brachten
und sie so von früher
Jugend an den Gemütern als dauerndes
Eigentum einzuprägen suchten. Auch
Sittenlehren und Lebensregeln
wurden von den
Weisen jener Zeit (z. B. den
»sieben Weisen«) in dieser Form unter das
Volk gestreut. Etwas später brachte
Theognis
aus
Megara, der eigentliche
Meister der
Gattung, die gnomischePoesie zu ihrer höchsten
Ausbildung. Bei den
Römern verdienen Erwähnung die unter dem
Namen
»Cato« (s. d.) bekannte Spruchsammlung und die
Sentenzen des Publius
Syrus. Die
besten Sammlungen der griechischen Gnomendichter lieferten
Brunck (Straßb. 1784; hrsg. von
Schäfer, Leipz. 1817) und
Gaisford
(Oxf. 1814-20; neuer
Abdruck, Leipz. 1823, 5 Bde.).
Zu den Gnomen gehören auch die deutschen
Priameln (s. d.) des 14. und 15. Jahrh. sowie
aus der modernen Litteratur die aphoristischen
Offenbarungen in
Rückerts
»Weisheit des
Brahmanen«,
Schefers »Laienbrevier« und
ähnlichen
Dichtungen.
Gnostizismus und
Gnostiker. Der
Name Gnosis (griech., »Kenntnis,
Erkenntnis«) bezeichnete zur neutestamentlichen Zeit im jüdisch-alexandrinischen sowie auch im christlichen (vgl.
z. B.
1. Kor. 8, 1). Sprachgebrauch die tiefere Einsicht in den innern Zusammenhang einer
religiösen Gedankenwelt und infolgedessen zuletzt geradezu eine esoterische Religionslehre im
Gegensatz zu dem Autoritätsglauben
der nur die symbolische
Hülle der
Ideen festhaltendenMenge.
Das war im wesentlichen schon der
Charakter der heidnischen
Mysterien, und so stellt das, was in der
Kirchengeschichte Gnosis
heißt, im
Grund auch nichts andres dar als den
Versuch, das
Christentum umzugestalten nach der Form der antiken
Mysterien und
es in einem neuen Mysterienkultus als die Vollendung und tiefereWahrheit der allen gnostischen
Systemen
zu
Grunde liegenden
Naturreligionen erscheinen zu lassen. Dieser
Tendenz zufolge machte sie die
Probleme der
Kosmologie zur
Basis
der Religionslehre und gefährdete durch eine phantastisch-spekulative
Gottes- und Weltanschauung die wesentlich praktische
Aufgabe des
Evangeliums. Um sich den
Aufbau dieser gnostischen
Systeme anschaulich zu machen, muß man sich
in jene gärungsvolle Zeit hinein versetzen, in welcher zwischen den Völkern des
Orients und
Occidents, wie sie das römische
Weltreich noch alle umschloß, der regsamste Ideenaustausch statthatte und die entlegensten Religionselemente miteinander
in Berührung traten.
Die Zeit der großen
Invasion orientalischer Kulte unter
Hadrian und den Antoninen war auch die
Blütezeit
der
Gnostiker.
Da aber auch jüdische Religionslehren, namentlich in
Alexandria, in diesen Religionseklektizismus hereingezogen
wurden, so lassen sich in den gnostischen
Systemen die allenthalben ineinander überfließenden
Elemente altorientalischer
(besonders syrischer und persischer, wohl auch indischer) Religionssysteme, jüdischer
Theologie und Platonischer wie stoischer
und
Pythagoreischer
[* 4]
Philosophie nachweisen.
