Gneis
(Gneiß, Gneuß), gemengtes kristallinisches Gestein, aus Quarz, Feldspat und Glimmer bestehend, von denen der Feldspat vorwiegend Orthoklas, der Glimmer meist Muskovit ist. In seiner Mineralzusammensetzung ganz mit dem Granit übereinstimmend, unterscheidet sich der Gneis von diesem nur durch die Anordnung seiner Bestandteile, von denen der Glimmer stets eine mehr oder weniger deutlich sich aussprechende flächenförmige (schieferige) besitzt. Manchmal erscheinen indessen die durch den Glimmer stets deutlich vorhandenen Schichtflächen gewellt, der Struktur nach nur nach einer Richtung gerade, nach der andern hin- und hergebogen (s. Tafel »Mineralien [* 2] und Gesteine«, [* 1] Fig. 19). Manchmal sind sie so angeordnet, daß die Glimmerlagen einzelne linsenförmige glimmerärmere Zusammenhäufungen von Gestein umschließen, welche ihrerseits in ebener Anordnung auftreten (Augengneis).
Löst sich eine Glimmerlage in einzelne mehr oder weniger gebogene Stränge auf, so daß die (gewöhnlich stark vorwaltenden) Glimmerblättchen in solchen langgestreckten »Flasern« vereinigt sind, welche zwischen die übrigen körnigen Bestandteile wie eingeknetet erscheinen, so hat man den flaserigen Gneis Flasern und membranartige Ausbreitungen bestehen meist aus vielen aneinander gereihten und übereinander liegenden Blättchen; zuweilen finden sich aber auch nur einzelne größere Glimmerblätter unter sich parallel verteilt.
Feldspat und Quarz bilden dagegen stets ein kristallinisch-körniges Gemenge von verschiedener Größe der Bestandteile. Der Glimmer ist bald dunkel, braun, schwarz, bald lichtgrau, selbst weiß; der Feldspat rot, grau oder weiß; der Quarz gräulichweiß oder lichtgrau. Während auf dem Hauptbruch der Glimmer oft die ganze Fläche bedeckt, sieht man auf dem Querbruch Quarz- und Feldspatlagen getrennt durch die unterbrochenen oder fortlaufenden, gerade oder krumm verlaufenden, meist dunkeln Glimmerlinien.
Menge und Anordnungsweise des Glimmers bedingen mannigfache Varietäten des Gneises, der bei geringer Menge des Glimmers oft mehr und mehr sein schieferiges Gefüge verliert und so durch die Zwischenformen des Gneisgranits vollständig in den eigentlichen massigen Granit übergeht. Tritt in glimmerreichem, ausgezeichnet schieferigem Gneis der Feldspat zurück, so finden Übergänge in Glimmerschiefer statt; werden Feldspat und Quarz so feinkörnig, daß sie endlich nicht mehr unterscheidbar sind, oder bildet der Orthoklas eine dichte oder fast dichte Masse, so können sich bei gleichzeitigem Zurücktreten vom Glimmer gegen Granat [* 3] etc. Übergänge in Granulit bilden.
Andre Varietäten entstehen durch Stellvertretung der Bestandteile des Glimmers, so durch Chlorit oder Talk ein Protogyngneis (Montblancgruppe), durch Aufnahme und Herrschendwerden der Hornblende [* 4] der in Skandinavien und in den Pinzgauer Zentralalpen u. a. O. vielverbreitete Hornblendegneis, der nicht selten mit hornblendefreiem Gneis lagenweise wechselt. Cordieritgneis entsteht durch Aufnahme von Cordierit (Dichroit), so in der bayrischen Oberpfalz (Bodenmais) und im sächsischen Granulitgebirge. Von andern accessorischen Bestandteilen führt der Gneis häufig Epidot [* 5] (Pistacit), insbesondere in hornblendereichen Varietäten, Granat, Turmalin, Magneteisenstein, Eisenglanz, besonders in der Form von Eisenglimmer, Schwefel-, Magnet- und Kupferkies, Molybdänglanz, Titanit; [* 6] hier und da führt er auch Rutil, [* 7] Disthen, Apatit, [* 8] seltener Zirkon, [* 9] Beryll, Korund. [* 10] Nicht häufig nimmt er Graphit in sich auf.
