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Organisation der ungelernten
Arbeiter, des fünften
Standes, sondern der bessern
Elemente der gelernten
Arbeiter, des vierten
Standes.
Ihre Bestrebungen sind teils rein ökonomische, das Arbeitsverhältnis der Mitglieder betreffende, teils allgemeine,
auf ihre sozialen und sonstigen Lebensverhältnisse bezügliche. Die erstern zielen darauf ab, den Arbeitern als Arbeitern
auf
Grund ihres Arbeitsvertrags eine genügende ökonomische
Existenz zu schaffen. Zu diesem
Zweck erstreben
die Gewerkvereine
1) einen angemessenen
Arbeitslohn;
2) eine humane Arbeitszeit und Arbeitsart;
3) die Sicherung einer ordentlichen Behandlung;
4) die Regulierung des Arbeitsangebots. Zu 1) Der Gewerkverein
überläßt zunächst die Abrede des
Lohns dem einzelnen
Arbeiter,
aber wenn eine Benachteiligung der Genossen durch ihre
Isolierung droht, tritt der
Verein für dieselben
ein. Man will namentlich Lohnherabsetzungen verhindern, wo solche nicht durch die allgemeine
Lage des
Gewerkes und die speziellen
Verhältnisse des betreffenden Arbeitgebers gerechtfertigt sind, und will Lohnerhöhungen erreichen, wenn die allgemeine
Geschäftslage und die Reinertragsverhältnisse der
Unternehmungen dies gestatten; man will insbesondere,
daß die Lohnarbeiter auch an den günstigen
Konjekturen, welche den Unternehmern Extragewinne bringen, partizipieren.
Durch die
Organisation der Gewerkvereine
wird die Verteilung des
Ertrags der
Unternehmungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen
Kapital und
Arbeit, nicht bloß Gegenstand des individuellen
Vertrags zwischen dem einzelnen Unternehmer und seinem
Arbeiter,
sondern Gegenstand der
Verhandlungen zwischen den
Klassen der Unternehmer und der
Arbeiter. Treten
Differenzen über die Lohnhöhe
ein, so hat zunächst der Ortsverein die Aufgabe, mit dem Arbeitgeber zu verhandeln und, wenn ihm nicht der gütliche
Ausgleich
gelingt, an den Zentralausschuß zu berichten, der nun, wenn
er den Anspruch der Mitglieder gerechtfertigt
findet, mit dem betreffenden Arbeitgeber in
Verhandlungen tritt.
Das äußerste Zwangsmittel des Gewerkvereins
gegen den Unternehmer ist der
Streik. Aber der
Verein sucht diesen zu vermeiden,
namentlich auch durch die
Organisation von
Einigungsämtern (s. d.). Eine Unterstützung der Genossen durch den Gewerkverein
im Streitfall tritt nur ein, wenn der Zentralausschuß den
Streik billigt. Zu 2) In gleicher
Weise sucht
man eine humane Arbeitszeit und Arbeitsart, soweit dieselbe nicht schon durch die
Gesetzgebung und die Fabrikinspektoren herbeigeführt
wird, zu erreichen. Zu 3) Bezüglich der ordentlichen persönlichen Behandlung ist das Hauptaugenmerk auf die
Fabrikordnungen
gerichtet, daß nicht durch Bestimmungen derselben die Gewerkvere
insmitglieder in eine unwürdige Abhängigkeit
von den Unternehmern und deren Beamten geraten. Zu 4) Eine Hauptaufgabe und gerade des Zentralausschusses besteht
darin, das
Angebot von Arbeitskräften möglichst der
Nachfrage anzupassen, insbesondere das
Angebot und die
Nachfrage in den
verschiedenen Gegenden und
Orten des
Landes auszugleichen. Zu diesem
Zweck werden genaue
Listen über die
unbeschäftigten
Arbeiter des
Gewerkes geführt und wird der lokale
Begehr von Arbeitern stetig kontrolliert.
Die Gewerkvereine
sind Arbeitsnachweisebüreaus. Der Zentralausschuß dirigiert unbeschäftigte
Arbeiter dahin, wo
Arbeiter gesucht werden;
folgen die
Arbeiter nicht der Weisung, so verlieren sie die ihnen vom Gewerkverein
im Fall der Arbeitslosigkeit gewährte Unterstützung.
