und besonders seine publizistische Thätigkeit zur Entwickelung des nationalen Bewußtseins unendlich viel beigetragen hat.
Aus seinem Nachlaß gab Gervinus' Witwe »Händels Oratorientexte, übersetzt von Gervinus« (Leipz. 1873) heraus.
Vgl. Lehmann, Gervinus, Versuch
einer Charakteristik (Hamb. 1871);
Gosche, Gervinus (Leipz. 1871);
»Briefwechsel zwischen Jakob und Wilh. Grimm, Dahlmann und Gervinus« (hrsg.
von Ippel, Berl. 1885).
Robert, Eisenbahningenieur, geb. zu Karlsruhe, wo er an dem Lyceum und der polytechnischen Schule seine
Ausbildung empfing, ward seit 1840 bei der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaues beschäftigt, 1846 zum Ingenieur bei diesem
Kollegium ernannt und 1847 zum Assessor, 1853 zum Baurat, 1863 zum Oberbaurat und 1871 zum Baudirektor
befördert. 1863-64 gab Gerwig mit dem württembergischen Oberbaurat v. Beckh ein Gutachten über die Gotthardbahn und fast gleichzeitig
mit dem Präsidenten der württembergischen Eisenbahnkommission, v. Klein, ein solches über die Lukmanierbahn ab und gehörte
zu den badischen Bevollmächtigten der internationalen Gotthardkonferenz in Bern.
Hierauf mit der Projektierung
der Verbindungsbahn Hausach-Villingen, der sogen. Schwarzwaldbahn, beauftragt, legte er 1868 den ausgearbeiteten
Bauplan vor und führte diese kühne Gebirgsbahn, welche auf einer Länge von 52 km 596 m steigt und neben andern Kunstbauten 38 Tunnels
enthält, bis 1872 zu solcher Zufriedenheit aus, daß ihm in diesem Jahr die Bauleitung der Gotthardbahn
einschließlich des 14,8 km langen Tunnels angeboten und von ihm als Oberingenieur übernommen wurde.
Als aber Meinungsverschiedenheiten zwischen dem schweizerischen Staatsmann Escher und dem Bauunternehmer Favre in Verbindung
mit finanziellen Schwierigkeiten seine Wirksamkeit lähmten, legte Gerwig 1876 jene Stelle nieder, um die technische Leitung des
gesamten badischen Eisenbahnwesens zu übernehmen. Er war Mitglied des badischen Landtags und seit 1875 des deutschen Reichstags,
wo er der nationalliberalen Partei angehörte; starb in Karlsruhe.
(Geryones, Geryoneus), fabelhafter König der Insel Erytheia im äußersten Westen des Okeanos, Sohn des Chrysaor
und der Kallirrhoë, war aus drei Körpern zusammengesetzt, die nur in der Gegend des Bauches zusammengewachsen
waren, und besaß große Herden roter Rinder, welche sein Hirt Eurytion in Begleitung des zweiköpfigen Hundes Orthros weidete.
Der Raub dieser Rinder bildet eine der zwölf Arbeiten des Herakles (s. d.).
Ges (ital. Sol bemolle, franz. Sol bémol, engl. G flat), das durch ^ erniedrigte Gês. Der Ges dur-Akkord
= ges b des, der Ges moll-Akkord = ges heses des.
Über die Ges dur-Tonart, 6 ^ vorgezeichnet, s. Tonart.
Bezeichnung für gewisse deutsch-nationale Eigentumsverhältnisse und zwar für das gemeinschaftliche
Eigentum einer genossenschaftlich zusammengefaßten Mehrheit von Eigentümern, z. B.
der Markgenossenschaften, der Gewerkschaften etc. Der Begriff ist jedoch ein bestrittener, indem derselbe im wesentlichen mit
dem römisch-rechtlichen Begriff des Eigentums einer juristischen Person zusammenfällt;
jedenfalls ist er
heutzutage ohne
praktische Bedeutung.
die ungeteilte Herrschaft mehrerer Personen über ein und dasselbe Gebiet. Der Umstand, daß bei den
deutschen Dynastengeschlechtern der Grundsatz der Primogeniturerbfolge verhältnismäßig spät zur Geltung gelangte, wonach
immer der Erstgeborne der Linie des Erstgebornen zur Regierung kommt, erklärt es, daß eine solche Gesamtregierung im
frühern deutschen Staatsleben nichts allzu Seltenes war. Namentlich in der Form des Gesamtlehens kommt die Gesamtregierung vor,
doch schritten die Mitregenten vielfach zur wirklichen Teilung von Land und Leuten, wie z. B. die Söhne Ernsts des Frommen von
Sachsen. In neuerer Zeit kam ein eigentümlicher Fall der Gesamtregierung infolge des deutsch-dänischen
Kriegs von 1864 vor, indem Österreich und Preußen die Elbherzogtümer in eine Gesamtregierung (Kondominat) nahmen.
