besten dürfte dies ortsstatutarischer Bestimmung überlassen werden, um den an sich so verschiedenen örtlichen Verhältnissen
gebührend Rechnung zu tragen. Diese Gerichte existieren noch nirgends in erwünschter Weise. Am meisten entsprechen die französischen
Conseils des prud'hommes, welche zuerst für Lyon (Gesetz vom eingerichtet, bald darauf (Dekret vom
Gesetz vom zu einer allgemeinern, seitdem aber durch eine größere Zahl von Gesetzen mannigfach veränderten Einrichtung
wurden (s. darüber Block, Art. Prud'hommes im »Dictionnaire de l'administration française«).
Die heutige Organisation derselben ist folgende: Sie werden auf Antrag oder doch mit Zustimmung der Gemeindebehörden von dem
Handelsminister errichtet und bestehen aus einer gleichen Zahl von Arbeitgebern (patrons) und Arbeitern (mindestens je drei),
einem Präsidenten und Vizepräsidenten. Das Errichtungsdekret bestimmt nach örtlichen Verhältnissen die dem betreffenden
Konseil unterstellten Gewerbe und die Zahl seiner Mitglieder. Die Mitglieder, welche wenigstens 30 Jahre alt sein müssen,
werden gewählt, zur Hälfte von den Arbeitgebern, zur Hälfte von den Arbeitern.
Wahlberechtigt sind solche, welche 25 Jahre alt, mindestens 5 Jahre im Gewerbe beschäftigt und 3 Jahre im Bezirk des Konseils
domiziliert sind. Die Mitglieder wählen den Präsidenten und Vizepräsidenten (auf ein Jahr), der eine muß Arbeitgeber,
der andre Arbeiter sein. Der Konseil wird alle drei Jahre zur Hälfte erneuert. Für die Rechtsprechung
im einzelnen Fall wird aus dem Konseil ein Bureau particulier (aus einem Arbeitgeber, einem Arbeiter und dem Präsidenten, resp.
Vizepräsidenten bestehend) gebildet, vor welches zunächst der Streitfall zu bringen ist, und welches den Vergleich zu versuchen
hat, und, falls keine Einigung zu stande kommt, ein Bureau général (aus mindestens je zwei Arbeitgebern
und Arbeitern und dem Präsidenten, resp. Vizepräsidenten bestehend). Die Entscheidungen dieses Bureaus sind endgültig in
Streitsachen bis zu 200 Frank; in höhern ist die Berufung an das Tribunal de commerce zulässig, aber das Büreau kann auch
in diesen die sofortige Exekution bis zur Höhe von 200 Fr. verhängen. Die Ablehnung von prud'hommes als
Richtern ist zulässig, soweit die Ablehnung von juges de paix (nach dem Code de pr. civ., Art. 44, 45, 46) statthaft ist.
In Deutschland wurden auch in der preußischen Rheinprovinz unter französischer Herrschaft Conseils des
prud'hommes in den wichtigsten Industrieplätzen errichtet und 1815 von der preußischen Gesetzgebung beibehalten. Diese Konseils
bestehen aber nur aus Fabrikanten, Werkmeistern u. selbständigen Handwerkern. Die Zuständigkeit derselben bezieht sich teils
auf Zivilstreitigkeiten aus dem gewerblichen Arbeitsverhältnis, ohne Rücksicht auf die Höhe der Streitsummen, teils auf
geringere Strafsachen, Kontraventionen gegen die Gewerbepolizei, Ruhestörungen in den Werkstätten etc.
Auch diese Gewerbegerichte bilden eine Vergleichskammer und ein Gewerbegericht im engern Sinn.
Jene hat zunächst den Vergleich zu versuchen. Die Entscheidungen sind endgültig bis zu 80 Mk., in höhern Sachen ist Berufung
an das Handelsgericht zulässig, die aber nur dann Suspensivwirkung hat, wenn der Streitgegenstand 240 Mk.
beträgt. Im übrigen Preußen wurden seit 1815 ganz vereinzelt, teils in Berlin, teils in Westfalen, Gewerbegerichte (sogen. Fabrikgerichte)
angeordnet; dieselben waren jedoch wesentlich nur Bagatellkommissionen der ordentlichen Gerichte. Die Gewerbeordnung von 1845 behielt
diese besondern Gewerbegerichte, wo sie
bestanden, bei, übertrug aber in Ermangelung solcher die Entscheidung teils
an die Innungsvorsteher unter dem Vorsitz eines Mitgliedes der Kommunalbehörden, teils an die Ortspolizeibehörde, vorbehaltlich
der Beschreitung des Rechtswegs binnen präklusivischer Frist.
Die Verordnung vom betreffend die Errichtung von Gewerbegerichten, stellte die Bildung besonderer Gewerbegerichte frei, schrieb
für diese aber eine Zusammensetzung aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor mit der Maßgabe, daß ein
Mitglied mehr aus der Klasse der Arbeitgeber sei und einer von diesen den Vorsitz habe. Solcher Gewerbegerichte kamen aber nur wenige
zu stande, und auch diese wurden bald wieder aufgehoben. Die Reichsgewerbeordnung von 1869 bestimmte in § 108 (jetzt 120a),
daß die fraglichen Streitigkeiten, sofern für dieselben besondere Behörden bestehen, durch diese,
sonst durch die Gemeindebehörden (vorbehaltlich der Berufung auf den Rechtsweg) zu entscheiden seien, daß aber auch durch
Ortsstatut besondere Gewerbegerichte (Schiedsgerichte) durch die Gemeindebehörden unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und
Arbeitnehmern gebildet werden können.
Der Entwurf zur Novelle von 1878 wollte neue Gewerbegerichte obligatorisch machen, welche aus einem Richter als Vorsitzendem
und aus Beisitzern bestehen sollten, die von der Gemeindevertretung aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu wählen gewesen
wären. Der Entwurf kam indes nicht zu stande. Durch das Innungsgesetz vom haben die neuen Innungen Rechtsstreitigkeiten
zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen an Stelle der Gemeindebehörde zu entscheiden (§
97), und sie können Schiedsgerichte errichten (§ 97 a, 100 d, 100 e), welche solche Streitigkeiten auch zwischen Innungsmitgliedern
und ihren Gesellen entscheiden.