Man ist ferner bemüht, die übermäßige Beschäftigung von ungelernten Arbeitern, ebenso von jugendlichen Arbeitern
und
von
Lehrlingen zu verhindern, um den gelernten Arbeitern die Erwerbsquelle zu sichern, und stellt zu diesem
Zweck
Normen über
die entsprechenden Zahlenverhältnisse auf. Man wirkt auch einer irrationellen
Armenpflege entgegen, welche der übermäßigen,
unmoralischen Kindererzeugung Vorschub leistet und dadurch das
Angebot von Arbeitskräften unnatürlich
und in einer der Arbeiterklasse schädlichen
Weise erhöht. Man unterstützt endlich bei einer Überfüllung des
Gewerkes die
Auswanderung, um eine Lohnverringerung zu verhindern.
Zu diesen ökonomischen Bestrebungen kommen als weitere allgemeine soziale, um die Arbeiterlage zu bessern und zu einer befriedigenden zu gestalten:
1) die Gewährung von Unterstützung für den Fall der Arbeitslosigkeit, der Krankheit, der Arbeitsunfähigkeit, des Todes, event. der Auswanderung;
2) die Sorge für die Hebung [* 2] der Bildung und der Moral ihrer Mitglieder;
3) die
Fürsorge für andre nützliche Einrichtungen
(Konsumvereine, Speiseanstalten,
Baugenossenschaften etc.). Die Gewährung
von Unterstützungen in jenen
Fällen ist für alle englischen Gewerkvereine
charakteristisch und ein Hauptgegenstand
ihrer Thätigkeit, zugleich eine der wesentlichsten
Ursachen der großartigen
Entwickelung der in
England. Die
Mittel für ihre
Aufgaben beschaffen sich die
Vereine durch Eintrittsgelder, regelmäßige Wochenbeiträge und außerordentliche
Auflagen.
Bei dem bedeutendsten der englischen Gewerkvereine
, der
Gesellschaft der vereinigten
Maschinenbauer, beträgt beispielsweise
das Eintrittsgeld, je nach dem
Alter, 15
Schilling bis 2
Pfund 10
Schill., der Wochenbeitrag 1
Schill. Ein Mitglied, welches 12
Monate
dem Gewerkverein
angehört, hat Anspruch auf folgende Unterstützungen: a) das
Geschenk bei Arbeitslosigkeit, 10
Schill. wöchentlich
während 14
Wochen, 7
Schill. für jede der folgenden 10
Wochen, 6
Schill. für jede der darauf folgenden 10
Wochen;
b) bei
Krankheit, 10
Schill. wöchentlich in den ersten 26
Wochen, 5
Schill. nachher, solange die
Krankheit dauert; c) bei
Auswanderung,
unter gewissen Voraussetzungen, bis 3 Pfd. Sterl.; d) bei dauernder Arbeitsunfähigkeit,
ohne Verschulden des Mitgliedes, 100 Pfd. Sterl.; e) die Altersunterstützung,
bei einem
Alter über 50 Jahre, wenn jemand 18 Jahre Mitglied ist, 7
Schill. wöchentlich, wenn jemand 25 Jahre Mitglied ist, 8
Schill.,
wenn jemand 30 Jahre Mitglied ist 10
Schill.; f) die Begräbnisunterstützung, 12 Pfd. Sterl. an die
Witwe, resp. den vom Gestorbenen
zur Empfangnahme Genannten oder seinen nächsten Anverwandten; beim
Tode der angetrauten
Gattin erhält
ein Mitglied 5 Pfd. Sterl., für sein eignes
Begräbnis werden aber dann nur noch 7 Pfd. Sterl. gezahlt; g) bei unverschuldetem
Verlust der
Werkzeuge
[* 3] durch
Feuer,
Diebstahl etc., bis 5 Pfd. Sterl. Der
Verein zahlte 1851-1875 als
Geschenke bei Arbeitslosigkeit
614,480 Pfd. Sterl., an Krankenunterstützung 294,950, an Altersunterstützung
111,395, an Begräbnisunterstützung 95,260, an Unfallunterstützung 25,900 etc., zusammen 1,184,063
Pfd. Sterl. Nach seinem Jahresbericht für 1884, in welchem Jahr der
Verein am
Schluß 430
Vereine umfaßte und 50,681 Mitglieder
zählte, betrugen die
Einnahmen 157,484 Pfd. Sterl. (Beiträge der Mitglieder inkl.
außerordentlicher
Auflagen, veranlaßt durch einen großen
Streik in
Sunderland, für den 29,430 Pfd. Sterl.
gezahlt wurden, 66,50 Mk. fürs Jahr), die
Ausgaben 172,841 Pfd. Sterl. (an arbeitslose Mitglieder 59,056, Altersinvaliden
30,519, für Unfälle 2100, an streikende Mitglieder 20,475 Pfd.
