Neue Museum, ein monumentaler Bau im reichsten Renaissancestil mit den Sammlungen des Naturalien-, Antiken-, Kunst- und chinesischen
Kabinetts, der Gemäldegalerie etc. Von andern Gebäuden sind bemerkenswert: das herzogliche Palais im italienischen Villenstil
mit Gemäldesammlung, nahe dabei der Marstall, das Palais Friedrichsthal, der Orangerie gegenüber, das Theater (1837-39 erbaut, 1861 glänzend
restauriert), die Gebäude der Feuerversicherungsbank, der Deutschen Grundkreditbank (beide von Bohnstedt
erbaut) und der Lebensversicherungsbank, das altertümliche Rathaus am Markte, das Landschaftshaus etc. Interessant ist der
Friedhof mit der ersten deutschen Feuerbestattungshalle nebst Kolumbarium und Verbrennungsapparat nach Siemensschem System.
Eine 22 km lange Wasserleitung sorgt für Trinkwasser. Die Bevölkerung beläuft sich mit der Garnison (1
Inf.-Bat.
Nr. 95) auf (1885) 28,100 Seelen, der Mehrzahl nach Evangelische. Goth ist einer der lebhaftesten Handels- und Speditionsplätze
Thüringens und der Sitz mannigfaltiger Industrie.
Sehr bedeutend ist die Wurstfabrikation (mit jährlichem Export von 5000 metr. Ztr., zum Teil nach Ostasien und Australien).
Bedeutend sind auch die Schuh-, Spritzenschlauch-, Spielwaren- und Zuckerfabrikation. Außerdem finden
sich hier eine Porzellanfabrik und eine Eisengießerei. Weltbekannt ist das J. ^[Justus] Perthessche Geographische Institut,
dessen Erzeugnisse, Atlanten und Karten, über die ganze Erde gehen. Goth besitzt ein Gymnasium mit Realgymnasialklassen, eine
höhere Bürgerschule, ein Lehrer- und ein Kindergärtnerinnenseminar, eine Handelsschule und eine Baugewerkschule.
Die ehemals berühmte Sternwarte auf dem nahen Seeberg, an welcher v. Zach, Encke, v. Lindenau u. a. thätig waren, ging 1857 ein;
die neue Sternwarte, bis 1874 unter Hansens Leitung, befindet sich in der Nähe des Parkes. Goth ist Sitz des Staatsministeriums,
eines Landratsamtes und eines Landgerichts. In der Umgegend zeichnen sich besonders aus: der Arnoldische
Berggarten, das Dorf Siebleben mit dem herzoglichen Schloß Mönchshof nebst Park (Fasanerie) und dem Landhaus des Dichters
Gustav Freytag, der 411 m hohe Seeberg mit großen Sandsteinbrüchen und der Boxberg, wo alljährlich die Pferderennen des Mitteldeutschen
Rennvereins stattfinden. Der Landgerichtsbezirk Goth umfaßt die acht Amtsgerichte zu Goth, Liebenstein, Ohrdruf,
Tenneberg, Thal, Tonna in Gräfentonna, Wangenheim in Friedrichswerth und Zella St. Blasii.
(in den ältesten Urkunden Gotegewe, später Gotaha genannt) kommt zuerst um 930 vor als ein Dorf, das zum Stift Hersfeld gehörte
und durch dessen Abt Gothard (nachherigen Schutzheiligen von Goth) mit Mauern umgeben wurde. Später kam es
in Besitz der Landgrafen von Thüringen, welche daselbst eine Kemnate erbauten, aus welcher das feste Schloß Grimmenstein entstand.
Um 1200 wird Goth zuerst als Stadt genannt, deren Wassermangel Landgraf Balthasar 1350 abhalf, indem er den Leinekanal nach Goth leiten
ließ.
Nach dem Aussterben der Landgrafen kam an die Wettiner und fiel bei der Teilung zwischen Friedrich dem Sanftmütigen
und dessen Bruder Wilhelm 1440 an letztern, nach Wilhelms Tod 1485 in der Teilung zwischen Ernst und Albert an den erstern (Kursachsen).