Die Zuständigkeit der Innungen kann sogar auch auf Streitigkeiten ausgedehnt werden, welche zwischen Lehrlingen und der Innung
nicht angehörenden Arbeitgebern aus dem Lehrverhältnis entstehen. Die Innungsschiedsgerichte müssen
mindestens aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern bestehen, die Beisitzer müssen zur Hälfte aus den Innungsmitgliedern
und zur Hälfte aus deren Gesellen entnommen sein. Der Vorsitzende wird von der Aufsichtsbehörde bestimmt, er braucht der
Innung nicht anzugehören; die Beisitzer werden von den Innungsmitgliedern, resp. den Gesellen gewählt.
Gegen die Entscheidungen steht die Berufung auf den Rechtsweg offen. In Österreich sind die französischen Gewerbegerichte nachgeahmt worden
(Gesetz vom In England sind die Einigungsämter in der Regel auch Gewerbegerichte (s. Einigungsämter).
Vgl. Gewerbegerichte Eberty, Die Gewerbegerichte und
das gewerbliche Schiedsgerichtswesen (Berl. 1869);
Ferié, Die Gewerbegerichte (Barm. 1874);
Rickert, Die Gewerbeordnungsnovelle
im Reichstag (Danz. 1874);
»Schriften des Vereins für Sozialpolitik«, Bd. 2 u. 4 (Leipz.
1873);
Sarrazin, Code pratique des prud'hommes (2. Aufl., Par. 1872);
Pauliat, Les prud'hommes; code et manuel (3. Aufl.,
das. 1873);
Jonas, Studien aus dem Gebiete des französischen Zivilrechts (Berl. 1870).
Unter Gewerbegesetzgebung versteht man in den Ländern deutscher Zunge die Gesetzgebung für die Gewerbe, auf welche
sich die Gewerbeordnungen, in denen die bezüglichen Bestimmungen kodifiziert sind, erstrecken. Diese Gewerbeordnungen, wie
z. B. die preußische von 1845, die deutsche von 1869, die österreichische von 1859 und
die vieler deutscher Einzelstaaten aus der Zeit vor 1869, beziehen sich aber nicht nur auf die Gewerbe
im engern Sinn (vgl. Gewerbe), sondern auch noch auf zahlreiche andre Erwerbszweige der
mehr
Urproduktion, des Handels, der persönlichen Dienstleistungen etc. Diesen Gewerbeordnungen liegt kein bestimmter Begriff von Gewerbe
zu Grunde. Der Gesetzgeber vereinigt in ihnen willkürlich die gesetzlichen Bestimmungen für gewisse Erwerbszweige und
macht entweder diese ausdrücklich namhaft, oder bezeichnet diejenigen, auf welche sich die Gewerbeordnung nicht erstrecken
soll. So bestimmt die deutsche Reichsgewerbeordnung bezüglich ihres Gebiets (§ 6): »Das
gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung auf die Fischerei, die Errichtung und Verlegung von Apotheken, die Erziehung von
Kindern gegen Entgelt, das Unterrichtswesen, die advokatorische und Notariatspraxis, den Gewerbebetrieb der Auswanderungsunternehmer
und Auswanderungsagenten, der Versicherungsunternehmer und der Eisenbahnunternehmer, die Befugnis zum Halten öffentlicher
Fähren und die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaften auf den Seeschiffen. Auf das Bergwesen, die
Ausübung der Heilkunde, den Verkauf von Arzneimitteln, den Vertrieb von Lotterielosen und die Viehzucht findet das Gesetz nur
so weit Anwendung, als dasselbe ausdrückliche Bestimmungen darüber enthält.« Daneben wird aber als selbstverständlich
angenommen, daß die Gewerbeordnung sich nicht auf Ackerbau, Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau, die Ausübung
der litterarischen Thätigkeit oder der schönen Künste erstreckt.
Und die österreichische Gewerbeordnung sagt (Einleit., Art. 4): »Die in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen gelten mit
der in dem nachfolgenden Artikel ausgedrückten Beschränkung für alle gewerbsmäßig betriebenen Beschäftigungen, sie mögen
die Hervorbringung, Bearbeitung oder Umgestaltung von Verkehrsgegenständen, den Betrieb von Handelsgeschäften
oder die Verrichtung von Dienstleistungen und Arbeiten zum Gegenstand haben«; der folgende Art. 5 enthält dann zahlreiche
Ausnahmen, durch welche das Gebiet der österreichischen und deutschen Gewerbeordnung, soweit es nicht die Gewerbe im engern
Sinn betrifft, manche Unterschiede zeigt. Bezüglich dieser Gewerbegesetzgebung ist ferner
zu beachten, daß die Gewerbeordnung, obgleich eine Kodifikation des Gewerberechts, doch nicht das ganze Gewerberecht in ihrem
Sinn umfaßt, sondern noch durch eine größere oder geringere Zahl von (in Deutschland zum Teil sehr umfangreichen) Spezialgesetzen
ergänzt wird (s. unten). In einem engern Sinn ist die Gewerbegesetzgebung nur die Gesetzgebung für die Gewerbe im engern
Sinn.
Bei der Gewerbegesetzgebung im engern Sinn sind in der Geschichte verschiedene Rechtssysteme hervorgetreten: Systeme der Freiheit und der Unfreiheit.
Bei jenen (Gewerbefreiheit) ist die Freiheit der Einzelnen in der Gründung und dem Betrieb der gewerblichen Unternehmungen das
Grundprinzip der Rechtsordnung und die Regel; der Staat überläßt die Gestaltung der gewerblichen Produktion
und der sonstigen gewerblichen Zustände dem freien Willen der gewerblichen Bevölkerung, Beschränkungen der Freiheit bilden
die Ausnahme.
