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Formen für Zinn- und Bronzegießereien, für Galvanoplastik [* 2] etc. Namentlich werden auch Abgüsse von Bildhauerarbeiten, Münzen [* 3] etc. aus Gips [* 4] hergestellt. Man rührt den Gips mit 2,5 Teilen Wasser schnell zu einem gleichmäßigen Brei an und gießt diesen unter Vermeidung von Luftblasen in die Form, die unter Umständen, um das Anhaften des Gipses zu vermeiden, sorgfältig mit Öl eingerieben werden muß. In andern Fällen ist der Gegenstand, von welchem ein Abguß hergestellt werden soll, durch einen Lackanstrich vor der Nässe des Gipsbreies zu schützen. Um das Erhärten des Gipsbreies zu verzögern, setzt man 2-4 Proz. gepulverte Eibischwurzel zu oder rührt den gebrannten Gips mit Leimwasser an, in welchem man etwas Zinkvitriol gelöst hat. Er erhält dadurch auch größere Härte, wird etwas durchscheinend und marmorartig.
Auch durch Borax [* 5] kann man das Erhärten des Gipses bedeutend verzögern. Man benutzt hierzu eine gesättigte Boraxlösung und verdünnt dieselbe mit um so weniger Wasser, je länger der Gipsbrei weich bleiben soll. Wenn man 1 Volumen Boraxlösung mit 12 Volumen Wasser mischt, so wird das Erhärten um ungefähr 15 Minuten verzögert; nimmt man auf 1 Volumen Boraxlösung 8 Volumen Wasser, so wird das Erhärten um 50 Minuten verzögert, und bei Anwendung gleicher Volumen Boraxlösung und Wasser erstarrt der Gips erst nach 10-12 Stunden.
Zum Färben von Gipsabgüssen benutzt man intensive Saftfarben. Körperfarben muß man in so großer Menge zusetzen, daß die Festigkeit [* 6] des Abgusses beeinträchtigt wird. Über das Bronzieren von Gipsabgüssen s. Bronzieren, über die Herstellung der Elfenbeinmasse s. Enkaustieren. Um Gipsabgüsse abwaschbar zu machen, legt man sie 24 Stunden in eine Barytlösung, wäscht sie sorgfältig ab und läßt sie 3-4 Tage bei Zimmertemperatur trocknen. Dann bringt man sie etwa 30 Minuten in eine heiße Seifenlösung (1:15-20), wäscht und trocknet sie in einer Trockenstube.
Gegen Witterungseinflüsse schützt man Gipsabgüsse, indem man sie erwärmt und wiederholt mit einer heißen Mischung aus Wachs und Leinöl tränkt, bis sie nichts mehr davon aufnehmen. Da hierdurch aber die Farbe unansehnlich wird, muß man sie schließlich bronzieren. Um unsauber gewordene Gipsfiguren zu reinigen, kann man sie mit Stärkewasser und Kremnitzer Weiß oder besser noch mit Permanentweiß anstreichen. Letzteres verschmiert die feinsten Vertiefungen durchaus nicht und ist deshalb besonders zu empfehlen.
Nach einem andern Verfahren kocht man von Stärke [* 7] einen sehr dicken Kleister und streicht diesen auf die Gipsoberfläche, welche vorher durch Abblasen und mittels eines zarten Federbesens von lose anhängendem Staube befreit ist. Der Anstrich wird mittels eines weichen Borstenpinsels aufgetragen und mehrmals wiederholt. Nach dem vollständigen Trocknen löst er sich von selbst, der Kleister blättert ab, und die Reste desselben können nötigen Falls durch leichte Nachhilfe entfernt werden; die Schmutzteile werden dabei von dem trocknen Kleister, an welchem sie festgeklebt sind, mit fortgenommen.
