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unermüdliche Thätigkeit und Fürsorge für die Kirche im großen und kleinen, Gerechtigkeitssinn, Wohlthätigkeit, aufrichtige Religiosität, in welcher sich innerliches Christentum mit Aberglauben und dem äußerlich zeremoniellen Zug seiner Zeit auf merkwürdige Weise mischen, sind die hervorstechendsten Züge seines Charakterbildes. Auch als Schriftsteller genoß er großes Ansehen; er wurde zu den vier großen Lehrern, den maßgebenden Autoritäten, der christlichen Kirche gerechnet. Als solcher zeichnete er sich mehr aus durch seine Nüchternheit und Verständlichkeit als durch Tiefe oder Schwung der Ideen. Sein theologischer Standpunkt ist ein ins Semipelagianische abgeschwächter Augustinismus. Eine von den Benediktinern besorgte Gesamtausgabe seiner Schriften erschien in Paris 1705, 4 Bde.; auch befinden sie sich in Mignes »Patrologia latina«, Bd. 75-79; in Auswahl erschienen sie deutsch, Kempten 1873 ff. Vgl. Wiggers, De Gregorio Magno (Rost. 1838-1840, 2 Bde.); Lau, Gregor I. (Leipz. 1845); Pfahler, Gregor d. Gr. und seine Zeit (Frankf. a. M. 1852).
2) Gregor II., ein Römer, wurde, nachdem er Sacellarius und Diakon gewesen, 715 zum römischen Bischof erhoben und zählt zu den Begründern der römischen Weltmacht. Er lehnte sich gegen das Bilderverbot des griechischen Kaisers Leo des Isauriers auf (726) und kämpfte gleichzeitig für die Unabhängigkeit Roms gegen die langobardische Macht, indem er den König Liutprand glücklich von Rom fern zu halten wußte. Er selbst stellte sich an die Spitze der italischen Rebellion, welche der Macht des oströmischen Kaisers in Italien ein Ende bereitete. Auf der andern Seite verstand es Gregor, mit den Angelsachsen neue Beziehungen zu gewinnen; als sein Beauftragter und Untergebener begann Bonifacius seine missionarische Predigt in Deutschland und seine organisatorische Thätigkeit im Frankenreich. Gregor starb im Februar 731.
3) Gregor III., von Geburt ein Syrer, Presbyter in Rom, bestieg 731 den römischen Stuhl, sanktionierte 731 auf einem Konzil zu Rom die Bilderverehrung, ernannte Bonifacius zum Erzbischof und apostolischen Vikar, schützte Rom aufs neue vor den Angriffen der Langobarden; starb 29. Nov. 741.
4) Gregor IV., Römer, wurde 827 auf den päpstlichen Stuhl erhoben, bei welcher Gelegenheit die Oberhoheit des Kaisertums über das Papsttum in unzweideutiger Weise von ihm anerkannt wurde. Er sorgte für den Schutz Roms und Italiens gegen die Einfälle der Araber, ernannte Ansgarius zum Erzbischof von Hamburg und apostolischen Vikar für den Norden und führte das Fest Allerheiligen im ganzen Abendland ein. In dem Streit zwischen Kaiser Ludwig dem Frommen und dessen Söhnen, zu dessen Schlichtung er sich 830 über die Alpen begab, spielte er eine zweideutige Rolle. Er starb 25. Jan. 844.
5) Gregor V., der erste Deutsche auf dem römischen Stuhl, vor seiner Wahl Bruno genannt, Sohn des Herzogs Otto von Kärnten und Urenkel Ottos d. Gr., war Hofgeistlicher in der Kanzlei des Kaisers Otto III., seines Vetters, der auf seinem Römerzug 996 den 24jährigen Bruno den Römern zum Bischof empfahl. Hand in Hand gedachten nun als Kaiser und Papst die beiden schwärmerischen Jünglinge die Welt zu regieren. Der neue Papst krönte sofort 21. Mai 996 seinen Vetter zum Kaiser. In Rom aber erhoben sich bald wieder die Gegner des deutschen Regiments. Der Patricius Crescentius vertrieb den Papst aus Rom und stellte ihm einen Gegenpapst, Johann XVI., entgegen; Gregor wurde jedoch 997 vom Kaiser bei dessen zweitem Zug nach Italien restituiert. Mit Strenge trat er gegen den König Robert von Frankreich auf, dessen Ehe mit Bertha den kirchlichen Bestimmungen widersprach, erzwang dessen Scheidung und beugte den Klerus Frankreichs unter Roms Hoheit. Sein plötzlicher Tod (18. Febr. 999) rief den Glauben an eine Vergiftung hervor.
