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den Ioniern von Leinenzeug, je nach der Jahreszeit dünner oder dichter gewebt. Weiß wurde zwar viel getragen, war aber doch nicht so vorherrschend, wie man oft annimmt. Die Frauentracht war zwar schmuckreicher, läßt sich jedoch in der Hauptsache auf jene beiden ursprünglichen Arten von Kleidungsstücken zurückführen. Auf dem Haupte trug man nur im Krieg, auf Reisen etc. eine Bedeckung; auch der Fußbekleidung (meist Sandalen [* 2] mit Leder-, zum Teil auch Korksohlen) bediente man sich nur auf der Straße; Haar [* 3] und Bart ließ man in früherer Zeit lang wachsen (s. Tafel »Kostüme [* 4] I« [* 5] und die Abbildungen bei den betreffenden Artikeln).
Die Wohnungen der Heroenzeit und selbst noch die späterer Epochen waren einfach (s. untenstehenden Plan). Durch die Hausthür, welche meist einen kleinen Vorraum (Propyläon) hatte, gelangte man in die Hausflur, auf deren beiden Seiten sich Werk- und Geschäftsräume befanden, und von da in den offenen, auf drei Seiten mit Säulen [* 6] umgebenen Hof, [* 7] in dessen Mitte der Altar [* 8] des Zeus, [* 9] des Schutzpatrons des Hauswesens, stand. Die aus den Längsseiten des Hofs befindlichen Gemächer dienten zu Speise- und Schlafzimmern, Vorratskammern, auch zum Aufenthalt für die Sklaven etc.; an der säulenlosen vierten Seite, der Hausflur gegenüber, lag der Saal (die sogen. Prostas), der Versammlungsort der Familie bei den gemeinsamen Mahlzeiten und bei Opfern, an den sich auf der einen Seite das eheliche Schlafgemach, auf der andern der Amphithalamos, wahrscheinlich das Schlafzimmer der Töchter, anschlossen.
Eine Thür in der Hinterwand des Saals führte in die Arbeitsräume der Mägde. Das Dach [* 10] war meist platt; ihr Licht [* 11] erhielten die Zimmer durch die nach dem Hofe führenden Thüren. Hatte das Haus einen Oberstock, so befanden sich in diesem zumeist die Gemächer für die Frauen und Kinder. Die Frauen beschäftigten sich mit Spinnen [* 12] und Weben [* 13] sowie mit der Verfertigung und Reinigung der Kleidungsstücke; Mahlen, Backen, Kochen und Wassertragen überließen sie den Sklavinnen.
Bei zunehmendem Verkehr mit dem Ausland und namentlich mit dem Orient lockerten sich natürlich die Sitten, selbst der Spartaner; ihre gemeinsamen, frugalen Mahlzeiten wurden üppiger, ihre einfache Tracht reicher, die Frauen zügelloser, die Häuser und Geräte kostbarer und prunkvoller. Die alte Gewohnheit der Hellenen, alle Pracht und allen Schmuck auf die Tempel [* 14] und sonstigen öffentlichen Gebäude zu verwenden und die Privathäuser klein und bescheiden anzulegen, hörte in der makedonischen Zeit auf. Nun scheuten sich auch Privatleute nicht, Gebäude zu errichten, die selbst die öffentlichen an Eleganz u. Pracht weit hinter sich ließen. Dieselben hatten mit dem Haus der ältern Zeit nur den oft doppelt vorhandenen Hof als Hauptbestandteil, nach welchem sich die einzelnen Zimmer öffneten, gemeinsam.
[Litteratur.]
Zur Landes- und Volkskunde Altgriechenlands vgl. Bursian, Geographie von Griechenland [* 15] (Leipz. 1862-72, 2 Bde.);
Neumann u. Partsch, Physikalische Geographie von Griechenland, mit besonderer Rücksicht auf das Altertum (Bresl. 1885);
Curtius, Peloponnesos (Gotha [* 16] 1851-52, 2 Bde.);
Wagner, Hellas (6. Aufl. Leipz. 1885, 2 Bde.);
Hermann, Lehrbuch der griechischen Antiquitäten (neu bearbeitet von Blümner u. a., Freiburg [* 17] 1882 ff., 4 Bde.);
Derselbe, Kulturgeschichte der Griechen und Römer [* 18] (Götting. 1857-58, 2 Bde.), Wachsmuth, Hellenische Altertumskunde (2. Aufl. Halle [* 19] 1843-46, 2 Bde.);
Schömann, Griechische Altertümer (3. Aufl., das. 1871-73, 2 Bde.);
Gilbert, Griechische Staatsaltertümer (Leipz. 1881-85, 2 Bde.);
»Griechenland, geographisch, geschichtlich und kulturhistorisch«, Bd. 1-4 (Separatausgabe aus Ersch u. Grubers Encyklopädie, das. 1870);
Becker, Charikles, Bilder altgriechischer Sitte (neu bearbeitet von Göll, Berl. 1878);
Guhl u. Koner, Das Leben der Griechen und Römer (5. Aufl., das. 1882);
J. ^[Jakob] v. Falke, Hellas und Rom. [* 20]
Eine Kulturgeschichte des klassischen Altertums (Stuttg. 1879); Köchly und Rüstow, Geschichte des griechischen Kriegswesens (Aarau [* 21] 1852); Seyffert, Lexikon der klassischen Altertumskunde (Leipz. 1882, populär).
