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in Spanien [* 2] fort, und zum Lohn erhielten die Westgoten die Provinz Aquitanien 419 als Wohnsitz eingeräumt, wo sie sich an ein geordnetes Staatsleben, Ackerbau, Gewerbe und Künste gewöhnten, ohne ihr Volkstum aufzugeben. Tolosa wurde von Wallias Nachfolger Theoderich I. (419-451) zum Herrschersitz dieses westgotischen Reichs ausersehen. Tapfer kämpften die Westgoten 451 gemeinsam mit den Römern gegen die stammverwandten Ostgoten und Gepiden unter Attila auf der Katalaunischen Ebene (oder vielmehr bei Troyes), und Theoderich starb hier den Heldentod. Auf seine nach kurzer Herrschaft ermordeten Söhne Thorismund und Theoderich II. folgte der dritte Sohn, der tapfere König Eurich (466-484), der nicht nur ganz Gallien zwischen dem Rhône, der Loire und den Pyrenäen eroberte, sondern auch in Spanien einfiel und den größten Teil der Halbinsel nach Besiegung der Sueven unterwarf. Seinem Sohn Alarich II. (484-507) hinterließ er ein mächtiges, wohlgeordnetes Reich.
Aber nicht lange vermochte dieser die so rasch errungene Macht zu behaupten. Trotz aller Milde gegen die romanischen Einwohner, denen nicht nur die katholische Religion unbeeinträchtigt gelassen, sondern ein besonderes römisches Gesetzbuch, das Breviarium Alaricianum (s. Breviarium), gegeben ward, konnten sie nicht für die Herrschaft der arianischen Westgoten gewonnen werden. Sehnsüchtig richteten sie ihre Blicke nach der aufsteigenden Macht des rechtgläubigen Frankenkönigs Chlodwig, der 507 in das Westgotenreich einfiel und Alarich bei Voullon besiegte und tötete.
Dessen natürlicher Sohn Gesalich, der sich nun des Throns bemächtigte, verlor darauf Bordeaux [* 3] und Toulouse [* 4] an die Franken, Narbonne an die Burgunder, bis der Ostgotenkönig Theoderich, den die Westgoten 490 bei seinen Kämpfen in Italien [* 5] unterstützt hatten, zu ihren gunsten einschritt. Sein Feldherr Ibbas besiegte 510 die Franken an der Durance, und nachdem Theoderich die Provence mit seinem Reich vereinigt, übernahm er nach Beseitigung Gesalichs die Regierung des westgotischen Reichs für seinen Enkel, Alarichs unmündigen Sohn Amalarich.
Erst 526, nach Theoderichs Tod, übernahm Amalarich selbst die Herrschaft des auf Spanien und Septimanien (Languedoc und Roussillon) beschränkten Reichs, reizte indes 531 durch die Mißhandlung seiner fränkischen Gemahlin Klothilde den Frankenkönig Childebert zum Krieg, in dem er bei Narbonne eine Niederlage erlitt; auf der Flucht wurde er, der letzte der Balten, ermordet auf Anstiften seines frühern Erziehers, des Ostgoten Theudes, der nun den Thron [* 6] bestieg und seine Residenz in Barcelona [* 7] aufschlug.
Diese Gewaltthat war der Anfang einer Reihe von Greuelthaten, durch die in rascher Folge Könige erhoben und gestürzt wurden. Endlich trat mit der Erhebung des Königs Leovigild (569-586), der auch das südliche Spanien seiner Herrschaft unterwarf und Toledo [* 8] zum Herrschersitz erkor, wieder eine Zeit der Macht und innern Friedens ein, und sein Sohn Reccared (586-600) bahnte die völlige Verschmelzung der Westgoten mit der alten Bevölkerung [* 9] zu einer gemeinsamen Nationalität mit der Kultur und Sprache [* 10] Roms an durch seinen Übertritt zum katholischen Glauben, dem fast sein ganzes Volk folgte, sowie durch die Einführung des Konnubiums zwischen beiden Bevölkerungen.
