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Fabrikation von Walzenglas gebildet und zu Lettenbach (St.-Quirin) eine Fabrik mit deutschen Arbeitern gegründet, welche zu großem Ruf gelangte und die Mutterfabrik der modernen französischen, belgischen und einiger englischer Tafelglashütten wurde. Noch heute findet sich unter den französischen Glasarbeitern eine weit überwiegende Mehrzahl deutscher Namen, und unter den terminis technicis sind viele deutsche Ausdrücke. Großes und Selbständiges leistete Frankreich im 18. Jahrh. in der Spiegelfabrikation.
Letztere gilt, wie erwähnt, für eine deutsche Erfindung; durch dal Gallo in Venedig [* 2] wurde 1507 die Herstellung geblasener Spiegel [* 3] wesentlich verbessert, um 1665 fand diese Kunst ziemlich gleichzeitig Eingang in Frankreich und England, und 1695 wurde mit französischen Arbeitern eine Fabrik für geblasene Spiegel in Neustadt [* 4] a. d. Dosse angelegt. Wahrscheinlich hat man schon im Altertum Glas [* 5] gegossen, auch wurden um die Mitte des 17. Jahrh. in England Tafeln zu kleinen Spiegeln durch Guß hergestellt; zu praktischer Brauchbarkeit erwuchs das neue Verfahren aber erst durch die Bemühungen von Lucas de Nehou, welcher 1688 in Tour la Ville bei Cherbourg [* 6] den Hafen aus dem Ofen nahm und das gegossene Glas mit einer Walze ausbreitete.
Diese Erfindung wurde einer Gesellschaft auf den Namen Thévarts patentiert, und man gründete in Paris [* 7] eine Fabrik, die bald darauf nach St.-Gobin verlegt wurde, seit 1701 mit gutem Erfolg arbeitet und die Mutter aller Gußglasfabriken der Welt geworden ist. In Österreich [* 8] legte der Graf Rechtskron 1701 mit Hilfe von Arbeitern aus St.-Gobin eine Spiegelgießerei in Neuhaus an, die 1728 an den österreichischen Staat überging; eine bedeutende Entwickelung aber fand die Darstellung von gewalztem Spiegelglas zunächst nur in England seit 1773. In Deutschland [* 9] wurde die erste Spiegelfabrik zu Stolberg [* 10] bei Aachen [* 11] 1852 gegründet.
Die ältesten Nachrichten über englische Glasindustrie datieren aus dem 15. Jahrh., zu welcher Zeit schlechtes Fensterglas dargestellt wurde. Wichtig ist die durch Mansell eingeführte Verwendung der Steinkohlen in Glasöfen um 1635, nachdem freilich schon 1619 d'Azémar in Rouen [* 12] mit Steinkohle gefeuert hatte. Im J. 1670 gründete der Herzog von Buckingham mit Hilfe venezianischer Arbeiter die erste englische Fabrik geblasener Spiegel in Lambeth. Die erste Bleikristall- oder Flintglashütte wurde zu Anfang des 18. Jahrh. angelegt. In Nordamerika [* 13] legte Hewes 1790 die erste Glashütte im Wald von New Hampshire an, aber erst seit 1803 entwickelte sich die amerikanische Glasindustrie lebhafter; 1811 konnte bereits die Hälfte des Bedarfs an Fensterglas von den eignen Hütten [* 14] gedeckt werden. Preßglas wurde bis Anfang dieses Jahrhunderts nur gelegentlich hergestellt und trat erst seit dieser Zeit als englische oder amerikanische Erfindung selbständig auf. Das Hartglas wurde 1874 von de la Bastie in Richmont (Departement Ain) erfunden, bald darauf brachten Siemens, Pieper u. a. neue Härtungsverfahren in Vorschlag, von welchen wenigstens das Siemenssche Eingang in die Praxis gefunden hat.
Aus prähistorischer Zeit fand man außer in den altitalischen Nekropolen zuerst in Hallstatt Glasperlen, die dann in der La Tène-Periode häufiger werden. Auch größere Ringe (Armbänder) sind gefunden worden. In der Römerzeit treten auch Gefäße auf, und in der merowingischen Zeit sind solche und Perlen sehr häufig und letztere oft sehr kunstvoll mosaikartig zusammengesetzt.
Die moderne Glaskunstindustrie.
