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Rauhigkeit, welche von vielen sehr kleinen, spitzigen und durch Kieselablagerung starren Unebenheiten der Epidermis herrührt. Der Blütenstand auf dem Ende des Halms besteht bei allen Gräsern aus einer meist großen Anzahl einander gleicher Elemente, welche Vereinigungen der eigentlichen sehr kleinen Grasblütchen darstellen (Ährchen, Grasährchen, spicula, locusta) und die unmittelbaren Bestandteile des ganzen Blütenstandes bilden. Letzterer ist nach der Anordnung der Ährchen eine Ähre oder eine Rispe (s. d.). Man hat danach die Gräser eingeteilt in Ährengräser, Rispengräser, Rispenährengräser und Fingerährengräser. Die Ährchen (Fig. 1 u. 2) bestehen aus dicht aufeinander folgenden, in zwei gegenüberliegenden Reihen an einer gemeinschaftlichen Achse (Spindel, rhachis) stehenden Hochblättchen (Spelzen) und aus den zwischen diesen verborgenen sehr kleinen eigentlichen Blüten. Die beiden ersten einander gegenüberstehenden, meist etwas ungleichen Spelzen eines jeden Ährchens heißen Hüllspelzen, Kelchspelzen oder Klappen (glumae). Diese enthalten keine Blüte in ihrer Achsel und bedecken entweder nur den Grund des Ährchens, oder umfassen dasselbe bis nahe an die Spitze. Darauf folgen die Blüten- oder Kronenspelzen (paleae). Meist befindet sich in der Achsel einer jeden und zwar unmittelbar vor der Spindel des Ährchens noch eine zweite von jener umfaßte Spelze, welche als obere Blütenspelze oder Vorspelze (palea superior) von der andern, der untern Blütenspelze oder Deckspelze (palea inferior), unterschieden wird. Beide schließen zwischen sich eine Blüte ein. Die äußere Blütenspelze ist meist den Hüllspelzen ähnlich, grün gefärbt, kräftig gebaut, meist mehrnervig, und bisweilen setzt sich ihr Mittelnerv in eine Granne (seta) fort, d. h. ein faden- oder borstenförmiges, gegen die Spitze zu verdünntes, gerades oder in der Mitte knieförmig gekrümmtes, im untern Teil bisweilen spiralig gedrehtes, oft sehr langes Organ, welches entweder aus der Spitze oder aus dem Rücken der Spelze entspringt. Die innere Blütenspelze ist dagegen meist dünnhäutig, farblos, oft nur zweinervig und immer grannenlos. Das Ährchen enthält entweder mehrere mit wohl ausgebildeten Blüten versehene Blütenspelzen (mehrblütige Ährchen, spicula multiflora) oder nur ein einziges Paar Blütenspelzen mit einer Blüte (sp. uniflora). Bisweilen finden sich aber dann Rudimente einer zweiten Blüte in Gestalt mehr oder minder ausgebildeter tauber Blütenspelzen. Die eigentliche Blüte besitzt ein rudimentäres Perigon, welches aus äußerst kleinen, farblosen, meist in der Zweizahl vorhandenen, stets zwischen den Spelzen verborgen bleibenden Schüppchen (lodicula) besteht. Jede Blüte enthält 3, seltener 2 oder 6 Staubgefäße, welche mit den Schüppchen abwechseln. Die Staubfäden sind immer sehr lang, fadenförmig und treten aus den Spelzen hervor. Die frei heraushängenden, auf den dünnen Staubfäden leicht beweglichen Antheren schütten ihren Blütenstaub in die Luft aus, von welcher er nach andern Blüten verweht wird. Der kleine, oberständige, einfächerige Fruchtknoten trägt meist 2, selten 3 ziemlich große und an der Spitze oder beiderseits am Grund zwischen den Spelzen hervorragende Narben, welche durch starke Haarentwickelung feder- oder pinselförmig erscheinen. Im Grunde des Fruchtknotens ist eine einzige amphitrope Samenknospe vorhanden. Bei manchen Gräsern enthalten die Ährchen außer Zwitterblüten auch männliche Blüten, welche im übrigen jenen gleich gebaut sind. Bei wenigen dagegen (Mais) finden sich nur eingeschlechtige Blüten und zwar in besondern, voneinander getrennten, aber einhäusigen Blütenständen; die männlichen Ährchen sind in eine endständige Rispe vereinigt, die weiblichen sitzen dicht gedrängt und vielreihig auf der Spindel eines kolbenförmigen Blütenstandes, welcher an den Seiten des Halms in der Achsel der Blattscheiden entspringt. Die Frucht ist eine Karyopse, welche bei den meisten Gräsern von den beiden Blütenspelzen umschlossen bleibt, seltener aus denselben herausfällt, wie beim Roggen und beim gemeinen Weizen. Der größte Teil des Samens besteht aus dem stärkemehlreichen, mehl- oder glasartigen Endosperm. Die Gräser haben in ihren vegetativen Teilen, besonders in der Blattbildung, viel Ähnlichkeit mit den Halbgräsern (Cyperaceae), und der gewöhnliche Sprachgebrauch dehnt die Bezeichnung auch auf die letztgenannten Pflanzen aus. Diese bilden aber eine besondere Familie (s. Cyperaceen).