Die Reformation fand in Goth schon um 1521 Eingang. Hier wurde im Februar 1526 der sonst nach Torgau benannte
Bund zwischen Kursachsen und Hessen geschlossen. Im Schmalkaldischen Krieg 1546 wurde ein großer Teil der Festungswerke des
Grimmensteins von den Kaiserlichen geschleift.
Zwar durften die Söhne Johann Friedrichs die Befestigungen später wiederherstellen; als sich jedoch einer derselben, Johann
Friedrich der Mittlere, welcher zu Goth residierte, in die Grumbachschen Händel (s. Grumbach) verwickelte
und infolgedessen in die Reichsacht kam, wurde Goth 1566 von dem Kurfürsten August von Sachsen, als Achtsexekutor, belagert und 13. April 1567 eingenommen,
worauf der Grimmenstein abermals und völlig geschleift wurde. 1572 fiel an Herzog Ernst den Frommen, den Stifter
der neuen gothaischen Linie, der in Goth seine Residenz nahm und das Schloß Friedenstein (s. oben) erbaute.
Ernst II. (1772-1804) räumte die alten Festungswerke um Goth weg und ersetzte sie durch Anlagen. Mit dem Aussterben dieser Linie
(1825) kam an Koburg. In Goth blühte im 18. Jahrh. unter Ekhofs Leitung und der Mitwirkung von Böck, Iffland,
Beck etc. bis 1779 die Schauspielkunst, während neuerdings durch A. Petermann (bis 1878 Leiter der geographischen Anstalt von
J. ^[Justus] Perthes) ein Mittelpunkt für die geographischen Wissenschaften auf der ganzen Erde geworden ist.
Vgl. Beck, Geschichte
der Stadt Goth (Gotha 1870);
Kühne, Beiträge zur Geschichte der Entwickelung der sozialen Zustände der
Stadt und des Herzogtums Goth (das. 1862).
hießen die Abgeordneten der erbkaiserlichen Partei der deutschen Nationalversammlung, die nach dem Scheitern
der in Frankfurt beschlossenen Reichsverfassung 26.-28. Juni 1849 in Gotha zusammenkamen und sich mit 130 von 148 Stimmen dahin
vereinigten, das preußische Unionsprojekt vom Mai 1849 und die Wahlen zum Erfurter Parlament zu unterstützen;
Gagern, Dahlmann, Beckerath, Beseler, J. Grimm, Mathy, R. Mohl, Simson, L. Häusser waren die hervorragendsten Häupter dieser durch
die geistige Bedeutung und den Patriotismus ihrer Mitglieder ausgezeichneten Partei.
Sie setzte auf dem Erfurter Parlament, das 20. März 1850 eröffnet wurde, 17. April die Annahme der vorgelegten
unionistischen Verfassung durch; als das Parlament indes 29. April vertagt und nicht wieder zusammenberufen wurde, auch die preußisch-deutsche
Union scheiterte, verlor die Bezeichnung Gothaer ihren ursprünglichen Sinn, da sie keine parlamentarische Partei mehr bedeutete.
Man nannte indes seitdem diejenigen Mitglieder der verschiedenen deutschen Landtage so, welche einem gemäßigten
Liberalismus huldigten und für Deutschland eine bundesstaatliche Verfassung mit einem Parlament und dem Präsidium Preußens
unter Ausschluß Österreichs, also das sogen. Kleindeutschland, erstrebten.
In der Reaktionszeit der 50er Jahre sehr zurückgedrängt, spielte die Partei unter Georg v. Vinckes Leitung seit 1858 im preußischen
Landtag unter der neuen Ära noch einmal eine Rolle, bis sie in Preußen durch die Fortschrittspartei, in Deutschland durch den
Nationalverein, die ihre Tendenzen mit mehr Energie verfochten, beseitigt wurde und der Vergessenheit anheimfiel. Die jetzige
nationalliberale Partei kann eine Wiederbelebung der Gothaer genannt werden.