(Hierzu die Tafel »Moderne Glaskunstindustrie«). [* 15]
Die Glasindustrie hat in unserm Jahrhundert, namentlich in der zweiten Hälfte desselben, seit dem Beginn der 50er Jahre, dank dem durch die Weltausstellungen erzeugten Wetteifer einen solchen Aufschwung und eine so reiche Vielseitigkeit gewonnen, daß sie sich unter den Zweigen der modernen Kunstindustrie eine erste Stellung erobert hat. In Böhmen [* 16] erzeugte man schon in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts vorzügliches Kristallglas, durch Gold [* 17] in der Masse gefärbtes Rubinglas, das dunkelblaue und tiefgrüne Glas und das milchweiße, welche Arten schon die Alten kannten.
Man verstand es auch, das
Kristallglas an der
Innen- oder Außenseite mit blassem
Rot oder
Blau zu überfangen,
es rubinrot
oder gelb zu ätzen, und hatte im
Schleifen und
Gravieren,
Vergolden und Bemalen des
Glases eine große technische
Fertigkeit.
Friedrich Egermann in Blottendorf bei
Haida führte um 1810 das
Mattschleifen des gewöhnlichen sogen. Kreideglases
ein, welches dann
Achatglas genannt wurde. Das farbige und das weiße
Beinglas, welches er später ebenfalls
mattierte, nannte er
Biskuit- und
Alabasterglas und verzierte es mit weißem oder farbigem
Email, mit
Gold- und
Bronzefarben.
Er erfand die jetzt noch vielfach geübte Gelbätzung für
Kristallglas wie die Bemalung desselben mit durchsichtiger blauer,
rosa oder violetter
Farbe, was wieder eine reiche Anwendung der Gravierung zur
Folge hatte. Um 1824 erwarb
er sich ein
Patent auf ein Edelsteinglas, das er Lithyalin benannte.
Bei demselben kam ein Beisatz von Pflanzenaschen und
Metalloxyden in Anwendung, und durch das Abätzen der Schmelzfläche
traten sehr feine Marmorierungen zu
Tage. Gegen 1830 erfand er das Rubinieren des
Glases und verbesserte später die
Emailmalereien und Vergoldungen unter
Beihilfe seines
Sohns
Ambros, welch letzterer nebst manchem andern auch das
Polieren der
Tiefgravierungen mit Korkrädern u. dgl. einführte.
Auf der gräflich Buquoyschen
Fabrik
Silberberg erzeugte man 1830 in vorzüglicher
Weise das schwarze, obsidianartige Glas der
Alten, dem man den
Namen Hyalith gab, zinnoberrotes
und achatartiges Glas. Um 1840 wurden von
Wilhelm Kralik
auf den
Johann Meyrschen
Fabriken bei
Winterberg das
Alabasterglas und die andern milchig-opaken Glasarten, die man
Aquamarin
oder
Türkis,
Beryll, Mattrosa- oder Alabasterrosaglas benannte, neu hergestellt.
Man erzielte bald, teils durch Überfangen des Beinglases, teils durch Färbung in der Masse, völlig opake grüne, gelbe, blaue und violette Glasarten. Man fand ein ganz sattes weißes Email, das sich zum Überfangen des Kristallglases wie andrer Glassorten besonders eignete, und kam so immer mehr dazu, dem Porzellan Konkurrenz zu machen, auf der andern Seite aber das mehr berechtigte Gebiet der Glasindustrie, die Kultivierung des transparenten farbigen Glases, entschiedener zu vernachlässigen.
Auch in Frankreich, dem mächtigsten Rival Böhmens in Bezug auf das farbige Glas, wurde diese verfehlte Richtung maßgebend und ist es noch bis heute geblieben. In Österreich trat ein Umschwung zum Bessern durch die Bemühungen des 1864 eröffneten österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien [* 18] ein. Lobmeyr in Wien suchte als geschulter Zeichner selbstschaffend nicht nur die Formen der Prunkgeräte und des kostbarern Glasgeschirrs, sondern auch die der gewöhnlichen Gebrauchsgegenstände mehr und mehr zu veredeln; auch brachte er mit ¶
[* 19] Fig. 1. Gläser von Lobmeyr in Wien.
Fig. 2. Französische Gläser (Baccarat).
[* 19] Fig. 3. Englische [* 20] Gläser.
[* 19] Fig. 4. Schlesische Gläser (Josephinenhütte).
[* 19] Fig. 5. Rheinische Gläser (Rauter in Ehrenfeld).
[* 19] Fig. 6. Kaiserl. russische Fabrik.
