Blutmasse übergehen, diese entmischen und nun auch andre
Gewebe
[* 2] gleichsam anstecken und zur Geschwulstbildung anregen. Eine
strenge
Grenze zwischen gutartigen und bösartigen Geschwülsten läßt sich durchaus nicht ziehen. Es gibt vielmehr eine
gewisse
Skala der
Gut- und Bösartigkeit, letztere ist aber keineswegs an einen bestimmten anatomischen
Bau der Geschwülste gebunden.
Bösartige Geschwülste sind gewöhnlich sehr reich an
Zellen und Säften, haben oft eine markige
Beschaffenheit, sind bald weich, bald
hart.
Sie pflegen sehr schnell zu wachsen, die
Haut
[* 3] über ihnen wird unverschieblich; dann bricht die Geschwulst durch die
Haut hindurch,
die
Lymphdrüsen der betreffenden Gegend werden
hart und schwellen an; es stellt sich
Abmagerung, schlechtes
Aussehen,
Blutarmut, kurz eine allgemeine
Kachexie ein. Was die Behandlung anbetrifft, so ist es Aufgabe des
Arztes, die Geschwulst
so früh wie möglich mit dem
Messer
[* 4] zu entfernen (exstirpieren) oder sie auf eine andre
Weise (durch
Ätzmittel,
Elektrizität
[* 5] etc.) zu zerstören.
Den meisten Geschwülsten gegenüber ist das
Messer das einzig sichere
Mittel. Aber nicht selten kehrt
nach der operativen
Entfernung einer Geschwulst dieselbe von neuem wieder, es bildet sich ein sogen.
Recidiv, ein
Rückfall.
Das Auftreten eines
Recidivs wird gewöhnlich als Zeichen der Bösartigkeit der Geschwulst angesehen. Dies ist zwar für die
meisten
Fälle, aber nicht durchgehends richtig. Wenn die recidive Geschwulst in der Operationsnarbe erscheint,
so beweist ein solches örtliches oder Narbenrecidiv nichts für die Bösartigkeit der
Neubildung, sondern nur, daß ein wenn
auch noch so kleiner Teil der
Neubildung nicht mit entfernt worden ist.
Die in der Nachbarschaft der
Narbe auftretenden sogen. regionären
Recidive begründen allerdings einen
starken
Verdacht der Bösartigkeit, aber nach ihrer gründlichen Ausrottung hat man schon oft dauernde und vollkommene
Heilung
eintreten sehen. Die sogen. Infektionsrecidive endlich, wobei die neue Geschwulst weit entfernt
von der ausgerotteten alten auftritt, sind ein sicheres Zeichen der Bösartigkeit; denn es muß in diesemFall
bereits ein Geschwulstkeim mit den
Blut- oder
Lymphgefäßen verschleppt sein, bevor man zur
Operation verschritt, und gerade
in der
Tendenz,
Metastasen zu machen und sich über den ganzen
Körper zu verbreiten, liegt das
Wesen der Bösartigkeit der Geschwülste. Die
Lehre
[* 6] von den Geschwülsten heißt
Onkologie.
(Ulcus), ein durch Gewebszerfall herbeigeführter Substanzverlust äußerer oder innerer Organoberflächen.
Findet der Gewebeverlust inmitten eines
Organs statt, so spricht man von
Nekrose oder
Absceß; aus beiden kann ein Geschwür
entstehen,
sobald die häutige
Decke
[* 9] durchbrochen und damit die freie Oberfläche erreicht ist; ursprünglich
aber können Geschwüre nur an
Haut und
Schleimhäuten entstehen. Zur Zeit der Entstehung, wenn das abgestorbene
Gewebe einschmilzt
oder, wie man sagt, »das Geschwür aufbricht« (verschwärt, exulceriert),
entleert sich die tote, meist mit Eiterzellen untermischte Inhaltsmasse,
Grund und Ränder enthalten deren ebenfalls, und
erst später tritt eine reaktive
Entzündung im Nachbargewebe auf, welche ein eiteriges oder jauchiges
Sekret auf die Geschwürsfläche absetzt. Je nachdem nun die
Entzündung der Ränder und des
Grundes zur
Bildung eines jungen
Granulationsgewebes führt, aus dem sich die
Narbe entwickelt, oder aber zu fernerm Zerfall, d. h. Vergrößerung,
Anlaß gibt,
unterscheidet man gute und bösartige Geschwüre.
