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Deventer, letztere sind zwischen Ruhr und Lippe zu suchen; weiter die Ampsivarier, ursprünglich an der Ems, aber von hier durch die Chauken verdrängt; die Sigambrer, auf beiden Seiten der Ruhr von der Lippe bis zur Sieg, welche durch Tiberius besiegt und zum Teil auf römischem Boden angesiedelt wurden, während die Zurückgebliebenen später unter dem Namen Marser erscheinen; endlich die Brukterer, in dem Winkel zwischen Ems und Lippe und die Ems hinab. Mehr im Innern sind die Hauptstämme die Katten, im jetzigen Hessen und bis nahe an den Rhein, die Angrivarier, an der mittlern Weser, die Cherusker, von der Weser im O. bis zum Harz und weiter zur Elbe und im S. bis zum Thüringer Wald, und die Hermunduren, zwischen Main und Donau. Katten und Hermunduren bilden den Übergang zu den suevischen Stämmen, unter denen zu nennen sind: die Semnonen, östlich von der Elbe, die Reudigner, Avionen, Eudosen, Suardonen, Nuithonen und eine Anzahl andrer, wenig bekannter Völkerschaften im O. bis zur Meeresküste hin. Tacitus rechnet auch die Langobarden, die wohl schon zu seiner Zeit im Lüneburgischen saßen, sowie die Angeln und Wariner in Holstein und Mecklenburg zu den Sueven. Auch die Markomannen in Böhmen und die Quaden östlich von diesen an der Donau gehören zu den Sueven. Weiter ostwärts noch saß das mächtige, in mehrere Zweige zerfallende Volk der Lygier.
Eine eigne zusammengehörige Gruppe für sich bilden die Völker des gotisch-vandalischen Stammes, welche sämtlich im äußersten Osten des alten Germanien zwischen Oder und Weichsel und über dieselbe hinaus bis an die Memel hin wohnten. Zu ihnen gehören außer den Goten und Vandalen selbst auch die Burgundionen, deren älteste Sitze im Gebiet der Netze und Warthe lagen, die Gepiden an der obern Weichsel, die Alanen, Rugier, Skiren, Turkilinger, Heruler, Lemovier u. a. Auch in Schweden und Dänemark haben eine Zeitlang Goten gesessen, wie die Namen einiger Provinzen noch an sie erinnern. Eine letzte Gruppe bilden endlich die nordischen Germanen oder Skandinavier, zu denen die Sulonen (Schweden) gehören, die Tacitus fälschlich zu den Sueven zählt. Die jenseit der Goten im N. sitzenden Ästuer gehören nicht mehr zu den Germanen, sondern zum lettischen Stamm. Sehen wir von den Skandinaviern ab, so breiten sich also die Germanen von der Donau bis zur Ost- und Nordsee, vom Rhein bis zur Weichsel und den Karpathen aus. Cäsar kannte etwa 20 germanische Völker, Strabon und Plinius etwa 30, Tacitus über 60 und Ptolemäos über 100. Wesentliche Veränderungen in dieser geographischen Verteilung der Stämme der Germanen traten erst seit dem Ausgang des 2. und dem Anfang des 3. Jahrh. n. Chr. ein, zur Zeit, da auch die alten Völkerschaftsbezeichnungen allmählich verschwinden und neue Namen, neben dem der Goten die der Alemannen, Franken, Sachsen, dann auch der Bayern u. a., gebraucht werden, bis im 4. Jahrh. jene gewaltige Völkerbewegung (s. Völkerwanderung) einen großen Teil der Germanen zu Zügen bewog, auf denen sie das weströmische Reich zerstörten und auf dessen Boden mächtige Reiche, das westgotische in Gallien und Spanien, das vandalische in Afrika, das ostgotische und langobardische in Italien, das burgundische im Rhônegebiet, das angelsächsische in Britannien, das fränkische im nordöstlichen Gallien, begründeten. Hierdurch wurden die Grenzen Germaniens gänzlich verschoben; der Osten rechts der Elbe und Saale, Böhmen, Österreich, das ganze Ostalpengebiet ging an die nachdrängenden Slawen verloren, die Reiche in Italien, Afrika und Spanien gingen zu Grunde, und ihre germanischen Einwohner wurden romanisiert. Gleiches Schicksal hatten die Burgunder und der westliche Teil des Frankenreichs. Germanisch blieben also bloß Skandinavien, England und dann das Gebiet zwischen Alpen und Nordsee, Mosel, Maas und Schelde westlich, bis zur slawischen Grenze östlich, dessen Bewohner, sämtlich mit dem Frankenreich vereinigt, später ein eignes, das ostfränkische Reich, bildeten und im 10. Jahrh. den Namen »Deutsche« empfingen (das Weitere s. unter Deutschland, Geschichte).
