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Ausbreitung recht eigentlich den Fortschritt der Kultur bezeichnet; als Gesamtname für die Völker dieses Bundes kam der Name Hellenen auf. Von diesem Bund sind dann fernere Völkerbewegungen ausgegangen, welche man die Dorische Wanderung (in der Sage die »Rückkehr der Herakliden« [s. d.], nach den Führern der Dorier) nennt, an denen aber auch andre Stämme neben den Doriern teilnahmen. Dieselben überschritten (der Überlieferung nach 1104 v. Chr.) die schmale Meerenge, welche den Korinthischen Golf im Westen begrenzt, und eroberten, von Rhion nach Süden langsam vordringend, in hartnäckigem, langem Kampf mit den Achäern den größten Teil des Peloponnes.
Arkadien umgehend, erreichten sie den Isthmos von Korinth, [* 2] besetzten Megaris und waren im Begriff, indem sie den Doriern am Öta die Hand [* 3] reichten, ganz Hellas zu unterjochen, als der Heldenmut Athens 1068 ihrem Vordringen ein Ziel setzte. Die aus Elis, Messenien, Lakonien und Argos verdrängten Achäer zogen sich nach Arkadien zurück und breiteten sich von hier aus über Ägialeia aus, dessen ionische Einwohner sie vertrieben, und dem sie ihren Namen Achaia gaben.
Die Griechen in Kleinasien.
Diese gewaltsame Umwälzung, welche sich vor allem gegen die unter dem Einfluß östlicher Einwanderung gegründeten Staaten richtete, konnte nicht ohne weitere Folgen bleiben. Eine große Rückströmung der Griechen nach den Inseln des Archipels und den Küsten Kleinasiens trat ein. Drei große Kolonienzüge lassen sich unterscheiden: der äolische, welcher im Norden [* 4] zog, der ionische in der Mitte, der dorische im Süden. Der letztere umfaßte auch ionische und achäische Ansiedler, welche unter dorischer Führung auszogen.
Von ihm wurden die Küste Kariens, Rhodos und Kos kolonisiert, Kreta nach langsamer gründlicher Eroberung fast ganz dorisch gemacht. Die Ionier, welche meist von Athen [* 5] auszogen, das die Zufluchtsstätte aller Vertriebenen gewesen war, fanden in dem Mündungsgebiet des Kaystros und Mäandros zwar die Macht der Lydier ausgebreitet und hatten von Samos aus um Ephesos [* 6] lange, harte Kämpfe zu bestehen, deren Erinnerung in der Sage von den ephesischen Amazonen fortlebte; sie fanden indes in den Seestädten ihre alten Stammesgenossen wieder, mit denen sie zu neuen Gemeinden verschmolzen, und auf deren politische und geistige Entwickelung sie einen ungemein fördernden Einfluß ausübten.
Vor allem war die Einigung der asiatischen Ionier zu einem Bund von zwölf Städten ihr Werk. Die Äolier, meist unter Führung achäischer Geschlechter aus dem Peloponnes (die Sage nennt sie Nachkommen Agamemnons), sammelten sich in Böotien und segelten vom Hafen von Aulis nach der thrakischen Küste, wo sie mehrere Kolonien gründeten. Später schoben sie sich weiter nach Osten bis zum Hellespont, überschritten diesen, besetzten Kyzikos und Lesbos und eroberten allmählich Mysien und Troas. Im hartnäckigen Kampf gegen die Dardaner stärkten sie ihren kriegerischen Mut durch die Erinnerung an die alten achäischen Heerkönige, die Atriden und Achilleus, deren Thaten sie in Liedern feierten, und diese Thaten gestalteten sich nach und nach unter dem Einfluß des eigentümlichen Strebens der Hellenen, ihre Eroberungen nicht bloß auf das Recht des Stärkern, sondern auf eine Art von Erbrecht zu gründen, zu einem angeblich 130 Jahre zuvor unternommenen Heereszug der Achäer gegen Troja. [* 7] Die Lieder, welche diese Sage behandeln, wurden den benachbarten Ioniern bekannt, von ihnen erweitert und ausgeschmückt, und aus ihnen entstand durch die Verschmelzung der einzelnen Abenteuer zu einem kunstmäßigen Ganzen die »Ilias« Homers.
