einführende (consuetudo introductiva s. constitutiva), d. h. eine
solche, welche eine neue, noch nicht bestandene Rechtsnorm einführt, und in abändernde (consuetudo abrogatoria), d. h.
eine solche, welche das bestehende
Recht abändert.
Letztere kann ihre
Wirkung aus zweierlei verschiedene
Arten äußern, nämlich
entweder im Weg eines bloßen Aufhebens, Entwöhnung (desuetudo), oder im Weg der Einführung einer entgegengesetzten
Gewohnheit (consuetudo correctoria).
Jede
Gewohnheit kann ihre bindende
Kraft
[* 2] und Wirksamkeit nur auf denjenigen
Kreis
[* 3] oder diejenige
Klasse von
Personen erstrecken,
für welche sie sich unter dem Dasein ihrer rechtlichen Erfordernisse gebildet hat. Sie kann daher je nach dem äußern
Umfang
ihrer Entstehung in geographischer Hinsicht bald als gemeine, bald als partikuläre, bald nur als lokale
Gewohnheit erscheinen und ebenso bald für alle, bald
nur für gewisse
Klassen von
Personen bestehen. Innerhalb des
Kreises aber,
auf welchen sich ihre Wirksamkeit bezieht, hat sie die volle Gültigkeit eines ausdrücklichen
Gesetzes und zwar nicht bloß
für solcheRechtsfälle, die von den geschriebenen
Gesetzen nicht entschieden werden, sondern auch als
abändernde
Gewohnheit in den beiden vorhin bezeichneten
Arten.
Eine Ausnahme erleidet das letztere dann, wenn die abzuändernde Rechtsnorm auf einem absolut gebietenden oder verbietenden
Gesetz beruht, indem durch
Gewohnheit eine einem solchen
Gesetz entgegenstehende Rechtsnorm nicht gebildet werden kann.
Damit eine
Gewohnheit rechtsverbindliche
Kraft erhalte, ist erforderlich: daß sie nicht unvernünftig sei;
daß sie längere
Zeit hindurch beobachtet worden sei;
daß dies mit dem
Bewußtsein der
Notwendigkeit, also weder zufällig noch aus irgend
einem andern
Grund, geschehen sei;
daß eine Mehrheit von
Handlungen vorliege, und daß endlich dieGewohnheit
ununterbrochen beobachtet worden sei.
Einige Rechtslehrer fordern noch landesherrliche
Genehmigung, andre den
Ablauf
[* 4] der Verjährungszeit.
Es sind jedoch diese Erfordernde in den
Gesetzen nicht begründet, und ebensowenig bedarf es zur gesetzlichen
Kraft eines Gewohnheitsrechts
des Umstandes, daß vor den
Gerichten bereits auf dieselbe erkannt worden sei. Heutzutage pflegen Gewohnheitsrechte am
häufigsten im
Staats- und
Völkerrecht zu entstehen. Jedoch haben die neuern Kodifikationen, wie das preußische allgemeine
Landrecht, der
Code Napoléon und das österreichische allgemeine bürgerliche
Gesetzbuch, gegenüber dem Gewohnheitsrecht eine abwehrende
Stellung eingenommen. Am weitesten geht das bürgerliche
Gesetzbuch für das
KönigreichSachsen,
[* 5] welches das Gewohnheitsrecht überhaupt nicht
als Rechtsquelle anerkennt, und selbst das allgemeine deutsche
Handelsgesetzbuch läßt das Gewohnheitsrecht nur beschränkt
zu. Auf dem strafrechtlichen Gebiet kann Gewohnheitsrecht nur noch in der Gestalt des
Gerichtsgebrauchs zur Geltung kommen.
Vgl.
Puchta,
Das Gewohnheitsrecht
(Erlang. 1828-37, 2
Tle.);
[* 1] über einem teilweise oder ganz von
Mauern umschlossenen
Raum aus keilförmigen
Steinen zusammengesetzte, frei
schwebende
Decke.
[* 9] Diejenigen Teile der Umfassungsmauern, auf welche der gesamte
Druck desGewölbes wirkt,
und welche durch ihre
Stabilität dem Seitendruck desselben entgegenwirken, heißen
Widerlager, die andern
Mauern dagegen, welche
von den anschließenden Teilen des Gewölbes keinen Seitendruck erleiden,
Stirn- oder
Schildmauern.