Die Gasteiner Konvention vom überwies die Verwaltung von Holstein an Österreich und diejenige von Schleswig an Preußen,
ohne jedoch die Gesamtregierung selbst zu beseitigen, was erst durch die Einverleibung der beiden
Herzogtümer in die preußische Monarchie infolge des Prager Friedens geschah. Auch das Verhältnis der verbündeten deutschen
Regierungen zu dem Reichsland Elsaß-Lothringen hat man wohl zuweilen als Gesamtregierung aufgefaßt, doch wird dort die Staatsgewalt von
dem Kaiser allein ausgeübt.
diejenigen Personen, welche zur Unterhaltung des völkerrechtlichen Verkehrs von einem Staat an einen andern
gesendet werden. Sie werden notwendig, sobald Staaten in friedlichen Verkehr treten. Das frühere Altertum hatte keine ständigen
diplomatischen Verbindungen. Die Athener wählten ihre Gesandten (presbeis, »Alte«) durch Stimmenmehrheit,
gaben ihnen bestimmte Vollmachten und ließen sich in der Regel nach vollbrachtem Geschäft Rechenschaft von ihnen ablegen.
Die Legati oratores der Römer standen unter der speziellen Aufsicht des Senats. Gesandte auswärtiger Könige oder Staaten mußten
sich bei den Praefecti aerarii im Saturnustempel melden. Sie erhielten freie Wohnung, standesmäßige
Verpflegung und Plätze im Zirkus und im Theater neben den Rittern. Den Gesandten feindlicher Völker wurde in der Villa publica
auf dem Marsfeld Wohnung angewiesen und zur Audienz der Apollo- oder der Minervatempel geöffnet. Der gesandtschaftliche Verkehr
im klassischen Altertum bewegte sich durchaus in den Formen der Mündlichkeit.
Solange die republikanischen und demokratischen Staatseinrichtungen in Griechenland und Rom bestanden, traten die Gesandten
als Redner vor der Volksversammlung oder im Senat auf. Die Heilighaltung der Gesandten war übrigens keine Eigentümlichkeit
der klassischen Welt, selbst bei den rohesten Völkern gilt sie als Grundsatz. Je mehr das europäische Staatsleben sich entwickelte,
um so wichtiger wurde das Gesandtschaftswesen, zuerst in Italien, vornehmlich in Venedig; doch kannte man vor den Zeiten der
Reformation nur eine Art Gesandte, nämlich die Botschafter (magni legati, oratores, ital. ambasciatóri, span.
embajadóres, franz. ambassadeurs, wahrscheinlich von ambacti oder dem in der karolingischen
Zeit gebrauchten envagiar). Ministerresidenten erscheinen zu Anfang des 16. Jahrh. Alle Gesandten wurden
nur zu bestimmten Zwecken
mehr
gesendet, nach deren Erledigung sie zurückkehrten. Nur der Papst hielt frühzeitig am Hof des oströmischen Kaisers und in
den fränkischen Reichen ständige Apokrisiarier oder Responsales. Unleugbar hat auch das päpstliche Legatenwesen auf die
Entwickelung des weltlichen Gesandtschaftswesens einen bedeutenden Einfluß geübt. Die Venezianer hatten eine im Mittelalter
bereits genau bestimmte Praxis. Von den französischen Monarchen soll zuerst Ludwig XI. ständige Gesandte unterhalten
haben.