Die etwa 3800 Arten Gräser sind über die ganze Erde verbreitet; in der größten Menge der Individuen und zugleich in großer Artenzahl finden sie sich in der nördlichen gemäßigten Zone, wo sie vorzugsweise die niedrige Vegetationsdecke, den Hauptbestandteil der Wiesen, bilden; gegen den Äquator hin nimmt zwar die Zahl der Arten zu, aber die Menge der Individuen ab; die baumartigen Gräser (Bambus) sind auf die heiße Zone beschränkt. Die südliche Halbkugel ist etwas weniger reich an Gräsern. Gegen die Pole hin und ebenso in den höhern Gebirgsregionen verschwinden die Gräser allmählich; doch kommen einige wenige auch noch im höchsten Norden und in der Nähe der Gletscher in den Gebirgen vor. In der Ebene und in den tiefern Gebirgshöhen treten gewisse Gräser wiesenbildend auf, andre machen im Schatten der Wälder den Hauptbestandteil der niedern Vegetation aus, wieder andre Gräser wachsen nur auf dürrem, sandigem oder steinigem Boden, auf Heiden u. dgl. Auch in den höhern Gebirgen treten eigentümliche Arten auf. Nicht wenige Gräser sind streng an ganz feuchte Stellen oder selbst an die Gewässer gebunden, wie das Schilf (Phragmites communis Trin., Phalaris arundinacea L., Glyceria spectabilis M. et K., Gräser fluitans R. Br. u. a.). Die als Getreide angebauten Gräser kommen jetzt nur noch als Kulturpflanzen vor
^[Abb.: Fig. 1. Ein Ährchen vom Roggen. Fig. 2. Eine einzelne Blüte aus demselben. ]
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(s. Getreide). Eine Reihe von Gräsern endlich erscheint nur in steter Begleitung der Getreidegräser als Unkräuter auf den Feldern, wie die Getreidetrespe (Bromus secalinus L.), der Taumellolch (Lolium temulentum L.) und mehrere Haferarten. Den Gräsern ist in höherm Grad als sehr vielen andern Pflanzen eine Widerstandsfähigkeit gegen Einflüsse der Witterung und des Klimas eigen; zugleich machen sie an den Boden ungewöhnlich geringe Ansprüche, wenn man von einigen wenigen etwas anspruchsvollern, wie vom Weizen und Mais, absieht. Damit hängt ihre weite Verbreitung, ihr massenhaftes Auftreten und ihr Gedeihen selbst unter ungünstigen Verhältnissen, denen die meisten andern Pflanzen erliegen, zusammen. Fossile Gräser sind nur aus Tertiärschichten bekannt; es finden sich Stengel und Blätter aus den Gattungen Bambus Schreb., Arundinites Sap., Poacites Bgt., Panicum L., Oryza L. u. a.
