(geoidische
Fläche) nennt Listing (»Nachrichten von der königl.
Gesellschaft der
Wissenschaften etc.«,
Götting. 1873) die ideelle Oberfläche der
Erde, von welcher die
Meeresoberfläche ein Teil ist. Denkt man sich das
Festland von einem
System von
Kanälen durchzogen, die alle untereinander
und mit dem
Meer kommunizieren, so würde der
Stand des
Wassers in diesen
Kanälen die geoidische
Fläche versinnlichen. Dieselbe
ist mit mancherlei Unregelmäßigkeiten behaftet, deren Gesamtheit sich durch keine mathematische
Formel
darstellen läßt. Im
Gegensatz zum Geoid bezeichnet Listing dasjenige
Rotations- oder auch dreiachsige
Ellipsoid,
[* 8] welches sich
dem Geoid so eng wie möglich anschließt, als das Erdsphäroid.
[* 9] (griech.), eine
Wissenschaft, welche dem Wortlaut nach die ganze wissenschaftliche Kenntnis von der
Erde umfassen
sollte, gebrauchsgemäß aber auf die Untersuchung der festen Erdbestandteile, der
Gesteine,
[* 10] nach
Natur und Entstehung beschränkt
wird und zudem eine sehr enge
Grenze durch die Unmögkeit ^[richtig: Unmöglichkeit], tief in das Erdinnere einzudringen,
gesteckt erhält. Gewöhnlich wird jetzt das
WortGeognosie identisch mit Geologie gebraucht; sollen Unterschiede
gemacht werden, so würde
Geognosie als die
Wissenschaft von dem heutigen Zustand der festen
Bestandteile der
Erde und die
Geogenie
als
Lehre
[* 11] von der Entstehung der
Erde und der sie zusammensetzenden Mineralsubstanzen zwei Teile der ihnen begrifflich übergeordneten
Geologie ausmachen.
Nach amerikanischen
Mustern beobachten die Lehrbücher wohl auch folgende, in Einzelheiten der Benennungen und Abgrenzungen
der
Kapitel voneinander differierende
Anordnung:
3) dynamische Geologie,
Lehre von den umgestaltenden
Kräften, welche in geologischer Gegenwart wirken und in geologischer Vergangenheit
gewirkt haben, Betrachtungen, unter welchen man gewöhnlich einen besondern
Abschnitt dem
Vulkanismus widmet;
4) petrogenetische Geologie (Petrogenie),
Lehre von der
Bildung und Umbildung der
Gesteine;
6) historische Geologie (Formationslehre),
Lehre von der zeitlichen
Entwickelung der
Erde in geologischer Vergangenheit
samt derjenigen der Organismen, welche in geologischer Vorzeit gelebt haben, in ihrem entwickelungsgeschichtlichen Zusammenhang
mit der heutigen
Fauna und
Flora
(Paläontologie, Petrefaktologie,
Versteinerungskunde), mit ihren zwei Teilen:
Paläozoologie
und
Paläophytologie.
Die Beziehungen der Geologie zu Hilfswissenschaften sind zahlreich und mannigfaltig. Als die innigsten müssen diejenigen
zu den übrigen beschreibendenNaturwissenschaften, zur
Mineralogie durch die
Petrographie, zur
Botanik und
Zoologie durch die
Paläontologie, gerechnet werden, wozu noch nach dem gelungenen Nachweis menschlicher Reste in
Schichten
prähistorischer Entstehung Grenzgebiete der Geologie gegen
Anthropologie,
Ethnographie
[* 12] und
Urgeschichte kommen. Kaum weniger wichtig
sind die Bezüge zur
Physik (so besonders zur
Optik mit Rücksicht auf die neuern Untersuchungsmethoden
namentlich der
Gesteine, aber auch der
Versteinerungen vermittelst des
Mikroskops und des polarisierten
Lichts, mikroskopische
Geologie) und zur
Chemie (chemische. Geologie). Zu beiden zuletzt genannten
Wissenschaften ist die
Verwandtschaft um so enger geworden,
als sich eine experimentierende
Richtung in der Geologie (Experimentalgeologie) entwickelt hat.