Geschichte Altgriechenlands.
Der Schauplatz der griechischen Geschichte im Altertum beschränkt sich nicht auf die Landschaften und Inseln, welche das heutige Königreich Griechenland bilden. Außer Epirus und Thessalien umfaßt er die Inseln und Küsten des Ägeischen Meers auch im Norden [* 22] und Osten. Gleiches Klima [* 23] und die bequeme Verkehrsstraße des Meers verbinden diese durch bedeutende Küstenentwickelung und reiche Mannigfaltigkeit der Bodenform und Produkte ausgezeichneten Gebiete; der Einwirkung der Bewohner aufeinander wie der fremder Kultureinflüsse waren die Wege geebnet. Die Verschmelzung der in viele Stämme zersplitterten Bevölkerung [* 24] zu Einem Kulturvolk war durch diese geographischen Verhältnisse wesentlich erleichtert, weniger die Herstellung eines einheitlichen politischen Gemeinwesens, obwohl diese auch keineswegs ausgeschlossen war.
Die ältesten Bewohner dieser gesegneten Lande gehören dem großen arischen oder indogermanischen Völkerstamm an und zwar dem südeuropäischen Zweig desselben, der, aus den Kelten, Griechen und Italikern bestehend, sich später als der nordeuropäische vom Urvolk lostrennte und, nach Westen wandernd, Kleinasien und das südliche und westliche Europa [* 25] bevölkerte. Nach der frühzeitigen Loslösung der Kelten haben die Gräko-Italiker eine Zeitlang als ein Volk fortbestanden, bis die Italiker die Apenninhalb-
[* 1] ^[Abb.: Plan eines altgriechischen Hauses.] ¶
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insel zum Wohnsitz wählten, während die Griechen oder, wie sie sich selbst nannten, die Hellenen im Gebiet des Ägeischen Meers verblieben. In ihrem glücklichen Klima genossen die Griechen den Vorzug leiblicher Gesundheit und Wohlgestalt in besonderm Maß. Der edlen Körperbildung entsprach ihr freiheitliebender, hoch strebender, idealistischer Geist; Liebe zur Kunst, unermüdliche Wißbegierde, allgemeine Regsamkeit, Freude am rüstigen Üben aller körperlichen und geistigen Kräfte zeichnen die Hellenen aus.
Mit diesen Gaben ausgestattet, schufen sie sich eine herrliche Sprache, [* 27] eine Religion voll sinniger Ideen und mit einer poetisch gestalteten Mythologie, die Grundlagen des Rechts- und Staatslebens. Lebhafter Sinn für Regel und Ordnung, für das Maßvolle gibt sich in allem kund. Die ersten Jahrhunderte dieser reichen Entwickelung entziehen sich aber unsrer Kenntnis. In die Geschichte treten die Griechen nicht als ein einheitliches Volk ein, sondern in Stämme gespalten, als Ionier, Dorier, Äolier, die, durch bewußte Unterschiede getrennt, untereinander kämpften und wetteiferten, bis sie von neuem wenigstens in der Kultur zu Einem Volk zusammenwuchsen.
Älteste Zeit.
Über die Ereignisse und den Fortgang der ersten Einwanderung in Griechenland liegt uns weder in geschichtlichen Aufzeichnungen noch in der Sage eine Überlieferung vor. Die Hellenen betrachteten sich als Autochthonen, als in Hellas eingeboren, doch nicht als die ersten Einwohner. Diese sind nach antiker Vorstellung die Pelasger, in Wirklichkeit die Bevölkerung, welche zuerst von Kleinasien aus die Meerengen der Propontis überschritt, die ganze Halbinsel überzog, bei Ackerbau und Viehzucht [* 28] ein gleichförmiges Dasein führte und ohne Bild und Tempel auf hoch ragenden Bergen [* 29] einen höchsten Gott (Zeus) verehrte.
Diesen folgten andre kleinere Stämme, welche, wie die Dorier (s. d.), denselben Weg zu Land einschlugen und in den Gebirgen Nordgriechenlands als Ackerbauer, Jagd- und Hirtenvölker die Anfänge staatlichen Lebens begründeten oder, wie die Ionier (s. d.), sich an der Westküste Kleinasiens ausbreiteten, von wo sie die Inseln des Ägeischen Meers und endlich die Küsten von Hellas selbst besetzten. Ihr Auftreten bezeichnet den Anfang des geschichtlichen Lebens.
Die Entwickelung der kleinasiatischen (Ost-) Griechen zu höherer Kultur erhielt von den Phönikern einen bedeutsamen, folgenreichen Anstoß. Von den Niederlassungen, welche diese auf den Inseln und an den Küsten der griechischen Meere zum Zweck des Handels, des Fanges der Purpurschnecke, der Ausbeutung der Bergwerke etc. gründeten, verbreitete sich ihre Kultur über die benachbarten Stämme; manche, wie namentlich die Karer, vereinigten sich mit ihnen zu einem Mischvolk.