[* 19] Fig. 7. Kaiserl. russische Fabrik.
[* 19] Fig. 8. Venezianische Gläser (Salviati).
[* 19] Fig. 9. Venezian. Kronleuchter (Salviati).
[* 19] Fig. 10. Kronleuchter von Lobmeyr in Wien.
Zum Artikel »Glas (Kunstindustrie)« ^[»Glas (Moderne Glaskunstindustrie)]«. ¶
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Benutzung der besten alten Muster und durch Schaffung neuer Arten das transparente Farbenglas mannigfach zur Anwendung und verdrängte dadurch das opake Farbenglas allmählich vom Markt [* 21] (Fig. 1). Seinem Beispiel ist es zu verdanken, daß andre böhmisch-österreichische Fabrikanten dieselben Wege eingeschlagen haben. Auch auf dem Gebiet der Glaskurzwarenindustrie, der sogen. Quincaillerie, sind die Raffineure von Gablonz und Umgebung wie nicht minder ihre deutschen Rivalen in Schwäbisch-Gmünd, Pforzheim [* 22] und Hanau [* 23] bemüht, ihre mannigfachen Erzeugnisse durch dem Material entsprechendere stilvollere Formen zu veredeln.
Eine neue Erscheinung auf diesem Gebiet sind die irisierenden Gläser. Schon in Kaiser Hadrians Briefen ist von farbenwechselnden ägyptischen Gläsern die Rede. Ob diese irisierende waren, wie solche in neuester Zeit hergestellt werden, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Jedenfalls ist das kolibrigefiederartig, prächtig Schimmernde mancher antiker Glasgefäße, überhaupt das Schillernde vieler ausgegrabener alter Gläser nur ein Produkt der Verwitterung. Die sogen. irisierenden Gläser der Neuzeit verdanken ihre Entstehung einem Zufall, durch welchen man in der ungarischen Fabrik in Zlatno 1856 entdeckte, daß das Irisieren der Gläser ein Produkt metallischer Dämpfe ist. Seit 1874 wurden irisierende Gläser auch in Böhmen erzeugt und dann überall nachgeahmt.
In Frankreich brachten die Fabriken Baccarat und St.-Louis wie zahlreiche andre kleinere, gut geleitete die
Glaskunstindustrie zu fortschreitender Entwickelung. In den erstgenannten Etablissements führte man um 1830 das Preßglas ein,
wozu die weichere, bleihaltige Masse sich vorzüglich eignete. Die derart erzeugten Gefäße hatten reiche Ornamente
[* 24] auf gesandetem
Grund und waren in ihrer Erscheinung so neu und bestechend, auch verhältnismäßig so billig, daß sie epochemachend
wirkten. St.-Louis, auf elsässischem Boden, zählt nunmehr zu Deutschland. Baccarat
[* 21]
(Fig. 2) ist die bedeutendste Glasfabrik
Frankreichs geblieben, nimmt trotzdem
aber keine Führerrolle auf dem Gebiet der Glaskunstindustrie ein.
Die Glaskunstindustrie Frankreichs steht zweifellos, nicht nur was Massenartikel betrifft, sondern auch in anbetracht der feinen Erzeugnisse, auf verhältnismäßig hoher Stufe. Ihre Produkte zeichnen sich durchweg durch Eleganz und gefällige Grazie aus, leiden aber unter starker Neigung zu naturalistischen Auswüchsen. Eine erste Rolle spielt sie nicht. In England erfand man im 17. Jahrh. ein Kristallglas, das wegen seiner herrlichen Farbenbrechung richtiger den Namen Diamantglas verdiente und das bis heute nirgends gleich schön erzeugt wird.
Das böhmische Kristallglas ist die richtige Nachbildung des Bergkristalls, farblos und sowenig farbenbrechend wie der Bergkristall. Das englische Kristallglas dagegen zeigt, namentlich wenn es brillantartig geschliffen ist, ein Farbenspiel, das dem des facettierten Diamanten sehr nahekommt. Man kultivierte in England die Brillantierung des Kristallglases in hervorragender Weise, so daß man schließlich dazu kam, auch dünne Gläser mit solchem Schliff auszuführen [* 21] (Fig. 3). Das englische Glas ist nicht so weich wie das venezianische, doch ungleich weicher als das böhmische und darum auch bildsamer.