Kulturgeschichtliches. Staatliche Einrichtungen.
Über Lebensweise, Sitten und Gebräuche sowie über die staatlichen Einrichtungen der Germanen verdanken wir ausführliche Nachrichten, die sich, je näher sie die kritische Forschung geprüft hat, als um so zuverlässiger erwiesen haben, der »Germania« des Tacitus, die 98 n. Chr. geschrieben ist. Große und kräftige Gestalt, weiße Haut, blondes Haar, glänzende, blaue Augen werden als allen Germanen eigentümlich bezeichnet. Schon in früher Kindheit ward der Körper an Arbeit und Entbehrung gewöhnt. War der Jüngling herangewachsen, so bekleidete ihn ein angesehener Mann oder der eigne Vater in der Versammlung des Volkes mit den Waffen: damit trat er in die Gemeinschaft des Volkes ein, und von nun an legte er die Waffen nicht wieder ab. In Jagd und Krieg ging das Leben des Mannes auf; die Geschäfte des Hauses und Feldes überließ man den Weibern, Knechten, Greisen und denen, die sonst zur Führung der Waffen unfähig waren; der freie Mann saß oft genug ganze Tage in träger Ruhe am Herde. Doch war die Stellung der Frau keine niedere und unedle: streng ward die Heiligkeit der Ehe gewahrt, Vielweiberei war unbekannt, unkeuscher Wandel streng verpönt. Im Haus waltete die Frau als »Herrin«, der Mann hörte auf ihren Rat; als Wahrsagerinnen thaten Frauen den Willen der Götter kund und übten so auf das Geschick ganzer Völker Einfluß aus. Über die Stufe des nomadischen Hirtenlebens sind die Germanen zur Zeit, da wir von ihnen Kunde haben, schon hinausgekommen; längst war der Pflug bekannt, und überall ward Ackerbau getrieben. Teils auf Einzelhöfen wohnte der freie Mann, teils hatte man sich in Dörfern angesiedelt, doch so, daß jedes Haus freier Hof- oder Gartenraum umgab; Städte gab es wenig, auch feste Plätze werden nur selten erwähnt, und die man hatte, waren ohne sonderliche Bedeutung. Im Charakter der Germanen überwogen die guten und rühmenswerten Eigenschaften: tadelte der Römer ihre Härte und Grausamkeit, ihre Roheit und ihren Mangel an feinerer Gesittung, so mußte er mit rühmenden Worten ihrer Gastfreiheit und Ehrlichkeit, ihrer Offenheit und ihrer Freiheitsliebe, ihrer Keuschheit und ihres Rechtsbewußtseins, vor allem aber ihrer Treue gedenken, die nur mit dem Leben endete. Das nächste Band, das die Genossen des Volkes umschlang, war das der Familie oder Sippe: den Mitgliedern eines Geschlechts lag ob die Pflicht gegenseitiger Unterstützung und gegenseitigen Schutzes, der Rache für einen der erschlagenen Blutsverwandten, ferner der Zahlung der Buße, des »Wergeldes«, das zu zahlen war, wenn einer aus seiner Mitte einen Totschlag begangen hatte, wie auch anderseits das Geschlecht als Gesamtheit das Wergeld zu empfangen hatte, wenn einer der Seinigen erschlagen war. Auch
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vor Gericht hatten die Geschlechtsgenossen die Pflicht, einander beizustehen; aus dieser Pflicht ist das altgermanische Institut der Eideshelfer erwachsen.