Nun stieg, von den Königen begünstigt, die Macht der Geistlichkeit, die auch in weltlichen Dingen einen großen Einfluß ausübte, besonders bei den zahlreichen Thronstreitigkeiten, welche nach Reccareds Tod (601) von neuem ausbrachen, da alle Versuche, das Wahlkönigtum in ein Erbreich zu verwandeln, scheiterten. Der Klerus stellte die königliche Gewalt unter den Schutz der Kirche, und die Könige belohnten diese durch reiche Schenkungen und Judenverfolgungen.
Nach der kraftvollen Regierung Reccesuinths (649-672) und Wambas (672-681) erreichte die Macht der Kirche unter den Königen Erwich (681-687) und Egiza (687-701) ihren Höhepunkt. Vergeblich suchte Witiza (701-710) die von den Arabern in Afrika [* 11] drohende Gefahr zu beschwören, indem er die Verfolgungen einstellte, den Klerus der weltlichen Macht unterordnete und die Königswürde erblich machte; er wurde das Opfer einer Verschwörung, deren Haupt, Graf Roderich, nun den Thron bestieg.
Die Söhne und Anhänger des gestürzten Königs, besonders der Statthalter von Ceuta, [* 12] Graf Julian, riefen, um an ihren Feinden Rache üben zu können, die Araber herbei. Diese, auch durch die Juden dringend aufgefordert, unternahmen 710 erst mit geringen Streitkräften eine Landung auf Tarifa; 711 aber setzte Tarik im Auftrag des Statthalters Musa nach Spanien über und besiegte Roderich, der, von einem Kriege gegen die Basken herbeieilend, rasch die gesamte Kriegsmacht aufbot, in einer siebentägigen Schlacht (19.-26. Juli 711) bei Jeres de la Frontera, da Julian und Witizas Söhne während des Kampfes zu den Arabern übergingen; Roderich ertrank auf der Flucht.
Indem die Araber darauf schnell in das Innere Spaniens vordrangen, eroberten sie unter dem niederschmetternden Eindruck der Schlacht in kurzer Zeit mit Ausnahme Asturiens ganz Spanien, unterstützt von der jüdischen Bevölkerung; nur Herzog Theodemir verteidigte sich tapfer in den Gebirgen Murcias. So wenig ruhmvoll endete das Westgotenreich, dessen Macht durch die Parteiungen der Großen und durch die Herrschsucht und den Fanatismus der Geistlichen untergraben worden, nach fast 300jährigem Bestand. Sein Name hat sich bloß in Gotalanien (Katalonien) erhalten. Weiteres s. Spanien, Geschichte.
Was die Staats- und Rechtsverhältnisse der Westgoten betrifft, so wurde der König von alters her gewählt, und obwohl mehrmals die Krone vom Vater auf den Sohn überging, gelang es doch nie, wie schon bemerkt, das Erbkönigtum gesetzlich einzuführen. Die königliche Gewalt bestand in der Führung des Heerbannes und in der höchsten Gerichtsbarkeit, kraft deren der König alle Beamten ernannte. Der Adel zerfiel in mehrere Klassen, zu deren höchster die Duces oder Herzöge gehörten, denen ursprünglich nur der Befehl im Krieg, später aber, nachdem das Volk feste Wohnsitze eingenommen, auch die bürgerliche Verwaltung und die Gerichtsbarkeit in den einzelnen Provinzen übertragen waren.
Den Duces zunächst untergeordnet, verwalteten die Comites oder Grafen die beiden Ämter der erstern in kleinern Bezirken, konnten aber auch mit der besondern Führung eines Heers beauftragt werden, während sich die Gardinge als Leute von vornehmer Geburt, jedoch nicht mit einem bestimmten Amt bekleidet, am Hof [* 13] aufhalten durften. Der übrige Adel hob sich vor dem Stande der Gemeinfreien durch Vorrechte hervor, welche vornehmlich den Gerichtsstand und die Befreiung von manchen Strafen betrafen. Sämtlichen Freigebornen gegenüber aber stand die Klasse der Leute, denen entweder infolge ihrer Geburt, oder durch Kriegsgefangenschaft, oder durch Überschuldung, oder durch sonstige Vergehungen das Los der Hörigkeit gefallen war, welches indes bei ¶
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den Westgoten im allgemeinen ziemlich erträglich gewesen zu sein scheint. Was die Kriegsverfassung anlangt, so waren alle waffenfähigen Westgoten zum Kriegsdienst verpflichtet. Sie waren in Heeresmassen eingeteilt, an deren Spitze der Dux stand, dem zunächst der Comes und diesem wieder der Tiufad untergeordnet war, welch letzterer eine Abteilung von 1000 Mann (Tiufadie) befehligte. Um die gemachten Eroberungen in Gallien und Spanien zu sichern, teilten die Westgoten die gewonnenen Ländereien in drei gleiche Teile, von denen sie zwei unter sich verteilten, den dritten aber den römischen Einwohnern als freien Eigentümern überließen.