Die Engländer kultivieren auch die Gravierung des Kristallglases mit großem Aufwand, wobei sie allerdings noch sehr dem Naturalismus huldigen. Die Portlandvase [* 25] im Britischen Museum drängte die englischen Glasindustriellen zur Nachbildung. Auf der Weltausstellung von 1878 brachten Thomas Webb and Sons, A. B. Daniels and Sons und Hodgetts, Richardson and Son vorzügliche Kopien jener Vase. In Deutschland wird die Glaskunstindustrie zumeist auf der gräflich Schaffgotschschen Fabrik Josephinenhütte bei Warmbrunn in Schlesien [* 26] (Fig. 4) und durch Heckert ebendaselbst gepflegt, wo man vorwiegend die verschiedensten Sorten Farbenglas mit Malereien, dann Nachahmungen von Venezianer Fadenglasgegenständen, von Gläsern mit Perlendekorationen, von orientalischen Gläsern u. dgl. fertigt.
Auch die Steigerwaldsche Fabrik war um 1850 unter so tüchtiger Leitung, daß sie, namentlich was die milchigen Glassorten betrifft, für die damaligen Verhältnisse Mustergültiges lieferte. Eine neue Errungenschaft sind die Leistungen der Fabrik Ehrenfeld bei Köln [* 27] a. Rh. [* 21] (Fig. 5), welche die alten deutschen Römer [* 28] mit ihrem aus einem Glasfaden geringelten Fuß und andre derartige Becher, [* 29] Humpen, Weinkelche etc. mit ihren hübschen Buckeln, Butzen, Traubenansätzen etc., die römischen Krüge [* 30] mit ihren besondern Henkeln, welche in den ersten Jahrhunderten nach Christo den Rhein entlang erzeugt wurden, endlich manche Venezianer Arbeiten, welche hervorragende Glasmacherfertigkeit bedingen, wie z. B. jene mit einem frei stehenden Glasnetz umsponnenen Gefäße, ausgezeichnet nachzubilden weiß, aber auch vortreffliche freie Schöpfungen aufzuweisen hat. Die kaiserlich russische Fabrik in Petersburg [* 31] brachte auf die Weltausstellung 1873 eine Serie sehr interessanter Gefäße aus weißem, grünlichem und andersfarbigem Glas mit Emailverzierungen im frühbyzantinischen oder russischen Stil [* 21] (Fig. 6 u. 7). Die venezianische Glasindustrie [* 21] (Fig. 8) erzeugt nur Spezialitäten, wie sie allgemein in andern Ländern nicht gemacht werden.
Das venezianische Glas ist das weichste. Es lassen sich damit die feinsten und zierlichsten Gebilde schaffen; das weiße Glas ist nicht so farblos wie das Kristallglas, das man anderwärts erzeugt, und ebensowenig feurig und klar wie das blaue, grüne oder violette Glas, das man dort schmelzt, was alles jedoch den Reiz der venezianischen Gefäße eher erhöht, als vermindert. Der Hauptwert derselben liegt in der kunstvollen Glasmacherarbeit. Schliff kommt bei den venezianischen Gefäßen eigentlich nicht vor, von Gravierungen nahezu nur solche mit Diamanten, von Malereien nur wenige mit Emailfarben.
Die Artikel sind fast ausschließlich nur Ziergerät. Eigentliche Gebrauchsgegenstände werden nicht erzeugt, was vielleicht einen Vorzug, gewiß aber auch die Schwäche der venezianischen Glaskunstindustrie bildet, da, wenn einmal der Markt mit solchen Ziergefäßen übersättigt sein wird, wie dies schon einmal der Fall war, diese Industrie wieder dem Rückgang verfallen dürfte. In Venedig war in der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts die Glasfabrikation, [* 32] mit Ausnahme der Erzeugung von Perlen und andrer kleinerer Gegenstände, auf das tiefste gesunken.
Wohl hatte Lorenzo Radi sich schon vor 1840 mit Geschick und einigem Erfolg bemüht, die Technik der Glasmosaik wieder zu erwecken; der Schöpfer der neuen Epoche der venezianischen Glaskunstindustrie wurde indes Salviati. Begeistert durch die herrlichen alten Leistungen, die er in den verschiedenen Sammlungen gesehen hatte, entschloß er sich 1859, dahin zu wirken, daß die Kunstfertigkeit der Väter wieder erreicht werde. Er zog Radi und einige andre der tüchtigern Glasarbeiter heran und sammelte mit rastlosem Eifer aus alten Schriften und Überlieferungen die Behelfe, um ¶