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Sterl. etc.);
der Kassenbestand war 162,768 Pfd. Sterl. Der Schwerpunkt [* 5] der Unterstützungen der englischen Gewerkvereine liegt in der Unterstützung an arbeitslose Mitglieder;
die Gewerkvereine sind freilich auch Kampf- und Streikvereine, der Streik ist ihre ultima ratio, falls sie ihre Forderungen nicht durchsetzen können;
aber es ist doch ein Hauptbestreben der Gewerkvereine, Ausgaben für Streiks zu vermeiden, und die Zentralausschüsse stimmen nur im äußersten Notfall für diese Maßregel.
Auf dem letzten, 18. Jahreskongreß der englischen Gewerkvereine (im September 1885) wurde von dem Präsidenten bezüglich dieses Punktes ausdrücklich in seiner Eröffnungsrede hervorgehoben, daß die Vereine sich hüten, ihr Geld in böswilligen Streiks zu vergeuden, daß die sieben größten Vereine innerhalb der letzten fünf Jahre von einer Totalausgabe von 53,263,600 Mk. an arbeitslose Mitglieder 24,143,600 Mk., an Altersinvaliden, verunglückte, abgebrannte oder sonst in Not geratene Mitglieder etc. nebst Verwaltungskosten 19,501,040 Mk. und nur 3,773,600 Mk. für Streiks verausgabt haben.
Eine charakteristische allgemeine Einrichtung der englischen Gewerkvereine als Hilfskassen ist, daß nicht besondere Kassen für die einzelnen Unterstützungszwecke bestehen, sondern nur eine Kasse und aus dieser Kasse auch die Unterstützung an streikende Mitglieder gezahlt wird, so daß also angesammelte Reserven auch für diesen Zweck verbraucht werden können. Über die Zweckmäßigkeit dieser Einrichtung sind die Ansichten geteilt. Für dieselbe wird namentlich geltend gemacht, daß gerade sie die Vereine zu äußerster Vorsicht in der Genehmigung von Streiks veranlaßt; indes ist die große Gefahr derselben unleugbar.
Die englischen Gewerkvereine sind entschiedene Gegner der Sozialdemokratie. Ihre Existenz ist eine der Ursachen, daß die Sozialdemokratie in England nur sehr vereinzelte Anhänger fand. Bis vor wenigen Jahren hielten die Gewerkvereine sich von der Politik fern; politische Fragen durften in den Vereinen nicht verhandelt werden, ihre Erörterung war sogar ein Ausschließungsgrund. In den letzten Jahren tritt aber doch ein entschiedenes Bestreben der Gewerkvereine hervor, im Interesse der Arbeiterklasse einen Einfluß auf die Politik des Landes, namentlich bei den Wahlen, auszuüben, und wenn auch noch auf dem letzten Kongreß stark betont wurde, daß die Arbeiter weder eine besondere politische Partei bilden, noch ein eignes politisches Programm aufstellen sollen, welches nicht mit den Interessen der ganzen Nation in Harmonie ist, wurde doch von demselben Kongreß eine Ansprache an die Arbeiter beschlossen, in welcher es als die Pflicht derselben bezeichnet wurde, wo Arbeiter bei den Parlamentswahlen als Kandidaten auftreten, für deren Wahl thätig zu sein und bei andern Kandidaten darauf zu bestehen, daß sie für folgende Punkte eintreten: für die Verbesserung des Haftpflichtgesetzes von 1880;
Vermehrung der Zahl der Fabrik- und Werkstattinspektoren;
fernere Vermehrung der Grubeninspektoren;
ein Gesetz, den verhütbaren Lebensverlust zur See zu verhindern;
Ausdehnung [* 6] des Haftpflichtgesetzes von 1880 auf die Schiffahrt;
ein Gesetz für die bessere Regulierung der Eisenbahnen und Verhinderung von Unfällen;
Atteste der Fähigkeit der Leute, welchen auf dem Lande Dampfmaschinen [* 7] anvertraut werden, wie es bereits zur See obligatorisch ist;
Beseitigung aller unnötigen Hindernisse, welche der Anstellung von Arbeitern im Zivil- und Magistratsdienst im Wege stehen;
Aufhebung der Eigentumsqualifikation im Lokalregierungswesen;
eine Reform der Landesgesetze, die geeignet ist, die Quellen der nationalen Industrie freizulegen und den heimischen Verbrauch von Industrieerzeugnissen zu befördern;
Wiedererstattung von Bildungs- und andern Stiftungen für die Zwecke, für welche sie ursprünglich beabsichtigt waren.
