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Geometrie, ihm gehört das glänzende Dreigestirn Eukleides (um 300), Apollonios (um 200) und Archimedes (287-212) an. Der erstgenannte verfaßte die uns erhaltenen »Elemente der Geometrie«, welche bis auf die neueste Zeit als Muster eines Lehrbuches galten. Außerdem erweiterte er die Wissenschaft durch mehrere selbständige Werke, von denen wir die »Data« noch besitzen, während die »Porismen« (nach Chasles' Auffassung die analytische Geometrie der Alten) verloren sind. Apollonios bereicherte die noch junge Lehre [* 2] von den Kegelschnitten durch eine Reihe der schönsten Erfindungen.
Triforium - Trigonomet

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Trigonometrie.Archimedes endlich gründete die Elemente der Mechanik auf geometrische Gesetze und löste annähernd die Aufgabe von der Rektifikation des Kreises. In demselben Jahrhundert lebten auch Eratosthenes (geb. 276), der die erste Gradmessung [* 3] vornahm, und Heron, von dem die schöne Formel für den Inhalt eines Dreiecks durch seine drei Seiten herrührt. Er war auch der erste, der die praktische Geometrie wissenschaftlich bearbeitete. Mit ihm schließt die eigentliche Glanzzeit der griechischen ab. Doch sind noch viele bedeutende Namen auch in der folgenden Periode zu nennen, so Hipparch (um 140), der wahrscheinliche Begründer der sphärischen Trigonometrie, [* 4] Theodosios (um 100), der über die Kugel schrieb, u. a. Aus der Zeit nach Christi Geburt führen wir an Menelaos [* 5] und vor allen den Astronomen Ptolemäos, dessen Blütezeit mit der Regierung des Kaisers Hadrian zusammenfällt.
Ihm verdankt sowohl die sphärische als die ebene Trigonometrie ihre systematische Begründung. Von spätern Geometern sind zu erwähnen Pappos (im 3. Jahrh. n. Chr.), dessen »Mathematische Sammlungen« ein kostbares Denkmal der ältern griechischen Mathematik bilden, und der Neuplatoniker Proklos (um 450), dessen philosophisch-historischer Kommentar zu einem Teil des Eukleides noch heute nicht ohne Wert ist. Noch später lebte Eutokios, der Erklärer des Archimedes.
Von den dem Mittelalter angehörenden griechischen Geometern nennen wir Psellos, Moschopulos und Pediasimos, welch letzterer einen Lehrbegriff der elementaren Geometrie abfaßte. Bei den Römern fand die Geometrie nur insoweit Beachtung, als man ihrer für die Bedürfnisse des täglichen Lebens unmittelbar bedurfte. Statt wissenschaftlicher Mathematiker gab es demnach ausschließlich Feldmesser, deren uns erhaltene Schriften den handwerksmäßigen Standpunkt der Mehrzahl klar hervortreten lassen. Eine rühmliche Ausnahme macht allein der Hydrotechniker Julius Frontinus. Auf einem höhern Standpunkt steht die (allerdings in ihrer Echtheit vielfach angefochtene) Geometrie des Boethius (gest. 524), der letzte Schlußstein römisch-griechischer Kultur vor der hereinbrechenden Barbarei des Mittelalters.
Die folgenden fünf Jahrhunderte können wir völlig aus der Geschichte der Geometrie streichen; was man allenfalls noch wußte, ersehen wir aus der von Alkuin für Karls d. Gr. Schulen verfaßten Beispielsammlung, die womöglich noch unter den römischen Standpunkt heruntergeht. Erst in der Geometrie des Franzosen Gerbert (gest. 1002) finden wir wieder Spuren selbständigen Denkens. Bald darauf begannen mit Atelhart von Bath und Gerhard von Cremona (1114-1187) die Übersetzungen der griechischen Geometrie. Einen höchst wesentlichen Fortschritt bekundet die »Practica geometriae« des Leonardo Fibonacci (1220),
dem die Algebra so viel verdankt. Campanus lieferte eine verbesserte Bearbeitung des Eukleides. Als die bedeutendsten Geometer des Mittelalters sind jedoch Nikolaus Oresme (gest. 1389),
der in seinen »Latitudines« bereits den Koordinatenbegriff des Descartes antizipierte, und Thomas v. Bradwardine, Urheber einer scharfsinnigen Theorie der Sternpolygone (um 1340), zu erwähnen.
