Gegen die monarchistischen
Intrigen schrieb er: »Le
[* 2] gouvernement nécessaire« (1873)
und sprach sich auch gegen das
Septennat aus. Eine
Wahl in den
Senat lehnte er 1875 ab und trat 1876 als Mitglied in die Deputiertenkammer
ein, welche ihn 14. März zum
Präsidenten erwählte. Nach
Thiers'
Tod wurde er dasHaupt der gemäßigten republikanischen
Partei und ward nach
MacMahons Rücktritt mit 563 gegen 99
Stimmen zum
Präsidenten der
Republik auf sieben Jahre erwählt.
Er bewahrte als Oberhaupt des
Staats eine echt konstitutionelle Zurückhaltung, führte mit seiner
Familie,
Frau und einziger
Tochter, die seit 1881 mit dem als
Politiker bekannten
Wilson verheiratet ist, ein einfaches Privatleben
und vertrat, wenn er bei offiziellem
Anlaß sich öffentlich zeigte, sein
Amt mit bescheidener
Würde. Obwohl ihm seine Unthätigkeit
und Sparsamkeit vielfach zum Vorwurf gemacht wurden, wählte ihn der Nationalkongreß dennoch wiederum auf sieben
Jahre zum
Präsidenten derRepublik, da kein ihm ebenbürtiger Staatsmann vorhanden war. Seine
Biographie
schrieb Barbou (Par. 1879).
Seit 1876 Mitglied der Deputiertenkammer, beteiligte er sich eifrig an den gesetzgeberischen
Arbeiten in den
Kommissionen.
Nach der
Wahl seines
Bruders zum
Präsidenten wurde er zum
Generalgouverneur in
Algerien
[* 4] ernannt mit der Aufgabe, daselbst
die Zivilverwaltung zu begründen. Er hatte auch das
Glück, daß gleich bei Beginn seiner
Verwaltung ein
Kabylenaufstand in Batna unterdrückt wurde. Im übrigen war aber seine
Verwaltung wenig erfolgreich, so daß ihr die
Unruhen,
welche 1881 ausbrachen, schuld gegeben wurden. Grévy nahm daher im
November 1881 seine Entlassung. Seit 1880
ist erSenator.
(spr. greh), anglonormänn. Adelsfamilie, die im 11. Jahrh.
in
Oxfordshire und seit dem 13. auch in
Northumberland ansässig war. Besonders der letztere
Zweig
hat
England
seit dem 18. Jahrh. eine Anzahl namhafter Staatsmänner gegeben, die fast sämtlich der liberalen
Partei angehörten. Es gehören dazu:
1)
SirCharles, geb. 1729, trat früh in Militärdienste, zeichnete sich als
Adjutant des
PrinzenFerdinand von
Braunschweig
[* 8] im
Siebenjährigen
Krieg aus, diente dann in
Amerika
[* 9] und ward 1782
Generalleutnant. 1794 zum Oberbefehlshaber
in
Westindien
[* 10] ernannt, eroberte er mit dem
Admiral Jervis einen großen Teil der französischen Besitzungen in den
Antillen,
konnte sich dann aber gegen die republikanischen Streitkräfte nicht behaupten und wurde zurückberufen, vor ein
Kriegsgericht
gestellt, aber freigesprochen. 1801 wurde er zum
Lord Grey von Howick, 1806 zum
Viscount Howick und
Grafen
Grey erhoben und starb
Seitdem war sein
Verhältnis zu dem
Prinzen ein kaltes; trotzdem aber war er ein eifriger Verteidiger der
Rechte desselben,
als 1788 bei der
Krankheit des
Königs eine
Regentschaft ernannt werden sollte. 1792 begann Grey den
Kampf für eine Parlamentsreform,
indem er die berühmte
Petition der von ihm mitgestifteten
Gesellschaft der Volksfreunde überreichte,
welche um die Beseitigung der
Mißbräuche im englischen Repräsentationssystem sowie um Wiederherstellung dreijähriger
Parlamente
und um Bestimmungen zur Verminderung der Wahlkosten bat.
Auf diese und andre
Petitionen derselben Art baute Grey 1793 einen
Antrag auf Niedersetzung eines Untersuchungsausschusses, doch
ward derselbe verworfen. Nachdem 1806 Greys
Vater in den Grafenstand erhoben worden war, erhielt Grey den
TitelLord Howick, ward
nach
PittsTod erster
Lord der
Admiralität und nach
Fox' wenige
Monate später erfolgtem Hintritt
Staatssekretär des
Auswärtigen.
Nach Entlassung dieses Whigministeriums und der
Bildung des
MinisteriumsPortland saß Grey 23 Jahre lang
in der
Opposition und wirkte namentlich mit zur Unterdrückung des
Sklavenhandels.