Eine andre Verbindung als die Familie begründete die Dorf- und Markverfassung. Nicht alles Land nämlich, das bei der ersten Ansiedelung der Germanen von denen, die sich zu einem Dorfe vereinigten, gemeinsam in Besitz genommen worden, war unter die Einzelnen verteilt; vieles blieb brach liegen und diente als Wald oder Weide allen zur Nutznießung nach bestimmten Regeln und in abgemessenem Umfang: dies wird als »gemeine Mark« oder »Allmande« bezeichnet. So hatten die Dorfgenossen auch unmittelbar gemeinsame Interessen; um darüber zu verhandeln, traten die Dorfbewohner an ein für allemal bestimmten Plätzen, meist unter einem alten Baum, häufig einer Linde, zusammen; ein gewählter Dorfvorsteher leitete die Verhandlungen und nahm auch sonst das Interesse der Dorfschaft wahr. Aber eigentlich staatliche Funktionen übten auch sie nicht aus. Diese kamen vielmehr nur dem Verband der Völkerschaft und seinen Gliederungen, den Hundertschaften, zu. Die Staatsgewalt stand innerhalb der Völkerschaft der Gesamtheit der ihr angehörigen freien Männer zu, die bewaffnet (denn Heer und Volk sind identisch) zur Völkerschaftsversammlung sich einfanden. So war die Verfassung der alten Germanen, wenn wir die moderne Bezeichnung anwenden sollen, durchweg eine republikanische, und es machte darin keinen Unterschied, ob an der Spitze der Völkerschaften ein erblicher König aus einem besonders edlen Geschlecht stand, wie das bei den Ostgermanen, Goten und Sueven, der Fall war, oder ob es einen solchen nicht gab, wie bei den westlichen Germanen. Auch in den von Königen beherrschten Staaten war nicht der Monarch, sondern die Volksversammlung die Trägerin der Souveränität; die höchsten Rechte, wie das, über Krieg oder Frieden zu entscheiden, über Leib und Leben der Volksgenossen zu urteilen, die Beamten der Abteilungen des Volkes zu ernennen, standen nicht dem König, sondern dem Volk zu. Die Versammlung fand zu bestimmten Zeiten bei Neu- oder Vollmond oder außerordentlich bei besondern Veranlassungen statt; festliche Schmausereien gingen den Beratungen voran, die unter freiem Himmel (in heiligen Hainen oder an andern der Gottheit geweihten Stätten) abgehalten wurden. Der König oder, wo es einen solchen nicht gab, einer der Fürsten leitete die Verhandlungen; weitläufige Debatten waren nicht üblich, nur Männer, die durch Adel, Alter, Kriegsruhm oder Beredsamkeit ausgezeichnet waren, pflegten das Wort zu ergreifen; dann entschied die Versammlung, wenn auch nicht in förmlicher Abstimmung: mit beifälligem Zuruf und lautem Zusammenschlagen der Waffen nahm man die gemachten Vorschläge an, mit unwilligem Murren oder Geschrei verwarf man sie. Nur in den monarchischen Staaten gab es in der Person des Königs einen ständigen Vorsteher des Volkes; in denen, die keinen König hatten, ward ein solcher nur für die Zeit eines Krieges aus der Zahl der Fürsten durch das Volk erwählt; Herzog wird man ihn genannt haben. Außer den Versammlungen des ganzen Volkes gab es solche der einzelnen Hundertschaften, in welche die Völkerschaft regelmäßig zerfiel. Hier ward (von jenen wenigen Fällen abgesehen, in denen das ganze Volk richtete) das Recht gesprochen; andre Funktionen übte die Versammlung der Hundertschaft wahrscheinlich nicht aus. An der Spitze der Hundertschaften in Krieg und Frieden, in Heer und Gericht standen Fürsten (principes), die von dem gesamten Volk für alle Hunderte desselben aus den tüchtigsten freien Männern derselben ohne Unterschied des Standes gewählt wurden. Ihr und der Könige Vorrecht war es, ein Gefolge zu halten, d. h. eine Anzahl tapferer junger Männer um sich zu versammeln, die, durch das feste Band der Treue an ihren Gefolgsherrn gekettet, mit ihm Leid und Freud', Ehre und Ruhm, Beute und Gefahren teilten, ihm in den Kampf und in den Tod folgten. Der Eintritt in ein solches Gefolge minderte Freiheit und Ehre nicht; im Gegenteil hob die Ehre des Herrn die des Gefolges, war sein Ruhm auch der des Gefolges.
