung hielt auch meist die intellektuelle gleichen Schritt. Dabei blieben sie mit der Heimat in stetem Verkehr. Wenn sie auch eine politische Oberhoheit der Mutterstadt gewöhnlich nicht anerkannten, hielten sie doch ein Pietätsverhältnis aufrecht. Ihre griechische Nationalität bewahrten sie sich nicht nur, sondern sie breiteten auch ihre Sprache [* 6] und Bildung bei den Völkerschaften aus, in deren Mitte sie sich ansiedelten. Die Übervölkerung, welche dem griechischen Gemeinwesen hätte gefährlich werden und aufreibende innere Kämpfe hervorrufen können, wurde durch diese Kolonisation nicht nur abgelenkt, sondern zur Steigerung der Macht, zur Forderung des Geisteslebens auch im Mutterland verwertet.
Unter sämtlichen Stämmen zeichnen sich bei dieser Thätigkeit die Ionier und unter diesen wieder die Städte Chalkis auf Euböa und Milet aus. Auch bei den unter Führung dorischer und äolischer Geschlechter ausgesandten Ansiedelungen waren in der Regel Ionier beteiligt. Die bedeutendsten Kolonien Milets waren am Schwarzen Meer Sinope, Trapezunt, Odessos, Olbia, Pantikapäon, an der Propontis Kyzikos, im Nilland Naukratis, das, von dem für ihm geleistete Hilfe dankbaren König Psammetich hoch begünstigt, eine glänzende Blüte [* 7] erlangte.
Die euböischen Städte kolonisierten die makedonische Küste, Chalkis gründete hier allein 32 Pflanzstädte. Von den Ionischen Inseln aus, namentlich von Kerkyra, das sich 665 von seiner Mutterstadt Korinth losriß, wurden Ansiedelungen nach der illyrischen Küste und nach Unteritalien entsendet, welche hier schon ältere Handelsniederlassungen der Ionier und Karer aus Kleinasien vorfanden; Kyme, Zankle (Messina), [* 8] Rhegion, die Ostküste Siziliens mit den Städten Katane, Naxos, Syrakus [* 9] und Leontinoi verdankten der Vereinigung und dem Wetteifer verschiedener griechischer Staaten ihre Entstehung.
Achäische Geschlechter von der Nordküste des Peloponnes führten ionische Kolonisten nach dem Tarentinischen Meerbusen und gründeten Sybaris und Kroton, lakonische Ansiedler Taras, Rhodier Gela an der Südküste Siziliens und dieses wieder östlicher Akragas, das an Glanz und Pracht bald die Mutterstadt überbot. Die kühnen Seeleute von Phokäa drangen bis zur Küste Galliens vor, wo Massalia Mittelpunkt ihrer Handelsplätze war, und auch in Spanien [* 10] nisteten sich Griechen ein und machten den Karthagern die Herrschaft über den dortigen Handel streitig. Von Thera aus wurde Kyrene in Afrika [* 11] angelegt, welches sich unter der Herrschaft der Battiaden rasch entwickelte und ein mächtiges Reich wurde, das sich gegen Ägypten [* 12] siegreich behauptete.
Die schützende Gottheit aller dieser Ansiedelungen war Apollon. [* 13] Sein Altar [* 14] war das erste, was die Kolonisten errichteten; keine Ansiedlerschar wurde ohne seinen Befehl entsendet; sein Rat ward eingeholt, wenn eine Pflanzstadt nicht gedieh und verlegt werden sollte. Wie bei den ersten Wanderungen von Kleinasien über den Archipel nach Hellas, bezeichnete auch bei den großen Kolonisationen von 800-500 die Ausbreitung des Apollondienstes diejenige ¶
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griechischen Volkstums und griechischer Kultur. Unter seinen Heiligtümern erlangte aber bald eine herrschende Stellung der Tempel [* 16] zu Delphi, an dem schroffen Südabfall des Parnaß in einer tiefen Schlucht gelegen. Als Mittelpunkt der von den Doriern gegründeten Amphiktyonie behielt Delphi auf die von den Doriern ausgehenden Staaten des Peloponnes stets einen maßgebenden Einfluß. Von Delphi ging die Hellensage aus, in welcher die Einheit aller griechischen Stämme ihren mythologischen Ausdruck fand; das Heiligtum des pythischen Apollon wurde nun der geistige Mittelpunkt der Hellenen, wie weit verstreut sie auch waren.