6) Gregor VI., früher als Johannes Gratianus berühmt wegen seiner Gelehrsamkeit und Rechtschaffenheit, ein Anhänger der kirchlichen Reformpartei, bewog 1045 Benedikt IX. durch Geld, ihm die päpstliche Würde zu überlassen, wurde jedoch auf der Synode in Sutri 20. Dez. 1046 durch Einwirkung Kaiser Heinrichs III. abgesetzt, nach Deutschland geschickt und starb 1048 in Köln.
7) Gregor VII., vor seiner Erhebung zum Papst Hildebrand, nach seiner eignen Aussage in Soano in Tuscien etwa um 1020 geboren, ward in Rom, wohin er im 20. Lebensjahr kam, mit Jünglingen aus den vornehmsten Familien erzogen. Wider seinen Willen durch seinen Oheim, Abt zu St. Maria auf dem Aventin, zum geistlichen Stand bestimmt, trat er in den Benediktinerorden ein und lebte in Rom mit den Vertretern der cluniacensischen Tendenzen, besonders mit dem Erzbischof Laurentius von Amalfi, in sehr vertrautem Verkehr. Von Gregor VI. zum Kaplan erwählt, begleitete er denselben 1046 in seine Verbannung nach Köln und ging nach dessen Tod 1048 in das Kloster zu Clugny. Hier fand ihn der zum Papst ernannte Bischof Bruno von Toul (Leo IX.) und nahm ihn 1049 mit sich nach Italien. Unter Leo IX. stand Hildebrand in großem Ansehen; er besorgte die Verwaltung des Kirchengutes und legte große Geschicklichkeit als Finanzmann an den Tag. Auch auf die geistlichen Angelegenheiten erhielt er großen Einfluß. Nach Leos Tod (1054) ward Hildebrand vom römischen Klerus nach Deutschland gesandt, um von dem Kaiser einen Papst zu erbitten, und lenkte die Wahl auf den Bischof Gebhard von Eichstätt, einen der Vertrauten des Kaisers. Unter diesem Papst, Viktor II. (1054-57), wie unter seinem Nachfolger Stephan X. (1057-58) wuchsen Hildebrands Ansehen und Macht in Rom. Er wurde wiederholt als Legat nach Deutschland sowie nach Frankreich geschickt und präsidierte mehreren französischen Synoden. Als nach dem Tod Stephans X. der römische Adel gegen den Willen der Kardinäle den Bischof von Velletri als Benedikt X. mit Anwendung von Gewalt zum Papst erwählte, erhob Hildebrand mit den Kardinälen unter Zustimmung der Kaiserin Agnes den Bischof Gerhard von Florenz als Nikolaus II. auf den päpstlichen Stuhl. Unter dessen Regierung erging 1059 das Gesetz über die Papstwahl, wonach künftig die Kardinäle allein zu wählen haben sollten. Um die Burgen des widerstrebenden Adels zu brechen, rief Hildebrand die Normannen aus Süditalien herbei und bewog die beiden Häupter derselben, Vasallen des Papstes zu werden. Nikolaus II. erhob ihn zum Archidiakonus der römischen Kirche. Auch den Einfluß des deutschen Kaisers auf die Papstwahlen beseitigte er, als das Schisma nach Nikolaus' Tod 1061 eine günstige Gelegenheit bot. Er setzte die Wahl des Bischofs von Lucca, als Papst Alexander II. genannt, durch und brachte es dahin, daß die deutsche Reichsregierung den von ihr anfangs begünstigten und unter ihrem Einfluß erhobenen Papst Cadalus (Honorius II.) 1064 wieder fallen ließ. Überhaupt war Hildebrand in den Tagen Alexanders II. die maßgebende Persönlichkeit in der Regierung der Kirche. Am Tag nach dem Tode desselben, 22. April 1073,
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ward Hildebrand von den Kardinälen zum Papst gewählt und nannte sich als solcher Gregor VII., um seine Dankbarkeit gegen Gregor VI. zu bezeigen.