Drei-Ähren - Dreieck

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Dreieck.Im Osten besaßen die Chinesen schon in der Zeit vor Christo tüchtige geometrische Kenntnisse, wie sie denn ein auf das rechtwinkelige Dreieck [* 6] mit den Seiten 3, 4, 5 basiertes Meßinstrument kannten. An sie schließen sich die Inder an, deren erster bekannter Astronom, Aryabhatta (um 450 n. Chr.), bereits als tüchtiger Mathematiker gerühmt wird. Der hervorragendste indische Geometer ist aber Brahmegupta, dessen um 628 erschienene in einer Reihe eleganter Betrachtungen über solche Vierecke gipfelt, welche sich aus rationalen Zahlen bilden lassen.
Vier bis fünf Jahrhunderte später lebte Bhaskara Acharya, dessen Werke eine bedeutende Ausbildung der indischen Trigonometrie bekunden. Aus indischen und griechischen Quellen entnahmen die Araber ihre wissenschaftlichen Kenntnisse und verschmolzen beides zu einem eigenartigen Ganzen. Mathematisch Neues leisteten dieselben vor allem in der Trigonometrie, wo sie die unbehilflichen Sehnen der Griechen abschafften und nach indischer Art mit Sinus und Kosinus rechneten; ja, Ibn Junis erfand um 1000 n. Chr. sogar die Tangenten. Omar Alkhayami lehrte kubische Gleichungen durch Kegelschnitte [* 7] konstruieren, und der Marokkaner Ibn Haitham (Alhazen) ging in seiner geometrischen Optik weit über seine griechischen Vorbilder hinaus.
Spottiswoode - Sprache

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Sprache.Die ersten Schriften, welche der Occident beim Wiedererwachen der Wissenschaft kennen lernte, waren arabischen Ursprungs. Hierzu kam allmählich die durch den Fall von Byzanz (1453) so wesentlich geförderte Kenntnis der griechischen Originale, deren Verbreitung die eben erfundene Buchdruckerkunst großen Vorschub leistete. Die bedeutendsten Geometer dieser Periode sind der Astronom Peurbach (1423-61) und sein großer Schüler Regiomontanus (1436-76), welch letzterer besonders die Trigonometrie förderte. In deutscher Sprache [* 8] schrieben der Baumeister Roriczer (1486) und der Maler Albrecht Dürer (1525) über Geometrie. Das 16. Jahrh. sah die großartige Entwickelung der Trigonometrie durch Kopernikus, Rheticus, Pitiscus u. a.; der jüngere Apian bezeichnet durch seine meisterhafte Karte von Bayern [* 9] eine neue Epoche in der Geschichte der praktischen Geometrie, und am Ausgang des Jahrhunderts finden wir die Niederländer Stevin, Girard und Snellius, den Erfinder der Triangulationsmethode, sowie den Franzosen Vieta. Im J. 1615 schrieb der Astronom Kepler seine tiefsinnige »Geometrie der Fässer«, in welcher er die ersten Keime zu einer Geometrie unendlich kleiner Größen niederlegte. In ähnlichem Sinn arbeiteten die Italiener Cavalieri (1598-1647) und der Franzose Roberval (1602-1675), vor allen aber der berühmte Fermat (1601-1665), der auch mit dem Wesen der rechtwinkeligen Koordinaten [* 10] bereits vertraut war. Um dieselbe Zeit ließen Desargues (1593-1662) und Pascal (1623-1662) die reine Geometrie im Sinn der Alten wieder aufleben.