Johann Wolfgang, der größte Dichter deutscher Nation, geb. 28. Aug. 1749 zu Frankfurt a. M. Die Spuren des Goetheschen
Geschlechts weisen bis in die Mitte des 17. Jahrh. und ins sächsisch-thüringische Gebiet
zurück. Goethes Urgroßvater Hans Christian Goethe saß als Hufschmied zu Artern an der Unstrut (im Mansfeldischen);
dessen
mehr
Sohn Friedrich Georg ließ sich 1687 in Frankfurt als Schneidermeister nieder, verheiratete sich dort zweimal und ward infolge
seiner zweiten Heirat mit Cornelia Schellhorn, gebornen Walther, Gastwirt im »Weidenhof«. Seinen jüngern Sohn, Johann Kaspar (getauft 31. Juli 1710,
gest. 27. Mai 1782), ließ er die Rechte studieren, nach der Promotion in Wetzlar und Regensburg seine weitere
Ausbildung suchen und nach Italien reisen. Heimgekehrt, bewarb sich Johann Kaspar um ein städtisches Amt, ward dem herrschenden
Nepotismus der patrizischen Familien zufolge zurückgewiesen und faßte deshalb den Entschluß, nunmehr überhaupt kein Amt
in seiner Vaterstadt anzunehmen.
Durch behagliche Wohlhabenheit und eine vielseitige, wenn schon nur mühsam erworbene und darum beschränkte
Bildung dazu befähigt, lebte Goethes Vater als privatisierender Jurist in seinem Haus am Frankfurter Hirschgraben (gegenwärtig
im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts), das er mit den Erinnerungen und Sammlungen von seinen Reisen schmückte und nach und
nach mit Naturalien- und Kunstsammlungen, einer kleinen Gemäldegalerie zeitgenössischer Meister, einer
bedeutenden Büchersammlung und zahlreichen zum Teil wertvollen Merkwürdigkeiten ausstattete.
Dem Ehrgeiz, eine angesehene Stellung unter seinen Mitbürgern zu behaupten, hatte er dadurch genügt, daß er in der Zeit
des österreichischen Erbfolgekriegs vom Kaiser Karl VII. die Würde eines kaiserlichen Rats erwarb, welche ihn den Häuptern
des Frankfurter Senats gleichstellte, und 1748 die 17jährige Tochter des Schultheißen Johann Wolfgang Textor, Katharina Elisabeth
(getauft 19. Febr. 1731, gest. 13. Sept. 1808), heimführte. Der älteste Sohn dieser Ehe war der Dichter; von mehreren nachgebornen
Geschwistern blieb nur die Tochter Cornelia Friederike Christiane (geb. 7. Dez. 1750, seit 1773 mit J. ^[Johann]
Georg Schlosser vermählt, gest. 8. Juni 1777 in Emmendingen) am Leben.
Die Lebensführung des Goetheschen Hauses hielt zwischen streng bürgerlicher Einfachheit und einer gewissen patrizischen
Fülle eine glückliche Mitte. Goethes Vater, kalt, ernst, ja pedantisch und steif, erhob sich doch durch seine furchtlose
Männlichkeit und energische Wahrheitsliebe wie durch seinen unermüdlichen Bildungsdrang über die Masse
der Reichsstädter. In seinem Haus gemessen, ordnungsliebend und gebieterisch, unterschied er sich wesentlich vom heitern,
muntern Naturell und der warmen Herzlichkeit seiner Gattin, deren Frische und unverkünstelte naive Tüchtigkeit in spätern
Tagen das Entzücken weiter Kreise werden sollte. Goethe bezeichnet in den bekannten Versen:
»Vom Vater hab' ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen;
Vom Mütterchen die Frohnatur
Und Lust zu fabulieren"
den beinahe gleichmäßigen Anteil, den Anlage und Wesen seiner Eltern auf ihn ausgeübt, obschon während seiner Jugend der
Einfluß seiner Mutter überwiegend war. Die erste Jugend Goethes verfloß in Zuständen und Verhältnissen,
welche die Phantasie des Knaben früh anregten und ein schnelles Reifen seiner geistigen Anlagen förderten. Trug dazu das Vaterhaus
mit seinen Sammlungen und Büchern, die altertümliche Vaterstadt mit ihren reichsstädtischen Erinnerungen, ihren Messen und
der Lebhaftigkeit ihres Verkehrs bei, so gesellten sich seit 1757, seit dem Ausbruch des Siebenjährigen
Kriegs, reiche und wechselnde Welteindrücke hinzu.
