teils als ein anhaltender dumpfer
Schmerz, teils als Schmerzanfall dar. Die Anfälle sind furchtbar quälend, die
Schmerzen
schießen blitzschnell auf und ab, brechen nach kurzen
Intervallen ab, um sofort in gleicher Heftigkeit wiederzukehren. Die
Anfälle treten teils von selbst und ganz unregelmäßig, teils bei gewissen Veranlassungen, besonders beim Sprechen,Niesen,
Gähnen, Schnäuzen etc., auf. Während des Anfalles wird das
Gesicht
[* 2] gerötet, und die
Haut
[* 3] desselben fühlt sich heißer an;
die
Schlagadern klopfen heftiger.
Der Verlauf ist ein sehr langwieriger, so peinigend, daß hin und wieder die unglücklichen Kranken in schwere
Melancholie
verfallen, und sogar zum
Selbstmord hat sich der eine oder andre Kranke durch die furchtbaren
Schmerzen
verleiten lassen. Was die Behandlung des Gesichtsschmerzes anbelangt, so wird zunächst die Beseitigung der
Ursachen desselben
angestrebt werden müssen, welche freilich nur in seltenen
Fällen gelingen wird. Sehr häufig lassen sich
Patienten, welche
glauben, daß ihr Gesichtsschmerz von einem vorhandenen hohlen
Zahn hervorgerufen sei, diesen
Zahn ausziehen in der
Hoffnung, der Gesichtsschmerz werde damit verschwinden.
Indessen wird diese
Hoffnung recht oft arg getäuscht; der
Patient läßt sich einen
Zahn nach dem andern,
mag er krank oder
gesund sein, ausreißen, aber der Gesichtsschmerz bleibt ungebessert zurück.
Wenn der Gesichtsschmerz durch
Erkältung entstanden ist, so
wird man durch warme Einwickelungen, warme Vollbäder, Schwitzkuren etc. das Übel zu bekämpfen
suchen. Auch kleine
Blasenpflaster, welche man auf die schmerzenden Hautstellen in der Art anbringt, daß jeden
Tag eine neue
Stelle mit einem solchen
Blasenpflaster bedeckt wird, während man die vorher gereizten Hautstellen ausheilen läßt, werden
gegen frische
Fälle von Gesichtsschmerz als erfolgreich gerühmt.
Wenn dem ein
Wechselfieber zu
Grunde liegt, so schwindet mit der Besserung dieses Hauptleidens durch
Chinin auch der Gesichtsschmerz. Etwa
vorliegende
Störungen der Körperkonstitution wird man nach ihrer Art zu beseitigen suchen müssen, so die
Blutarmut durch
Eisenpräparate, andre allgemeine
Leiden
[* 4] durch umstimmende
Brunnen- und
Badekuren etc. Auch der
Wechsel des
Aufenthalts, welcher bei in vielen
Fällen von entschieden günstiger
Wirkung ist, scheint als umstimmendes
Mittel zu wirken.
Ferner sind
Einreibungen von
Veratrin- und Aconitinsalbe zu versuchen, wobei aber große Vorsicht zu beobachten ist, da diese
Salben, ins
Auge
[* 5] gebracht, heftige Bindehautentzündungen hervorrufen. In neuerer Zeit greift man bei der
Behandlung des Gesichtsschmerzes gern zur
Elektrizität,
[* 6] namentlich zum konstanten galvanischen
Strom, und auf diesem Weg werden
die überraschendsten Heilerfolge erzielt.
In den schlimmsten
Fällen von Gesichtsschmerz, wo alle andern
Mittel vergeblich angewendet worden
sind, muß schließlich zur
Operation geschritten werden.
Dieselbe besteht darin, daß aus dem Nervenstamm, welcher Sitz des
Schmerzes ist, ein
Stück herausgeschnitten
wird
(Neurotomie), damit die Leitung im
Nerv unterbrochen, der
Schmerz also nicht empfunden werde. Die
Operation ist umständlich
und schwierig. Sie wird um so sicherern Erfolg haben, je näher am
Gehirn
[* 7] der
Nerv durchschnitten wird. DieHeilung
ist jedoch auch bei sonst gelungener
Operation zuweilen nur vorübergehend, weil die Nervenstümpfe zusammenwachsen und die
Leitung wiederherstellen können.
Noch schwerer wird man sich zu der gleichfalls empfohlenen
Unterbindung der Arteria
Carotis
entschließen. Das wichtigste und einzig zuverlässige
Mittel ist das
Morphium, welches nicht allein symptomatisch, d. h. schmerzstillend,
wirkt,
sondern mitunter vollkommene, dauernde
Genesung herstellt. Neuerdings ist die
Nervendehnung (s. d.)
mit vorübergehendem Erfolg angewandt worden.
eine Form des
Schwindels, welche durch die infolge der
Lähmung der Augenmuskeln hervorgerufene Scheinbewegung
der umgebenden
Objekte veranlaßt wird.
Der Kranke glaubt seine
Augen in normaler
Weise zu bewegen, obwohl sie seinem
Willen nicht mehr folgen, und so entsteht eine schwindelerregende Unsicherheit über den
Ort der eignen
Person
und der umgebenden Gegenstände.
(Augentäuschungen, Okularspektra), durch das
Auge und den
Sehnerv vermittelte
Empfindungen, welche
nicht der Wirklichkeit entsprechen. Man unterscheidet subjektive und objektive Gesichtstäuschungen. Erstere werden
ausschließlich durch subjektive
Reize angeregt und gewinnen scheinbar objektive Gestalt, während die
objektiven durch einen äußern Sinnesreiz eingeleitet werden, der aber zu
Empfindungen und
Vorstellungen führt, die dem
Reiz
nicht entsprechen.