Geometrische Progressi

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Seite 7.137.Den wichtigsten Fortschritt bezeichnet jedoch Descartes (1596-1650), der eigentliche Schöpfer der analytischen in dessen Fußstapfen nun fast alle zeitgenössischen Gelehrten traten, von denen wir besonders den Niederländer Huygens (1629-95) namhaft machen, den seine Untersuchungen über die Pendeluhr auf die Lehre von den Evoluten leiteten. Die höhere Kurvenlehre bildeten noch Wallis (1616-1703), Barrow (1630-77), Tschirnhaus (1651-1708) weiter aus und legten so den Grund zu der nun ¶
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folgenden Schöpfung der Differentialrechnung [* 12] durch den Deutschen Leibniz (1646-1716) und den Engländer Newton (1642-1727). Auf der von diesen Neuern eingeschlagenen Bahn schritten unzählige andre fort. Wir nennen die acht Mitglieder der Familie Bernoulli, Leonhard Euler (1707-83), den Begründer der analytischen Trigonometrie, Cotes (1682-1716), dessen Name in der Lehre von der Kreisteilung fortlebt, Clairaut (1713-65), welcher zuerst über doppelt gekrümmte Kurven schrieb, Parent (1666-1716), der des Cartesius Geometrie von der Ebene auf den Raum ausdehnte, Cramer (1704-52), der ein meisterhaftes Lehrbuch der Kurventheorie lieferte, sowie Maclaurin (1698-1746), Simson (1687-1768) und Stewart (1717-85) als Vertreter der synthetischen Geometrie. Der Schweizer Lambert (1728-77) bearbeitete wissenschaftlich die Perspektive.
An der Schwelle des 19. Jahrh. treten uns entgegen Lagrange (1736-1813), Laplace (1749-1827), Legendre (1752-1833) und Monge (1746-1818), der Begründer der deskriptiven Geometrie. Um jene Zeit begann jene schon früher vorhandene Spaltung der Raumlehre in synthetische und analytische Geometrie bestimmtere Formen anzunehmen. Während Carnot (1753-1823), Poncelet (1788-1867), Steiner (1796-1863), v. Staudt (1798-1868) und M. Chasles vor allen die erstere Richtung pflegten, ward auch die analytische Richtung nicht vernachlässigt.
Möbius (1827) schrieb seinen »Baryzentrischen Kalkül«, der neue Bahnen für jene eröffnete; in einer Reihe von Werken lehrte Plücker (1801-68) die Theorie der algebraischen Kurven und Oberflächen allgemein behandeln, und durch eine Reihe schwieriger zahlentheoretischer Untersuchungen gelang es Poinsot (1777-1859), die Stereometrie durch vier neue regelmäßige Körper, die sogen. Sternpolyeder, zu bereichern. In der neuesten Zeit hat sich der erwähnte Unterschied zwischen synthetischer und analytischer Geometrie zu verwischen begonnen, besonders infolge der zusammenfassenden Arbeiten von Clebsch (1833-72). Die Geodäsie verdankte dem von Newton ausgehenden Streit über die eigentliche Gestalt der Erde neue Anregung.
Die dadurch veranlaßten Gradmessungen, unter denen besonders die von Maupertuis (1698-1759) und Bouguer (1698-1758) veranstalteten hervorragen, nötigten zur Verbesserung der vorhandenen und zur Erfindung neuer Hilfsmittel; die theoretische Seite der Wissenschaft fand reiche Förderung durch Männer wie Oriani (1752-1832), Gauß (1777-1855) und Bessel (1784-1846). Was diese Disziplin zu leisten vermag, davon liefert die gegenwärtig in der Vollendung begriffene europäische Gradmessung das sprechendste Zeugnis.
[Litteratur.]
Die Elementargeometrie behandeln: Kunze, Lehrbuch der Geometrie (2. Aufl., Jena [* 13] 1851);
Lübsen, Ausführliches Lehrbuch der Geometrie (12. Aufl., Leipz. 1885);
Schlömilch, Grundzüge einer wissenschaftlichen Darstellung der Geometrie des Maßes (6. Aufl., das. 1883, 2 Tle.);
Baltzer, Die Elemente der Mathematik, Bd. 2 (6. Aufl., das. 1883).