Ein Gewölbe besteht demnach aus zwei konstruktiv wesentlichen Teilen: den
Widerlagern und der eigentlichen Wölbung. Der in der
letztern entwickelte Seitendruck erfordert um so stärkere
Widerlager, je größer er selbst ist, und
je höher die letztern sind. Jener Seitendruck wird aber um so größer, je geringer die
Höhe des Gewölbes im
Verhältnis
zu seiner
Spannweite und je größer sein eignes
Gewicht samt seiner Belastung ist. Dem in dem Gewölbe entwickelten Seitendruck
muß die
Dicke in seinem höchsten Teil, dem
Scheitel, entsprechen, welche dem vom
Scheitel nach dem
Widerlager hin zunehmenden
Gewölbedruck gemäß, wenigstens bei weiter gespannten Gewölben, ebenfalls zunehmen muß.
Teile der Gewölbe. Die Keilsteine, welche die Gewölbe bilden, nennt man
Wölbsteine. Die Zahl derselben ist in den meisten
Fällen ungerade;
der in dem
Scheitel des Gewölbes befindliche
Wölbstein s
[* 1]
(Figur 1) heißt
Schlußstein, jeder der beiden untersten auf dem
Widerlager ruhenden
Wölbsteine a Anfänger. Die beiden rechts und links von der durch den
Scheitel des Gewölbes gehenden
Lotrechten
befindlichen Teile g nennt man Gewölbschenkel. Die Innenfläche l des Gewölbes heißt
Leibung, seine
Außenfläche
Rücken, seine vordere und hintere lotrechte Begrenzungsfläche
Stirn. Die geneigten
Flächen, womit die
Wölbsteine
sich berühren, nennt man Lagerfugen, die lotrechten Berührungsflächen derselben
Stoßfugen. Die Form und
Stärke
[* 10] der Gewölbe ergibt
sich durch deren innere und äußere Wölblinie, auf welch ersterer die Lagerfugen in den meistenFällen
senkrecht stehen. Die zu den
Widerlagern parallele Mittellinie des Gewölbes heißt
Achse.
Formen der Gewölbe. Ist die innere Wölblinie ein
Halbkreis, so entstehen die Halbkreisgewölbe, ist dieselbe ein Kreissegment, die
Segment- oder Stichbogengewölbe; ist dieselbe aus mehreren Kreissegmenten zusammengesetzt, so entstehen, wenn diese
tangential ineinander übergehen, Korbbogengewölbe und, wenn diese im
Scheitel einen
Winkel
[* 11] bilden, Spitzbogengewölbe.
Gewölbe, deren innere Wölblinie eine
Ellipse
[* 12] bildet, heißen elliptische, solche, deren innere Wölblinie eine
Gerade bildet, scheitrechte.
Unter den
Formen der Gewölbe, welche von einer gewissen Belastung derselben abgeleitet sind, z. B.
bei gewölbten
Brücken,
[* 13] sind die Klinoidengewölbe hervorzuheben, deren Belastung gerade und zwar gewöhnlich
horizontal abgeglichen ist. Über andre als die hier genannten
Formen der innern Wölblinie s.
Bogen.
[* 14] Gewölbe mit ungleichen Gewölbschenkeln
sind unsymmetrische, solche mit Einem Gewölbschenkel einhüftige.
Erhält ein Gewölbe zwei gleich hohe parallele
Widerlager, so entsteht das
Tonnengewölbe, dessen
Leibung nach
einem
Halbkreis, Segmentbogen,
Korbbogen,
Spitzbogen, nach einer
Ellipse oder nach einem andern
Bogen geformt
sein kann. Ein
Tonnengewölbe ist gerade, wenn dessen Stirnflächen auf dessen
Achse senkrecht, und schief, wenn sie zu dessen
Achse geneigt sind. Im erstern
Fall erhält das
Tonnengewölbe einen rechteckigen, im letztern einen rautenförmigen
Grundriß,
wenn die Stirnflächen parallel, und einen paralleltrapezförmi-
gen Grundriß, wenn dieselben nicht parallel sind. Wird ein Tonnengewölbe durch zwei lotrechte, über den beiden Diagonalena d und b c
[* 15]
(Fig. 2) seines Grundrisses errichtete Ebenen geschnitten, so entstehen an den beiden Stirnseiten zwei sogen. Kappen
K K und an den beiden Widerlagerseiten zwei sogen. Wangen oder Walme W W. Die erstern besitzen je ein
Gewölbschild a b g und c d f, je eine Scheitellinie e g und e f und je zwei Widerlagspunkte a, b undc, d, die letztern je eine
Widerlagslinie a c und bd und je einen Scheitelpunkt e. Die Durchschnittslinien a e d und bec jener senkrechten
Ebenen mit der Leibung des Tonnengewölbes nennt man Gratbogen.