Obwohl die Homerischen Gedichte erst in Kleinasien entstanden sind und mehrfache Spuren späterer Anschauungen, z. B. über die Götterwelt, das Königtum etc., enthalten, so haben sie doch im allgemeinen eine so treue Erinnerung an die Zeit vor der Wanderung bewahrt, daß sie eine zuverlässige Quelle [* 8] für die Kenntnis der Zustände bilden, die im hellenischen Volk vor der Dorischen Wanderung, im sogen. patriarchalischen oder Heldenalter, herrschten. Ackerbau und Viehzucht, [* 9] Seefahrt und Handel bilden die Thätigkeit der Hellenen und liefern ihnen den Lebensunterhalt.
Über die Masse des Volkes erheben sich die Edlen, die Herren, deren Lieblingsbeschäftigungen Krieg und Jagd sind; über diesen steht der König (Basileus) mit erblicher, von Zeus [* 10] verliehener Gewalt als oberster Feldherr, Richter und Priester. Er wohnt in einer stattlichen, von sogen. kyklopischen Mauern geschützten Burg (Tiryns, Mykenä); [* 11] prachtvolle Kuppelbauten (früher für Schatzhäuser gehalten) dienten zu Königsgräbern. Doch sind die Könige keine Despoten; sie bedienen sich des Beirats der Geronten, welche namentlich Recht sprechen.
Der Mörder war der Blutrache preisgegeben, doch konnte er sich durch ein Sühnegeld lösen. Das streng beobachtete, weil unter den Schutz von Zeus selbst gestellte Gastrecht machte einen friedlichen Verkehr zwischen den verschiedenen Stämmen möglich. Das Familienleben war ein edles, die Frau geachtet, Liebe gegen die Eltern eine heilige Pflicht. An Ausbrüchen wilder Leidenschaft, ungebändigter, roher Naturkraft fehlte es nicht, namentlich bei den kriegerischen Achäern, während die Dardaner als sanfter und gesitteter geschildert werden.
Übergewicht Spartas.
Die Dorische Wanderung hatte den Doriern das Übergewicht in Griechenland [* 12] verschafft. Unter den von ihnen auf dem Peloponnes gegründeten neuen Staaten Argos, Messenien und Sparta (s. d.) war der letzte der kräftigste. Zwar hatten die Dorier in Lakonien so wenig wie in Argolis und Messenien das ganze Gebiet erobert und die alten Einwohner völlig unterjocht; ja, sie haben sogar einheimische Fürstengeschlechter anerkennen müssen, denen sie sich als der Kriegerstand unterordneten; eins ihrer Königsgeschlechter, die Agiaden, war wahrscheinlich achäischen Stammes. Es fehlte auch nicht an Irrungen zwischen diesen Königsfamilien, den Agiaden und den Eurypontiden, und den Doriern.
Sie beseitigt und dem Staat neue Ordnungen gegeben zu haben, die ihm innern Frieden und Kraft [* 13] nach außen verliehen, ist das Verdienst des Lykurgos. Die Kraft des dorischen Teils der Bevölkerung, [* 14] der Spartiaten, wurde durch die Lykurgische Gesetzgebung außerordentlich gehoben und die Dorisierung Lakoniens ermöglicht. Zugleich erwachte in den Spartiaten, welche ausschließlich für das kriegerische Leben erzogen wurden, im Frieden nur in der Jagd eine Unterbrechung des einförmigen Soldatenlebens kannten, die Eroberungssucht.