Als
Erbe seines
Vaters war er im
November 1807 ins
Oberhaus eingetreten, wo er die
Führung der
Opposition übernahm, ohne indes
seine frühere
Popularität ganz behaupten zu können. Zweimal, 1809 und 1812, ward mit ihm wegen der
Übernahme eines Ministerpostens unterhandelt; doch scheiterten die
Verhandlungen beide
Male: 1809,
weil er nicht hoffen konnte,
die
Genehmigung des
Königs zur Katholikenemanzipation zu erlangen, 1812, weil seine
Forderung, die ersten Hofämter neu zu
besetzen, um den Einfluß der Kamarilla zu brechen, abgeschlagen wurde. 1815, nach
Napoleons Rückkehr vonElba,
verteidigte Grey kräftig
FrankreichsRecht, seine
Verfassung selbst zu ordnen, und sprach mit
Beredsamkeit gegen die Einmischung
in die
Geschicke desselben. Während des berüchtigten
Prozesses gegen die
KöniginKaroline, Gemahlin
Georgs IV., zeichnete sich
Grey als Verteidiger jener unglücklichen Fürstin aus. Auch
¶
mehr
gegen das MinisteriumCanning blieb er in der Opposition, unterstützte aber WellingtonsWiderstand gegen das Korngesetz, was ihm
einen großen Teil seines Ansehens beim Volke kostete, den er nur schwer durch sein Auftreten für die Emanzipation der Katholiken
wiederzugewinnen vermochte. Nachdem sich das MinisteriumWellington 1830 aufgelöst, trat an die Spitze
eines neuen, welches sich zu »Parlamentsreform, Verminderung der Staatslasten
und Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Staaten« verpflichtete.
Die von demselben eingebrachte Reformbill, mit welcher Grey den Gedanken verwirklichen wollte, der die Anfänge seiner politischen
Wirksamkeit geleitet hatte, wurde 1832 vom Unterhaus angenommen, von den Lords aber abgelehnt. Darauf nahm
Grey seine Entlassung, trat aber nach wenigen Tagen wieder ins Ministerium, nachdem Wellington seinen Widerstand gegen die Bill
aufgegeben hatte, worauf dieselbe im Juni 1832 zum Gesetz erhoben wurde. Weniger entsprach Grey seinem Programm hinsichtlich
der Verminderung der Staatsausgaben, und durch sein Armengesetz und seine Maßregeln gegen Irland zog er
sich sogar so heftigen Tadel zu, daß er seine Entlassung nahm. Zu den hervorragendsten Maßregeln seiner Verwaltung
gehören noch die Aufhebung des Monopols der OstindischenGesellschaft und die Emanzipation der Neger in den britischen Kolonien,
welche freilich dem Land 20 Mill. Pfd. Sterl. kostete. Noch etwa zwei Jahre lang nach seinem Rücktritt
vom Ministerium besuchte Lord Grey gelegentlich das Oberhaus; gegen Ende 1836 zog er sich ganz von den Staatsgeschäften zurück.
Er starb
Vgl. George Grey, Life and opinions of the second Earl Grey (Lond. 1861).
Greys Briefwechsel mit Wilhelm IV. wurde zu London 1867 veröffentlicht.
Unter Russell war er vom Juli 1846 bis zum Februar 1852 Staatssekretär des Innern, in welcher Stellung er namentlich 1848 durch
sein taktvolles Benehmen alle Parteien zufriedenstellte. Schon 1847 hatte er auch den alten Parlamentssitz
der Familie für Northumberland wiedererworben, den er jedoch im Juli 1852 infolge der Haltung, die er bei den Debatten über
den Notstand der ackerbauenden Klassen beobachtete, wieder verlor, wogegen er im folgenden Jahr für Morpeth wieder in das Haus der Gemeinen
trat. Im Juni 1854 trat er als Kolonialminister in das MinisteriumAberdeen
[* 20] ein. Im ersten KabinettPalmerstons
wurde Grey wieder Minister des Innern; im zweiten Ministerium desselben begnügte er sich anfangs wegen Kränklichkeit mit der
Sinekure eines Kanzlers des Herzogtums Lancaster, vertauschte dieselbe aber bald wieder mit dem früher besessenen Portefeuille
des Innern. In gleicher Eigenschaft befand er sich auch in dem KabinettLordRussells bis zu dessen Rücktritt im J. 1866. Später
trat er nicht wieder in die Regierung ein, behielt aber seinen Parlamentssitz für Morpeth bei und blieb ein einflußreiches
und namentlich um seiner Geschäftskenntnis willen geschätztes Mitglied der liberalen Partei des Unterhauses,
bis er sich bei den Neuwahlen 1874 ganz vom politischen Leben zurückzog. Er starb - Sein einziger Sohn, GeorgeHenry,
geb. trat 1854 in die Armee, kämpfte mit Auszeichnung in der Krim
[* 21] und in Indien, zog sich aber 1864 von dem
aktiven Dienst zurück, übernahm das Kommando der Miliz von Northumberland und starb als Oberstleutnant und Stallmeister
des Prinzen von Wales.
Noch in demselben Jahr veröffentlichte er eine Rechtfertigung seiner Verwaltung unter dem Titel: »Colonial
policy of Lord J. ^[John] Russell's administration«. Das ihm nach dem Sturz des Koalitionsministeriums Aberdeen 1855 von LordPalmerston
angebotene Portefeuille des Kriegs schlug er aus, weil er den Krieg gegen Rußland nicht für gerecht hielt, worüber er sich in
einer langen Rede im Oberhaus aussprach. Er blieb seitdem ein einflußreiches Mitglied des Oberhauses, seinen
Grundsätzen nach ein alter Whig, aber keineswegs mit allen Maßregeln der einander folgenden liberalen Ministerien einverstanden,
wie denn namentlich die fundamentale Umgestaltung des englischen Wahlsystems durch die Einführung der geheimen schriftlichen
Abstimmung 1872 keinen entschiedenen Gegner hatte als Lord Grey. Ja, wegen der irischen Politik der Regierung
sagte er sich öffentlich von der liberalen Partei los. Seine politischen Prinzipien ergeben sich aus seiner Schrift
»Essay on parliamentary government« (Lond. 1858, 2 Bde.; 2. Aufl.
1864; deutsch vom GrafenLeoThun, Prag
[* 22] 1863).