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zu betrachten sein, der die schwächere und allmähliche elektrische Ausgleichung benachbarter Wolken begleitet, wenn unter den begünstigenden Umständen der Feuchtigkeit und der verdünnten Luft diese Ausgleichung leichter und früher erfolgt, als daß erst ein Blitz die trennenden Luftschichten zu durchbrechen hätte. Ähnliches bemerkt man an der feuchten Scheibe der Elektrisiermaschinen, oder wenn ein Funke in eine Glasröhre mit verdünnter Luft überschlägt.
In den bei weitem meisten Fällen ist aber das Wetterleuchten nichts andres als das Blitzen von einem fernern Gewitter. Man kann annehmen, daß in gewöhnlichen Fällen der Donner bis zu einer Entfernung von 2½ Meilen gehört wird. Nehmen wir nun an, daß der Blitz in einer Höhe von 1800-1900 m oder etwa ¼ Meile über dem Ort entsteht, der ihn im Zenith hat, so sehen wir ihn in einer Entfernung von 2½ Meilen nur noch niedrig am Horizont, [* 2] er wird sich in diesem Fall bis etwa 6° über denselben erheben.
Bei einer Entfernung von 20 Meilen würden wir, jene Höhe des Gewitters vorausgesetzt, den Blitz eben noch an der Grenze unsers Horizonts aufleuchten sehen. Alle Gewitter, welche sich über der ganzen großen Ringfläche entladen, die zwischen den Kreisen vom Radius 2½ Meilen und 20 Meilen eingeschlossen liegt, werden uns als Wetterleuchten erscheinen, indem wir den Donner nicht hören können und die Blitze in der Nähe des Horizonts bis etwa 6° über ihm erblicken. Diese Ringfläche ist über 60mal so groß wie der Kreis [* 3] von 2½ Meilen Radius, und daher muß man im Durchschnitt ebensovielmal mehr ein Wetterleuchten am Horizont sehen, als sich ein Gewitter über dem innern Kreis entladet. Übrigens muß man das wetterleuchtende Gebiet selbst noch größer annehmen, da man aus Erfahrung weiß, wie tief manchmal der Ort einer Lichterscheinung, die noch über dem Horizont zu liegen scheint, unter dem Horizont des Beobachtungsortes liegt. Hiermit stimmt es überein, daß manches Gewitter, welches, weither kommend, langsam über uns aufsteigt und wegzieht, zuerst in wetterleuchtenden Blitzen sich ankündigt, wie zuletzt damit aufhört.
Verletzungen. Blitzableiter etc.
Verletzungen durch den Blitz sind im allgemeinen nicht selten und meist unmittelbar tödlich. In einigen Fällen, in welchen Menschen vom Blitz niedergeworfen und betäubt wurden, hatten dieselben später keinerlei Erinnerung an die Empfindung des Blitzschlags. Vom Blitz Erschlagene befinden sich häufig in derselben Lage, welche sie unmittelbar vor dem Schlag hatten, und fast nichts deutet bei ihnen die furchtbare Wirkung des Blitzes an. Punkt- oder spritzförmige Fleckchen oder Streifen, seltener runde, blutunterlaufene Male, und teilweise Versengungen der Haare [* 4] sind die einzigen äußern Zeichen am Körper der vom Blitz Erschlagenen.
Auch im Innern werden die Organe in auffallender Weise niemals verletzt. Gegenwärtig nimmt man meist an, daß der Tod beim Blitzschlag eine Folge der heftigen Erschütterung des Nervensystems und der Vernichtung seiner Reizbarkeit sei. Ein Blitzstrahl, den man sieht, ist nicht mehr zu fürchten. Nach den Ermittelungen des Statistischen Bureaus in Berlin [* 5] war die Zahl der Blitzschläge, durch welche im preußischen Staat Menschen vom Blitz getroffen wurden:
Durchschnittlich wurden demnach im preußischen Staat in einem Jahr 111 Personen vom Blitz getroffen und zwar 103 tödlich.
Um die Gefahr, vom Blitz erschlagen zu werden, zu vermindern, kann man während eines Gewitters folgende Vorsichtsmaßregeln beobachten: Man hüte sich besonders, in Gebäuden in einer unterbrochenen Leitung die vorhandenen Lücken mit seinem Körper auszufüllen. Solche Stellen sind unter Kronleuchtern, welche in metallenen Ketten hängen, unter Drahtzügen, in der Küche unter dem Rauchfang, da der Ruß im Schornstein ein guter Leiter ist. Auch die Nähe von Spiegeln, welche mit Metall belegt sind, von eisernen Stangen in Fenstern und überhaupt von größern Metallmassen kann die Gefahr vermehren.