Die entstandenen Teile hießen Sortes, und an ihnen konnte mehreren zugleich ein Gesamteigentumsrecht zustehen, welche dann Consortes hießen. Diejenigen Goten, denen bei der Teilung größere Anteile zugefallen waren, überließen diese wieder gegen gewisse Leistungen an geringere Leute. Kam ein solcher Besitzer seinen Verpflichtungen in Jahresfrist nicht nach, so verlor er Kaufpreis und Grundstück. Die vom König Belehnten schuldeten demselben Treue und besondere Dienstleistungen und hießen deshalb die Getreuen des Königs.
Eigentliche geregelte Versammlungen des Volkes oder der Großen finden wir bis zur Bekehrung der Westgoten zum Katholizismus nicht; erst dem katholischen Klerus gelang es, die jährlich abgehaltenen Synoden, zu denen auch die Großen und hohen Beamten des Reichs zugezogen wurden, in denen aber die Bischöfe durch ihre Zahl und ihre höhere Bildung das Übergewicht behielten, zu Reichstagen umzugestalten und diesen eine gesetzlich normierte Teilnahme in der Staatsverwaltung zu verschaffen.
Was die Gesetzgebung der Westgoten betrifft, so ließ zuerst Eurich die bestehenden Rechtsgewohnheiten sammeln und aufzeichnen; doch hatten diese nur für das herrschende Volk Gültigkeit, für die bezwungenen Römer [* 15] in Gallien und Spanien bestand das römische Recht fort, weshalb Eurichs Sohn und Nachfolger Alarich für die römischen Unterthanen das Breviarium Alaricianum (s. oben) abfassen ließ. Leovigild ließ 100 Jahre später Eurichs Gesetzgebung revidieren, und sein Sohn Reccared unternahm eine abermalige Revision, die sogen. Antiqua, welche in Bruchstücken erhalten ist (vgl. Fr. Blume, Die westgotische Antiqua, Halle [* 16] 1847). Aber erst als die letzten Spuren römischer Herrschaft von der Halbinsel verschwunden waren, gab Chindasuinth (641-649) durch Aufhebung des römischen Rechts der westgotischen Gesetzgebung und bürgerlichen Verfassung eine festere Gestalt.
Egiza schloß die Sammlung der Rechtssatzungen in der Gestalt ab, in welcher sie auf uns gekommen ist. Dieselbe umfaßt teils eigentliche Gesetze, welche von ausdrücklich in der Überschrift bezeichneten Königen herrühren, teils zahlreiche Stücke der Antiqua Reccareds oder der Überschrift ermangelnde Gesetze, welch letztere neben altgotischen Rechtsgewohnheiten auch römische und kirchliche Rechtssatzungen enthalten. Die Gerichtsverfassung der Westgoten entbehrte des alten germanischen Charakters, sofern nämlich die Einrichtung, welche die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten in die Hände aller Freien des Gaues legte, längst verschwunden war.
Der König übte als das Oberhaupt der Nation auch die höchste Gerichtsbarkeit aus und übertrug sie untergeordneten Richtern, welche als Herzöge, Grafen, Tiufaden, Millenarier, Quingentarier, Centenarier, Dekane zugleich den Oberbefehl im Krieg führten oder als Defensoren und Numerarien bürgerliche Ämter bekleideten. Neben diesen ordentlichen Richtern durfte der König für besondere Fälle noch außerordentliche (pacis assertores) ernennen, sowie es auch den Parteien freistand, sich durch Übereinkunft ihre Richter selbst zu wählen; doch kam der Vorsitz und die Entscheidung stets dem vom König ernannten oder von den Parteien erkornen Richter zu.