Das benachbarte Messenien, auf dessen fruchtbaren Fluren die eingewanderten Dorier friedlich unter den alten Einwohnern lebten und sich vielfach mit ihnen verschmolzen hatten, lockte durch seinen Reichtum zuerst den Angriff auf sich. Nach einem 20jährigen Kampf, dem ersten Messenischen Krieg (743-724), fiel die von Aristodemos tapfer verteidigte Burg Ithome, und die Messenier mußten sich unterwerfen. Ein Teil ihres Ackers wurde ihnen abgenommen und unter die Spartiaten verteilt, deren Ackerlose hierdurch von 4500 ¶
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auf 9000 vermehrt wurden. Innere Zwistigkeiten erschütterten nach dem Krieg den spartanischen Staat. Zwischen dem Königtum und der dorischen Bürgergemeinde entbrannte ein erbitterter Kampf über die politischen Rechte, der mit dem Sieg der letztern endete; den Königen wurden die Ephoren als Wächter des gesetzlichen Herkommens zur Seite gestellt (690). Aber die Unduldsamkeit der Spartiaten gegen die Aufnahme nichtdorischer Bürger in ihre Gemeinde sowie die Austreibung der Parthenier, welche Tarent gründeten, riefen Aufstände der Periöken hervor. Zu gleicher Zeit erhoben sich die Messenier unter Führung des Aristomenes, vertrieben die Spartiaten aus ihrem Gebiet und fanden bei Argos, Arkadien und Pisa [* 16] Hilfe (zweiter Messenischer Krieg, 645-628). In dieser Not riefen die spartanischen Könige den Sänger Tyrtäos aus Aphidna in Attika herbei, dessen begeisterte Lieder das Gefühl für Kriegerehre und Treue gegen das angestammte Königtum neu belebten und neben der Kampfeslust und Siegeszuversicht auch Versöhnlichkeit bei den Spartiaten erweckten.
Der Krieg nahm nun eine für Sparta günstige Wendung. Die Messenier wurden nach der Bergfestung Eira zurückgedrängt, von wo Aristomenes kühne Streifzüge bis in das Herz Lakoniens unternahm, das aber endlich doch aufgegeben werden mußte. Die tapfern Verteidiger verließen ihre Heimat und wanderten teils nach dem südlichen Italien, [* 17] wo sie Rhegion und Zankle gründeten, teils nach Kleinasien aus; die zurückgebliebenen Messenier mußten als Staatssklaven den Acker für ihre Bedrücker bebauen; ein Teil des fruchtbaren Bodens blieb als Weide [* 18] liegen, die Hafenstädte verödeten vollständig.
Der siegreiche Ausgang des zweiten Messenischen Kriegs steigerte das Übergewicht der Spartiaten und machte sie zu völligen Herrschern Lakoniens. Die von der dorischen Gemeinde gewählten Ephoren erlangten eine Macht, welche die der Könige in Schatten [* 19] stellte, und wurden die eigentlichen Leiter des Staats, dem sie als Vertreter der Spartiaten den rein dorischen Stammescharakter aufprägten, und dessen Politik sie eine konsequente Haltung gaben, durch welche sie die großen Erfolge nach außen hin erreicht haben.
Auf Eroberungskriege verzichteten sie. Während sie im Innern die Formen der Lykurgischen Verfassung streng festhielten und die Anhänglichkeit an das durch Alter Geheiligte zu einem politischen Grundsatz machten, traten sie nach außen fest und gemäßigt auf, suchten durch Bündnisse die peloponnesischen Staaten um sich zu einigen, das Heiligtum des Zeus zu Olympia und die alle vier Jahre dort gefeierten Spiele zum Mittelpunkt eines Bundes zu machen, in dem sie als der mächtigste Staat die hervorragendste Stellung naturgemäß einnehmen mußten, und durch vorsichtiges Eingreifen in die innern Wirren benachbarter Staaten den Bestand der alten gesetzlichen Ordnungen zu sichern oder wiederherzustellen und das politische Übergewicht der dorischen Bevölkerung zu befestigen. Sie haben auch durch Ausdauer und Konsequenz schwierige Zeiten überwunden und große Erfolge erzielt.
In den dorischen Staaten des nordöstlichen Peloponnes, in Argos, Korinth, Sikyon sowie in Megaris, hatten Handel und Verkehr, welche sich infolge der günstigen Lage und zahlreicher Einwanderungen rasch und glänzend entwickelten, auf die politische Entwickelung maßgebenden Einfluß geübt: die Dorier waren zurückgedrängt worden, und mächtige Alleinherrscher (Tyrannen) hatten sich erhoben. Der König Pheidon von Argos, aus dem Geschlecht der Temeniden, dem Griechenland sein erstes Maß-, Gewichts- und Münzsystem verdankt, unterwarf sich wieder ganz Argolis bis zum Isthmos, besiegte die Spartaner 669 bei Hysiä, entriß ihnen die ganze Ostküste ihres Gebiets bis zum Vorgebirge von Malea und schloß sie 668 auch von den Olympischen Spielen aus. In Sikyon erlangte das Geschlecht der Orthagoriden die Alleinherrschaft und unterdrückte die bisher allein vollberechtigten dorischen Bürger.
