besten dürfte dies ortsstatutarischer Bestimmung überlassen werden, um den
an sich so verschiedenen örtlichen Verhältnissen
gebührend Rechnung zu tragen. Diese
Gerichte existieren noch nirgends in erwünschter
Weise. Am meisten entsprechen die französischen
Conseils des prud'hommes, welche zuerst für
Lyon
[* 2]
(Gesetz vom eingerichtet, bald darauf
(Dekret vomGesetz vom zu einer allgemeinern, seitdem aber durch eine größere Zahl von
Gesetzen mannigfach veränderten Einrichtung
wurden (s. darüber
Block, Art.
Prud'hommes im
»Dictionnaire de l'administration française«).
Die heutige
Organisation derselben ist folgende: Sie werden auf
Antrag oder doch mit Zustimmung der Gemeindebehörden von dem
Handelsminister errichtet und bestehen aus einer gleichen Zahl von Arbeitgebern (patrons) und Arbeitern (mindestens je drei),
einem
Präsidenten und Vizepräsidenten. Das Errichtungsdekret bestimmt nach örtlichen Verhältnissen die dem betreffenden
Konseil unterstellten
Gewerbe und die Zahl seiner Mitglieder. Die Mitglieder, welche wenigstens 30 Jahre alt sein müssen,
werden gewählt, zur Hälfte von den Arbeitgebern, zur Hälfte von den Arbeitern.
Wahlberechtigt sind solche, welche 25 Jahre alt, mindestens 5 Jahre im
Gewerbe beschäftigt und 3 Jahre im
Bezirk des Konseils
domiziliert sind. Die Mitglieder wählen den
Präsidenten und Vizepräsidenten (auf ein Jahr), der eine muß Arbeitgeber,
der andre
Arbeiter sein. Der Konseil wird alle drei Jahre zur Hälfte erneuert. Für die Rechtsprechung
im einzelnen
Fall wird aus dem Konseil ein Bureau particulier (aus einem Arbeitgeber, einem
Arbeiter und dem
Präsidenten, resp.
Vizepräsidenten bestehend) gebildet, vor welches zunächst der Streitfall zu bringen ist, und welches den
Vergleich zu versuchen
hat, und, falls keine Einigung zu stande kommt, ein Bureau général (aus mindestens je zwei Arbeitgebern
und Arbeitern und dem
Präsidenten, resp. Vizepräsidenten bestehend). Die
Entscheidungen dieses Bureaus sind endgültig in
Streitsachen bis zu 200
Frank; in höhern ist die
Berufung an das
Tribunal de commerce zulässig, aber das
Büreau kann auch
in diesen die sofortige
Exekution bis zur
Höhe von 200
Fr. verhängen. Die
Ablehnung von prud'hommes als
Richtern ist zulässig, soweit die
Ablehnung von juges de paix (nach dem
Code depr. civ., Art. 44, 45, 46) statthaft ist.
In
Deutschland
[* 3] wurden auch in der preußischen
Rheinprovinz
[* 4] unter französischer Herrschaft
Conseils des
prud'hommes in den wichtigsten Industrieplätzen errichtet und 1815 von der preußischen
Gesetzgebung beibehalten. Diese Konseils
bestehen aber nur aus Fabrikanten, Werkmeistern u. selbständigen Handwerkern. Die
Zuständigkeit derselben bezieht sich teils
auf Zivilstreitigkeiten aus dem gewerblichen Arbeitsverhältnis, ohne Rücksicht auf die
Höhe der Streitsummen, teils auf
geringere
Strafsachen,
Kontraventionen gegen die Gewerbepolizei,
Ruhestörungen in den Werkstätten etc.
Auch diese Gewerbegerichte bilden eine Vergleichskammer und ein Gewerbegericht im engern
Sinn.
Jene hat zunächst den
Vergleich zu versuchen. Die
Entscheidungen sind endgültig bis zu 80 Mk., in höhern
Sachen ist
Berufung
an das
Handelsgericht zulässig, die aber nur dann Suspensivwirkung hat, wenn der Streitgegenstand 240 Mk.
beträgt. Im übrigen
Preußen
[* 5] wurden seit 1815 ganz vereinzelt, teils in
Berlin,
[* 6] teils in
Westfalen,
[* 7] Gewerbegerichte (sogen.