Bei diesen ist dagegen nicht die Freiheit, sondern die obrigkeitliche Regelung und Bevormundung mit weitgehender Beschränkung
der individuellen Freiheit das Grundprinzip der Rechtsordnung; die Obrigkeit übernimmt in erster Reihe
die Sorge und Verantwortung für die Lage der Einzelnen und für den Gesamtzustand des Gewerbewesens. Zu den Systemen der Unfreiheit
gehören das im Mittelalter in fast allen europäischen Staaten zur Herrschaft gelangte Zunftwesen und die in vielen dieser
Staaten im 17. und 18. Jahrh. an dessen Stelle getretenen, bez. dasselbe ergänzenden merkantilistischen
Konzessionssysteme (vgl. Zunftwesen und
Merkantilsystem) mit ihren mannigfaltigen realen Gewerbeberechtigungen, d. h. Rechten,
die den Besitzern als Privatrechte zustanden, indem solche Rechte zum Gewerbebetrieb an einem Haus oder Grundstück hafteten (radizierte
Gewerbe) oder echt persönliche, nur in beschränkter Anzahl verliehene waren.
Gewerbefreiheit bestand in vielen Staaten des Altertums, in den meisten der heutigen Kulturstaaten wurde
sie erst im 18. und 19. Jahrh. eingeführt. Für das durch dieselbe verdrängte Gewerberecht waren folgende Beschränkungen
besonders charakteristisch:
1) Der selbständige Gewerbebetrieb war in der Regel abhängig von der Zugehörigkeit zu einer gewerblichen Korporation (Zunft,
Innung) oder von obrigkeitlicher Konzession. Der Eintritt in die Korporation stand aber nicht jedem frei,
sondern war an Bedingungen geknüpft, deren Erfüllung nicht allein von dem Willen des Bewerbers abhing. Nicht selten entschied
darüber die Willkür der Korporationsmitglieder, die ihnen unbequeme oder sonst unliebsame Personen, auch wenn diese an sich
völlig qualifiziert waren, an dem Eintritt verhindern konnten. Die eventuelle Gefährdung des Erwerbs
der Mitglieder war häufig nicht nur thatsächlich, sondern auch rechtlich ein Ausschließungsgrund. Und wo obrigkeitliche
Konzession erforderlich war, hatte die Willkür der Beamten auch einen großen Spielraum.
2) Voraussetzung für den Betrieb eines zünftigen Gewerbes, dessen Arbeitsgebiet immer ein fest begrenztes war,
war in allen Fällen ein bestimmter Bildungsgang, gewöhnlich eine gewisse Lehrlingszeit, Gesellenprüfung, auch Gesellen- und
Wanderzeit.
3) In den meisten Gewerben existierte die Meisterprüfung.
4) Beschränkt war die Niederlassung teils durch hohe Gebühren, teils durch diskretionäre Befugnisse der Ortsobrigkeit.
5) Zwangs- und Bannrechte bestanden als Privilegien einzelner Gewerbtreibenden, um diesen in gewissen Bezirken
den Absatz zu sichern, ferner 6) Betriebsbeschränkungen der mannigfachsten Art (in Bezug auf die Art der Waren und den Umfang
des Betriebes, die Zahl und Art der Hilfspersonen etc.) und endlich 7) auch noch obrigkeitliche
Preistaxen für einzelne Gewerbszweige (vgl. Taxe). Wo die Gewerbefreiheit heute besteht, sind diese Beschränkungen
völlig oder doch bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen beseitigt. Charakteristische Merkmale der modernen Gewerbefreiheit sind
daher:
1) Das Recht der Freizügigkeit und freien Niederlassung.
2) Das Recht der freien Wahl des gewerblichen Berufs.
3) Die Gründung gewerblicher Unternehmungen und der selbständige Gewerbebetrieb sind in der Regel jedem freigestellt
und lediglich an die Bedingung einer Anzeige an die Ortsobrigkeit beim Beginn geknüpft. In der Regel wird kein Nachweis einer
besondern persönlichen Qualifikation, eines bestimmten Lebens- und Bildungsganges, keine obrigkeitliche Konzession, keine Zugehörigkeit
zu einer Korporation gefordert. Wo aber ausnahmsweise das Recht auf den Gewerbebetrieb noch einschränkenden Bedingungen unterliegt,
sind diese im öffentlichen Interesse erlassen, für alle gesetzlich gleich, und die Erfüllung derselben,
soweit es sich um persönliche Qualifikation handelt, hängt von dem Willen der Bewerber ab. 4) Die Gewerbtreibenden sind im
allgemeinen auch frei in der Herstellung und dem Absatz der Produkte. Aber diese Freiheit ist keine unbedingte und
darf dies auch bei vernünftiger Politik nicht sein. Im Interesse der gewerblichen Produktion, der gewerblichen Bevölkerung
und der allgemeinen Volkswohlfahrt müssen Schranken bestehen; jedoch ist für
mehr
diese, im Unterschied von den frühern, wesentlich, daß sie nur ausnahmsweise, für alle gleich durch Gesetz und nur im öffentlichen,
nicht im privaten Interesse errichtet sind. Unentbehrliche Schranken solcher Art sind:
1) Obrigkeitliche Genehmigung für die Anlage und die Einrichtung gewisser Unternehmungen, durch welche Gesundheit, resp. Leben
von Personen gefährdet oder sonst berechtigte Interessen Dritter verletzt werden können.
2) Betriebsbeschränkungen zum Schutz von Arbeitern, zum Schutz der Urheber (Patent-, Muster-, Marken- etc. Schutz) und zum Schutz
der Konsumenten gegen gesundheitsschädliche oder verfälschte Waren.
3) Bei Aktiengesellschaften und Genossenschaften formelle, aus der Natur dieser Unternehmungen folgende Beschränkungen.
4) Betriebsbeschränkungen aus Steuerzwecken zur Durchführung einzelner, von gewerblichen Produzenten
zu erhebender indirekter Steuern.
5) Das Münzregal. Im einzelnen läßt sich über Grad und Umfang der berechtigten, resp. zweckmäßigen Einschränkungen der
Freiheit streiten, und die thatsächliche Gewerbegesetzgebung der neuern Zeit zeigt demgemäß auch in dieser
Hinsicht (in denselben Staaten im Lauf der Zeit sowie zwischen den verschiedenen Kulturstaaten) erhebliche
Unterschiede.
Entwickelung der Gewerbegesetzgebung in den verschiedenen Ländern.
[Frankreich.]
