mehr
Verzierungen und
Koloraturen, welche den fränkischen
Sängern gar nicht glücken wollten.
Karl d. Gr. sandte daher wiederholt
Sänger zur
Ausbildung nach
Rom und
[* 2] ließ sich Gesanglehrer vom
Papst schicken; so wurden zu St.
Gallen und
Metz
[* 3] die
ersten Sängerschulen
nach römischem
Muster errichtet. Die
Zahl der Sängerschulen wuchs später außerordentlich, und schließlich
war mit jeder
Kirche, die
einen Sängerchor unterhielt, eine Gesangschule verbunden.
Die
Ausführung der Gesänge der
Blütezeit des
Kontrapunktes erforderte so viele Kenntnisse von den
Sängern, daß eine
Reihe
von
Jahren erforderlich war, sie zu erlernen, d. h.
Knaben mutierten, ehe sie ordentlich mitsingen konnten. So kam es, daß
die
Knaben aus den
Chören bald ganz verschwanden und entweder Falsettisten (tenorini) oder
Kastraten an
ihre
Stelle traten; den Gesang der
Frauen verbot die
Kirche.
Noch mehr Kunstfertigkeit hatten die
Sänger zu zeigen Gelegenheit
beim sogen. Contrapunto alla mente
(Chant sur le livre, extemporierter
Kontrapunkt über einen
Tenor des
Chorals), der
sich vom 13. bis ins 16. Jahrh. hielt; da ergingen sie sich in
Läufen,
Trillern etc. nach Herzenslust.
Die
Sänger der päpstlichen
Kapelle wie die
der Hofkapellen in
Wien,
[* 4]
Paris,
[* 5]
London
[* 6] etc. waren aber zugleich die
bedeutendsten
Komponisten ihrer Zeit und daher wohl imstande, einen guten
Kontrapunkt zu improvisieren. Die
Oper bot den
sangeslustigen Italienern ein neues
Feld, und da mit der Einführung des neuen
Stils die alten Mensurbestimmungen der vereinfachten
heutigen Notierungsweise Platz machten, so war
Sänger sein nicht mehr so schwer wie vordem. Die eigentliche
Blüte
[* 7] der Gesangsvirtuosität
datiert daher seit der ersten
Blüte der italienischen
Oper (Mitte des 17. Jahrh.).
Die älteste Anleitung zum Singen ist die Vorrede Caccinis zu seinen »Nuove musiche« (1602); die trilli, gruppi und giri spielen darin bereits eine große Rolle. Ein noch heute in hohem Ansehen stehendes Werk sind Tosis »Opinioni de' cantori antichi e moderni« (1723; deutsch von Agricola, 1757). Wie der virtuose Gesang selbst, so fand nun auch die Schulung für denselben ihre Stätte außerhalb der Kirche, und es waren teils berühmte Sänger selbst, teils berühmte Opernkomponisten, welche Gesangschulen errichteten.
Solche Schulen waren die des Pistocchi zu Bologna (fortgesetzt durch seinen Schüler Bernacchi, die berühmteste von allen), die des Porpora (der zu Venedig, [* 8] Wien, Dresden, [* 9] London und zuletzt in Neapel [* 10] lebte und lehrte), die von Leo, Feo (Neapel), Beli (Mailand), [* 11] Tosi (London), Mancini (Wien) etc. Besonders hervorragende Sänger des vorigen Jahrhunderts waren die Kastraten: Ferri, Pasi, Senesino, Cusanino, Nicolini, Farinelli, Gizziello, Caffarelli, Salimbeni, Momoletto;
die Tenoristen: Raaff, Paita, Rauzzini;
unter den Sängerinnen ragen hervor: Faustina Hasse, die Cuzzoni, Strada, Agujari, Todi, Mara, Korona Schröter, M. Pirker, Mingotti. In unserm Jahrhundert wird zwar über den Verfall des bel canto geklagt, doch hat derselbe eine Reihe ausgezeichneter Lehrmeister zu verzeichnen, welche die Traditionen der alten italienischen Schule weiter vererbten oder noch vererben, wie: Aprile, Minoja, Vaccaj, Bordogni, Ronconi, Concone, Pastou, Panseron, Duprez, Frau Marchesi, Lamperti, Panofka.
Von deutschen Gesanglehrern der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart sind hervorzuheben: Hauser, Engel, Götze, Schimon, Stockhausen, Sieber, Hey etc. Aus der großen Reihe berühmter Sänger und Sängerinnen unsers Jahrhunderts seien nur noch genannt die Sängerinnen: Catalani, Schröder-Devrient, Sontag, Milder-Hauptmann, Lind, Ungher-Sabatier, Pisaroni, Alboni, Zerr, Viardot-Garcia, Malibran, Pasta, Nau, Nissen-Saloman, Tietjens, Persiani, Artôt, Patti (Adelina und Carlotta), Trebelli, Cruvelli, Nilsson, Mombelli, Lucca, [* 12] Mallinger, Peschka-Leutner, Wilt, Materna, Saurel, Gerster, Thursby, Am. Joachim, Sachse-Hofmeister, Herm. Spies etc.;
der Sopranist Velluti (der letzte Kastrat, noch 1825 bis 1826 in London);
die Tenoristen: Tacchinardi, Crivelli, Ponchard, Braham, Franz Wild, Audran, Reeves, Rubini, Duprez, Nourrit, Tamberlick, Schnorr v. Carolsfeld, Tichatschek, Roger, Martini, Mario, Capoul, Achard, Vogl, Niemann, Wachtel, Götze;
die Baritonisten: Pischek, Marchesi, Kindermann, J. H. ^[wohl Johann Nepomuk] Beck, Betz, Mitterwurzer, Stägemann, Stockhausen, Faure, Gura, Lißmann und die Bassisten: Agnesi, Battaille, L. Fischer, Lablache, Tamburini, Staudigl, Levasseur, Bletzacher, Scaria, Krolop.
Von Schulwerken für das Studium des Gesanges sind besonders die von Panofka, Panseron, Marchesi, Sieber, Hauser, Hey-Stockhausen zu empfehlen unter Zuhilfenahme der Solfeggien und Vokalisen von Vaccaj, Concone, Bordogni etc. Vgl. Stimmbildung.