Der beste Platz ist in der Mitte eines geräumigen und hohen Zimmers. Da Zugluft, zumal trockne, die Gefahr nicht vergrößert, so ist das Schließen der Fenster eines mit Menschen angefüllten Zimmers, wodurch die Schwüle und Beklommenheit und die Gefahr des Erstickens in dem Fall, daß wirklich ein Blitzstrahl in das Zimmer dringen sollte, vermehrt werden, zu widerraten. Auf der Straße ist man in der Nähe von Mauern, namentlich unter Thorwegen, mehr gefährdet als in der Mitte; besonders sind solche Stellen, wo das Wasser von den Dächern in starken Güssen niederstürzt, zu meiden. Bekannt ist, daß im Freien öfters Menschen unter Bäumen erschlagen worden sind, nach Boudin 1853 in Frankreich von 34 Personen 15, nur weil sie sich unter Bäume geflüchtet hatten. Man hat sich daher beim Gewitter stets in gewisser Entfernung von Bäumen, 5-6 m von den äußersten Zweigen, zu halten. Schnelles Laufen vermehrt die Gefahr wohl kaum.
Für Gebäude und Schiffe [* 6] gewährt den besten Schutz gegen das Gewitter der Blitzableiter (s. d.). Bald nach Franklins erstem Versuch wurde, wie oben mitgeteilt, vielfach und in großartigem Maßstab [* 7] mit der Elektrizität [* 8] der Gewitterwolken experimentiert; Richman in Petersburg [* 9] fiel 1753 als Opfer seiner wissenschaftlichen Bestrebungen. Franklin beutete alsbald die neue Entdeckung aus, und schon 1753 schlug er die Konstruktion des Blitzableiters vor, um durch die Wirkung der Spitzen die Gewitterwolke langsam zu entladen. Im J. 1754 wurde in Mähren [* 10] der erste Blitzableiter errichtet, seine Einrichtung aber sehr bald durch Reimarus wesentlich verbessert.
Im allgemeinen kann angenommen werden, daß ein sorgfältig konstruierter Blitzableiter die Zahl der Blitzschläge vermindert. Wenn nämlich eine Gewitterwolke, z. B. eine positiv elektrische, über der Erde schwebt, so zieht dieselbe, wie schon erwähnt, durch Verteilung die negative Elektrizität nach dem zunächst unter ihr gelegenen Teil der Erdoberfläche und stößt die positive ab, und zwar erhalten die Körper auf der Erde eine um so größere negative Spannung, je weiter sie emporragen, und je bessere Leiter sie zugleich sind.
Dafür wird aber auch für sie die Gefahr, vom Blitz getroffen zu werden, um so größer. Versieht man nun diese hervorragenden Körper mit Spitzen, so strömt fortwährend die starke negative Spannungselektrizität aus und neutralisiert sich mit der positiven der Wolke. Auf diese Art wird der Erde die an ihrer Oberfläche angehäufte Spannungselektrizität entzogen und zugleich die der Wolken damit unschädlich gemacht. Daß auf diese Weise die Zahl der Blitzschläge wesentlich verkleinert wird, ist in neuester Zeit namentlich von Duprez in Abrede gestellt, weil die Elektrizität, welche durch eine einzige Spitze des Blitzableiters zur Ausgleichung gelangt, ¶
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verschwindend gering ist gegen die Elektrizität, welche dem Prozeß der Wolkenbildung ihre Entstehung verdankt. Jedenfalls ist zuweilen die Elektrizitätsspannung so stark, daß die Spitzenwirkung, welche ein Blitzableiter ausübt, zur Neutralisierung der beiden entgegengesetzten Elektrizitäten nicht ausreicht. Aber wenn dann auch eine Entladung durch einen Blitz stattfindet, so wird doch nur der Blitzableiter, sobald derselbe gut angelegt ist, davon betroffen, und das Gebäude selbst wird um so mehr vor Zerstörung geschützt sein, je größer die Leitungsfähigkeit des Blitzableiters ist.
Den bekannten Thatsachen gemäß kommt die verteilende Wirkung, welche eben geschildert wurde, nur dann merklich zum Vorschein, wenn der betreffende Teil der Erdstrecke, der noch von der Gewitterwolke beeinflußt werden kann, auf ausgedehnten Wasserstrecken ruht; dagegen kommen Blitzschläge in solchen Gegenden, wo das unterirdische Wasser sehr tief unter der Oberfläche liegt, entweder gar nicht oder wenigstens nur dann vor, wenn durch heftige Regengüsse eine leitende Verbindung mit dem Grundwasser [* 12] schon hergestellt worden ist.