Diese gnostischen
Systeme sind
zwar nicht mit den philosophischen
Produkten des Hellenentums zu vergleichen,
da sie sich mehr in phantasievollen
Anschauungen und symbolischen Bildern als in abstrakten
Begriffen bewegen, beschäftigen
sich aber schließlich doch mit der
Lösung derselben
Probleme, als da sind: der Übergang vom
Unendlichen zum
Endlichen, die
Schöpfung;
Gott als
Urheber der seinem geistigen
Wesen so fremdartigen materiellen
Welt;
das Mangelhafte
darin, das der Vollkommenheit, und das
Böse darin, das der
Heiligkeit des Schöpfers nicht entspreche;
die Verschiedenheit
der sittlichen
Naturen von den göttlich gesinnten
Menschen bis herab zu den Sklaven der sinnlichen
Begierde etc. Während demnach
das
Christentum sich darauf gewiesen sah, den religiösen
Glauben von
Metaphysik und
Philosophie möglichst
unabhängig zu stellen, und daher spekulative
Kosmogonien zurückwies, wollte der Gnostizismus im gesamten Verlauf des Weltlebens
eine Geschichte
Gottes finden. Im
Widerspruch mit der jüdischen
Idee der
Schöpfung aus nichts stellte er in seinen mehr griechischen
Formen dieVorstellung von einem Ausfließen alles
Seins aus dem höchsten
Sein der
Gottheit aus.
Diese
Idee
der
Emanation ließ sich unter den mannigfaltigsten Bildern darstellen, so unter dem
Bild einer Zahlenentwickelung aus einer
Ureinheit, eines Ausströmens des
Lichts von einem Urlicht u. dgl. Gott selbst
erschien dabei als der
in sich verschlossene, unnahbare und unerkennbare Urquell aller Vollkommenheit
und zwischen ihm und dem
Endlichen kein unmittelbarer Übergang denkbar.
Wohl aber werden die mannigfachen dem
Wesen der
Gottheit
innewohnenden
Kräfte
(Äonen) zu
Keimen aller weitern Lebensentwickelung in der Art, daß die
Stufen dieser letztern immer tiefer
sinken, je mehr sich die
Äonen von dem ersten
Gliede der
Kette entfernen. An die
Stelle dieser Emanationslehre
tritt in den orientalisch beeinflußten
Schulen ein dualistischer
Gegensatz: Gott als dem
Herrn und Schöpfer der
Geister steht
von
Ewigkeit gegenüber das
Reich der
Materie, welches als solches bös ist. Beide
Formen gehen mannigfach ineinander über,
stehen sich aber in den reinsten und durchsichtigsten
Systemen doch in charakteristischem
Gegensatz gegenüber.
In der alexandrinischen Gnosis herrscht der griechische Schulbegriff der
Materie vor, welche als das Wesenlose,
Leere (Kenoma)
im
Gegensatz zu der
Fülle des göttlichen
Lebens
(Pleroma) erscheint. Indem die durch
Emanation sich entwickelnden
Wesen immer
schwächer werden, entsteht auf der untersten
Stufe ein Erzeugnis, das sich nicht mehr in dem Zusammenhang
mit der göttlichen Lebenskette zu erhalten vermag und in das
Chaos hinabsinkt. Dadurch wird zwar das
Chaos beseelt, aber zugleich
auch das Göttliche getrübt.
Das Dasein vervielfältigt sich, es entsteht ein untergeordnetes, mangelhaftes
Leben; es wird
Boden für
eine materielle
Welt gewonnen. Die syrische Anschauungsweise schließt sich dagegen an die parsische
Lehre
[* 5] von einem wild tobenden
Reich des
Bösen oder der Finsternis an, welches durch seinen
Angriff auf das Lichtreich die Vermischung des Göttlichen und
des Ungöttlichen herbeiführte. Eine nicht minder wesentliche
Differenz zwischen den verschiedenen gnostischenSystemen
betraf die
Stellung, welche man das
Christentum teils zu dem Ganzen der menschlichen
Entwickelung, teils insonderheit zu dem
Judentum einnehmen ließ. Zwar stimmen die gnostischen
Systeme darin überein, daß sie die materielle
Welt nicht sowohl auf
den höchsten
¶
mehr
Gott als vielmehr auf einen niedern Weltbildner (Demiurgos) zurückführen, welcher, selbst der Sinnenwelt verwandt, tief
unter dem Pleroma steht. Die dem Judentum minder schroff gegenüberstehende Richtung nahm an, der höchste Gott habe durch dienende
Engel diese Welt hervorgebracht und regiere sie auch durch solche; an die Spitze dieser Engel stellten sie
jenen Weltbildner, welcher daher nicht selbständig, sondern nur nach den vom höchsten Gott ihm eingegebenen Ideen handelt
und das jüdische Volk erzieht, ohne die ganze Bedeutung des von ihm vollbrachten Werkes selbst zu würdigen.