Wien

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Wien.Für Trigonometrie seien erwähnt die Lehrbücher von Dienger (3. Aufl., Stuttg. 1867), Lübsen (14. Aufl., Leipz. 1884), Brockmann (2. Aufl., das. 1880); für darstellende Geometrie die Lehrbücher von Gugler (4. Aufl., Stuttg. 1880), Klingenfeld (Nürnb. 1871-74, 2 Bde.), Fiedler (3. Aufl., Leipz. 1883), Schlesinger (Wien [* 14] 1870), v. Peschka (das. 1883-84, 3 Bde.), Wiener (Leipz. 1884 ff., 2 Bde.). Unter dem großen Reichtum von Lehrbüchern der analytischen Geometrie mögen hervorgehoben werden: Fort und Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geometrie (5. Aufl., Leipz. 1883-86, 2 Bde.);
Joachimsthal, Elemente der analytischen Geometrie der Ebene (2. Aufl., Berl. 1871);
Salmon, Analytische Geometrie der Kegelschnitte (deutsch von Fiedler, 4. Aufl., Leipz. 1878);
Derselbe, Analytische Geometrie der Kurven im Raum und der algebraischen Flächen (3. Aufl., das. 1880), letztere zwei umfassende Handbücher, welche besonders die neuern Anschauungen berücksichtigen;
Baltzer, Analytische Geometrie (das. 1882).
Die neuere Geometrie endlich behandeln: v. Staudt, Geometrie der Lage (Nürnb. 1860);
Reye, Geometrie der Lage (2. Aufl., Hannov. 1877-1880, 2 Tle.);
Zech, Höhere in ihrer Anwendung auf Kegelschnitte und Flächen zweiter Ordnung (Stuttg. 1856);
Chasles, Traité des sections coniques (Par. 1865);
Cremona, Einleitung in eine geometrische Theorie der ebenen Kurven (a. d. Ital. von Curtze, Greifsw. 1865);
Steiner, Vorlesungen über synthetische Geometrie (Leipz. 1867, 2 Tle.);
Gretschel, Organische Geometrie (das. 1868);
Schröter, Theorie der Oberflächen zweiter Ordnung etc. (das. 1880).
Für ein zusammenhängendes Studium der analytische und synthetische Betrachtungsweisen zusammenfassenden geometrischen Auffassung eignen sich am besten die klassischen Lehrbücher von Hesse: Ebene Geometrie der geraden Linie und des Kreises (Leipz. 1865) und Analytische Geometrie des Raums (3. Aufl., das. 1877);
Clebsch, Vorlesungen über Geometrie (das. 1876).
Die Geschichte der Geometrie behandelt Chasles in seinem »Aperçu historique« (Par. 1837, 2. Aufl. 1875; deutsch von Sohnke, Halle [* 15] 1839); für die neuern Fortschritte der Wissenschaft ist desselben Autors »Rapport sur les progrès de géométrie« (Par. 1870) zu vergleichen. Für die ältere Geschichte der Geometrie sind maßgebend: Bretschneider, Die Geometrie und die Geometer vor Euklides (Leipz. 1870);
Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik (das. 1880).
Wer schließlich die neuern Versuche der Geometrie, sich von der gewöhnlichen Raumanschauung zu emanzipieren, d. h. die nicht Euklidische Geometrie, kennen lernen will, greift am besten zu folgenden beiden Schriften: Frischauf, Absolute Geometrie (Leipz. 1872);
Derselbe, Elemente der absoluten Geometrie (das. 1876);
Zürich (Kanton und Sta

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Zürich.vgl. ferner: J. C. ^[Johann Carl] Becker, Abhandlung aus dem Grenzgebiet der Mathematik und der Philosophie (Zürich [* 16] 1870);
Killing, Die nicht euklidischen Raumformen (Leipz. 1885).
Alle in das Gebiet der praktischen Geometrie einschlagenden Fragen behandeln Bauernfeinds »Elemente der Vermessungskunde« (6. Aufl., Stuttg. 1879).