Erst seit dem 15. Jahrh. entwickelten sich gleichzeitig mit der Geheimpolitik und mit den
stehenden Heeren auch in den andern europäischen Staaten stehende Gesandtschaften, die in dem durch den Westfälischen Frieden
begründeten europäischen Staatensystem eine festere Ausbildung erhielten. Einen Abschluß erhielt die
formale Seite des Gesandtschaftswesens im Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts. Die Unterzeichner des ersten Pariser Friedens
einigten sich auf dem Wiener Kongreß über ein in dem Protokoll vom niedergelegtes, nachmals durch ein Übereinkommen
der fünf Großmächte auf dem Kongreß zu Aachen vom in einem Punkt modifiziertes Reglement über
die Klassen und den Rang der eigentlichen Gesandten, welches seitdem allgemein angenommen worden ist.
Den in Europa befolgten Grundsätzen über das Gesandtenwesen, die man, soweit sie rechtlicher Natur sind, Gesandtschaftsrecht
nennen kann, haben sich die amerikanischen Staaten angeschlossen. In der neuesten Zeit hat ein regelmäßiger
Verkehr mit den großen ostasiatischen Staaten, namentlich mit China und Japan, begonnen. Japan ist der erste heidnische Staat,
welcher ständige Gesandtschaften an europäischen Höfen (Berlin, London, Paris, Rom etc.) unterhält, während China in dem Amerikaner
Burlingame zuerst einen außerordentlichen Gesandten an die europäischen Höfe abordnete. Im Verkehr mit
den halbzivilisierten Staaten Asiens, Afrikas und Australiens läßt sich außer der Unverletzlichkeit der Gesandten von festen
Regeln nicht sprechen; doch ist zu bemerken, daß die nordamerikanische Unionsregierung mit den in ihrem Territorium weilenden
Indianerstämmen nach den Formen des europäischen Gesandtschaftsrechts verkehrte.
Die Veranlassungen des gesandtschaftlichen Verkehrs sind auch heute noch verschiedener Art. Abgesehen
von bloßen Zeremonialgesandtschaften (zur Anzeige von Thronbesteigungen, zur Anteilnahme an großen Hoffesten), kommen Bevollmächtigte
verschiedener Art, teils ständig, teils nur zu einem vorübergehenden Zweck (ordentliche, außerordentliche), vor:
1) Gesandte mit einem öffentlich beglaubigten Charakter zur unmittelbaren Verhandlung mit fremden höchsten Staatsgewalten (legati
publice missi, ministres publics);
2) Agenten, die zwar zu gleichem Zweck; jedoch ohne öffentlichen amtlichen Charakter abgeordnet werden, z. B. weil die Umstände
noch keine dauernde Verbindung (wie bei provisorischen, völkerrechtlich nicht anerkannten Regierungen) gestatten, oder weil
die Förmlichkeiten, die mit der Akkreditierung eines Gesandten der ersten Klasse verbunden sind, umgangen werden sollen;
3) Kommissare, die mit öffentlichem Charakter zur Verhandlung bestimmter Gegenstände mit ausländischen
Behörden bestimmt sind;
4) Konsuln (s. d.) zur Wahrung der Handelsinteressen, wenn dieselben zugleich
den Titel als agents politiques (wie in Serbien vor seiner Selbständigwerdung und in manchen amerikanischen Republiken der
Fall) führen; Konsuln ohne Akkreditierung haben nicht die Rechte der Gesandten;
5) Agenten zur
Besorgung von Geschäften mit Privaten, oder um geheime Erkundigungen einzuziehen, oder zur Verwaltung von Gütern
im Ausland. Diese letztern haben keinen öffentlichen oder völkerrechtlichen Charakter, und werden lediglich als Privatpersonen
behandelt. Im folgenden wird zunächst von den Bevollmächtigten der ersten Art gesprochen werden.
Das Recht, in Staatsangelegenheiten zu senden, hat jeder Souverän, d. h. jede höchste Staatsgewalt; aber
auch nur dieser kann charakterisierte Gesandte mit amtlicher Beglaubigung bestellen. Doch wird auch den unter fremdem Schutz stehenden
sogen. Halbsouveränen (wie dem Fürsten von Monaco) durch positive Einräumung das gleiche Recht zugestanden. Dem Recht, Gesandte zu
entsenden (aktivem Gesandtschaftsrecht), entspricht das Recht, Gesandte zu empfangen. Es sind nur Souveräne befugt,
Gesandte anzunehmen (passives Gesandtschaftsrecht).
