rühmte Schädelsammlung), eine
Sternwarte,
[* 2] ein
Klinik
(ErnstAugust-Hospital), eine Augenheilanstalt, eine Entbindungsanstalt,
ein physikalisches
Kabinett, einen 4
Hektar großen, ausgezeichneten botanischen
Garten
[* 3] (vonHaller angelegt), ein
chemisches Laboratorium,
eine landwirtschaftliche
Akademie, ein naturwissenschaftliches
Museum etc. Die berühmte königliche
Societät der
Wissenschaften(gleichfalls vonHaller gestiftet) zerfällt in drei
Klassen: eine physikalische, mathematische und historisch-philologische,
und zählt gegenwärtig etwa 80 Mitglieder.
Außerdem hat
[* 4] ein königliches pädagogisches
Seminar, ein mit einem
Realgymnasium verbundenes
Gymnasium, mehrere
Hospitäler
und
milde Stiftungen und ein gut eingerichtetes
Armenwesen. Der
Magistrat zählt sechs, das
Kollegium der Bürgervorsteher zwölf
Mitglieder. Der hohe, mit alten
Linden besetzteWall bildet mit seinen üppigen
Gartenanlagen schöne Spaziergänge,
und ganz in der
Nähe sind der Rohns- oder Volksgarten sowie die städtischen
Anlagen am parkartig bewaldeten Hainberg und
die
Dörfer Grone,
Weende, Geismar und
Reinhausen mit dem Bürgerthal vielbesuchte
Punkte. Über Mariaspring, nördlich von Göttingen, erheben
sich die
Ruinen der
BurgPlesse, auf zwei isolierten Kegelbergen bei Gelliehausen, südöstlich von der
Stadt, die Trümmer der beiden
Gleichen (s. d.) und weiter nach S., bei Arendshausen, die
Ruine der
BurgHanstein. - Göttingen kommt
als Gutingi bereits in
Urkunden von 950-960 vor und war lange Zeit nur ein Dorf, in dessen
Feldmark die kaiserliche
Pfalz Grone lag (im W. der heutigen Stadt, auf einem
Hügel, dem sogen.
KleinenHagen).
[* 5]
Der
Ort erhielt 1210 vom
KaiserOtto IV.
Stadtrecht und war später zu verschiedenen
Malen (1286-1463) Hauptstadt eines besondern
welfischen
Fürstentums. Das 14. Jahrh., in welchem ein angesehenes
Glied der
[* 6]
Hansa war, bildet die erste
Glanzperiode der Stadt. Diese schaffte 1530 den katholischen
Gottesdienst ab. Die Unabhängigkeit in der
Verwaltung, der sie
sich seit
Jahrhunderten erfreut hatte, verlor sie 1611 durch
HerzogHeinrichJulius. Im Dreißigjährigen
Krieg wurde sie nach
längerer Belagerung von
Tilly eingenommen und erst vomHerzogWilhelm vonWeimar
[* 7] befreit;
durch den
Krieg hatte sie fast zwei Drittel ihrer
Häuser eingebüßt.
Dichterbund, eine in der Geschichte der deutschen Litteratur vielgenannte Vereinigung jüngerer
Poeten der
Sturm- und Drangperiode, welche für die
Entwickelung der deutschen
Lyrik im allgemeinen und für
die Anregung ihrer Mitglieder Bedeutendes erreichte, wenn sie auch naturgemäß weit hinter ihren ursprünglich gesteckten
Zielen zurückblieb. H.Chr.
Boie (s. d.) hatte während seiner Studienzeit in
Göttingen sich mit
Fr. W.
Gotter (s. d.) zur Herausgabe
des ersten deutschen »Musenalmanachs« (von 1770) vereinigt.
Anregend und von vielseitigem
Interesse, wenn auch ohne eignes poetisches
Talent, wußteBoie eine Zahl der in
Göttingen studierenden
jüngern
Poeten um sich zu vereinigen. J. H.