Fabrikgerichte)
angeordnet; dieselben waren jedoch wesentlich nur Bagatellkommissionen der ordentlichen
Gerichte. Die
Gewerbeordnung von 1845 behielt
diese besondern Gewerbegerichte, wo sie
bestanden, bei, übertrug aber in Ermangelung solcher dieEntscheidung teils
an die Innungsvorsteher unter dem Vorsitz eines Mitgliedes der Kommunalbehörden, teils an die Ortspolizeibehörde, vorbehaltlich
der Beschreitung des
Rechtswegs binnen präklusivischer
Frist.
Die
Verordnung vom betreffend die Errichtung von Gewerbegerichten, stellte die
Bildung besonderer Gewerbegerichte frei, schrieb
für diese aber eine
Zusammensetzung aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor mit der Maßgabe, daß ein
Mitglied mehr aus der
Klasse der Arbeitgeber sei und einer von diesen den Vorsitz habe. Solcher Gewerbegerichte kamen aber nur wenige
zu stande, und auch diese wurden bald wieder aufgehoben. Die Reichsgewerbeordnung von 1869 bestimmte in § 108 (jetzt 120a),
daß die fraglichen Streitigkeiten, sofern für dieselben besondere Behörden bestehen, durch diese,
sonst durch die Gemeindebehörden (vorbehaltlich der
Berufung auf den
Rechtsweg) zu entscheiden seien, daß aber auch durch
Ortsstatut besondere Gewerbegerichte
(Schiedsgerichte) durch die Gemeindebehörden unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern gebildet werden können.
Der
Entwurf zur
Novelle von 1878 wollte neue Gewerbegerichte obligatorisch machen, welche aus einem
Richter als Vorsitzendem
und aus
Beisitzern bestehen sollten, die von der Gemeindevertretung aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu wählen gewesen
wären. Der
Entwurf kam indes nicht zu stande. Durch das Innungsgesetz vom haben die neuen
Innungen Rechtsstreitigkeiten
zwischen den Innungsmitgliedern und ihren
Lehrlingen an
Stelle der Gemeindebehörde zu entscheiden (§
97),
und sie können
Schiedsgerichte errichten (§ 97 a, 100 d, 100 e), welche solche Streitigkeiten auch zwischen Innungsmitgliedern
und ihren
Gesellen entscheiden.
Die
Zuständigkeit der
Innungen kann sogar auch auf Streitigkeiten ausgedehnt werden, welche zwischen
Lehrlingen und der
Innung
nicht angehörenden Arbeitgebern aus dem Lehrverhältnis entstehen. Die Innungsschiedsgerichte müssen
mindestens aus einem Vorsitzenden und zwei
Beisitzern bestehen, die
Beisitzer müssen zur Hälfte aus den Innungsmitgliedern
und zur Hälfte aus deren
Gesellen entnommen sein. Der Vorsitzende wird von der Aufsichtsbehörde bestimmt, er braucht der
Innung nicht anzugehören; die
Beisitzer werden von den Innungsmitgliedern, resp. den
Gesellen gewählt.
Unter Gewerbegesetzgebung versteht
man in den
Ländern deutscher
Zunge die
Gesetzgebung für die
Gewerbe, auf welche
sich die
Gewerbeordnungen, in denen die bezüglichen Bestimmungen kodifiziert sind, erstrecken. Diese
Gewerbeordnungen, wie
z. B. die preußische von 1845, die deutsche von 1869, die österreichische von 1859 und
die vieler deutscher Einzelstaaten aus der Zeit vor 1869, beziehen sich aber nicht nur auf die
Gewerbe
im engern
Sinn (vgl.