Von ihnen lernten die Ostgriechen besonders die Schiffahrt, und schon im 15. Jahrh. v. Chr. werden in ägyptischen Urkunden griechische Seefahrer erwähnt. Bald erlangten sie die Herrschaft im Archipel und traten in Verbindung mit den Westgriechen (Pelasgern), gründeten in Hellas Ansiedelungen an günstig gelegenen Golfen und Flußmündungen, verschmolzen sich mit den stammverwandten alten Einwohnern und brachten ihnen ihre durch die Berührung mit dem Orient bereicherte und erhöhte Kultur sowie neue Götterdienste (Aphrodite, [* 30] Herakles, [* 31] Poseidon [* 32] u. a.). Argos, Böotien, Euböa, der Pagasäische Meerbusen waren die wichtigsten Schauplätze dieser Entwickelung; die Mythen und Heroensagen von Argos, Danaos, Agenor, Perseus, [* 33] Palamedes, Pelops, Kadmos sind Zeugnisse der lebendigen Erinnerung des Volkes an diese Zeit.
Das Reich des Minos auf Kreta ist in dieser ältesten Periode der griechischen Geschichte die bedeutendste staatliche Gründung. Er beherrschte den größten Teil des Archipels, machte dem Seeräuberwesen ein Ende und eröffnete der Schiffahrt neue Bahnen bis nach Sizilien [* 34] hin; Ordnung und Recht und die ältesten Formen des Kultus führten ihren Ursprung auf Kreta zurück. In Kleinasien bestanden im Binnenland das Reich der den Hellenen nahe verwandten Phrygier, an der Küste das der Dardaniden zwischen Ida und Hellespont mit der Hauptstadt Troja [* 35] oder Ilion, das des Tantalos [* 36] in Sipylos, das der Lykier.
Auf der Westseite des Ägeischen Meers unter den Pelasgern war es der Stamm der Minyer am Pagasäischen Meerbusen, welcher zuerst zur See Unternehmungen versuchte, die in der Argonautensage verherrlicht sind. Zu Lande drangen die Minyer nach Böotien vor, verwandelten die Sümpfe des Kopaissees durch Regelung des Abflusses in fruchtbares Ackerland und erbauten in ihm die Pelasgerburg Orchomenos. Im südöstlichen Böotien erstand durch phönikische, kretische und kleinasiatische Einwanderung das Reich des Kadmos mit dem siebenthorigen Theben.
Die Völkerstämme, welche unter dem Einfluß von Osten her zu staatlichem Leben erwachten, faßte man unter den Namen Äolier und Achäer zusammen. Ihre Fürstengeschlechter, die Söhne des Äolos oder des Achäos genannt, leiteten ihren Ursprung von Osten her, so vor allen die Pelopiden, »Tantalus' Geschlecht«, welche auf der südlichen Halbinsel, dem Peloponnes, die Staaten Argos und Sparta gründeten und ihre Vorherrschaft auch auf Mittelgriechenland und einen Teil des Archipels ausdehnten. Völlig ionisch war Attika geworden; außerdem beherrschten die Ionier Euböa, den Isthmos und die Nordküste des Peloponnes, Ägialeia.
Dorische Wanderung.
Gegen diese Einwanderung von Osten her erfolgte nun eine Reaktion, welche ihren ersten Anstoß von Epirus aus erhielt. Von hier wanderte der griechische Stamm der Thessalier über den Pindos in das östlicher gelegene Land ein. Sie unterwarfen sich das fruchtbare Thal [* 37] des Peneios, dem sie ihren Namen gaben, und in dem sie als Kriegsadel hausten. Die alten äolischen Einwohner, die Arnäer oder Böotier, mußten als Zinsbauern das Land bestellen und genossen keinerlei politische Rechte.
Nur ein Teil, die vornehmern Geschlechter der Böotier, fügte sich der Fremdherrschaft nicht. Sie verließen die Heimat, wandten sich nach Süden und ließen sich in der Ebene des Kopaissees nieder. Hier verdrängten sie die Minyer von Orchomenos und die Kadmeionen aus Theben und vereinigten die ganze Landschaft Böotien zu einem allerdings lockern Gemeinwesen, dessen Hauptstadt Theben war. Noch ein andres Volk wurde durch den Einbruch der Thessalier zu Wanderungen veranlaßt, die Dorier.
Ihre älteste Heimat war der Sage nach Phthiotis, dann Hephästiotis am Abhang des Olympos; sie standen unter einem Fürstengeschlecht, das seinen Ursprung von Herakles ableitete. Aus ihren Wohnsitzen am Olympos vertrieben, brachen sie sich nach Süden Bahn und entrissen den Dryopern die Berglandschaft Doris, zwischen Parnaß und Öta. Schon im Besitz fester staatlicher Ordnungen, suchten sie diese auch über die Nachbarschaft auszubreiten und gründeten einen Bund der Hauptstämme Mittelgriechenlands, die delphische Amphiktyonie, mit dem gemeinsamen Gottesdienst des Apollon, [* 38] dessen ¶