Die Stunde des Kampfes um die Weltherrschaft, welchen Gregor während seiner untergeordneten Stellung zwischen Papst und Kaiser vorbereitet, war gekommen. Gregor begann denselben mit verhältnismäßig geringen Mitteln, aber mit großartiger Klarheit über Ziele und Wege des Streits. Seine Absicht war, den römischen Bischof zum Herrscher der Welt zu machen, alle Gebiete menschlichen Lebens seiner Oberhoheit zu unterwerfen. Und nicht allein in den kirchlichen Dingen wollte er die Allmacht und Unfehlbarkeit des Papstes aufrichten, sondern auch die europäische Staatenwelt unter seine Gebote beugen. Er ging geradezu darauf aus, eine Reihe von Ländern zu Vasallen des apostolischen Stuhls zu machen. Er beanspruchte ohne weiteres Spanien, Corsica, Sardinien und Ungarn. Ein vertriebener russischer Prinz nahm Rußland von ihm zu Lehen, und spanische Große, Grafen in Provence, Savoyen und Arelat, ein König in Dalmatien sowie die Normannenfürsten Landulf von Benevent und Richard von Capua leisteten ihm den Lehnseid; der Herzog Wilhelm von der Normandie eroberte England als Verbündeter des Papstes. In Frankreich bedrohte Gregor den König mit dem Bann; in Griechenland unterhandelte er über die Vereinigung der morgen- und abendländischen Kirchen; in Kastilien und Aragonien drang er auf Einführung des römischen Ritus; in Böhmen verbot er den Gebrauch der Landessprache beim Gottesdienst; von Norwegen und Schweden erbat er sich Jünglinge, die in Rom gebildet werden sollten. Selbst das Los der Christensklaven in Afrika nahm seine Sorge in Anspruch, und lebhaft beschäftigte ihn das Projekt zu einem Kreuzzug nach Palästina. Vor allem aber suchte er ein Übergewicht des päpstlichen Stuhls über den deutschen Kaiser zu begründen. Die schon begonnene Emanzipation des Papsttums von der bisherigen Leitung durch das Kaisertum war für Gregor die notwendige Vorstufe zur Erhebung des Papsttums über das Kaisertum. Die Verhältnisse in Deutschland waren seinem Unternehmen günstig (s. Heinrich IV.). Zwei Dekrete ließ Gregor ausgehen, durch welche er in radikalster und revolutionärster Weise die bisherigen Ordnungen in Staat und Kirche umzuwerfen unternahm; diese waren das Cölibatgesetz und das Investiturverbot; das eine sollte die Einheit des Klerus, das andre dessen Unabhängigkeit von aller weltlichen Macht begründen. Das Cölibatgesetz war nur eine Sanktion der öffentlichen Meinung, die sich in dem Mönchtum allmählich ausgebildet hatte, und Gregor fand denn auch an der Masse des Volkes einen sehr thätigen Bundesgenossen bei dem Verbot der noch bestehenden Priesterehen. Das Investiturverbot aber war ein einschneidender Eingriff in die staatsrechtlichen Verhältnisse der Welt: es wurde jede staatliche Teilnahme an der Verleihung kirchlicher Ämter, besonders der Bistümer, untersagt. Da die Bischöfe zugleich weltliche Güter und Rechte besaßen und Staatsbeamte waren, so hieß dies nichts andres, als dem Staate die Bestellung seiner Beamten entziehen. Dagegen mußte sich vornehmlich der deutsche Kaiser auflehnen, für den es eine Lebensfrage war, am königlichen Ernennungsrecht der Bischöfe festzuhalten.