Gewerbe), sondern auch noch auf zahlreiche andre Erwerbszweige der
¶
mehr
Urproduktion, des Handels, der persönlichen Dienstleistungen etc. DiesenGewerbeordnungen liegt kein bestimmter Begriff von Gewerbe
zu Grunde. Der Gesetzgeber vereinigt in ihnen willkürlich die gesetzlichen Bestimmungen für gewisse Erwerbszweige und
macht entweder diese ausdrücklich namhaft, oder bezeichnet diejenigen, auf welche sich die Gewerbeordnung nicht erstrecken
soll. So bestimmt die deutsche Reichsgewerbeordnung bezüglich ihres Gebiets (§ 6): »Das
gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung auf die Fischerei,
[* 10] die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von
Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, die advokatorische und Notariatspraxis, den Gewerbebetrieb der Auswanderungsunternehmer
und Auswanderungsagenten, der Versicherungsunternehmer und der Eisenbahnunternehmer, die Befugnis zum Halten öffentlicher
Fähren und die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaften auf den Seeschiffen. Auf das Bergwesen, die
Ausübung der Heilkunde, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterielosen und die Viehzucht
[* 11] findet das Gesetz nur
so weit Anwendung, als dasselbe ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.« Daneben wird aber als selbstverständlich
angenommen, daß die Gewerbeordnung sich nicht auf Ackerbau, Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau, die Ausübung
der litterarischen Thätigkeit oder der schönen Künste erstreckt.
Und die österreichische Gewerbeordnung sagt (Einleit., Art. 4): »Die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen gelten mit
der in dem nachfolgenden Artikel ausgedrückten Beschränkung für alle gewerbsmäßig betriebenen Beschäftigungen, sie mögen
die Hervorbringung, Bearbeitung oder Umgestaltung von Verkehrsgegenständen, den Betrieb von Handelsgeschäften
oder die Verrichtung von Dienstleistungen und Arbeiten zum Gegenstand haben«; der folgende Art. 5 enthält dann zahlreiche
Ausnahmen, durch welche das Gebiet der österreichischen und deutschen Gewerbeordnung, soweit es nicht die Gewerbe im engern
Sinn betrifft, manche Unterschiede zeigt. Bezüglich dieser Gewerbegesetzgebung ist ferner
zu beachten, daß die Gewerbeordnung, obgleich eine Kodifikation des Gewerberechts, doch nicht das ganze Gewerberecht in ihrem
Sinn umfaßt, sondern noch durch eine größere oder geringere Zahl von (in Deutschland zum Teil sehr umfangreichen) Spezialgesetzen
ergänzt wird (s. unten). In einem engern Sinn ist die Gewerbegesetzgebung nur die Gesetzgebung für die Gewerbe im engern
Sinn.
Bei der Gewerbegesetzgebung im engern Sinn sind in der Geschichte verschiedene Rechtssysteme hervorgetreten: Systeme der Freiheit und der Unfreiheit.
Bei jenen (Gewerbefreiheit) ist die Freiheit der Einzelnen in der Gründung und dem Betrieb der gewerblichen Unternehmungen das
Grundprinzip der Rechtsordnung und dieRegel; der Staat überläßt die Gestaltung der gewerblichen Produktion
und der sonstigen gewerblichen Zustände dem freien Willen der gewerblichen Bevölkerung,
[* 12] Beschränkungen der Freiheit bilden
die Ausnahme.
Bei diesen ist dagegen nicht die Freiheit, sondern die obrigkeitliche Regelung und Bevormundung mit weitgehender Beschränkung
der individuellen Freiheit das Grundprinzip der Rechtsordnung; die Obrigkeit übernimmt in erster Reihe
die Sorge und Verantwortung für die Lage der Einzelnen und für den Gesamtzustand des Gewerbewesens. Zu den Systemen der Unfreiheit
gehören das im Mittelalter in fast allen europäischen Staaten zur Herrschaft gelangte Zunftwesen und die in vielen dieser
Staaten im 17. und 18. Jahrh. an dessen Stelle getretenen, bez. dasselbe ergänzenden merkantilistischen
Konzessionssysteme (vgl. Zunftwesen und
Merkantilsystem) mit ihren mannigfaltigen realen Gewerbeberechtigungen, d. h. Rechten,
die den Besitzern als Privatrechte zustanden, indem solche Rechte zum Gewerbebetrieb an einem Haus oder Grundstück hafteten (radizierte
Gewerbe) oder echt persönliche, nur in beschränkter Anzahl verliehene waren.