Dem Deutschen Bund war sowohl das aktive als das passive Gesandtschaftsrecht beigelegt. In einem Bundesstaat dagegen hat nur
die Gesamtregierung das Recht der internationalen Vertretung durch Gesandte. Das deutsche Kaiserreich beließ, im Widerspruch mit
dieser staatsrechtlichen Überlieferung, den einzelnen deutschen Bundesstaaten das aktive und passive Gesandtschaftsrecht. Die
deutschen Mittelstaaten entsenden und empfangen Gesandte neben den Reichsgesandtschaften.
Die Weigerung, den Gesandten einer fremden Macht zu empfangen, ist zwar rechtlich zulässig; man würde aber erwarten müssen,
daß der eigne an diese gesendete gleichfalls zurückgewiesen und überhaupt jeder diplomatische Verkehr
abgebrochen würde, was immer mit großen Unbequemlichkeiten verbunden ist. Indessen wird vorkommenden Falls das Recht, sich
gewisse Personen, z. B. eigne Unterthanen, als Gesandte zu verbitten, geübt, und ebenso ist der Staat berechtigt, Gesandte zurückzuweisen,
deren Vollmachten mit seinen Gesetzen in Widerspruch stehen, z. B. Nunzien mit Vollmachten, deren Ausübung
die Kirchenhoheit beeinträchtigen würde.
In der Annahme eines fremden Gesandten liegt das Zugeständnis, ihm diejenige Sicherheit und Freiheit einzuräumen, ohne welche
die gültige, ehrenhafte und ungestörte Vollziehung der Staatsgeschäfte nicht möglich ist. Dazu gehört vor allem die
Unverletzbarkeit des Gesandten und die Befreiung desselben von gewissen Einwirkungen der Staatsgewalt.
Die völkerrechtliche Praxis ist aber darin weiter gegangen und hat dem Gesandten in dem Staat, bei dem er beglaubigt ist, Exterritorialität
beigelegt, d. h. eine vollkommene Befreiung von den Zwangswirkungen des fremden Staats, wie wenn er in dem eignen sich befände.
Daraus ergeben sich folgende Wirkungen:
1) Die Unverletzbarkeit des Gesandten ist auf sein Personal, sein Wohnhaus, auf das dazu gehörige Mobiliar
und auf die Gesandtschaftsequipage erstreckt worden, so daß diese Sachen als befriedet gelten; ein Asylrecht aber liegt hierin
nicht, es muß vielmehr jede der fremden Staatsgewalt unterworfene Person dieser vom Gesandten ausgeliefert werden, wenn sie
bei ihm Schutz gesucht haben sollte, und es könnte im Notfall sogar eine Durchsuchung angeordnet werden.
2) Dem Gesandten steht das Recht der freien Übung seiner Religion, auch wenn diese sonst verboten sein sollte, innerhalb der
Grenzen der Hausandacht zu; er darf also eine eigne Kapelle, einen eignen Geistlichen halten; es müssen aber in
jenem Fall die auffälligen Zeichen des besondern Gottesdienstes, als Glocken, Orgel, Kirchenfenster, vermieden werden.
3) Der Gesandte ist von jeder Gerichtsbarkeit, sowohl von
mehr
der bürgerlichen und polizeilichen als von der strafrechtlichen, befreit und steht unter den Gesetzen seiner Heimat mit alleiniger
Ausnahme der aus dem Grundbesitz (in foro rei sitae) folgenden Klagansprüche. Das deutsche Reichsbeamtengesetz bestimmt den
Gerichtsstand, den Reichsgesandte während ihrer ausländischen Funktionen haben sollen. Durch die Exterritorialität ist übrigens
dem Gesandten kein Privilegium zu Widerrechtlichkeiten gegeben; vielmehr würde bei unangemessenem Verhalten
nicht nur eine vertrauliche Warnung erfolgen oder in schwereren Fällen seine Abberufung verlangt und, wenn diese nicht geschehen
sollte, die Wegschaffung über die Grenze verfügt werden, sondern es würden auch Maßregeln zur Sicherheit gegen fernere
Beeinträchtigungen, ja bei offenbaren Konspirationen und Kriegsunternehmungen sogar feindselige Behandlung,
besonders präventive Gefangennehmung, eintreten können.