Der Weg also, den ein Blitzschlag gewöhnlich nimmt, ist in der Regel schon durch die Terrainbeschaffenheit sowie durch die Leitungsstrecke zwischen dem unterirdischen Wasser und dem hervorragendsten Teil des oberirdischen Objekts vorgeschrieben. Von großer Wichtigkeit ist es, daß man sich stets davon überzeugen kann, ob sich der Blitzableiter in gutem Zustand befinde. Denn da das Metall, zumal das Eisen, [* 13] der Zerstörung durch Atmosphärilien ausgesetzt ist, so gibt der Umstand, daß der Blitzableiter einmal tadellos war, keine Garantie, daß er nach einer gewissen Zeit noch in demselben guten Zustand sich befinde. Im J. 1869 wurde sogar in Oberleitensdorf beobachtet, daß der Blitz, welcher in die auf einer Schlosserei errichtete Auffangestange des Blitzableiters fuhr, 8 cm vom Erdboden von der starken Ableitungsstange absprang, die 60 cm dicke Mauer durchbohrte und durch den Arbeitssaal fuhr, ohne andre Spuren zu hinterlassen, als einige Arbeiter umzuwerfen. Das Abspringen des Blitzes von der vor kurzer Zeit mit großer Sorgfalt hergerichteten Leitung kann nur durch die in der Werkstätte aufgehäuften Eisenmassen hervorgebracht sein. Ein Mittel zu einer Prüfung der Blitzableiter liefert uns der galvanische Strom (s. Blitzableiter).
In neuerer Zeit ist vielfach konstatiert worden, daß die Blitzschläge in Gebäude gegen früher zugenommen haben; diese Zunahme der Blitzgefahr für Gebäude ist nach Holtz viel mehr tellurischen als meteorologischen Einflüssen unterworfen und kann durch vermehrte Entwaldung, durch Vermehrung der Eisenbahnen und Telegraphen, [* 14] durch Entfernung einzelner hoher Bäume aus der nächsten Umgebung der Häuser und durch die Verwendung von eisernen Balken und Stützen beim Bau der Häuser erklärt werden.
Die Zunahme der Blitzgefahr ist nach Holtz für Deutschland [* 15] von 1854 bis 1880 gewachsen im Verhältnis von 1:2,75. Auf 1 Mill. Gebäude kommen durchschnittlich im Gothaischen 47 jährliche Blitzschläge, im Königreich Sachsen [* 16] 322, in Westfalen [* 17] 365, im Osnabrückschen 443. Die außerordentlich zahlreichen Blitzschläge in Schleswig-Holstein [* 18] sind von Weber untersucht, und dabei hat sich herausgestellt, daß überragende Bäume und Gebäude nur einen geringen Schutz gewährten, und daß die Blitzgefahr nur durch einen in gutem Zustand sich befindenden Blitzableiter beseitigt werden konnte.
Auch die seit 1874 in den lippeschen Staatsforsten angestellten Gewitterbeobachtungen und die Zahl der an Bäumen der Wälder konstatierten Blitzschläge lassen eine Zunahme der Blitzgefahr in den letzten Jahren erkennen. Diese Beobachtungen haben außerdem auch gezeigt, daß die Blitzgefahr für die einzelnen Bäume sehr verschieden ist. Setzt man die der Buche = 1, so ist die der Eiche = 34, die der andern Laubhölzer = 12 und die der Nadelhölzer [* 19] = 9.
Vgl. Kuhn, Angewandte Elektrizitätslehre (in Karstens »Allgemeiner Encyklopädie der Physik«, Leipz. 1865);
Jelinek, Über die jährliche Verteilung der Gewittertage in Österreich [* 20] und Ungarn [* 21] (Sitzung der Wiener Akademie, Mai 1869);
v. Bezold, Zur Gewitterkunde (in »Poggendorffs Annalen«, Bd. 136, 1869);
Klein, Die geographische Verteilung der Gewitter (»Gäa« 1870);
Derselbe, Das Gewitter (Graz [* 22] 1871);
Stricker, Der Blitz und seine Wirkungen (Berl. 1872);
Holtz, Über die Zunahme der Blitzgefahr (Greifsw. 1880);
Aßmann, Die in Mitteldeutschland (Halle [* 23] 1885), und die Litteratur bei Blitzableiter.