Die delphische Priesterschaft pflegte mit Klugheit und Ausdauer die Idee der Einheit, das Nationalgefühl. Das Orakel, durch welches Apollon den Willen des Zeus [* 17] verkündete, diente dazu, Entzweiungen unter den einzelnen Stämmen vorzubeugen oder sie beizulegen, die Achtung vor der Religion und ihren Geboten gegenüber menschlicher Willkür aufrecht zu erhalten, den Gottesdienst vor Entartung zu wahren und durch Feststellung einer geschlossenen Anzahl nationaler Gottheiten unter der höchsten Weltregierung des Zeus, neben dem kein andrer Gott einen besondern Willen habe, den Gefahren der Vielgötterei zu begegnen, so daß auch in religiöser Beziehung die Einheit der Entwickelung erhalten wurde.
Auch das sittliche Bewußtsein der Hellenen erhielt von Delphi seine Anregung und Regelung. Selbstprüfung, weise Mäßigung und klare Besonnenheit forderte Apollon von seinen Verehrern; die Sophrosyne blieb stets den Griechen das Ziel sittlichen Strebens. Die Ordnung der Zeiten, der Festspiele, die Ausbildung der Gymnastik als des notwendigen Gegengewichts gegen die einseitige geistige Bildung, die Umgestaltung der phönikischen Schrift in die griechische, die Anfänge einer Geschichtschreibung, die Anwendung der Künste im Dienste [* 18] der Religion, kurz, die Grundlagen einer nationalen Bildung verdankt Hellas der Priesterschaft des Apollon.
Das delphische Orakel war der ideale Mittelpunkt der griechischen Welt, der eine geistige Verbindung der weit verstreuten Volksgenossen aufrecht erhielt und förderte und ein Oberaufsichtsrecht über die Beobachtung des göttlichen Rechts ausübte; es verbot Fehden, ordnete die Verhältnisse der einzelnen Staaten zu einander, ja griff sogar in die innere Ordnung derselben ein und nahm das Recht der Bestätigung aller neuen Verfassungen in Anspruch, wobei es die aristokratische Verfassung begünstigte.
Auch dem Ausland gegenüber vertrat Delphi die Einheit der griechischen Interessen. Dieser mächtige, tief greifende Einfluß behauptete sich bis in das 6. Jahrh.; er schwand, als offenbar wurde, daß die Priesterschaft, von Habsucht verleitet, Barbarenkönige begünstigte, die Tyrannen, wie die Orthagoriden in Sikyon, unterstützte, ja endlich sich zum Werkzeug eigennütziger Bestrebungen erniedrigte. Als die großen Kämpfe des griechischen Volkes mit den Barbaren begannen, war Delphis herrschende Stellung dahin; seine Priesterschaft benahm sich unentschlossen, ja feig. Aber gerade in diesen Kämpfen stärkte sich das Nationalbewußtsein so, daß es nicht nur den Untergang des alten Mittelpunktes überdauerte, sondern sich sogar zum Versuch einer politischen Einigung erheben konnte.
Unterwerfung der kleinasiatischen Griechen.
Die Angriffe barbarischer Völker auf die griechischen Städte, namentlich in Kleinasien, waren eine natürliche Reaktion gegen die bisher ungestörte Ausbreitung der Kolonien und die Ausbeutung des Hinterlandes. Gefahrvoll wurden sie, als mit Gyges 716 eine neue Dynastie, die der Mermnaden, den lydischen Thron [* 19] bestieg und sofort sich der griechischen Städte an der Westküste Kleinasiens zu bemächtigen suchte. Bereits Gyges begann den Kampf, in dem die ionischen Städte Smyrna, Milet, Ephesos, [* 20] allein auf sich angewiesen, mit Heldenmut kämpften.