4) Aus der Exterritorialität folgert man zuweilen eine gewisse Selbstgerichtsbarkeit über das Gesandtschaftspersonal; der
hat in Straffällen das Recht des ersten Angriffs, also z. B. der Festnahme des Verbrechers, der Feststellung des Thatbestandes,
während er die weitere Untersuchung und Bestrafung den Gerichten seines Staats überlassen muß und nur
etwa deren Requisitionen zu vollziehen hat. Er kann zu gunsten der Angehörigen der Gesandtschaft die freiwillige Gerichtsbarkeit
ausüben, insbesondere Testamente annehmen, Beglaubigungen vornehmen, Siegel anlegen. In streitigen Fällen übt er zwar kein
Richteramt aus, kann jedoch die desfallsigen Requisitionen vollziehen, z. B. Zeugenverhöre vornehmen.
Eine weiter gehende Gerichtsbarkeit ist zwar wohl bisweilen behauptet worden, aber nie allgemein in Gebrauch gewesen. Zu diesen
Vorrechten ist aus Rücksichten der Gastlichkeit 5) noch die Freiheit von Abgaben gekommen, ohne daß jedoch eine Verbindlichkeit,
dieselbe zu beachten behauptet werden könnte. Auf keinen Fall kann die Befreiung der den Gesandten gehörigen
Grundstücke von den desfallsigen dinglichen Lasten behauptet werden. Diese Vorrechte sind allen Gesandten gemeinsam, und es
nimmt an denselben, außer dem unter 4), auch das ihnen beigegebene Gesandtschaftspersonal teil.
Was dagegen die Zeremonialrechte der Gesandten betrifft, so sind dieselben je nach dem Rang verschieden. Nach dem bereits
erwähnten Reglement von 1815 und 1818 bestehen dermalen vier Rangklassen: I. Botschafter, Großbotschafter (ambassadeurs),
päpstliche Legaten (legati de oder a latere) und Nunzien;
II. mit dem Titel eines Internunzius, Gesandten oder Ministers bei
dem fremden Souverän beglaubigte Diplomaten (envoyés, ministres ou autres accrédités auprès des souverains); III. Ministerresidenten
(ministres résidents); IV. Geschäftsträger, die, wenn auch mit dem Titel eines Ministers, doch lediglich
bei dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten beglaubigt sind (chargés d'affaires accrédités auprès des ministres
chargés des affaires étrangères).
Die sämtlichen Gesandten rangieren untereinander nach diesen vier Klassen und in jeder Klasse nach der Zeit der öffentlichen
Bekanntmachung ihrer Annahme. Dem Gesandten ersten Ranges wird vorzugsweise die Repräsentation der Person
seines Souveräns zugeschrieben sowie der Titel »Exzellenz«, ferner das Recht, einen Thronhimmel in seinem Empfangssaal zu haben,
das Recht, sich in Gegenwart des fremden Souveräns zu bedecken, wenn dieser darin vorangegangen ist, das Recht, mit sechs Pferden
und mit Staatsquasten (fiocchi)
zu fahren, zugestanden. Es ist Brauch, daß der Gesandte nach
seiner Ankunft sich zuvörderst bei dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten meldet und ihn ersucht, die weitern Veranstaltungen
zur Vorstellung bei dem Souverän, wenn er bei diesem beglaubigt ist, zu treffen. Es erfolgt dann der Empfang durch den Souverän
in feierlicher oder privater Audienz; auch wird der Gesandte nicht unterlassen, bei den Mitgliedern der Familie des Souveräns, bei
dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten und bei den Mitgliedern des diplomatischen Korps sich vorzustellen und Besuche
zu machen; Gesandte ersten Ranges haben indessen gewöhnlich den ersten Besuch seitens des Ministers der auswärtigen
Angelegenheiten und der Mitglieder des diplomatischen Korps zu erwarten.
An sich hängt es von dem Willen des Souveräns ab, welchen Rang er seinen Gesandten beilegen will. Souveräne von königlichem
Rang senden aber herkömmlich an Souveräne geringern Ranges weder Gesandte ersten Ranges, noch empfangen sie solche von ihnen; auch
schickt man jedem Staat Gesandte von demselben Rang zu, wie man von ihm empfängt. In der Wahl der Person ist der
absendende Souverän an sich unbeschränkt; er kann ebensowohl mehrere Gesandte senden, wie mehrere Staaten Einem Gesandten Vollmacht
geben können. Für kleinere Staaten ist es aber, wenn sie nicht überhaupt auf die Ausübung des Gesandtschaftsrechts
verzichten, jedenfalls und zwar nicht bloß der Kostenersparnis wegen geraten, mit der Führung ihrer Angelegenheiten Gesandte größerer
Mächte zu betrauen.
