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und etwas Kalkseife und wird zur Abscheidung des Kalkes und zur Zersetzung der Seife mit Schwefelsäure [* 2] behandelt. Die klar abgezogene Flüssigkeit ist dann im wesentlichen eine verdünnte Glycerinlösung. Das meiste und reinste Glycerin erhält man bei der Zersetzung der Fette durch hoch gespannten Dampf, [* 3] während bei der Anwendung von Schwefelsäure ein Teil des Glycerins zersetzt und der Rest stark gebräunt wird. In diesem Fall beseitigt man die Schwefelsäure durch Neutralisieren mit Kreide [* 4] oder kohlensaurem Baryt.
Die in der einen oder der andern Weise erhaltene Glycerinlösung wird über Knochenkohle filtriert und im Vakuum verdampft. Dies Fabrikat ist niemals ganz rein und farblos, enthält oft Fettsäuren und Ameisensäure und wird daher in der Regel noch raffiniert. Man bringt es auf das spez. Gew. 1,15, behandelt es im Destillationsapparat zuerst mit Wasserdampf von 110°, um Fettsäuren zu verflüchtigen, und destilliert es dann mit Hilfe von Wasserdampf von 180-200°. Die Dämpfe werden durch Dephlegmatoren geleitet, in welchen sich reines Glycerin, weiterhin mit Wasser verdünntes Glycerin, zuletzt fast reines Wasser verdichten.
Das verdünnte Glycerin wird von neuem im Vakuumapparat verdampft. Oft kühlt man auch konzentriertes Glycerin unter 5° ab und bringt es durch Einlegen von Glycerinkristallen zur Kristallisation. Die farblosen Glycerinkristalle befreit man auf Zentrifugalmaschinen von Mutterlauge und bringt sie zum Schmelzen. Dies Präparat ist von großer Reinheit. 100 Teile Fett liefern 5-9 Proz. Glycerin. Die Unterlaugen der Seifensiedereien enthalten 0,92-1,8 Proz. Glycerin, dessen Gewinnung durch die gleichzeitig anwesenden Salze etc. sehr erschwert wird. Man kann die Unterlauge mit Schwefelsäure neutralisieren, das schwefelsaure Natron möglichst vollständig durch Kristallisation abscheiden und die Mutterlauge der Osmose [* 5] unterworfen. Man kann auch künstlich darstellen, indem man Allyljodid C3H5J mit Brom behandelt, das entstandene Allyltribromid C3H5Br3 mittels essigsauren Silbers in Essigsäuretriglycerid verwandelt und dies mit Kalilauge zersetzt.
Glycerin ist eine sirupartige, farb- und geruchlose Flüssigkeit von rein süßem Geschmack, spez. Gew. 1,26 bei 10°, erstarrt erst bei -40°, bildet aber bei 0°, besonders wenn man einen Glycerinkristall hineinlegt, farblose, sehr stark lichtbrechende Kristalle, [* 6] welche, von der Mutterlauge getrennt, bei 22° schmelzen. Das spezifische Gewicht und die Gefrierpunkte wässeriger Glycerinlösungen zeigt folgende Tabelle:
Proz. | Spezif. Gewicht | Gefrierpunkt | Proz. | Spezif. Gewicht | Gefrierpunkt |
---|---|---|---|---|---|
10 | 1,024 | -1° | 60 | 1,159 | unterhalb -35° |
20 | 1,051 | -2.5° | 70 | 1,179 | unterhalb -35° |
30 | 1,075 | -6° | 80 | 1,204 | unterhalb -35° |
40 | 1,105 | -17.5° | 90 | 1,232 | unterhalb -35° |
50 | 1,127 | -31 bis 34° | 94 | 1,241 | unterhalb -35° |
Es siedet bei 290° fast ohne Zersetzung, verdampft aber schon bei 100° merklich, besonders auch mit Wasserdämpfen, und in feiner Verteilung verflüchtigt es sich langsam bei gewöhnlicher Temperatur. Trotzdem ist es als eine nicht eintrocknende Flüssigkeit zu betrachten, welche sich auch an der Luft nicht verändert. Im luftverdünnten Raum und mit Wasserdämpfen von 180-200° ist es unzersetzt destillierbar. Auf 150° erhitztes Glycerin läßt sich leicht entzünden und verbrennt (auch am Docht) mit ruhiger blauer Flamme [* 7] ohne Geruch. Glycerin ist sehr hygroskopisch, mischt sich mit Wasser, Alkohol und Ätherweingeist, mit konzentrierter Schwefelsäure und Ätzkalilauge, aber nicht mit Äther, Chloroform, Benzin. Es löst Kalk, Baryt, Blei-, Kupfer-, Eisenoxyd, viele Salze und Alkaloide.