Von den europäischen Staaten führte Frankreich zuerst die Gewerbefreiheit ein. Der Boden war vorbereitet durch
die Lehre der Physiokraten, welche seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts im Gegensatz zu den Merkantilisten die volle Gewerbe-
u. Handelsfreiheit verteidigten und in weiten Kreisen Anklang fanden (s. Physiokratie). Nachdem Turgot (s. d.)
durch das berühmte Edikt vom Februar 1776 die Einführung der Gewerbefreiheit vergeblich versucht, sein Nachfolger Clugny aber
durch das Edikt vom eine liberale Reform des bisherigen Gewerberechts durchgesetzt hatte und diese noch durch spätere
Edikte, namentlich unter Necker (1779), erweitert war, wurden in der Revolutionszeit durch das Gesetz vom
2.-17. März 1791 alle noch bestehenden Zünfte aufgehoben und der Gewerbebetrieb vom ab freigegeben; die einzige
Bedingung des selbständigen Gewerbebetriebes war die vorherige Lösung eines Gewerbescheins (patente), der niemand versagt wurde,
welcher die dafür festgesetzte Steuer bezahlte.
Einzig für Apotheker und Droguenhändler wurde der Konzessionszwang beibehalten. Bezüglich des Betriebes blieben nur die
gesundheitspolizeilichen Beschränkungen bestehen und für Goldschmiede eine polizeiliche Kontrolle des Feingehalts der Gold-
und Silberwaren. Die individualistische Richtung der Zeit und die Abneigung gegen Zünfte und Innungen gingen so weit, daß
das Gesetz vom 14.-17. Juni 1791 nicht bloß jede Koalition von Arbeitern, Arbeitgebern und Wareninhabern, sondern auch jede
Assoziation von Genossen desselben Gewerbes verbot. (Diese radikale Gesetzgebung erfuhr später, namentlich unter Napoleon I.,
manche Einschränkungen, die zumeist erst unter dem zweiten Kaiserreich durch den Einfluß Rouhers wieder fielen.) Von Frankreich
verbreitete sich die Gewerbefreiheit in andre Teile des Kontinents. Die französische Gewerbegesetzgebung von 1791 wurde direkt
eingeführt in denjenigen bisher deutschen Ländern, welche dem französischen Staat einverleibt wurden, ebenso im Königreich
Westfalen (1808, 1810), im Großherzogtum Berg (1809) und in den französisch-hanseatischen Departements.
[Deutschland.]
Auch in Preußen ward um diese Zeit (Edikt vom
und Gesetz vom durch Hardenberg
die Gewerbefreiheit eingeführt, zwar in weniger radikaler Weise, aber doch immerhin in weitem Umfang. Wie in Frankreich, wurde
der Gewerbebetrieb lediglich von der Lösung eines Gewerbescheins abhängig gemacht, der niemand versagt werden durfte, welcher
ein polizeiliches Zeugnis über seinen rechtlichen Lebenswandel beibrachte, und von der Zahlung der neueingeführten
Gewerbesteuer.
Aber in einzelnen Gewerbszweigen, bei deren ungeschicktem Betrieb gemeine Gefahr obwaltet, oder welche eine öffentliche Beglaubigung
oder Unbescholtenheit erfordern, sollte vorher der Besitz der erforderlichen Eigenschaften nachgewiesen werden. Nach dem Edikt
von 1810 waren dies 34 Kategorien, darunter 8 Gewerbe im engern Sinn. Nach dem Gesetz von 1811 wurde eine
Prüfung von Gewerbtreibenden im engern Sinn für Apotheker, Architekten, Mühlenbaumeister, Schiffs- und Hauszimmerleute, Maurer-,
Röhren-, Brunnenmeister beibehalten und dieselbe staatlichen Kommissionen übertragen.
Schornsteinfeger bedurften der Konzession, Juweliere des Attestes vollkommenster Rechtlichkeit. Die Zünfte und Innungen wurden
nicht aufgehoben, aber die Inhaber von Gewerbescheinen waren nicht verpflichtet, denselben anzugehören,
und konnten dennoch Lehrlinge und Gehilfen annehmen. Diese Gesetzgebung, erlassen für das Preußen nach dem Tilsiter Frieden,
wurde aber 1815 in den Landesteilen, welche wieder oder neu hinzukamen, nicht eingeführt; man ließ in diesen vielmehr das
geltende Recht bestehen, und so herrschte in den verschiedenen Teilen des Königreichs ein ganz verschiedenes
Gewerberecht, von der weiten französischen Gewerbefreiheit bis zum engsten Zunftwesen.
Dieser Zustand dauerte, mit geringen Änderungen, bis 1845. Die Gewerbeordnung vom schuf ein einheitliches Gewerberecht
auf der Basis der Gewerbefreiheit, aber doch mit größern Beschränkungen als die Gesetzgebungen von 1810 und 1811. Man
suchte insbesondere auch das Gewerbewesen durch die Begünstigung von Innungen und dadurch, daß man das Recht, Lehrlinge zu
halten, in einer großen Zahl von Gewerben von einem Befähigungsnachweis der Lehrmeister abhängig machte, zu fördern.
Nach der Revolution von 1848 brachten die beiden Verordnungen vom in Übereinstimmung mit der
damals im Handwerkerstand herrschenden rückläufigen Strömung, die in den Beschlüssen des sogen.
Handwerkerparlaments, welches 15. Juli bis in Frankfurt a. M. tagte, Ausdruck gefunden hatte, weitere Beschränkungen
der Gewerbefreiheit im vermeintlichen Interesse der Erhaltung und Kräftigung des Handwerkerstandes. Beurteilt
man diese Gesetzgebung nach dem Wortlaut der Bestimmungen, so kann es zweifelhaft sein, ob sie noch als ein System der Gewerbefreiheit
zu erachten.