Arbeitervereine entstanden in England schon im 18. Jahrh., aber die eigentliche Entwickelung der Gewerkvereine zu der vorstehend geschilderten, für die Arbeiterklasse und das Land segensreichen Institution beginnt doch erst mit der Koalitionsfreiheit 1824 ihre großartige Ausbreitung, und die stetig zunehmende Durchführung einer maßvollen, praktischen, besonnenen Gewerkvereinspolitik erfolgte seit den 50er Jahren. Seitdem entwickelte sich auch erst die Organisation in zentralisierten Landesvereinen, vorher waren die Gewerkvereine zumeist selbständige Ortsvereine ohne Verbindung der verschiedenen Ortsvereine eines Gewerkes.
Die Zahl ihrer Mitglieder ist nicht genau bekannt, sie wird auf 8-900,000 geschätzt; auf dem letzten Kongreß hatten 161 Delegierte, die 136 Vereine mit 560,976 Mitgliedern vertraten, ihre Mandate eingereicht; schon 1869 berichtete die Parlamentskommission auf Grund einer sehr umfassenden Enquete über die Trades' Unions, »daß es keine Industrie gebe (abgesehen von wenigen äußerst zweifelhaften Ausnahmen), welche die Gewerkvereinsbewegung nicht ergriffen hat, und sehr wenige Teile des Landes, wo sie nicht vorherrscht«. Die Hauptagitation der englischen Gewerkvereine ist jetzt auf die Durchsetzung des achtstündigen Arbeitstags gerichtet.
Die deutschen Gewerkvereine.
In Deutschland [* 8] stehen die Gewerkvereine, was ihre Verbreitung und ihre Bedeutung für die Arbeiterklasse und für die praktische Lösung des sozialen Problems betrifft, sehr weit hinter den englischen zurück. Bis zum Erlaß des Sozialistengesetzes waren sozialdemokratische und antisozialdemokratische Gewerkvereine zu unterscheiden. Erstere waren lediglich Organe der Sozialdemokratie, der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, [* 9] und sahen ihre Hauptaufgabe darin, für die Zwecke und Ziele dieser Partei thätig zu sein.
Sie sind seit 1878 verschwunden. Zu den letztern, den entschiedenen Gegnern aller sozialdemokratischen und sozialistischen Bestrebungen, gehören namentlich die von Max Hirsch [* 10] und Franz Duncker zuerst 1868 gegründeten und seitdem von Hirsch als ihrem Anwalt geleiteten Gewerkvereine (sogen. Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine). Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine streben dem englischen Vorbild nach, zeigen aber von diesem doch manche sehr wesentliche Unterschiede. Es existieren bei ihnen nicht die strengen Aufnahmebedingungen.
Ferner fehlt in ihrer Organisation die Vereinigung und straffe Zentralisierung der Ortsvereine eines Gewerkes in einem Landesgewerkverein unter einem den Verein dirigierenden Vorstand. Ihre Organisation baut sich auf den Berufsvereinen der einzelnen Orte (Ortsvereine) auf. Diese Ortsvereine sind neben Zentralrat und Anwaltschaft die Hauptorgane. Jeder Ortsverein wählt seinen Vorstand und Ausschuß und verwaltet seine Angelegenheiten und Kassen ganz selbständig.
Mehrere Ortsvorstände eines bestimmten Berufs bilden einen Gewerkverein. Die Ortsvereine eines Ortes bilden einen Ortsverband. Alle Gewerkvereine und selbständigen Ortsvereine bilden zusammen den Verband [* 11] der deutschen Gewerkvereine (Hirsch-Duncker), dessen Organe der Verbandstag (Abgeordnete der verbundenen Gewerkvereine und selbständigen Ortsvereine), der Zentralrat als zentrales Verwaltungsorgan, der Anwalt (jetzt Hirsch) und die Ortsverbände sind. Ein weiterer Unterschied ist, daß für die verschiedenen Unterstützungszwecke streng gesonderte Kassen bestehen, der praktisch wichtigste aber, daß eine Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (die ¶