Unter der Herrschaft der Bakchiaden hatten in Korinth Seefahrt und Gewerbe einen glänzenden Aufschwung genommen, die Bevölkerung hatte sich rasch vermehrt, zahlreiche Pflanzstädte waren entstanden. Um 660 schwang sich in der mächtigen Stadt ein Verwandter des herrschenden Geschlechts, Kypselos, zum Tyrannen auf und vererbte seine Macht auf seinen Sohn Periandros (629-585), der mit seiner Flotte weithin die Meere beherrschte, aber die alten Ordnungen beseitigte und zuletzt als rücksichtsloser Despot regierte. In Megara wurde der dorische Adel (625) von Theagenes mit Hilfe des niedern Volkes gestürzt; nach seinem baldigen Fall wüteten langwierige Bürgerkriege.
Die weitere Ausbreitung der Tyrannis hätte die Entwickelung der griechischen Bildung überstürzt und durch die Begünstigung des Ausländischen ihre Eigenartigkeit vernichtet. Indem Sparta den Sturz derselben durch offene Bekämpfung wie durch Unterstützung des einheimischen Widerstandes herbeiführte, sicherte es das Hellenentum vor Entartung und errang sich selbst die Hegemonie über den dorischen Peloponnes, dessen Staaten es zu einem Bund vereinigte, und ein schiedsrichterliches Ansehen bei den übrigen Hellenen, ja eine Oberleitung aller hellenischen Nationalangelegenheiten, bis ihm in Mittelgriechenland ein ebenbürtiger Nebenbuhler erwuchs.
Emporkommen Athens.
Dies war Athen (s. d.). Neben den pelasgischen Ureinwohnern wurde Attika von den Einwanderern verschiedener Stämme bewohnt;
unter den zwölf städtischen Gemeinden erlangte das um eine starke Burg erbaute Athen durch seine Lage allmählich den Vorrang;
hier verschmolzen die ionischen Geschlechter auch am ersten mit den eingebornen Erechthiden, und die erstern wurden die herrschenden;
von Athen ging die Vereinigung der zwölf Städte zu Einem Gemeinwesen aus, womit die attische Geschichte beginnt.
Als Urheber dieses wichtigen Ereignisses, des Synoikismos, wurde Theseus verehrt. So vereinigt, konnte der neue Staat nicht nur die Erschütterung der Dorischen Wanderung überstehen, sondern auch den zahlreichen Flüchtlingen eine Zuflucht bieten und durch Aufnahme edler Geschlechter aus dem Peloponnes in seinen Adel eine Fülle neuer Kraft gewinnen. Die stetige Anregung von außen, welche die Einwanderungen zur Folge hatten, hat wesentlich die Vielseitigkeit des attischen Geistes, seinen unermüdlichen Fortschrittstrieb, hervorgerufen, ohne doch die politische Entwickelung zu stören. An Stelle des Königtums trat allmählich die Aristokratie, die Sage von Kodros' Heldentod bezeugt diesen friedlichen Übergang. Es folgten zuerst lebenslängliche Oberhäupter (Archonten) aus dem Geschlecht der Medontiden, denen die übrigen Eupatriden beratend und kontrollierend zur Seite standen; 752 wurde die Dauer des Archontats auf zehn Jahre beschränkt, 714 auch andre Geschlechter zugelassen, seit 683 neun Archonten auf ein Jahr erwählt. Allerdings war die Herrschaft der Eupatriden eine Parteiherrschaft, und die Kluft zwischen ihnen und den andern Ständen, den Geomoren und Demiurgen, wurde immer größer. Durch Ausbeutung des harten Schuldrechts suchte der eigennützige Adel ¶