Gewerbefreiheit bestand in vielen Staaten des Altertums, in den meisten der heutigen Kulturstaaten wurde
sie erst im 18. und 19. Jahrh. eingeführt. Für das durch dieselbe verdrängte Gewerberecht waren folgende Beschränkungen
besonders charakteristisch:
1) Der selbständige Gewerbebetriebwar in der Regel abhängig von der Zugehörigkeit zu einer gewerblichen Korporation (Zunft,
Innung) oder von obrigkeitlicher Konzession. Der Eintritt in die Korporation stand aber nicht jedem frei,
sondern war anBedingungen geknüpft, deren Erfüllung nicht allein von dem Willen des Bewerbers abhing. Nicht selten entschied
darüber die Willkür der Korporationsmitglieder, die ihnen unbequeme oder sonst unliebsame Personen, auch wenn diese an sich
völlig qualifiziert waren, an dem Eintritt verhindern konnten. Die eventuelle Gefährdung des Erwerbs
der Mitglieder war häufig nicht nur thatsächlich, sondern auch rechtlich ein Ausschließungsgrund. Und wo obrigkeitliche
Konzession erforderlich war, hatte die Willkür der Beamten auch einen großen Spielraum.
2) Voraussetzung für den Betrieb eines zünftigen Gewerbes, dessen Arbeitsgebiet immer ein fest begrenztes war,
war in allen Fällen ein bestimmter Bildungsgang, gewöhnlich eine gewisse Lehrlingszeit, Gesellenprüfung, auch Gesellen- und
Wanderzeit.
3) In den meisten Gewerben existierte die Meisterprüfung.
4) Beschränkt war die Niederlassung teils durch hohe Gebühren, teils durch diskretionäre Befugnisse der Ortsobrigkeit.
5) Zwangs- und Bannrechte bestanden als Privilegien einzelner Gewerbtreibenden, um diesen in gewissen Bezirken
den Absatz zu sichern, ferner 6) Betriebsbeschränkungen der mannigfachsten Art (in Bezug auf die Art der Waren und den Umfang
des Betriebes, die Zahl und Art der Hilfspersonen etc.) und endlich 7) auch noch obrigkeitliche
Preistaxen für einzelne Gewerbszweige (vgl. Taxe). Wo die Gewerbefreiheit heute besteht, sind diese Beschränkungen
völlig oder doch bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen beseitigt. Charakteristische Merkmale der modernen Gewerbefreiheit sind
daher:
3) Die Gründung gewerblicher Unternehmungen und der selbständige Gewerbebetrieb sind in der Regel jedem freigestellt
und lediglich an die Bedingung einer Anzeige an die Ortsobrigkeit beim Beginn geknüpft. In der Regel wird kein Nachweis einer
besondern persönlichen Qualifikation, eines bestimmten Lebens- und Bildungsganges, keine obrigkeitliche Konzession, keine Zugehörigkeit
zu einer Korporation gefordert. Wo aber ausnahmsweise das Recht auf den Gewerbebetrieb noch einschränkenden Bedingungen unterliegt,
sind diese im öffentlichen Interesse erlassen, für alle gesetzlich gleich, und die Erfüllung derselben,
soweit es sich um persönliche Qualifikation handelt, hängt von dem Willen der Bewerber ab. 4) Die Gewerbtreibenden sind im
allgemeinen auch frei in der Herstellung und dem Absatz der Produkte. Aber diese Freiheit ist keine unbedingte und
darf dies auch bei vernünftiger Politik nicht sein. Im Interesse der gewerblichen Produktion, der gewerblichen Bevölkerung
und der allgemeinen Volkswohlfahrt müssen Schranken bestehen; jedoch ist für
¶