Aber dadurch, daß die für die Durchführung vieler Bestimmungen vorausgesetzte Einrichtung der Gewerberäte (s. d.) nicht
zur Ausführung kam, und durch die auch im übrigen sehr liberale und laxe Praxis der Behörden blieben
die restriktiven Normen zumeist unausgeführt und herrschte thatsächlich Gewerbefreiheit, allerdings in geringeren Grad als
nach den Gesetzgebungen von 1810 bis 1811 und 1845. Einige liberale Änderungen erfolgten 1861 und 1865, aber im wesentlichen
blieb diese Gewerbegesetzgebung, bis die Gründung des Norddeutschen Bundes und die bundesgesetzliche Regelung des Gewerbewesens
einen neuen Rechtszustand auch für Preußen schuf.
Was die übrigen deutschen Staaten betrifft, so wurde, soweit in ihren Landesteilen in der Zeit von
mehr
1797 bis 1814 die französische Gesetzgebung eingeführt worden war, diese zumeist nach 1815 wieder beseitigt, und bis 1860 bestand
in denselben fast überall ein System der Gewerbeunfreiheit, bei dem allerdings in einer Reihe von Staaten viele Mißstände
des frühern Rechtszustandes beseitigt und zum Teil nicht unerhebliche Modifikationen im Sinn der Gewerbefreiheit
vorgenommen wurden. Seit dem Ende der 50er Jahre trat allgemein eine entschiedene Strömung zu gunsten der Gewerbefreiheit
hervor, und dieselbe fand eine kräftige Unterstützung durch die Einführung der Gewerbefreiheit in Österreich 1859 (Gewerbeordnung
vom 20. Dez.). Neue auf der Gewerbefreiheit, zum Teil einer sehr weiten, beruhende Gewerbeordnungen wurden erlassen: 1860 in
Nassau, 1861 in Bremen, Oldenburg, Sachsen, 1862 in Württemberg, Sachsen-Weimar, Meiningen, Waldeck, Baden, 1863 in Koburg-Gotha,
Altenburg, Reuß j. L., 1864 in Braunschweig, 1865 in Hamburg, Frankfurt a. M., Schwarzburg-Rudolstadt, 1866 in Schwarzburg-Sondershausen,
Lübeck. Alle diese Gesetze waren nicht von langer Dauer. Die Gründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen
Reichs setzte neue an ihre Stelle. Der Norddeutsche Bund betrachtete die neue einheitliche Regelung des Gewerbewesens als eine
seiner ersten Aufgaben. Nach Erlaß des Freizügigkeitsgesetzes vom erging das sogen. Notgewerbegesetz vom für
den stehenden Gewerbebetrieb, welches die Gewerbefreiheit für diejenigen Staaten des Norddeutschen Bundes,
in denen dieselbe noch nicht bestand, herbeiführte, und auf Grund einer sehr weit gehenden Gewerbefreiheit regelte dann einheitlich
die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes vom neu das gesamte Gewerbewesen. Dies Gesetz wurde nach der Gründung
des Deutschen Reichs Reichsgesetz und trat in sämtlichen Bundesstaaten, mit Ausnahme von Elsaß-Lothringen,
wo nur § 29 eingeführt, im übrigen aber das frühere französische Recht mit einigen landesgesetzlichen Modifikationen
beibehalten wurde, in Kraft. In Bayern war 1868 durch Gesetz vom 30. Jan. die Gewerbefreiheit eingeführt worden.
[Österreich. Übrige Staaten.]
In Österreich hatte die Gewerbeordnung von 1859 das Gewerberecht im großen und ganzen ähnlich
wie die spätere deutsche Gewerbeordnung von 1869 geregelt. Nur in einem Hauptpunkt waren die Gesetzgebungen verschieden; die
österreichische behielt Zwangsinnungen, sog. Genossenschaften, bei, ohne daß jedoch mit denselben praktische Erfolge erzielt
wurden. Durch die neue Gewerbeordnung vom wurde die 1859 eingeführte Gewerbefreiheit mehrfach eingeschränkt und
eine neue Organisation der Zwangsinnungen mit weitergehenden (teils obligatorischen) Aufgaben und Befugnissen
ins Leben gerufen (s. Innungen).
Das Ziel derselben geht dahin, dem Kleingewerbe mehr Schutz zu bieten und die Lage des Handwerkerstandes zu verbessern. Die Gewerbe
werden unterschieden in handwerksmäßige, konzessionierte und freie. Als handwerksmäßige Gewerbe gelten diejenigen, bei
denen es sich um Fertigkeiten handelt, welche die Ausbildung im Gewerbe durch Erlernung und längere Verwendung
in demselben erfordern, und für welche die Ausbildung in der Regel ausreicht. Handelsgewerbe (im engern Sinn), fabrikmäßig
betriebene Unternehmungen und die Hausindustrie sind von der Einreihung in die vorläufig im Verordnungsweg zu bestimmenden
handwerksmäßigen Gewerbe ausgenommen.
Für den selbständigen Betrieb solcher Gewerbe ist der Befähigungsnachweis sowie eine bestimmte Lehrlings- sowie Gesellenzeit
vorgeschrieben. Doch kann von einem solchen in besondern Fällen dispensiert werden, insbesondere, wenn es sich um den Übergang
von einem Gewerbe zu einem andern verwandten Gewerbe oder um den gleichzeitigen Betrieb verwandter Gewerbe handelt. Als
konzessionierte Gewerbe werden diejenigen behandelt, bei denen öffentliche Rücksichten die Notwendigkeit begründen, die
Ausübung derselben von einer besondern Bewilligung abhängig zu machen.
Die Zahl der konzessionierten Gewerbe wurde erhöht, so daß denselben jetzt 21 verschiedene Gewerbegruppen angehören. Außer
den zum selbständigen Gewerbebetrieb für alle Gewerbe vorgeschriebenen Bedingungen wird für dieselben
ohne Ausnahme Verläßlichkeit und für die Mehrzahl der Nachweis einer besondern Befähigung vorgeschrieben. In allen Fällen
ist die Verleihung einer Konzession davon abhängig, daß vom Standpunkt der Sicherheits-, Sittlichkeits-, Gesundheits-, Feuer-
oder Verkehrspolizei kein Anstand gegen den beabsichtigten Gewerbebetrieb obwaltet.