Gegossener hat eine nur sehr mäßige Härte und läßt sich mit dem Fingernagel ritzen. Härtere Massen werden erhalten, wenn man den Gips mit einer Lösung von 1 Teil Alaun [* 8] in 12-13 Teilen Wasser vollständig tränkt, trocknet, dann wieder brennt und nun mit ebenso starker Alaunlösung anrührt und wie gewöhnlich verfährt. Dies zweite Brennen muß aber bei einer die Rotglut erreichenden Temperatur geschehen und darf nicht zu schnell unterbrochen werden. Der alaunhaltige Gips ist bedeutend härter als der gewöhnliche, nimmt eine vorzüglich gute Politur an und ist weiß mit einem Stich ins Isabellfarbige;
an dünnen Teilen und Kanten erhalten die Abgüsse eine Art Durchscheinenheit, welche ihnen das Ansehen von Alabaster oder Marmor gibt;
sie können mit einem nassen Tuch abgewaschen werden, ohne im mindesten darunter zu leiden;
ja, selbst langes Liegen im Wasser und der Einfluß der Witterung bewirken keine Veränderung. Vgl. Zement. Auch wenn man statt des Wassers saure Milch samt den Molken zum Anmachen des Gipses nimmt, erlangen die Abgüsse in 24 Stunden eine bedeutende Härte. Bringt man den gebrannten in eine um ihre Achse sich drehende Trommel und leitet in diese Wasserdampf, so behält der Gips seine Pulvergestalt, nimmt aber allmählich um 28 Proz. an Gewicht zu. Füllt man ihn nun in Formen und komprimiert ihn in denselben durch kraftvolle hydraulische Pressen, so erhält man äußerst scharfe und harte Abgüsse, die sich wie Marmor polieren lassen.
Die Formen müssen aber aus Metall gefertigt und sehr stark sein. Sehr gut wirkt auch der Teer, welcher leicht in den porösen Gips eindringt und auch an die Stelle des Hydratwassers tritt, wenn der in ein Teerbad getaucht wird, dessen Temperatur ohne Nachteil auf 300-400° C. steigen kann. Gepulverter roher Gips erstarrt mit einer konzentrierten Lösung von schwefelsaurem Kali so schnell, daß man die Lösung verdünnen muß, wenn man einen Brei bilden will. Ätzkali und kohlensaures Kali wirken ebenso und bilden Massen, die in ihrer Härte dem gewöhnlichen gebrannten und mit Wasser angerührten Gips gleichkommen. Zerstößt man diese Massen, so erhärtet das Pulver abermals, wenn man es mit schwefelsaurem Kali oder kohlensaurem Kali anrührt. Ein halb gelöschter Gips läßt sich also noch gut verwenden, wenn man beim Anrühren desselben mit Wasser etwas Pottaschenlösung hinzusetzt. Ein Gemisch von feinem Gips und gepulvertem Gipsspat (Frauenglas) mit Leimwasser gibt die zu ornamentalen Zwecken verwendbare Scagliola.
Gips als Baumaterial.
Man benutzt den gebrannten auch in großer Menge zu den Stuckaturarbeiten: Stuck, Stuckmarmor, Stucco lustro, zu Estrichen, Kitten und Mörtel. Die letztere Verwendungsweise ist sehr alt, und in denjenigen Gegenden, wo der körnige und dichte Gipsstein gebrochen wird, ist der Gipsbrei als vortreffliches, ja bestes Bindemittel bei Mauerwerken allgemein gebräuchlich, während der Kalkmörtel nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es fehlt auch nicht an Beispielen, daß der Gipsmörtel bei richtiger Anwendung sich wenigstens ebensogut hält und erhärtet wie der Kalkmörtel.
Bei Osterode [* 9] befindet sich eine bereits 1530 zerstörte Burg, welche mit Gipsmörtel erbaut worden ist, der heute dem Hammer [* 10] besser widersteht als die Bruchsteine, denen er als Bindemittel dient. In Frankreich und namentlich in der Umgegend von Paris [* 11] findet der Gips als Baumaterial eine überaus ausgedehnte Anwendung; außer zum Putz im Innern der Gebäude wird der reine Gipsmörtel ebensowohl als Bindemittel fast zu allen Umfassungsmauern wie auch zum Abputz der Fassaden etc. verwendet; ebenso wird im nördlichen Deutschland [* 12] der unter dem Namen »Lüneburger [* 13] Kalk« grob gemahlene unreine Gips vielfach zu Arbeiten in freier Luft und sogar unter Wasser verwendet. Nach vielfachen Erfahrungen besitzt der Gips die vorzügliche Eigenschaft, durch den Frost nicht zu leiden; er zeigt nicht die geringsten Abblätterungen, und man ¶
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kann ihn als Baumaterial selbst bei -5° bis -10° verarbeiten. Auf Grund dieser Thatsachen hat man in neuerer Zeit den Gips als Baumaterial wieder empfohlen, und eine Art Gipsbeton wurde seit mehreren Jahren unter dem Namen Annalith mit dem günstigsten Erfolg vielfach zu bedeutenden Bauten verwendet. Der Annalith besteht aus einer Mischung von scharf gebranntem, langsam bindendem Osteroder Gips mit reinem, scharfem Sand oder Grand und größern erdfreien Steinen (Flußkieseln, Abfällen von Bruchsteinen, Backsteinschrotten etc.). Er wird in eigentümlich zusammengesetzte Formen gegossen, in denen er bald die Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Wetterbeständigkeit der alten Gipsmauerwerke erlangt.
