sonifikation des
Begriffs der zu einer politischen Gesamtheit vereinigten deutschen
Länder. Dieser
Begriff bildete sich etwa
seit Mitte der 40er Jahre, als die französischen Rheingelüste wieder in den
Vordergrund traten. Er wurde zunächst durch
die
Poesie plastisch gestaltet, dann durch den
Kampf um
Schleswig-Holstein
[* 2] weiter ausgebildet und gewann schließlich auch
durch die in den
Schützen-,
Sänger- und Turnerfesten gipfelnden Einigungsbestrebungen der 50er und 60er Jahre eine malerische
und plastische Erscheinungsform.
Die erste populäre Gestalt einer
[* 3] hat der
DüsseldorferMalerKarlClasen (s. d.) in seiner Germania auf der
Wacht am Rhein geschaffen.
Diese Verkörperung des
Begriffs gewann durch die Jahre 1870 und 1871 noch mehr an Verbreitung. Die zahlreichen
Sieges- und Kriegerdenkmäler haben dann neue
Typen geschaffen, von denen
Schillings Niederwalddenkmal am volkstümlichsten
geworden ist. Diese Germania ist eine
Verbindung der alten Schlachtenjungfrau
(Walküre) mit der das allumfassende Vaterland versinnlichenden
deutschen
Mutter (s. die Abbildung, S. 179).
Bereits im J. 7 nahm Germanicus als
Quästor teil an dem Kriegszug des
Tiberius gegen die empörten Pannonier und
Dalmatier und that sich in demselben so hervor, daß ihm bei seiner Rückkehr die
Insignien des
Triumphs und die
Würde eines
Prätors verliehen wurden. Die
Niederlage des
Varus veranlaßte
Augustus, 10 und 11
Tiberius, in letzterm Jahr zugleich mit Germanicus, nach
den durch die
Deutschen bedrohten
Grenzen
[* 5] zu entsenden. Doch beschränkte sich dieser
Feldzug auf einige Verheerungszüge jenseit
des
Rheins. Im J. 12 verwaltete Germanicus das
Konsulat und empfahl sich dem
Volk ebensowohl durch die geschickte
Verteidigung von Angeklagten
wie durch glänzende
Spiele.
Noch kurz vor dem
Tode des
Augustus wurde Germanicus zum Befehlshaber der acht römischen
Legionen ernannt, die am
Rhein den
Germanen gegenüber aufgestellt waren, und er befand sich bereits an der
Spitze derselben, als die Nachricht vom
Tode
des
Augustus eintraf. Diese war das Zeichen zu einer gefährlichen Empörung der
Legionen, welche
Abkürzung des
Dienstes und
Erhöhung desSoldes verlangten, und nur mit Mühe wurde die Empörung durch Germanicus gedämpft, welcher darauf,
um die
Soldaten zu beschäftigen, während der Jahre 14-16 Expeditionen nach
Deutschland unternahm, die zwar neue
Beweise von der
Kühnheit und
Tapferkeit des
Heers wie seines Anführers ablegten, jedoch für die
Ausdehnung
[* 6] der römischen Herrschaft von
keinem bleibenden Erfolg waren (vgl.
Arminius). Im J. 14 machte er einen
Streifzug in das Gebiet der
Marser, in deren Gebiet
er den gefeierten
Tempel
[* 7] der
GöttinTanfana zerstörte. Im J. 15 drang er von
Mainz
[* 8] aus über den
Taunus vor, nahm, von Armins
Schwiegervater
Segestes zu
Hilfe gerufen, Armins
GattinThusnelda gefangen, erhielt den
TitelImperator, machte
dann durch den sogen. Drususkanal und
den
Zuidersee einen
Einfall von der
Nordsee her, lieferte den
Deutschen unter
Arminius ein
unentschiedenes
Treffen und erlitt auf dem Rückweg durch
Schiffbruch und feindliche
Angriffe erhebliche Verluste. Im J. 16 drang
er wieder von derNordsee her vor und lieferte
Arminius erst in der
Nähe der
Porta Westfalica auf dem Idisiavisofeld
und dann noch an einer andern nicht sicher zu bestimmenden
Stelle zwei große zwar siegreiche, aber nur einen halben Erfolg
gewährende
Schlachten,
[* 9] worauf er teils zur
See, teils zu
Lande den
Rückzug antrat, bei welchem er wiederum
durch
Stürme viele Leute und
Schiffe
[* 10] verlor. Er wurde aber hierauf von
Tiberius aus
Eifersucht und Argwohn abberufen unter dem
Vorwand, daß er die
Ehre des
Triumphs genießen und ein zweites
Konsulat übernehmen solle. Im Triumphzug ward auch
Thusnelda,
die
Gattin Armins, mit ihrem Söhnchen aufgeführt.