Bei den subjektiven Gesichtstäuschungen kann entweder das
Auge oder ein bestimmter Teil des
Gehirns den
Reiz empfangen. Es entsteht eine Lichtempfindung
in vollkommener Finsternis, wenn auf den Sehapparat mechanische, elektrische, chemische oder thermische
Reize einwirken. Am bekanntesten ist das blitzähnliche
Leuchten, welches bei einem
Schlag oder
Stoß auf das
Auge wahrgenommen
wird. Bei schneller
Bewegung des
Auges im Finstern glaubt man bisweilen eine Lichterscheinung wahrzunehmen, die so genau der
Wirklichkeit entspricht, daß der geübteste Beobachter über ihre wahre
Natur im
Zweifel bleibt.
Aber auch ohne jegliche äußere Reizung ist das dunkle Gesichtsfeld bei geschlossenen
Augen niemals ganz
frei vonLicht- und
Farbenbildern. Diese werden auch wahrgenommen, wenn die
Netzhaut im
Auge für
Licht
[* 8] völlig unempfindlich geworden ist, und
gestalten sich unter Umständen zu einem quälenden
Leiden
(Photopsie). Sie sind durch den
Druck des
Bluts
auf die
Nerven
[* 9] zu erklären und treten daher besonders bei
Kongestionen nach dem
Kopf auf. Bemächtigen sich nun abnorme Erregungszustände
des
Gehirns solcher Gesichtstäuschungen, so können sie zu
Halluzinationen,
Illusionen und
Visionen sich gestalten.
Einen Übergang zu den objektiven Gesichtstäuschungen bilden die sogen.
entoptischen
Erscheinungen, bei denen im optischen
Apparat des
Auges vorhandene Gegenstände oder Veränderungen zu falschen
Wahrnehmungen führen. Dahin gehören die »fliegenden
Mücken«
(mouches volantes), die Verzerrungen von Gegenständen durch
abnorme Gestaltung der Krümmungsflächen der brechenden
Medien
(Metamorphopsie), die falsche Beurteilung der
Größe gesehener
Gegenstände infolge plötzlich eintretender Veränderungen in der Akkommodationskraft des
Auges oder
in der Leistungsfähigkeit der
Muskeln,
[* 10] welche die Konvergenzstellung der
Augen bewirken
(Makropie, Mikropie), ferner die scheinbare
Bewegung von
Objekten infolge einer außerhalb des
Bewußtseins sich vollziehenden Augenbewegung.
Neben diesen Gesichtstäuschungen, welche alle mehr oder weniger auf Erkrankungen oder ungewöhnliche Reizungen des
Gesichtssinns zurückzuführen sind, gibt es andre, welche aus der normalen
Beschaffenheit des
Organs entspringen. So täuscht
uns der
Augenschein andre Verhältnisse vor, als in Wirklichkeit vorhanden sind; entfernte Gegenstände erscheinen kleiner,
und über die räumlichen Verhältnisse des Gesehenen belehrt uns nur die
Erfahrung, wie das
Kind beweist, welches nach dem
Mond
[* 11] greift, und das Verhalten des Blindgebornen
¶
mehr
nach glücklicher Operation im spätern Alter. Derartigen Täuschungen unterliegt jeder, sobald die Verhältnisse einigermaßen
ungewöhnlich werden. Entfernte Gegenstände erscheinen näher oder ferner je nach dem Zustand der Atmosphäre. Hierher gehört
auch die Thatsache, daß der Mond am Horizont
[* 13] größer erscheint, als wenn er hoch am Himmel
[* 14] steht. Sehr schwer entreißt
man sich den Täuschungen über Ruhe und Bewegung äußerer Gegenstände, welche jedesmal eintreten, sobald man über die eigne
Ruhe oder Bewegung einen nicht hinreichend starken Eindruck erhält.
Derartige Täuschungen erlebt man besonders auf der Eisenbahn und auf dem Wasser, namentlich aber sind wir gar nicht im stande,
uns von der Täuschung loszumachen, daß die Gestirne sich um die ruhende Erde drehen. Hierher gehört
auch der bei Lähmung der Augenmuskeln eintretende Gesichtsschwindel. Spiegel,
[* 15] Fernrohre, Lupen, Mikroskope
[* 16] täuschen uns über
den Ort der gesehenen Objekte. Ferner gehören zu den Gesichtstäuschungen die Erscheinung der Irradiation,
[* 17] welche einen weißen Gegenstand größer
erscheinen läßt als einen schwarzen von gleicher Größe, und die Folgen der Nachdauer einer Reizung
der Sehnerven. So gibt eine geschwungene glühende Kohle das Bild eines feurigen Kreises, und im Phänakistoskop
[* 18] (stroboskopische Scheibe)
setzen sich viele schnell hintereinander gesehene einzelne Bilder zu der Darstellung einer einzigen kontinuierlichen Bewegung
zusammen. Zu der Nachwirkung gehören auch die Nachbilder, die in gleicher oder komplementärer Farbe erscheinen,
und endlich sind die Kontrasterscheinungen zu erwähnen, welche bei gleichzeitiger Einwirkung zweier verschiedener Farben
auf die Netzhaut entstehen: ein graues Papierstückchen auf rotem Grund erscheint grünlich. Über andre Gesichtstäuschungen s. Pseudoskopische Erscheinungen.
[* 19]