^[JohannHeinrich]
Voß, der sich später mit
BoiesSchwester Ernestine verlobte,
der junge
Cramer, der Sohn des
FreundesKlopstocks, der
RheinländerHahn
[* 9] waren
BoiesWesen sehr entgegengesetzte
Naturen und trieben namentlich ihre
Klopstock-Begeisterung, ihre unbestimmte Sehnsucht nach einer Deutschheit, welche sich
zunächst nur als Feindseligkeit gegen den französischen
Geschmack äußern konnte, ins Maßlose. Aus einer litterarischen
Zusammenkunft, bei welcher die gegenseitigen
Produkte beurteilt werden sollten, gestaltete sich zunächst
ein Freundschaftsbund enthusiastischer
Jünglinge. An einem schönen Herbstabend schwuren sich
Voß,
Miller,
Hahn,
Hölty,
Wehrs ewige
Freundschaft und unbedingte Aufrichtigkeit im
Urteil übereinander. In wöchentlichen Zusammenkünften suchte
man sich gegenseitig in den
Gesinnungen der
Tugend und Deutschheit, im
Haß gegen die »Sittenverderber«
Wieland undVoltaire,
in der Bewunderung
Klopstocks und vaterländischer Bardenpoesie zu stärken, huldigte dabei einem gewissen Tyrannenhaß und
einem Freiheitsgefühl, die nur bei
Voß reale Unterlage hatten und nicht hinderten, daß das hocharistokratische poetische
Brüderpaar
Christian und Friedr.
Leopold,
Grafen zu
Stolberg,
[* 10] dem
»Hainbund« mit
Begeisterung beitraten (auch
Bürger trat in Beziehungen
zu dem
Bund).
Der nüchterneBoie protestierte umsonst gegen diesen »Schwung«,
Klopstock aber erklärte sich mit den
Jünglingen völlig einverstanden:
»Der größte Dichter«, schrieb
Voß an
Brückner, »der erste Deutsche
[* 12] von denen, die leben, der frommste
Mann will
Anteil haben an dem
Bunde der
Jünglinge. Alsdann will er
Gerstenberg,
Schönborn,
Goethe und einige andre, die deutsch
sind, einladen, und mit vereinten
Kräften wollen wir den
Strom des
Lasters und der
Sklaverei aufzuhalten
suchen.
Zwölf sollen den innern
Bund ausmachen. Jeder nimmt einen Sohn an, der ihm nach seinem
Tod folgt; sonst wählen die
Elf. Ohne Einwilligung des
Bundes darf künftig niemand etwas drucken lassen.
Klopstock selbst will sich diesem
Gesetz unterwerfen.«
Schon 1773 verließen einzelne Mitglieder (auch die beiden
Stolberg)
Göttingen. Am ward
Leisewitz,
der spätere Dichter des
»Julius von
Tarent«, aufgenommen, im
September 1774 der kleine
Kreis
[* 13] der zurückgebliebenen Mitglieder
durch einen mehrtägigen Besuch
Klopstocks erfreut. Gleichwohl löste sich der
Bund unmittelbar darauf durch
Zerstreuung seiner
Mitglieder auf;
Voß, welcher
Seele und
Mittelpunkt desselben gewesen war, verließGöttingen im Frühjahr
1775, übernahm allerdings in demselben Jahr die Redaktion des »Musenalmanachs«
aus
BoiesHänden und wußte wenigstens
¶
mehr
während seines Wandsbecker Aufenthalts durch Besuche und Korrespondenzen die Freunde noch einigermaßen beisammenzuhalten.
Seit 1778 aber gingen alle Mitglieder ihre eignen Wege; selbst der Freundschaftsbund, in welchem Voß und der jüngere Stolberg
später in Eutin beisammenlebten, löste sich mit einem gewaltsamen Bruch. Inzwischen war die kurze Periode hochfliegender Hoffnungen
und Pläne, gemeinsamer Begeisterung für die talentvollsten Jünglinge des Göttinger Dichterbundes nicht
ohne Nachwirkung geblieben. Der Voßsche »Musenalmanach« behauptete sich bis 1798; das beabsichtigt gewesene »Bundesbuch«,
welches Klopstock bevorworten sollte, erschien niemals. Die Hauptquelle für die Geschichte des Göttinger Dichterbundes bleiben
die Briefe von VoßanBruckner, Boie und namentlich an seine Braut Ernestine. - Der NameHainbund, mit welchem
der göttinger Dichterbund gewöhnlich bezeichnet wird, wenn auch nicht von den Bundesgliedern selbst, wird auf
den Umstand zurückgeführt, daß Klopstock einmal den »Hain« (d. h. den jungen Nachwuchs, die Sängerzunft) grüßen ließ;
er ist KlopstocksOde »Der Hügel und der Hain« entlehnt und sollte die Bundesglieder als Anhänger der germanischen
Bardenpoesie bezeichnen im Gegensatz zu den Nachahmern der Griechen und Römer.
[* 15]
Vgl. R. Prutz, Der göttinger Dichterbund (Leipz. 1841).