Tiberius sandte Germanicus nun mit den ehrenvollsten und ausgedehntesten
Vollmachten nach dem
Orient, daselbst die
Angelegenheiten zu ordnen; zugleich wurde jedoch Gnäus
Piso, vielleicht mit geheimen Aufträgen, vom
Kaiser als
Statthalter
nach
Syrien geschickt. Im J. 18 trat Germanicus seine
Reise in den
Orient an, auf welcher er
Actium,
Athen,
[* 11] dann die
historisch merkwürdigsten
Orte der griechischen, thrakischen und kleinasiatischen
Küste berührte; bei der
InselRhodos rettete
er
Piso vor einem
Schiffbruch, obwohl er bereits von dessen feindseliger
Gesinnung unterrichtet war.
Hierauf ging er nach
Armenien, woselbst er
Zeno, den Sohn des pontischen
KönigsPolemo, als König einsetzte, und verwandelte
Kappadokien und
Kommagene in römische
Provinzen. Im nächsten Jahr bereiste er
Ägypten
[* 12] bis nach
Syene und
Elefantine. Bei seiner Rückkehr nach
Syrien fand er die meisten seiner
Anordnungen durch
Piso wieder umgestürzt, der ihm überhaupt
auf alle
Weise entgegentrat. Nachdem es hierüber zwischen beiden zu heftigen, leidenschaftlichen
Erörterungen gekommen war,
erkrankte Germanicus so plötzlich und heftig, daß seine
Freunde und er selbst an eine
Vergiftung glaubten.
Indessen konnte die
Vergiftung nicht bewiesen werden. Von den neun
Kindern, welche
Agrippina ihrem
Gatten geboren, starben drei
vor ihrem
Vater; drei Töchter,
Agrippina, Drusilla, Livilla, und drei
Söhne,
Nero,
Drusus und C.
CäsarCaligula,
der nachmalige
Kaiser, überlebten ihn. Der
KaiserClaudius war ein
Bruder des Germanicus
Tapferkeit,
Edelmut und
Milde des
Charakters zeichneten
Germanicus aus; dabei gehörte er zu den Gebildetsten seines
Volkes, so daß er selbst eine
Stelle in der römischen
Litteratur einnimmt. Doch hat sich weder von seinen
Reden noch von seinen in griechischer
Sprache
[* 15] abgefaßten
Komödien etwas
erhalten; nur von einer lateinischen Übersetzung der »Phaenomena« des
Aratos, die ihm
¶
mehr
mit großer Wahrscheinlichkeit zugeschrieben wird, sind noch 725 Verse übrig; nach ihnen zu schließen, war Germanicus' Übersetzung
gelungener als die Ciceros. Außerdem sind von Germanicus noch Fragmente eines ähnlichen, nach dem Griechischen bearbeiteten Gedichts
unter dem Titel: »Diosemeia« oder »Prognostisa«
vorhanden. Auch sind noch einige lateinische und griechische Epigramme erhalten, welche ihn vielleicht
zum Verfasser haben. Die Gedichte des Germanicus erschienen zuerst gedruckt Bonn
[* 17] 1474, dann Venedig
[* 18] 1488 und 1499. Der beste Abdruck
ist von Orelli besorgt, hinter dessen Ausgabe des Phädrus (Zür. 1831), und von Breyßig (Berl. 1867).