Für Gast- und Schankgewerbe wird noch Unbescholtenheit des Bewerbers gefordert und soll auf das Bedürfnis
der Bevölkerung, Eignung des Lokals und Möglichkeit polizeilicher Überwachung Rücksicht genommen werden. Frei sind alle
Gewerbe, welche nicht besonders als handwerksmäßige oder konzessionierte bezeichnet werden. Für den Kleinverkauf von
Waren, welche zu den notwendigsten Gegenständen des täglichen Unterhalts gehören, dann für Transport- und Platzdienstgewerbe
etc. können je für einen Gemeindebezirk Maximaltarife festgesetzt werden.
Für Bäcker, Fleischer, Rauchfangkehrer, Kanalräumer und Transportgewerbe besteht Betriebspflicht, sie haben eine beabsichtigte
Betriebseinstellung vier Wochen vorher der Gewerbebehörde anzuzeigen. Trödler- und Pfandleihgewerbe können im Weg der Verordnung
besonderer polizeilicher Kontrolle unterstellt werden. Weitere Änderungen brachte das Gesetz vom
welches die Betriebsfreiheit wesentlich einschränkte und den Arbeitern einen sehr weitgehenden Schutz gewährte (vgl. Fabrikgesetzgebung,
S. 1002).
Auch in fast allen andern Kulturstaaten hat sich in neuerer Zeit die Gewerbefreiheit (mit größern und geringern Beschränkungen)
Bahn gebrochen. Sie besteht im heutigen Belgien schon seit der Vereinigung des Landes mit Frankreich im J.
1795, in Holland seit 1819, in Spanien seit 1813 (zeitweise wieder aufgehoben gewesen), in Norwegen seit 1839, in Schweden seit
1846, in Dänemark seit 1862, in der Schweiz in einzelnen Kantonen seit uralter Zeit, in den meisten schon vor 1848, allgemein
nach der Bundesverfassung von 1848, ebenso in Italien, Portugal, Griechenland, Rumänien. In Rußland herrscht
die Gewerbefreiheit schon seit Katharina II., in England thatsächlich, wenn auch nicht rechtlich, schon seit dem 18. Jahrh.;
die formelle Aufhebung der alten Beschränkungen erfolgte 1814 und 1835. Für die nordamerikanische Union verkündete schon
die Deklaration der Menschenrechte vom die Gewerbefreiheit.
Die Gewerbeordnung im Deutschen Reich.
Die im Deutschen Reiche geltende Gewerbegesetzgebung umfaßt eine größere Zahl von Gesetzen. Das Hauptgesetz ist die Gewerbeordnung von 1869,
die andern Gesetze sind teils solche, welche die Gewerbeordnung abändern, teils solche, welche sie ergänzen. Mit wenigen
Ausnahmen ist die Tendenz der erstern, der individuellen Freiheit im öffentlichen Interesse engere Schranken
zu ziehen oder die Arbeiterinteressen besser
mehr
zu fördern und zu wahren; die letztern betreffen im wesentlichen Gegenstände, welche mit der allgemeinen Gewerbeordnung
noch nicht gleichzeitig erledigt werden konnten oder schon im Weg der Spezialgesetzgebung erledigt waren. Die abändernden
Gesetze sind: das Gesetz vom betreffend die Abänderung einiger Strafbestimmungen der Gewerbeordnung;
das Gesetz
vom betreffend gewerbliche Anlagen;
die Gesetze vom 7. und betreffend gewerbliche
Hilfskassen (Titel 7 der Gewerbeordnung);
das Gesetz vom betreffend den Gewerbebetrieb der Maschinisten auf Seedampfschiffen;
die sogen. Gewerbeordnungsnovelle vom welche Titel 7 der Gewerbeordnung ersetzte, mit den auf
Grund der im § 139 a ergangenen Verordnungen des Bundesrats (zwei vom vom vom
das Gesetz
vom betreffend die Unternehmer von privaten Heilanstalten, die Gast- und Schankwirtschaft und den Branntweinkleinhandel
und das Pfandleihgewerbe;
das Gesetz vom betreffend die Schauspielunternehmen;
das sogen.
Innungsgesetz vom
das Gesetz vom betreffend Krankenversicherung der Arbeiter;
das Gesetz vom
betreffend insbesondere den Gewerbebetrieb im Umherziehen;
das Gesetz vom betreffend die Anfertigung von Zündhölzern;
das Gesetz vom betreffend die Abänderung des Gesetzes über eingeschriebene Hilfskassen vom
das Gesetz vom gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen;
das Unfallversicherungsgesetz
vom
das Gesetz vom betreffend den Feingehalt der Gold- und Silberwaren;
das Gesetz vom
betreffend die Ergänzung des § 100 e (Halten von Lehrlingen);
das Gesetz vom betreffend die Krankenversicherung
der Arbeiter;
das Gesetz vom betreffend die Ausdehnung der Unfall- und Krankenversicherung, sowie das Gesetz, betreffend
die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen,
vom Zu den die Gewerbeordnung ergänzenden Gesetzen sind zu rechnen: das Patentschutzgesetz vom
das
Musterschutzgesetz vom
das Markenschutzgesetz vom
das Gesetz vom betreffend das Urheberrecht
an Werken der bildenden Künste;
das Photographienschutzgesetz vom
das Haftpflichtgesetz vom
das Gesetz vom betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen;
das Fischereigewerbegesetz
vom
das Preßgewerbegesetz vom
das Gesetz vom betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften;
das Spielbankengesetz vom
das Bankgesetz vom etc.
Die allgemeinen Bestimmungen der Gewerbeordnung (Titel 1) stellen an die Spitze den Satz, daß der Betrieb eines Gewerbes jedermann
gestattet ist, soweit nicht durch Reichsgesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Jeder Unterschied
zwischen Stadt und Land in Bezug auf den Gewerbebetrieb und dessen Ausdehnung ist aufgehoben. Der gleichzeitige
Betrieb verschiedener Gewerbe sowie desselben Gewerbes in mehreren Betriebs- oder Verkaufsstätten ist gestattet.