Ist das Granulationsgewebe
(wildes Fleisch) zu üppig, so entsteht das schwammige oder fungöse Geschwür; ist es schlaff, so erscheint
das torpide Geschwür, wie bei den meisten sogen. Fußgeschwüren, die eigentlich Unterschenkelgeschwüre
sind und wegen der
Nähe des
Schienbeins sich schwer überhäuten und namentlich bei vorhandenen
Krampfadern
leicht wieder aufbrechen. Ist die Fleischwarzenbildung sehr bluthaltig ohne
Neigung zum
Heilen, so spricht man von einem erethischen
Geschwür, sind die Ränder aufgeworfen und hart, von einem kallösen Geschwür, ist endlich eine brandige,
um sich fressende
Verjauchung da, vom phagedänischen Geschwür, dem bösartigsten von allen, das namentlich bei syphilitischer
Infektion vorkommt.
Die
Ursachen zu einer
Verschwärung sind sehr mannigfaltige: am klarsten lassen sie sich übersehen bei gewissen sogen. embolischen
Geschwüren des
Magens und des
Darms, bei welchen ein kleines
Blutgefäß verschlossen wird und der zugehörige Gewebsbezirk,
außer
Nahrung gesetzt, abstirbt;
je nach der
Größe der verstopften
Arterie
[* 10] richten sich
Umfang und Tiefe
des Geschwürs. Ob die Geschwüre bei
Pocken und die Blutgeschwüre
(Furunkeln) zuweilen ebenso beginnen, ist noch offene
Frage.
Dauernde Entzündungsreize können beim Einschmelzen der Entzündungsprodukte zur
Verschwärung führen. Oft liegt für diesen
Ausgang ein
Grund in konstitutionellen
Leiden,
[* 11]
Syphilis,
Skrofulose,
Skorbut, welche dann dem Geschwür einen der
oben genannten
Charaktere der Bösartigkeit, z. B. den syphilitischen, den kallösen oder phagedänischen,
den skrofulösen, den torpiden, den skorbutischen, den erethischen
Charakter, verleihen.
Ferner können, wie erwähnt,
Abscesse
zur Oberfläche durchbrechen, wobei tiefe, oft unterminierte sinuöse Geschwüre entstehen.
Das
Absterben des
Gewebes kann dann durch schlechte
Ernährung bedingt sein, z. B. durch verhinderten Blutlauf
am Unterschenkel, wo nach
Stoß und
Verletzung sehr langwierige, schlecht heilende Geschwürformen sehr häufig anzutreffen
sind; ferner kann eine diphtherische Erkrankung den
Ausgang bilden, was an der
Hornhaut, dem
Gaumen und
Darm
[* 12] nicht selten ist.
Endlich kann eine
Neubildung den
Boden für das
Absterben bilden, wodurch krebsige, tuberkulöse und gummöse
Geschwüre entstehen, die an allen
Schleimhäuten vorkommen. - Form und
Größe des Geschwürs richten sich nach seiner Entstehungsursache,
so ist das embolische Geschwür scharf umschrieben, glattrandig, oft so tief, daß die ganze Wand abstirbt und in
Magen
[* 13] oder
Darm ein
Loch bildet; das tuberkulöse ist linsenförmig (lentikulär) zu Anfang, später bekommt
es zerfressene Ränder, da immer wieder neue stecknadelgroße
Knötchen
(Tuberkeln) sich bilden und zerfallen; das durch Vereiterung
der Darmfollikel hervorgegangene Geschwür ist
¶
mehr
sinuös, das krebsige an Ausbreitung völlig unbeschränkt. Die Behandlung der Geschwüre ist bei allen konstitutionellen
Kranken eine allgemeine und nur insoweit örtlich, als das Geschwür frei zugänglich liegt. Im allgemeinen entspricht
die örtliche Behandlung den Regeln der Wundbehandlung, Desinfektion,
[* 15] Anregung der Fleischwucherung durch Kampferwein, Reizsalben
etc., Mäßigung zu starker Wucherung durch Höllenstein, Transplantation kleiner Hautstückchen, Verbände
etc. Oft muß die Behandlung von Tag zu Tag gewechselt werden, so daß allgemeine Regeln nicht gegeben werden können. Die Lehre
von den Geschwüren heißt Helkologie.