Glycerin verhindert die Fällung der Schwermetalloxyde durch Alkalien, so daß aus glycerinhaltiger Kupferlösung durch Ätzkali selbst beim Kochen kein Kupferoxyd abgeschieden wird. Unter bestimmten Verhältnissen ist es gärungsfähig, mit schmelzendem Kalihydrat gibt es Essigsäure, Ameisensäure und Wasserstoff, mit Phosphorsäureanhydrid erhitzt, Acrolein C3H4O . Unterwirft man ein Gemisch von Glycerin und Oxalsäure der Destillation, [* 8] so wird die Oxalsäure in Kohlensäure und Ameisensäure gespalten, ohne daß sich das Glycerin verändert; erhitzt man das Gemisch über 100°, so geht auch Allylalkohol über.
Konzentrierte Salpetersäure oxydiert Glycerin zu Oxalsäure und Kohlensäure, während ein Gemisch von rauchender Salpetersäure und Schwefelsäure explosives Nitroglycerin bildet. Konzentrierte Schwefelsäure gibt mit Glycerin Glycerinschwefelsäure, eine farb- und geruchlose Flüssigkeit, welche auch bei der Zersetzung der Fette durch Schwefelsäure und beim Raffinieren des Rüböls auftritt. In ähnlicher Weise bildet Phosphorsäure mit Glycerin die Glycerinphosphorsäure, welche sich im Gehirn, [* 9] Nervenmark, Eidotter, in den Blutkörperchen [* 10] etc. findet.
Beim Erhitzen von Glycerin mit Chlorwasserstoff [* 11] entstehen eigentümliche Substitutionsprodukte (Chlorhydrine); Jodphosphor bildet Allyljodür, aus welchem ätherisches Senföl (Allylsulfocyanür) und Knoblauchöl (Allylsulfid) dargestellt werden können. Nach seiner chemischen Konstitution ist das Glycerin als ein Alkohol zu betrachten und zwar als ein dreiatomiger. Es bildet, wie der gewöhnliche Äthylalkohol, mit Säuren zusammengesetzte Äther (Glyceride, s. d.), von denen die der fetten Säuren die natürlichen Fette bilden.
Das hat sehr ausgedehnte Anwendung gefunden, welche meist auf seiner Unveränderlichkeit in der
Kälte, seiner
Beständigkeit
an der
Luft, dem reinen, süßen
Geschmack und der Widerstandsfähigkeit gegen
Fermente beruht. Man benutzt es in großer
Menge
als
Surrogat des Braumalzes in der Bierbrauerei,
[* 12] zum
Extrahieren des
Hopfens, als Zusatz zum
Wein
(Scheelisieren),
in der Likörfabrikation, zu
Limonaden, Punschessenz,
Konfitüren, zur Schokoladenfabrikation (um das Austrocknen der
Schokolade
zu verhindern); zum
Einmachen von
Früchten, auch zur Konservierung von
Eiweiß,
Eigelb,
Fleisch, in der Mostrichfabrikation,
als Zusatz zum
Essig und
Schnupftabak findet Glycerin ausgedehnte Anwendung, ferner in der
Kosmetik zu
Coldcream,
Pomaden,
Haut- und Haar
mitteln (es macht aber das
Haar
[* 13] starr und rauh), in der
Parfümerie zur
Extraktion der zarten Blütengerüche,
welche durch
Destillation zerstört werden.