Eine Beschränkung der Handwerker auf den Verkauf selbstgefertigter Waren findet nicht statt. Den Zünften, Innungen, kaufmännischen
Korporationen steht
ein Recht, andre von dem Betrieb eines Gewerbes auszuschließen, nicht zu. Alle ausschließlichen
Gewerbeberechtigungen, Zwangs- oder Bannrechte, Realgewerbeberechtigungen sind aufgehoben und können nicht mehr begründet
werden. Das Geschlecht, das Glaubensbekenntnis und die Staatsangehörigkeit begründen keinen Unterschied in der Gewerbeberechtigung.
Der Gewerbebetrieb ist in keiner Gemeinde und in keinem Gewerbe von dem Besitz des Bürgerrechts abhängig, jedoch kann, wo dies
in der betreffenden Gemeindeverfassung begründet ist, die Verpflichtung zum Erwerb desselben binnen drei
Jahren ausgesprochen werden. Der Gewerbebetrieb bleibt jedoch allen in den Gesetzen begründeten oder auch örtlich geltenden
Polizeivorschriften sowie den durch Zoll-, Steuer- und Postgesetze im fiskalischen Interesse ausgesprochenen Beschränkungen
unterworfen.
Die deutsche Gewerbegesetzgebung unterscheidet zwischen stehendem Gewerbebetrieb und Gewerbebetrieb im Umherziehen. Bei
stehendem Gewerbebetrieb ist 1) das Recht auf den selbständigen Betrieb im allgemeinen nur an die Verpflichtung der Anzeige
des zu beginnenden Gewerbes bei der nach den Landesgesetzen zuständigen lokalen Behörde geknüpft. Eine solche Gewerbeanmeldung
hat auch durch diejenigen zu erfolgen, welche zum Gewerbebetrieb im Umherziehen befugt sind. Die Behörde
bescheinigt den Empfang der Anzeige durch Erteilung des Gewerbeanmeldescheins. (Feuerversicherungsagenten müssen außerdem
der Behörde ihres Wohnortes Anzeige machen, und Buch- und Steindrucker, Buch- und Kunsthändler, Antiquare, Leihbibliothekare,
Inhaber von Lesekabinetten, Verkäufer von Druckschriften, Zeitungen und Bildern müssen ihr Gewerbelokal angeben.) Ausnahmen
bestehen für folgende Gewerbe: für Ärzte und Apotheker ist erforderlich Prüfung und Approbation, für
Hebammen, Seeschiffer, Seesteuerleute, Maschinisten der Seedampfschiffe, Lotsen Prüfung, für den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes
kann durch die Landesgesetzgebung Prüfung vorgeschrieben werden;
konzessionspflichtig sind die Herstellung und der Vertrieb
von Sprengstoffen, Unternehmer von Privatkranken-, Privatentbindungs- und Privatirrenanstalten, Apotheken, Schauspielunternehmer,
der Betrieb von Gastwirtschaft, Schankwirtschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus, die gewerbsmäßige
Veranstaltung von Singspielen, Gesangs- und deklamatorischen Vorträgen, Schaustellungen von Personen oder von theatralischen
Vorstellungen, ohne daß ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft dabei obwaltet, das Pfandleihgewerbe und das gewerbsmäßige
öffentliche Verbreiten von Druckschriften oder andern Schriften oder Bildwerken;
außerdem können Landesgesetze den Handel
mit Giften, das Lotsengewerbe und das Gewerbe der Markscheider konzessionspflichtig machen;
in einer Reihe von Gewerben (darunter
Erteilung von Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht, Betrieb von Badeanstalten, Trödelhandel, gewerbsmäßige Besorgung fremder
Angelegenheiten, Gesindevermieter, Stellenvermittler, Auktionatoren etc.) ist der Betrieb zu untersagen, wenn Thatsachen vorliegen,
welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbtreibenden in Bezug auf seinen Gewerbebetrieb darthun.
Handlungsreisende
bedürfen einer Legitimationskarte. Das Gewerbe der Feldmesser, der Auktionatoren, derjenigen, welche den Feingehalt edler Metalle
oder die Beschaffenheit, Menge oder richtige Verpackung von Waren irgend einer Art feststellen, darf zwar frei betrieben werden;
jedoch sind die verfassungsmäßig dazu befugten
mehr
Staats- oder Kommunalbehörden oder Korporationen berechtigt, Personen, welche diese Gewerbe betreiben wollen, auf die Beobachtung
der bestehenden Vorschriften zu beeidigen und öffentlich anzustellen. Der Regelung durch die Ortspolizeibehörde unterliegt
die Unterhaltung des öffentlichen Verkehrs innerhalb der Orte durch Wagen aller Art, Gondeln, Sänften, Pferde und andre Transportmittel
sowie das Gewerbe derjenigen Personen, welche auf öffentlichen Straßen oder Plätzen ihre Dienste anbieten.
Das Münzgewerbe ist Staatsregal.
2) Die Art der Anlage gewerblicher Unternehmungen ist in der Regel dem freien Ermessen der Gewerbtreibenden überlassen. Eine
Ausnahme besteht für einzelne Gewerbeanlagen aus Gründen des öffentlichen Interesses: gewisse gesetzlich (§ 16 der Gewerbeordnung)
bestimmte Anlagen, welche durch die örtliche Lage oder durch die Beschaffenheit der Betriebsstätte für
die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefahren oder
Belästigungen herbeiführen können, sowie die Anlage von Dampfkesseln bedürfen der Genehmigung der nach den Landesgesetzen
zuständigen Behörde; die Errichtung und die Verlegung solcher nicht schon genehmigungsbedürftiger
Anlagen, deren Betrieb mit ungewöhnlichem Geräusch verbunden ist, muß der Ortspolizeibehörde angezeigt und kann untersagt,
resp. normiert werden; die Unternehmer sind ferner verpflichtet, alle diejenigen Einrichtungen
herzustellen und zu unterhalten, welche mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebs und der Betriebsstätte
zu thunlichster Sicherung gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind; der Bundesrat, eventuell
die nach den Landesgesetzen zuständigen Behörden können die erforderlichen Bestimmungen treffen; allgemein endlich kann
wegen überwiegender Nachteile für das Gemeinwohl die fernere Benutzung einer jeden gewerblichen Anlage durch die höhere
Verwaltungsbehörde gegen Ersatz des erweislichen Schadens untersagt werden.