Ist somit in der Verfassung der Germanen der politischen Freiheit der weiteste Spielraum gelassen, so gilt dasselbe auch von der politischen Gleichberechtigung aller Freien, für die in staatlicher Beziehung kein Unterschied irgend welcher Art bestand. Dies schließt aber eine gewisse ständische Gliederung innerhalb des Kreises der Freien nicht aus. Vielmehr ist es sicher, daß es wenigstens bei den meisten Völkerschaften der Germanen einen, wenn auch nicht sehr zahlreichen Adel gab; seine Mitglieder, die »Adalinge« oder »Ethelinge«, galten als besonders angesehen oder einflußreich, man legte hohen Wert auf edle Geburt und vornehme Abkunft; aber politische Vorrechte verlieh der Adel nicht, höchstens das eine kann angeführt werden, daß die Könige, wo es solche gab, regelmäßig einem und zwar dem edelsten der adligen Geschlechter angehörten. Unter den Freien standen die Hörigen (Liten oder Halbfreien), vielleicht Angehörige ganzer Völkerschaften, die im Krieg unterworfen worden waren; sie entbehrten des freien Grundbesitzes und besaßen nur Land, für das sie einem Herrn dienten oder zinsten; sie hatten keine politischen Rechte, aber ihre Person war frei. Noch tiefer standen die Knechte, meist einzelne Kriegsgefangene, die als Sache galten, gekauft und verkauft werden konnten und somit in harter Abhängigkeit standen. Aber auch ihre soziale Stellung war keine allzu ungünstige, selten nur hören wir von grausamer Behandlung der Knechte; in der Regel lebten sie auf ihnen angewiesenem Land, von dem sie Getreide oder Vieh als Abgabe entrichteten, und mit der römischen Sklavenwirtschaft hat das Verhältnis der Knechte bei den Germanen wenig gemein.
Der Gliederung des Volkes im Frieden entsprach die Ordnung im Gefecht: das Gefolge umgab seinen Führer, familien- und stammweise vereinigt focht das übrige Volk. Die Schlachtordnung war meist keilförmig, Reiter und Fußstreiter waren vermischt. Der Angriff begann mit einem wilden Schlacht- oder Schildgesang (baritus), welchen die Römer nicht schrecklich genug schildern können. Der Angriff war stürmisch, aber nicht immer ausdauernd; oft wich man zurück; aber nur, um den Angriff alsbald zu erneuern. Den Schild auf feiger Flucht wegzuwerfen, galt als die ärgste Schmach, lieber setzte man sich gewissem Tod aus; daher kommt es, daß in unglücklichen Kämpfen stets die Leichen von Tausenden der Germanen das Schlachtfeld bedeckten. Es fehlte den Germanen nicht an geschickter und kundiger Führung; anfangs den Römern an Kriegskunst nicht gewachsen, haben sie doch bald von den Siegern gelernt. Ihre Hauptwaffe war der Speer, der mit eiserner Spitze beschlagen war und zum Kampf in der Nähe und in der Ferne diente, und, besonders bei den Völkern des Nordens, das kurze Schwert. Hauptverteidigungswaffe war der meist bunt gemalte Schild. Das Fußvolk führte auch Bogen und Pfeile. Nur wenige Bevorzugte hatten