Der völkerrechtliche Repräsentativcharakter des Gesandten beginnt für den fremden Staat mit der amtlichen Kenntnisnahme
von der Sendung und Person desselben. Zu dem Zweck erhält der ein Beglaubigungsschreiben (Kreditiv, lettre
de créance), das, wenn er den drei ersten Klassen angehört, von dem Souverän, außerdem von dem Minister der auswärtigen
Angelegenheiten ausgestellt und in jenem Fall an den auswärtigen Souverän, in dem zweiten an das Ministerium des auswärtigen
Staats gerichtet ist.
Darin wird darum nachgesucht, dem Gesandten Gehör zu geben. Er hat dies bei seiner Ankunft dem Adressaten
zu überreichen. Zur Verständigung über die Person des Gesandten geht gewöhnlich eine Mitteilung der Abschrift des Kreditivs
an die letztere Behörde voraus, und es werden dem Gesandten zur größern Sicherheit von dem absendenden Staat sowohl als
von dem empfangenden Pässe zur Reise ausgestellt. Die Stellung des Gesandten endigt mit dem Ablauf der etwa
zum voraus dafür bestimmten Zeit, z. B. bei einem nur ad interim bestellten Geschäftsträger mit der Niederlegung oder dem
Widerruf des Auftrags, welcher auch in der Verwendung des Gesandten zu einem mit seiner Stellung unvereinbaren Geschäft liegt,
mit der Vollziehung des Auftrags oder mit der eintretenden Unmöglichkeit derselben, z. B.
wegen Ausbruchs eines Kriegs, oder weil die beschickte Macht den Gesandten nicht empfangen oder nicht mit ihm verhandeln will
oder ihn etwa gar zurücksendet, eine an sich feindselige Maßregel, welche Retorsion oder Genugthuungsforderungen veranlaßt,
wenn sie nicht etwa durch schuldhaftes Verhalten des Gesandten selbst veranlaßt war. Ein Regierungswechsel
führt nur dann das Erlöschen des Auftrags herbei, wenn die Vollmacht ausdrücklich nur auf die Person des absendenden oder
beschickten Souveräns gestellt war. In jedem Fall muß der beschickte Staat die Unverletzbarkeit des Gesandten, seines Personals und
seines Vermögens so lange achten, bis der
mehr
Abzug erfolgt ist, wofür allerdings eine angemessene Frist gesetzt werden kann; wird der Gesandte aber bei Fortdauer der freundschaftlichen
Verhältnisse abberufen, so verabschiedet er sich unter Überreichung des Abberufungsschreibens in ähnlicher Weise, wie er
sich vorstellte, und erhält zur Bestätigung seines Verhaltens ein sogen. Rekredentialschreiben,
auch wohl Geschenke, in der neuern Zeit in der Regel einen Orden. Gaben ausbrechende Feindseligkeiten die
Veranlassung zur Abberufung, so fordert oder erhält der Gesandte seine Pässe. Beim Ableben eines Gesandten wird die Versiegelung
seines Nachlasses durch seinen etwanigen Vertreter oder durch den Gesandten einer dritten befreundeten Macht vollzogen, und
nur im Notfall würde der beschickte Staat sich derselben unterziehen.
Die von dem Gesandten vorzunehmenden Geschäfte richten sich nach dem ihm mittels mündlicher oder schriftlicher Instruktion
oder mittels ausdrücklicher Vollmacht erteilten Auftrag, für dessen Vollziehung er selbstverständlich, wie jeder Staatsdiener,
seinem Auftraggeber verantwortlich ist. Die Verbindlichkeit seiner Handlungen für diesen aber ist lediglich nach der
der auswärtigen Macht mitgeteilten Vollmacht zu beurteilen, welcher gegenüber auf geheime Instruktion sich zu beziehen ebenso
unredlich wie vergeblich wäre.