Nur vorübergehend unter Ardys und Alyattes verschafften kriegerische Bedrängnisse Lydiens von Osten her den Küstenstädten einige Ruhe. Krösos (560-548) vollendete die Unterwerfung, welche Ephesos und Smyrna hart betraf, den übrigen Städten aber nur Anerkennung seiner Landeshoheit und einen mäßigen Tribut auferlegte. Der Sturz des lydischen Reichs (548) brachte den Griechen ein noch schlimmeres Los. Da sie die Anträge des Perserkönigs Kyros auf freiwilligen Anschluß zurückwiesen und einen Befreiungsversuch machten, wurden sie von Harpagos mit Waffengewalt unterjocht (546). Viele Einwohner wanderten in entfernte Pflanzstädte aus, zwei ganze Stadtgemeinden, Teos und Phokäa, suchten sich in Thrakien und in Gallien eine neue Heimat.
Die Zurückbleibenden behielten zwar ihre Religion, Sprache und Sitte; aber im übrigen wurden sie dem fremden Staat einverleibt, dem sie Abgaben zahlen und Heeresfolge leisten mußten. Die Perser beherrschten nun nicht nur das ganze Festland von Kleinasien, auch die Inseln Chios und Lesbos hatten sich ihnen bereits unterworfen. Die einzige ionische Macht, welche dem weitern Vordringen der Perser hätte Einhalt thun können, Samos, das der Tyrann Polykrates zum Mittelpunkt einer glänzenden, großen Seeherrschaft erhoben hatte, ging damals auch zu Grunde; durch Habsucht verleitet, lieferte sich Polykrates dem hinterlistigen Satrapen Orötes in die Hände und ward ans Kreuz [* 21] geschlagen (522), Samos vom König Dareios, dem Neubegründer des persischen Reichs, besetzt.
Die griechischen Städte und Inseln an der Westküste Kleinasiens bildeten nun eine Provinz desselben, Juna genannt. In jeder Stadt stand ein Tyrann an der Spitze des Gemeinwesens, der durch persischen Einfluß in seiner Macht erhalten wurde und aus eignem Interesse dem Großkönig treu diente. Glänzend und erfolgreich erwiesen sich diese Dienste bei dem großen Zug des Dareios gegen die Skythen (513), bei dem die Ionier eine gewaltige Flotte stellten und bei dem Bau der Brücken [* 22] über den Bosporus [* 23] und die Donau ihre technische Fertigkeit bewährten.
Ja, als die griechischen Fürsten die günstige Gelegenheit, durch Abbruch der Donaubrücke die persische Heeresmacht dem Verderben preiszugeben, nicht benutzten, weil der Untergang des Großkönigs auch den ihrigen nach sich zog und der Bund mit Persien [* 24] den Ioniern Ruhm und eine neue Blüte ihres Handels versprach, schien die Vereinigung Ioniens mit dem großen Reich des Ostens fest und dauerhaft zu sein, und schon unternahmen die Perser auch die Unterwerfung Europas. Da begannen die kleinasiatischen Griechen, durch ehrgeizige Führer, wie Histiäos und Aristagoras, welche sich wegen enttäuschter Hoffnungen und verletzter Eitelkeit an den Persern rächen wollten, aufgereizt, 499 unbedachterweise einen Aufstand (ionischer Aufstand), welcher sich zwar über die ganze Küste Kleinasiens und die Inseln verbreitete, aber planlos und ohne genügende Streitkräfte ins Werk gesetzt wurde. Nach dem verunglückten Zuge gegen Sardes 498 mußten sich die Ionier auf die Verteidigung ihrer Städte und den Seekrieg beschränken. Die Perser, welche zahlreiche, im Belagerungskrieg wohlgeübte Truppen ins Feld führten und planmäßig vorgingen, unterwarfen sich bald die Städte ¶