Derselbe führte zu Parteiungen innerhalb der Familie, welche bis dahin Goethes Welt gewesen. Der
Großvater, Schultheiß Textor,
war mit dem größern Teil seiner Familie österreichisch, Goethes Vater mit seinem Haus preußisch oder, wie es »Wahrheit und
Dichtung« bezeichnend ausdrückt, »Fritzisch« gesinnt. Als Frankfurt im Januar 1759 von den Bundesgenossen
Maria Theresias, den Franzosen, überrumpelt und für mehrere Jahre militärisch besetzt ward, geriet Goethes Vater in wachsende
Verstimmung und Erbitterung, welche sich bis zu leidenschaftlichen Ausbrüchen gegen den im Goetheschen Haus einquartierten
Königsleutnant Grafen Thorane (Thoranc) steigerten und nur durch die Dazwischenkunft von Goethes Mutter
ausgeglichen werden konnten.
Darüber litt der Unterricht, den Goethes Vater seinen Kindern in der richtigen Überzeugung von der Unzulänglichkeit des damaligen
Schulwesens teils selbst erteilte, teils durch Privatlehrer erteilen ließ, empfindlich. Soweit derselbe auf eine frühe
sprachliche Vielseitigkeit gerichtet gewesen war, erreichte er wenigstens durch die Fertigkeit im Französischen,
die der junge Wolfgang während der französischen Okkupation Frankfurts und hauptsächlich beim Besuch der französischen Bühne
erwarb, einigermaßen seinen Zweck. Da Graf Thorane als leidenschaftlicher Kunstfreund von den dem Goetheschen Haus befreundeten
Frankfurter und Darmstädter Malern eine Reihe von Gemälden anfertigen ließ, fand der aufgeweckte Knabe auch Gelegenheit, seinen
Kunstsinn zu üben und zu stärken.
Beim Unterricht seines Vaters, der seit 1761 ernstlich wieder aufgenommen wurde, waltete im Gegensatz zum bloßen Gedächtnisunterricht
damaliger Zeit die Methode vor, Verstand und Urteilskraft zu wecken und zu schärfen. Über Anekdoten und Fakta, die ihm diktiert
wurden, mußte er Gespräche und moralische Betrachtungen abfassen. Ward dadurch sowie durch den beinahe
ausschließlichen Umgang mit Erwachsenen eine gewisse Altklugheit in dem jugendlichen Goethe geweckt, so schloß dieselbe große
Liebenswürdigkeit und anmutige Beweglichkeit seines Wesens nicht aus.
Die Richtung auf phantasievolle Darstellung und lebendiges Erfassen der Außenwelt, die Verliebtheit in die Beschränkung realer
Zustände, wie es Goethe wohl später bezeichnete, tritt uns bereits aus erhaltenen Aufsätzen seiner Schülerjahre
entgegen; poetische Versuche in verschiedenen Sprachen gehörten zu seinen Stilübungen. Ein französisches Stück, ein Roman in
Briefen einiger Geschwister, die über die Erde zerstreut sind und in verschiedenen Sprachen miteinander korrespondieren, ein
Epos, »Joseph«, in Prosa (nach dem Muster des Moserschen »Daniel in der Löwengrube« und andrer zeitgenössischer
Werke), Gedichte nach allen möglichen Dichtern zeugten für den frühen Drang poetischer Hervorbringung.
Die Neigung aber, im Leben selbst Poesie zu suchen, brachte dem 15jährigen die erste ernste Gefahr. Durch gelegentlichen fröhlichen
Umgang mit jungen Männern, die unterhalb seiner Lebenskreise standen, ward er zu heimlichen Gelagen und
nächtlichen Ausflügen verleitet, die ihn für eine gewisse Einförmigkeit der häuslichen Existenz entschädigten und um
so mehr fesselten, als dabei eine frühe Liebesneigung ins Spiel kam. Gretchen, die Schwester eines der neugefundenen Kameraden,
ergriff ihn mit ihren Reizen und ließ ihn das zum Teil plumpe, zum Teil bedenkliche Treiben ihrer Umgebungen
übersehen. Ihren Namen hielt der Dichter im frühsten Entwurf und in der spätern Ausführung der Faustdichtung fest, ihr Bild
ward ihm getrübt durch den Ausgang dieser ersten Liebe. Mitten in den Festen der Krönung