In der Regel wird bei Vertragsschlüssen die Ratifikation vorbehalten, und es ist ein solcher Vorbehalt der Vollmacht häufig
eingefügt. Gesandte mit Vollmacht ohne diesen Vorbehalt heißen Plénipotentiaires. Die bei den Gesandtschaften
vorkommenden Geschäfte zerfallen zunächst in Kabinettsarbeiten, Verhandlungen mit dem beschickten Staat und Kommunikationen
mit der eignen Regierung. Die Verhandlungen mit dem beschickten Staat betreffen entweder Staats- oder Privatangelegenheiten und
werden bald unmittelbar (jedoch jetzt selten) mit dem Staatsoberhaupt selbst, bald mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten
oder mit besonders dazu erwählten Kommissaren, zuweilen auch durch einen Dritten als Vermittler und,
hinsichtlich der Form, entweder schriftlich (Noten, Memoiren) oder mündlich (Audienzen, Konferenzen) gepflogen.
Über mündlich Verhandeltes wird in der Regel eine Verbalnote oder ein Protokoll oder ein Aperçu de conversation zu etwaniger
weitere ^[richtig: weiterer] Kommunikation oder Auswechselung aufgesetzt. Die Kommunikationen mit der eignen
Regierung sind teils regelmäßige, teils außerordentliche; erstere finden gewöhnlich in gewissen Zeitabschnitten,
z. B. alle Monate, Quartale etc., letztere bei besondern Veranlassungen statt. Beide geschehen entweder mündlich
(bei sehr einflußreichen Ereignissen), oder schriftlich durch Berichte an das Staatsoberhaupt, regelmäßig jedoch an den
Minister des Auswärtigen, oder mittels des Telegraphen. In besonders wichtigen Dingen bedient sich der Gesandte zu
seinen Berichten, wie die Regierung zu ihren Antworten, Aufträgen, Befehlen, Instruktionen etc., der Geheimschrift (s. Chifferschrift).
Die gesandtschaftlichen Korrespondenzen werden entweder durch die Post, oder durch Kuriere, oder durch den Telegraphen mittels
chiffrierter Depeschen besorgt. Diese Korrespondenz genießt dieselbe Unverletzbarkeit und Freiheit wie
die Person des Gesandten selbst. Die zuweilen vorgekommene Verletzung des Briefgeheimnisses ist des Staats unwürdig. Über
die Verhandlungskunst der Gesandten s. den Artikel Diplomatie. - In seinen Geschäften wird der Gesandte durch verschiedene von seiner
Regierung angestellte Hilfsarbeiter unterstützt.
Dazu gehören die Botschafts- oder Legationsräte (conseillers d'ambassade), die
Übersetzer (secrétaires
interprètes, déchiffreurs), der Dolmetsch (Dragoman, trucheman), Subalterne (employés), die teils zur Unterstützung, teils
zur eignen Belehrung arbeitenden Attachés (commis attachés), die erforderlichen Kanzlisten, Rechnungsbeamten, Kanzleidiener
etc. Zur Vermittelung des Verkehrs mit der Heimat dienen Kuriere und Feldjäger. In neuerer Zeit werden häufig Militärbevollmächtigte
und zu besondern Geschäften auch andre Fachmänner beigegeben.
Des Prunks halber wurde früherhin dem Gesandten ein Zeremonialpersonal, Gesandtschaftsmarschall, Gesandtschaftskavaliere
(gentilshommes d'ambassade), Edelknaben, Haiduken, Schweizer etc., beigegeben. Alle diese Personen, ingleichen der etwa beigegebene
Gesandtschaftsarzt, der Geistliche (aumônier), die Hausoffizianten und Livreediener des Gesandten wie auch dessen Familie,
stehen unter dem Schutz des Völkerrechts und nehmen an der Exterritorialität des Gesandten teil.
Die völkerrechtliche Eigenschaft der außer den eigentlichen Gesandten vorkommenden Agenten und Kommissare (s. oben) ist durchaus
unbestimmt; es läßt sich nur so viel sagen, daß denselben, insofern sie überhaupt in Staatsangelegenheiten mit den Organen
des fremden Staats verkehren, von diesem persönliche Unverletzbarkeit und ein sicherer Geschäftsverkehr
mit der Heimat zugestanden werden.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Völkerrechts: Mirus, Das europäische Gesandtschaftsrecht
(Leipz. 1847, 2 Bde.);
Ch. de Martens, Manuel diplomatique, ou précis des droits et des fonctions des agents diplomatiques
(Par. 1822);
Alt, Handbuch des europäischen Gesandtschaftsrechts (Berl. 1870).