Große Wichtigkeit erhält der in vielen Gegenden durch seinen Erzreichtum. So finden sich Gänge goldführender Erze in dem Gneis der Hochalpen von Gastein (Rathaus- und Rauriser Goldberg), von Eule in Böhmen; [* 11]
Gold [* 12] und Silber, letzteres sehr reich, bei Freiberg [* 13] in Sachsen; [* 14]
edle Silbergänge in Böhmen (Kuttenberg), silberreiche Bleiglanzgänge im Schwarzwald u. a. O.;
durch Kupfer-, Wismut-, Kobalt- und Nickelführung wichtige Silbergänge insbesondere bei Marienberg und Annaberg [* 15] in Sachsen.
Auch im Berner Oberland, in Zentralfrankreich führt der Gneis Erzgänge, die Silber, Kupfer [* 16] und Blei [* 17] liefern. Alle sind auf ihren Drusenräumen reich an kristallisierten Erzen und Mineralien. Außerdem kennt man Zinnstein- (Erzgebirge), Antimon- (Montblanc u. a. O.) und Roteisensteingänge (Schwarzenberg in Sachsen u. a. O.) im Gneisgebirge. Ebenso wichtig ist Gneis durch Lager [* 18] und Stöcke nutzbarer Erze, unter denen vor allen der Magneteisenstein in dieser Form im G. der verschiedensten Gegenden der Erde auftritt und zwar oft in Stöcken von kolossaler Ausdehnung, [* 19] so im Gellivaraberg in Lappland, wo er über 5000 m lang und an 3000 m breit sich aus dem und über das leichter verwitterbare Gneisgebirge als Magneteisensteinberg erhebt, am Taberg bei Jönköping [* 20] in Schweden [* 21] mit 130 m Mächtigkeit etc. Technisch wichtig sind vor allen die durch die Reinheit des Eisenerzes ausgezeichneten Magneteisensteinstöcke Schwedens bei Dannemora und Nora, außerdem der Taberg und das Lager von Arendal in Südnorwegen; dann gehören hierher die Kupferlagerstätten von Falun und Tunaberg in Schweden, von Pittkaranda in Finnland, die reichen Silbergruben von Kongsberg in Norwegen und Sala in Schweden, die kobalt- und nickelerzreichen Stöcke von Skutterud und Snarum in Norwegen; Tunaberg liefert auch Kobalterze.
Manche dieser Lagerstätten zeigen die Eigentümlichkeit mit Kupferkies und andern Schwefelmetallen angereicherter Gneislagen, der sogen. Fallbänder (Kongsberg, Sala). Außer dem Reichtum an mannigfachen Erzen zeichnet alle diese Lagerstätten des Nordens ein Reichtum insbesondere an kristallisierten und kristallinischen Silikaten aus. Arendal ist unter allen die reichste Fundgrube von Mineralien, die, teils im Erz eingewachsen, teils lagenweise mit demselben wechselnd, oft in diesem prachtvoll auskristallisiert vorkommen.
Man kennt von diesen und andern Lagerstätten: Glimmer, Talk, Chlorit, Asbest, Augit [* 22] nebst Salit, Hornblende nebst Strahlstein und Grammatit, Epidot, Granat, Korund, Kalkspat, [* 23] Apatit, Asphalt, Eisenkies, [* 24] Eisenspat, Quarz, Skapolith [* 25] (Wernerit), Turmalin, Spodumen, Serpentin besonders in der Abart Pikrolith, Stilbit, [* 26] Apophyllit, [* 27] Prehnit, Analcim, Datolith, Baryt, Graphit, Pyrit (Eisenkies) und Markasit [* 28] (Leberkies), Arsenkies, Kupferkies, Kupferlasur, [* 29] Malachit, Blende, Rutil, Molybdänglanz etc. Außerdem führt der Gneis, wenn auch selten, Lager von Spateisenstein, wie zu Pitten in Unterösterreich, wo mit demselben auch Magnet- und Roteisenstein gleichzeitig auftreten.