Vgl. Helfferich, Entstehung und Geschichte des Westgotenrechts (Berl. 1858);
Dahn, Westgotische Studien (Würzb. 1872);
Bluhme, Zur Texteskritik des Westgotenrechts (Bonn [* 17] 1872).
Geschichte der Ostgoten.
Kürzer, aber tragischer war die Rolle, welche die Ostgoten in der Weltgeschichte gespielt haben. Dieselben hatten sich, wie erwähnt wurde, um 370 beim Einfall der Hunnen diesen unterworfen. Einzelne Scharen hatten auch an den Kämpfen der Westgoten im oströmischen Reich teilgenommen und waren von Theodosius in Kleinasien angesiedelt worden; die Hauptmasse des Volkes blieb aber nördlich der Donau wohnen, gehörte zum Reich Attilas und nahm an dessen Kriegszügen, namentlich an der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (s. oben), teil.
Nach Attilas Tod (453) erhoben sich die Ostgoten unter der Anführung von drei tapfern Brüdern aus dem Haus der Amaler, Walamir, Theodemir, Widemir, erstritten am Fluß Netad in Pannonien, wo Attilas Sohn Ellak fiel, 454 ihre Selbständigkeit und schlugen in Pannonien, von Wien [* 18] bis Sirmium, ihre Wohnsitze auf. Hier hausten sie mehr als 30 Jahre unter vielerlei Kämpfen mit ihren Nachbarn und Kriegszügen in entferntere Länder, und hier ward, nachdem Walamir in einer Schlacht gefallen, Widemir zu den stammverwandten Westgoten nach Gallien gezogen war, nach Theodemirs Tod 475 Theoderich durch die einstimmige Wahl des Volkes auf den Thron erhoben.
Unter ihm zogen sie nach der griechischen Halbinsel, um den Kaiser Zeno gegen Aufrührer zu unterstützen, wurden aber durch ihre Plünderungen und Gewaltthaten sehr unbequeme Freunde, und Theoderich erhielt daher von Zeno die Erlaubnis, nach Italien zu ziehen, um dort Odoakers Herrschaft zu stürzen, gegen den Theoderich von dem vertriebenen Rugierfürsten Friedrich aufgereizt worden war. Anfang des Winters 488 sammelten sich die Ostgoten zu Novä in Niedermösien, im ganzen 200,000 Menschen, brachen sich mit dem Schwerte durch ihre frühere Heimat Pannonien, welches inzwischen die feindlich gesinnten Gepiden besetzt hatten, Bahn, überschritten die Julischen Alpen und überwältigten Odoakers Scharen am Isonzo [* 19] (489). Ein zweiter Sieg bei Verona [* 20] brachte ganz Oberitalien [* 21] in ihre Gewalt, als der Abfall von Bundesgenossen und der Einfall der mit Odoaker verbündeten Burgunder ihren Untergang herbeizuführen drohten.
Mit Mühe verteidigte sich Theoderich in seinem Lager [* 22] bei Pavia, bis die Westgoten ihm zu Hilfe kamen und eine dritte Schlacht an der Adda 490 zu gunsten der Ostgoten entschied. Odoaker flüchtete nach Ravenna und mußte, durch Hungersnot gedrängt, sich 493 den Ostgoten ergeben, die inzwischen ganz Italien erobert hatten. Der Kaiser von Ostrom erkannte Theoderich als König von Italien durch Übersendung der Reichskleinodien und Herrscherzeichen an, und wenn der neue König dem Kaiser auch einige Ehrenrechte zugestand, so trat er doch in allen wesentlichen Dingen als unabhängiger Herrscher auf und wußte in kurzer Zeit dem ostgotischen Reich durch energisches Auftreten und kluge Verhandlungen eine achtunggebietende Ausdehnung [* 23] zu verschaffen und es zur Schutzmacht für kleinere germanische Völker gegen die Angriffe habgieriger ¶