Gregor verstand es, die sittlich berechtigten Bestrebungen gegen die Simonie als gleichbedeutend auszugeben mit seinen Maßregeln gegen die königliche Investitur; er kleidete seine hierarchischen Tendenzen in den Deckmantel sittlicher Strenge und begründete sie durch gefälschte Urkunden aus der Sammlung Damianis, deren Unechtheit ihm allerdings nicht bewußt war. Anfangs suchte er den Schein zu vermeiden, als gelte der Angriff der Person des Kaisers, indem er nur verlangte, daß der Kaiser die schon der Simonie wegen gebannten Räte entfernen und Buße thun solle. Später aber ging er direkt gegen Heinrich vor. 1075 verkündigte er seine Dekrete nochmals in einem Konzil und verschärfte sie durch Androhung des Bannes für die Zuwiderhandelnden. Als jetzt Heinrich IV. dem von in Mailand eingesetzten Bischof seinen Kandidaten entgegenstellte, ging abermals eine Botschaft an den Kaiser ab; sie fand bei ihrer Ankunft in Deutschland Heinrich im Vollgefühl seines Siegs über die Sachsen und daher so erbittert über die Androhung des Bannes, daß er auf einer deutschen Synode zu Worms (24. Jan. 1076) den Papst absetzen ließ. Gregor sprach darauf 22. Febr. 1076 über den Kaiser den Bann aus, entsetzte ihn seiner königlichen Gewalt und entband seine Unterthanen vom Eide der Treue. Anfangs hatte dies unerhörte und neue Vorgehen des Papstes wenig Erfolg in Deutschland, von deutschen Geistlichen erklärten sich manche gegen ihn. Aber nach und nach eroberte Gregor sich Boden. Die eifrige Propaganda der Mönche warb ihm Freunde, und die Fürstenopposition gegen den König, der seine Königsmacht geltend zu machen bemüht war, bot dem Papst begierig die Hand, um den gemeinsamen Gegner zu demütigen. Heinrich IV., von den in Tribur versammelten Fürsten mit Absetzung bedroht, wenn er sich binnen Jahresfrist nicht vom Bann löse, sah sich genötigt, selbst nach Italien zu gehen, um den Papst zu versöhnen. Dieser war bereits nach Deutschland aufgebrochen, um daselbst als Schiedsrichter zwischen dem Kaiser und den Fürsten aufzutreten, als er von Heinrichs Ankunft in Italien vernahm. Erschreckt ging er auf den Rat der Markgräfin Mathilde nach Canossa zurück, um den Ausgang der Dinge abzuwarten, denn der Lombarden Gesinnung war ihm offenbar feindselig; aber Heinrich erschien als ein Büßender in Canossa, und erst nachdem er drei Tage, vom 26.-28. Jan. 1077, im Büßergewand, barhaupt und mit bloßen Füßen im Schloßhof gestanden und schriftlich und eidlich die Versicherung gegeben hatte, daß er sich aller Regentenhandlungen bis nach ausgemachter Sache in Deutschland enthalten wolle, erteilte ihm der Papst trotz seines den Fürsten gegebenen Versprechens, ihn nicht vom Bann zu lösen, die Absolution. Das war ein großer Triumph des Papstes über den deutschen König. Der Zwist zwischen dem König und dem Papst brach bald wieder aus, und dieser erneuerte den Bannfluch; aber es gelang Gregor nicht, wie er es wollte, zwischen Heinrich und seinem Gegenkönig Rudolf sich die Entscheidung beizulegen, und in Deutschland erhielt Heinrich bald die Oberhand. Der Papst wiederholte und bestätigte auf den Synoden von 1078, 1079 und 1080 seine frühern Gesetze. Trotz aller Kämpfe und Unruhen, die ihm in Italien selbst wieder erwuchsen, hielt Gregor fest an seiner geistlichen Stellung und seinen hierarchischen Tendenzen. Kaum hatte der Kaiser in Deutschland wieder mehr Macht gewonnen, als er auf einer Synode zu Brixen 1080 den Papst absetzen und einen Gegenpapst, Clemens III., wählen ließ und hierauf selbst nach Italien eilte. Das Glück der Waffen war schwankend. Zwar wurde in die Engelsburg zurückgedrängt und hier belagert, 1084 durch den Herzog Robert Guiscard befreit, mußte aber, als sich dieser wieder zurückzog, inmitten der normännischen