In der Technik benutzt man es bei der Anilinfarbenfabrikation, der Appretur, in der Spinnerei und Weberei [* 14] (nicht trocknende Musselinschlichte, durch welche die Weber aus den feuchten Kellern erlöst worden sind), in der Gerberei, Färberei und Zeugdruckerei, Kunstwollfabrikation, zum Feucht- und Geschmeidigerhalten von Treibriemen, Sohlleder, Modellierthon, Holzgebinden, Blase, Pergamentpapier, bei der Leim- und Gelatinefabrikation, zur Darstellung von Buchdruckwalzenmasse und elastischen Formen, in der Eisengießerei [* 15] bei der Hartgußfabrikation, in der Photographie, zum Füllen von Gasuhren (reines Glycerin vom spez. Gew. 1,13) und schwimmenden Kompassen, zum Schmieren der Uhren [* 16] und Maschinen, zum Reinhalten der Schießwaffen, zur Darstellung von Kopiertinte, Stempelfarben und Kopierpapier, in der Tapeten- und Seifenfabrikation, zu Schuhwichse, bei Warmwasserheizungen etc. Große Mengen von Glycerin ¶
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werden auf Nitroglycerin (Sprengöl, Dynamit, Dualin) verarbeitet; auch dient es zur Darstellung von Ameisensäure (zu Rumäther), Allylalkohol und ätherischem Senföl. Man benutzt es ferner zum Konservieren anatomischer Präparate und der Lymphe für Impfungen, zum Extrahieren des Pepsins, zur Darstellung von Linimenten, Salben, Einspritzungen, zum Feuchterhalten der Pillen- u. Tablettenmasse. Als äußerliches Arzneimittel benutzt man es gegen spröde, aufgesprungene, wunde Haut, [* 18] Lippen, Brustwarzen, gegen schmerzhafte Hämorrhoidalknoten, bei Vertrocknung des Gehörganges und andern Ohrenkrankheiten. In allen diesen Fällen ist das Glycerin mit etwa einem Viertel seines Gewichts Wasser zu verdünnen, weil es begierig Wasser aufnimmt und dadurch auf zarter Haut, auf den Schleimhäuten, in Wunden (wie Alkohol) ein brennendes Gefühl erzeugt.
Auch ist zu medizinischen Zwecken nur destilliertes Glycerin anwendbar, weil das raffinierte oft Oxalsäure und Ameisensäure enthält, die auch nach der Verdünnung auf wunder Haut stark brennen. Destilliertes Glycerin bleibt beim Vermischen mit einem dem seinigen gleichen Volumen reiner konzentrierter Schwefelsäure farblos und zeigt keine Entwickelung von Kohlensäure und Kohlenoxyd (mit welcher man nicht das Entweichen einzelner Luftbläschen aus dem sich erwärmenden Gemisch verwechseln darf). Innerlich benutzt man Glycerin gegen Dysenterie, katarrhalische Beschwerden, Skrofulose und Tuberkulose als Surrogat des Leberthrans. Man kann größere Mengen Glycerin ohne Schaden genießen; es scheint den Fetten ziemlich ähnlich zu wirken, wenigstens, soviel man aus der klinischen Beobachtung folgern kann, diesen ähnlicher als dem Zucker. [* 19]
Das Glycerin wurde 1779 von Scheele entdeckt und, weil aus Öl stammend, Ölsüß genannt. Chevreul erkannte das von ihm Glycerin genannte Ölsüß als ein beständiges Produkt der Verseifung von Fetten und zog daraus den Schluß, daß die Fette fettsaure Salze mit einer organischen Basis (Glyceryloxyd) seien, welche bei der Verseifung sich als Hydrat, Glycerin, abscheide. Die Arbeiten von Pelouze, Berthelot und Redtenbacher ließen dann das Glycerin als dreiatomigen Alkohol erkennen. Praktische Wichtigkeit erlangte es durch die Einführung der Zersetzung der Fette durch Kalk und überhitzten Wasserdampf in die Praxis. 1855 reinigten Wilson und Payne das Glycerin durch Destillation, und Sarg und Crookes entdeckten das Kristallisationsvermögen, welches Sarg zuerst praktisch verwertete.
Vgl. Burgemeister, Das Glycerin und seine Anwendung (Berl. 1871);
Berghaus, Das Glycerin (das. 1882);