Bisweilen formt man auch aus Gips zunächst Quadern, die dann wie gewöhnlich benutzt werden. Fermin hat aus den Brocken alter Mauern, die er in einen Kasten schüttete, und deren Zwischenräume er mit gutem dünnen Gips ausgoß, große Bausteine gefertigt, die in wenigen Tagen zum Vermauern brauchbar waren. Das Hôtel de Plâtres (Rue Grenelle) in Paris, aus derartigen Quadern gebaut, war nach 80 Jahren ohne Borsten, Risse und Senkung. In den Jahren 1858 und 1859 wurden am Harz verschiedene Gebäude in Gipsquadern ausgeführt, die sich sehr gut bewährt haben; auch hat man dort hohle Quadern angefertigt, indem man Kernstücke in die Formen setzte. Gewölbe, [* 15] Treppen [* 16] und Plafonds wurden mit großem Vorteil aus Annalith hergestellt; ebenso hat man Dampfmaschinenschornsteine, Anschlagsäulen, Dampftrockenöfen u. dgl. aus Annalith gebaut, und alle Erfahrungen sprechen dafür, daß diese Bauweise eine bedeutende Zukunft haben wird, zumal wir in Deutschland ausgedehnte Gipslager besitzen, welche den Bedarf auf lange Zeit zu decken im stande sind. Über die Benutzung des Gipses zu Zement s. d.
Der Gips und seine große Verwendbarkeit waren schon den Alten bekannt. Herodot erzählt von den Äthiopiern, daß sie ihre getrockneten Leichname durchaus übergipsten und schön anmalten. Der Mörtel der großen Cheops-Pyramide besteht zu 83 Proz. aus auch Vitruv und Plinius sprechen von der Benutzung des Gipses zu Bauzwecken, und letzterer erzählt, daß Lysistratos aus Sikyon zuerst einen Gipsabguß von einem menschlichen Gesicht [* 17] genommen und in die Form Wachs gegossen habe.
Mit Gipsspat bestreute man bei den circensischen Spielen den Boden, und auf ähnliche Weise benutzte später der gläubige Sinn des Volkes den farblosen, durchsichtigen Gipsspat als Symbol der Reinheit und Keuschheit und schmückte mit demselben die Statuen der Maria (Marienglas). Die großen Tafeln des spanischen Gipsspats dienten den Alten als Glastafeln. Später geriet die Kunst, in Gips zu arbeiten, in Vergessenheit und soll zuerst von Margaritone um 1300 in Italien [* 18] wieder erfunden worden sein.
Vervollkommt ward sie namentlich durch den Maler Nani zu Zeit Raffaels, wie die vielen herrlichen Stuckarbeiten im Vatikan [* 19] beweisen. In Deutschland wurde der in der Mitte des 17. Jahrh. zu gewöhnlichen Arbeiten vielfach benutzt; die Aufnahme der Stuckarbeiten datiert aber hier und in Frankreich erst von dem Anfang des 18. Jahrh., worauf sie dann, namentlich in der Rokokozeit, eine großartige Rolle spielte.
Vgl. Heusinger v. Waldegg, Der Gipsbrenner, Gipsgießer und Gipsbaumeister (Leipz. 1867);
Hüttmann, Der Gipser (3. Aufl., Weim. 1886);
Gottgetreu, Physische und chemische Beschaffenheit der Baumaterialien, Bd. 2 (3. Aufl., Berl. 1881).