3) Auch der Betrieb der Unternehmungen unterliegt in der Regel keinen Beschränkungen. Ausnahmen bestehen
nur: a) im Interesse von Leben, Gesundheit, Moral, Einkommen, Ausbildung schutzbedürftiger Lohnarbeiter (s. Fabrikgesetzgebung,
S. 1002); b) im Interesse der Ausbildung von Lehrlingen; c) zur Durchführung des Patent-, Muster-, Marken- und Firmenschutzes (s.
die betreffenden Artikel), des Schutzes von Photographien gegen unbefugte Nachbildung und des Urheberrechts
an Werken der bildenden Künste; d) im Interesse der Konsumenten zur Verhinderung des Verkaufs gesundheitsschädlicher, nachgemachter
oder verfälschter Nahrungs- und Genußmittel und gesundheitsschädlicher Spielwaren, Tapeten, Farben, Eß-, Trink- und Kochgeschirre;
e) bei der Anfertigung und dem Verkauf der Gold- und Silberwaren insofern, als der auf ihnen angegebene
Feingehalt (s. d.) nach den Vorschriften des Gesetzes vom erfolgen muß; f) für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften
auf Aktien und eingetragene Genossenschaften durch die für diese Unternehmungsformen erlassenen Normativbestimmungen; g) im
fiskalischen Interesse für gewisse Unternehmungen (z. B. Branntweinbrennereien, Bierbrauereien, Rübenzuckerfabriken etc.)
durch Zoll- und Steuergesetze, h) für Apotheker (s. Apotheke); eventuell i) für Bäcker und Verkäufer
von Backwaren (dieselben können durch die Ortspolizeibehörde angehalten werden, die Preise und das Gewicht ihrer verschiedenen
Backwaren für
gewisse von derselben zu bestimmende Zeiträume durch einen von außen sichtbaren Anschlag am Verkaufslokal
zur Kenntnis des Publikums zu bringen, und wo dies geschieht, kann die Polizeibehörde die Bäcker und
Verkäufer zugleich anhalten, im Verkaufslokal eine Wage mit den erforderlichen geeichten Gewichten aufzustellen und die Benutzung
derselben zum Nachwiegen der verkauften Backwaren zu gestatten); k) für Schornsteinfeger (die Landesgesetze können
die Einrichtung von Kehrbezirken gestatten, und in diesem Fall können von der Ortspolizeibehörde im
Einverständnis mit der Gemeindebehörde oder, wenn der zugewiesene Bezirk mehr als eine Ortschaft umfaßt, von der untern
Verwaltungsbehörde Taxen aufgestellt werden); l) die Ortspolizeibehörden können die Gastwirte anhalten, das Verzeichnis
der von ihnen gestellten Preise einzureichen und in den Gastzimmern anzuschlagen, ferner (in Übereinstimmung mit der
Gemeindebehörde) für Lohnbediente und andre Personen, welche auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder in Wirtshäusern
ihre Dienste anbieten, sowie für die Benutzung von Wagen, Pferden, Sänften, Gondeln und andern Transportmitteln, welche öffentlich
zum Gebrauch aufgestellt sind, Taxen festsetzen; die Zentralbehörden können ebenso Taxen für Ärzte festsetzen.
Der Gewerbebetrieb im Umherziehen unterliegt manchen Beschränkungen. Erforderlich ist für den Betrieb
ein Wandergewerbeschein, der gewissen Personen (§ 57 der Gewerbeordnung) unbedingt, andern (§ 57 a) in der Regel zu versagen
ist und außerdem unter bestimmten Voraussetzungen (§ 57 b) versagt werden kann. Eine Reihe von Waren, resp. Leistungen (§ 56 u. 56 a)
sind von diesem Gewerbebetrieb ausgeschlossen. Minderjährigen Personen kann in dem Wandergewerbeschein
die Beschränkung auferlegt werden, daß sie das Gewerbe nicht nach Sonnenuntergang, und minderjährigen Personen weiblichen
Geschlechts die weitere, daß sie dasselbe nur auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, nicht aber von Haus zu Haus betreiben
dürfen etc. -
Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbtreibenden und ihren Gesellen, Gehilfen
und Lehrlingen (Arbeitsvertrag) ist Gegenstand freier Übereinkunft. Das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den Gesellen
und Gehilfen kann, wenn nicht ein andres verabredet ist, mit 14tägiger Kündigungsfrist durch jeden der beiden Teile aufgelöst
werden. Vor Ablauf dieser Frist darf die Lösung nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen (§ 111 u. 112)
erfolgen.
Jede andre einseitige Auflösung ist Kontraktbruch (s. d., vgl. auch Arbeitsbücher und Gewerbegerichte). Über das Lehrlingswesen
vgl. Lehrling, über die besondern Verhältnisse der jugendlichen Arbeiter und Frauen vgl. Fabrikgesetzgebung, S. 1001 f. Über
die Bestimmungen bez. der Innungen, der gewerblichen Hilfskassen und des Trucksystems s. die betreffenden
Artikel.
Vgl. Gewerbegesetzgebung Schönberg im »Handbuch der politischen Ökonomie« (dort auch weitere Litteratur);
Mascher, Das deutsche Gewerbewesen
etc. (Potsd. 1866);
Jacobi, Die Gewerbegesetzgebung im Deutschen Reich (Berl. 1874);
Seydel, Das Gewerbepolizeirecht nach der Reichsgewerbeordnung
(in Hirths »Annalen des Deutschen Reichs« 1878);
Gewerbegesetzgebung Meyer, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts, Teil I
(Leipz. 1883);
Bödiker, Das Gewerberecht des Deutschen Reichs (Berl. 1883);
Höinghaus, Gewerbeordnung für das Deutsche Reich
in der Fassung des Gesetzes vom (8. Aufl., das. 1884);
Engelmann, Die deutsche Gewerbeordnung
mehr
erläutert (Erlang. 1885);
Rüdiger, Die Konzessionierung gewerblicher Anlagen in Preußen (Berl. 1886);
Hoffmann, Die Gewerbeverfassung
des Deutschen Reichs (Erlang. 1886);
Löbner, Lexikon des Handels- und Gewerberechts (Leipz. 1883).