Werden die beiden Wangen jenes Tonnengewölbes durch zwei Kappen mit gleichem Gratbogen ersetzt
[* 15]
(Fig. 3), so entsteht das Kreuzgewölbe;
werden die beiden Kappen jenes Tonnengewölbes durch zwei Wangen mit gleichem Gratbogen ersetzt
[* 15]
(Fig. 4), so entsteht
das Klostergewölbe. Ein Kreuzgewölbe besitzt mithin vier Schildbogen agb, ahc, cfd, bid, zwei Scheitellinien gf und hi,
vier Widerlagspunkte a, b, c, d und vier innen erhabene Grate a e, b e, c e, d e; ein Klostergewölbe einen Scheitelpunkt e, vier
Widerlagslinien a b, b d, d c, c a und vier innen vertiefte Grate a e, b e, c e, d e. Schließt man die Enden
eines Tonnengewölbes durch zwei halbe, ihm entsprechende Klostergewölbe ab, so entsteht das Muldengewölbe
[* 15]
(Fig.
5). Wird das Muldengewölbe unterhalb seiner Scheitellinie e e' durch eine wagerechte Ebene geschnitten, dessen Scheitellinie
also durch eine wagerechte Flächea' b' c' d' ersetzt, so entsteht das zur Plafondmalerei geeignetere Spiegelgewölbe
[* 15]
(Fig. 6). Das Kuppelgewölbe läßt sich als ein Klostergewölbe über polygonalem oder kreisförmigem
Grundriß betrachten, indem es ebenfalls nur einen Scheitelpunkt und den ganzen Umfang seines Grundrisses zur Widerlagslinie
hat. Wird ein Kuppelgewölbe mit
kreisförmigem Horizontalschnitt über einem quadratischen Grundriß
aufgeführt, so entsteht die Hängekuppel mit vier dreieckigen Zwickeln a h g, b g i, d l f, c f h
[* 15]
(Fig. 7) in den Ecken (Pendentifs,
s. d.). Sehr flache Hängekuppeln nennt man böhmische Gewölbe. Ihre Form gleicht der eines an vier Zipfeln in gleicher
Höhe festgehaltenen, nach oben aufgeblähten Tuches. Wird die Kuppel im Scheitel e nicht vollkommen geschlossen, sondern über
der verbliebenen Öffnung ein oben besonders abgeschlossener Lichtschacht aufgeführt, so erhält man die Kuppel mit Laterne.
Das Sterngewölbe
[* 15]
(Fig. 8 u. 9) erscheint als ein Kreuzgewölbe, worüber
die einzelnen im Grundriß dreieckigen Gewölbeflächen nach demselben Prinzip überwölbt werden. Wird
nämlich über einem solchen dreieckigen Gewölbefeld a b e
[* 15]
(Fig. 8) ein Scheitelpunkt i angenommen und aus den drei Eckpunkten
Grate zweiter Ordnunga i, b i, e i nach demselben hingeführt, so entsteht ein weiteres Kreuzgewölbe. Durch Einschaltung solcher
sekundären Kreuzgewölbe auch in die übrigen Gewölbefelder h, f, g entsteht die mehr oder minder gleichmäßige
Sternform, welche diesem Gewölbe den Namen gegeben hat. Durch reichere Kombinationen der Gewölberippen entstanden die Netzgewölbe
[* 15]
(Fig. 10). Denkt man sich die vier Grate eines Kreuzgewölbes um vier durch ihre Widerlagspunkte ab cd
[* 15]
(Fig. 12) gefällte
Lotrechte gedreht, so entstehen vier kelchartige Gewölbeflächen, welche einen in vier Spitzen auslaufenden
Zwischenraum offen lassen. Werden nach jenen vier Flächen Gewölbe ausgeführt und jener Zwischenraum durch ein scheitrechtes Gewölbe geschlossen,
so entstehen die sogen. Fächer- oder Trichtergewölbe
[* 15]
(Fig. 11 u. 12).