Denn erst durch das Christentum wurde die höchste Idee der ganzen Schöpfung offenbar, wie auch der in der
PersonChristi erschienene Äon erhaben ist über den Demiurgos und seine Engel. Weiter entfernten sich vom Judentum diejenigen
Gnostiker, welche die geschichtliche Kontinuität mit dem Alten Testament ganz abbrachen und den Judengott und seine Engel als
gegen den höchsten Gott feindselige Wesen betrachteten. Der Gott des Alten Testaments ist ihnen ein hochmütiges
und rachsüchtiges Wesen, während der höchste Gott, der Gott der Heiligkeit und der Liebe, zunächst in der irdischen Schöpfung
lediglich durch einige in der Menschheit zerstreute göttliche Lebenskeime vertreten ist, deren Entwickelung der Demiurgos
nach Kräften zu hemmen suchte, bis einer der höchsten Äonen sich in einem Scheinleib zur Erde herabließ,
um die gefangenen, ihm verwandten höhern Geistesnaturen zum Bewußtsein ihrer Bestimmung zu bringen und wieder in das Pleroma
hinaufzuziehen (vgl. Doketen).
Das Christentum findet daher auf diesem Standpunkt einen Anknüpfungspunkt höchstens in jenen Mysterien, in denen eine höhere
Weisheit sich als Geheimlehre fortgepflanzt haben sollte. Die gnostische Praxis war durchweg von einer Theorie
bedingt, wonach der Geist ein Lichtfunke Gottes ist, von seiner Feindin, der Sinnenwelt, in schmachvoller Gefangenschaft gehalten.
Es gilt daher, sich als Geistmenschen (Pneumatiker) im Gegensatz zu den vom Demiurgos oder gar vom Satan herrührenden Seelenmenschen
(Psychikern) und Fleischesmenschen (Hylikern) zu bewähren, d. h. die sittliche
Aufgabe besteht in vollkommener Askese, Einswerden mit dem Urquell des Geistes durch Gnosis und Entkörperung des Geistes.
Dasselbe Ziel suchten einzelne Parteien freilich auf dem umgekehrten Weg zu erreichen durch ungezügelte Befriedigung der Geschlechtsliebe,
auf welche Weise z. B. Karpokrates und sein Sohn Epiphanes ihre Verachtung gegen das Fleisch und den beschränkten
Gesetzesstandpunkt des Demiurgos an den Tag legten (Antinomismus). An das Judentum sich anschließende Gnostiker waren besonders
Cerinthus (s. d.) und der Verfasser der pseudoclementinischen Schriften (s. Elkesaiten).
Die syrische, sich immer mehr vom Judentum entfernende Gnosis ist vertreten durch Saturninus oder Satornil und ganz besonders
durch die in den verschiedensten Formen existierenden Ophiten (s. d.). Einer der letzten syrischen Gnostiker
ist Bardesanes (s. d.). Die durchsichtigsten und reifsten gnostischen Systeme führen sich auf Basilides (s. d.), der zwischen
der syrischen und ägyptischen Gnosis vermittelt, und ganz besonders auf den AlexandrinerValentinus (s. d.) zurück.
Wie aber die Geschichte keinen Urheber der ganzen Richtung, sondern nur Gründer gnostischer Parteien
kennt,
so läßt sich auch die Zahl ihrer Anhänger nicht bestimmen. So großartig sich indes der Gnostizismus besonders um die
Mitte des 2. Jahrh. entfaltete, so geistig bedeutenden Anhang er allenthalben gewonnen hatte,
und so gewiß sogar hervorragende Kirchenlehrer noch im 3. Jahrh. mit ihm vielfache Berührungspunkte
aufweisen (s. Alexandrinische Schule), so vermochte er sich doch bei der ungezügelten Willkür seiner proteusartigen Gestaltungen,
dem immer entschlossenern Widerspruch der Kirche gegenüber, auf die Dauer nicht zu halten. Schon um 200 war die Auseinandersetzung
zwischen kirchlicher und gnostischer Weltanschauung im Grundsatz vollzogen.
Vgl. Matter, Histoire critique
du gnosticisme (2. Aufl., Straßb. 1844, 3 Bde.;
deutsch von Dörner, Heilbr. 1833);