Die Pauschanalysen des Gneises ergeben einen Gehalt von 63-75 Proz. Kieselerde, 13-20 Thonerde, 1-8½ Eisenoxydul und Oxyd, 1/3-4 ⅔ Kalkerde, 0,12-3,6 Magnesia, 1,7-5,3 Kali, 0,5-3,6 Natron; der Glühverlust steigt von 0-4 Proz., nicht selten ist ein bis über 1 Proz. betragender Titansäuregehalt. Der feldspat- und glimmerreiche Gneis verwittert sehr stark, namentlich solcher, der außer dem Orthoklas Oligoklas enthält, während der ¶
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quarzige sehr dauerhaft ist; die nach vollkommener Verwitterung zurückbleibende Erde ist lehmig, meist gelb gefärbt und sehr fruchtbar. Das Gestein ist im großen schichtenförmig abgesondert, die Schichten bald mehr horizontal gelagert oder auch in den verschiedensten Winkeln aufgerichtet und gebogen. So liegt der erzgebirgische in flach geneigten Lagen, während der Einfallwinkel in Skandinavien, Nordamerika [* 31] etc. stark wechselt, in den Alpen [* 32] fast immer steil ist.
Verwitterbarkeit und Lagerung bedingen die so wesentlich verschiedenen Terrainformen der von dem Gneis zusammengesetzten Länder; so ist das Erzgebirge ein wellenförmiges Plateauland mit tief einschneidenden, vielgewundenen, oft felsigen Thälern, ebenso ein Teil von Skandinavien, während der in den Hochalpen oft in wild zerrissenen Felsmauern, Felshörnern und Nadeln [* 33] (aiguilles), wie um den Montblanc, emporstarrt. Der Gneis bildet das wesentlichste Glied der [* 34] laurentischen Formation (s. d.). Diese Bezeichnung (vom Lorenzstrom) ist für diese ältesten Schichten den Synonymen Urgesteine oder azoisches System vorzuziehen, da in der Bezeichnung Urgestein die Annahme einer unbeweisbaren Hypothese liegt und die Möglichkeit der Auffindung von Organismen nicht ausgeschlossen ist, wenn sich auch das Eozoon (s. d.) als eine anorganische Bildung erwiesen hat. Er besitzt für sich oder mit Einlagerungen andrer Schiefer- und Massengesteine, der sogen. Lagergranite, Granulite, Hornblendegesteine, Glimmer- und Quarzitschiefer, Serpentin- und Chloritschiefer, des seltenen Eklogits, mit häufigen Lagern von Marmor und Dolomit, seltener Graphit- und Schmirgellagern, einen Schichtenkomplex von ungeheurer Mächtigkeit. So schätzt Studer seine Mächtigkeit in den Alpen auf 10-20,000 m. In der bayrischen Oberpfalz will man fast 30,000 m beobachtet haben, in Amerika [* 35] mehr als 10,000 m. Selbst wenn man infolge der Möglichkeit schwer zu konstatierender Verwerfungen soviel wie thunlich das Maß hinabdrückt, so bleibt doch sicher eine Mächtigkeit von mehreren Tausend Metern für die Gneise der genannten Gegenden.
Über die Bildungsweise der Gneise und ihrer Einlagerungen herrschen sehr verschiedene Ansichten; die einen betrachten sie als Urgesteine, entstanden durch Erstarrung der einst feurig-flüssigen Erde, sei es durch unmittelbare Kristallisation, sei es unter späterer Mitwirkung des Wassers; andre sehen in ihnen Umbildungsprodukte von neptunischen Sedimenten, die, auf dem Meeresgrund abgelagert, durch Druck und Wärme [* 36] in kristallinische Form übergeführt wurden.
Dana hat die Gneise als Granittuffe gedeutet, entstanden aus losern, bei den Graniteruptionen ausgeworfenen Massen granitischen Materials, die dem Wasser ihre Schichtung verdanken. Es ist ferner wenigstens für einzelne Gneise ein rein eruptiver Ursprung angenommen worden, welcher freilich anderseits stark bestritten wird, so daß die Frage nach den Verhältnissen, unter welchen sich diese ältesten Gesteine der Erde gebildet haben, als eine noch offene bezeichnet werden muß.
Der Gneis bedeckt große Teile der festen Erdoberfläche, besonders in Nord- und Südamerika, [* 37] Skandinavien, Schottland, den Pyrenäen und Alpen, in fast sämtlichen mitteldeutschen Gebirgen (namentlich um den böhmischen Kessel, aber auch im SW.) etc. Benutzt wird der Gneis hauptsächlich als Baumaterial (Platten aller Art, schmälere Quadern, zu Einfassungen von Fenstern und Thüren, zu Trittplatten u. dgl.) und als Gestellstein (ähnlich dem Glimmerschiefer).