Alle Gräser sind reich an Kieselsäure, welche hauptsächlich in der Epidermis der Blätter und Halme vorlanden ist; in den Knoten der Halme des Bambusrohrs finden sich größere Konkremente von Kieselsäure abgelagert. Der Saft der Halme und Wurzelstöcke enthält mehr oder weniger Zucker. Besonders zuckerreich sind das Zuckerrohr, die Wurzelstöcke der Quecke (Triticum repens L.) und die Maisstengel. Alle Grassamen enthalten sehr viel Stärkemehl neben eiweißartigen Verbindungen. In einigen Gräsern finden sich auch aromatische Bestandteile, z. B. Cumarin im Ruchgras (Anthoxanthum odoratum L.), welches vorzugsweise den Heugeruch hervorbringt; einige indische Arten von Andropogon enthalten ätherisches Öl. Die Samen sind nährend, schleimig, einhüllend, reizmindernd; die Wurzelstöcke einiger Gräser wirken auflösend, gelind reizend, die Wurzeln aromatischer Gräser tonisch-reizend, Bromus purgans L. in Pennsylvanien und Kanada und B. catharticus Vahl in Chile purgierend. Eigentlich giftige Gräser gibt es wenig, wie z. B. Stipa inebrians Hance der Mongolei; neuere Nachforschungen über die betäubenden Eigenschaften der Früchte des Taumellolchs (Lolium temulentum L.) haben den Verdacht von dessen Giftigkeit sehr gemindert. Einige wenige Gräser sind dem Weidevieh schädlich, aber nur wegen ihrer sehr starren und schneidenden Blätter, wie Stipa, Calamagrostis und Molinia.
Die Gräser haben, weil ohne sie weder Viehzucht noch Ackerbau möglich sein würde, die ersten Grundbedingungen der Zivilisation gegeben. Sie dienen besonders in gewissen Arten (Getreide) den Menschen als Hauptnahrungsmittel. Den Tieren sind sie die wichtigsten Futterpflanzen. Die trocknen Halme größerer Arten, besonders des Getreides (Stroh), dienen als Streumaterial, als Stopfstoffe, zum Flechten von Decken, Matten, Seilen, von Schuhen und Hüten, auch zur Papierfabrikation. Rohr dient zum Einziehen in die Wände der Häuser, das Bambusrohr zu Stöcken, in seiner Heimat zur Verfertigung verschiedener Hausgeräte und sogar als Baumaterial. Auf Sandboden wachsende Gräser mit weit kriechenden, ausläuferartigen Wurzelstöcken (Psamma arenaria R. et S. und Elymus arenarius L.) werden angebaut zur Befestigung sandiger Ufer, Festungswälle, Eisenbahndämme etc. und zur Bindung des Flugsandes auf den Dünen der Nordsee. Als Zierpflanzen nützen die Gräser, insofern sie zur Bildung von Rasenplätzen unentbehrlich sind; einige stattlichere Arten sind beliebte dekorative Blattpflanzen des freien Landes, besonders das Bandgras (Phalaris arundinacea L., var. picta) und das Pampasgras (Gynerium argenteum Nees). Die Blütenstände vieler Gräser werden zu immerwährenden Bouketts verwendet, namentlich die von Stipa-, Phragmites- und Agrostis-Arten.
Man teilt die in zwei Hauptarten: 1) Panicoideae, mit 3-6 zum Teil verkümmerten Hüllspelzen; Gattungen: Panicum, Zea, Anthoxanthum, Oryza. 2) Poaeoideae, mit zwei selten verkümmerten Hüllspelzen; Gattungen: Agrostis, Holcus, Avena, Poa, Festuca, Triticum, Secale, Hordeum, Lolium.
Vgl. Kunth, Enumeratio plantarum, Bd. 1: Agrostographia synoptica (Stuttg. 1833); Reichenbach, Icones florae germanicae et helveticae, Bd. 1: Agrostographia germanica (Leipz. 1835); Steudel, Synopsis plantarum glumacearum (Stuttg. 1854-55, 2 Tle.); Lawson, Agrostographia (Edinb. 1860); Jessen, Deutschlands Gräser und Getreidearten (Leipz. 1863); Langethal, Lehrbuch der landwirtschaftlichen Pflanzenkunde, Teil 1 (5. Aufl., Berl. 1874); Hanstein, Die Familie der in ihrer Bedeutung für den Wiesenbau (Wiesb. 1857), Schmidlin, Die wichtigsten Futtergräser nebst Angabe ihrer Kultur (3. Aufl., Stuttg. 1876); Hein, Gräserflora von Nord- u. Mitteldeutschland (2. Aufl., Weim. 1880); Derselbe, Beschreibung der wichtigsten in Deutschland heimischen und angebauten Gramineen, Cyperaceen und Junkaceen (Hamb. 1876).