Die in deroben gegebenen
Einteilung der Geologie als erste aufgeführten
Kapitel der
Geophysik greifen unablässig
in das Gebiet der
Geographie über, und bei einem Herbeiziehen von Betrachtungen über die ersten Stadien der
Entwickelung
unsers
Planeten
[* 13] wird man der
Astronomie
[* 14] und ihrer
Lehren
[* 15] nicht entbehren können. Ihrerseits als begründende
Wissenschaft dient
die Geologie der
Geographie, ferner der wissenschaftlichen
Bodenkunde (Pedologie) und vor allem dem
Bergbau,
[* 16] zu
welchem außerdem eine ganze
Reihe technischer Aufgaben, deren
Lösung geologische Kenntnisse voraussetzt, im innigsten Zusammenhang
stehen, wie das
Bohren artesischer
Brunnen,
[* 17] Weg-,
Kanal-,
Eisenbahn-, namentlich Tunnelanlagen etc. (technische Geologie).
Noch sei
der Wichtigkeit der Mitwirkung geologisch gebildeter Fachmänner bei der
Entscheidung hygieinischer
Fragen
gedacht.
Die Geschichte der Geologie ist nicht alt, denn alles, was zunächst aus dem klassischen
Altertum uns überliefert und wohl mit
dem
Namen »Geologie der Griechen und
Römer«
[* 18] belegt worden ist, reduziert sich auf die Aufzeichnung einiger geologischer
Beobachtungen,
welche gerade in ihrer Isoliertheit Erstaunen erregen, sicher aber nicht als geologisches Lehrgebäude
bezeichnet zu werden verdienen. Ebensowenig dürfen die von den Alten aufgestellten zahlreichen
Kosmogonien mit der in engern
Zusammenhang gebracht werden; sie sind Ausflüsse philosophischer und theologischer Betrachtungen, keine Verallgemeinerung
geologischer
Beobachtungen.
Nicht viel fruchtbarer stellt sich das ganze
Mittelalter und die ältere Hälfte der Neuzeit dar; auch
hier erregen einige wenige
Publikationen unser gerechtes Erstaunen, mehr aber in dem
Sinn, daß der Einzelne bewunderungswürdig
seine Zeit überragt, als daß diese seine
Ansichten Eingang in größere
Kreise
[* 19] hätten finden können. Am klarsten geht dies
aus dem Umstand hervor, daß, selbst wenn eine
Wahrheit errungen schien, spätere Schriftsteller auf den
alten
Irrtum zurückgriffen. So sollen schon 1517 der berühmte
Maler und Bildhauer
Leonardo da
Vinci (direkt ist keins seiner
schriftstellerischen Werke auf uns gekommen) und der veronesische
Arzt Fracastoro (gest. 1553), entgegen der landläufigen
Ansicht, die
Versteinerungen seien zufällige
Bildungen
(Naturspiele), die wahre
Natur dieser Reste erkannt
haben;
Agricola (1490-1555) aber fiel in den alten
Irrtum zurück, ja als 1597
Simon Majoli
¶
der obencitierteLister empfahl schon die Anfertigung geologischer Karten;
in des Dänen Steno (1631-86) Werk »De
solido intra solidum naturaliter contento« (Flor. 1669) sind klare Beobachtungen über die Reihenfolge der Schichten enthalten;
in welchen er für die Erde eine Entstehung aus feurig-flüssigem Zustand (mit einer Abkühlungszeit von 34,000
Jahren) annahm; letzterer durch seine »Alpenreisen« (1779-96), in denen
er unter anderm die ersten guten Beobachtungen über die Gletscher veröffentlichte.
Als Gründer einer wissenschaftlichen Geologie wird gewöhnlich Werner (1750-1817), der berühmte Lehrer an der
FreibergerBergakademie, bezeichnet und mit Recht, hat er doch zuerst ein völlig durchgearbeitetes System aufgestellt und diesem
System bei seinen Schülern das größte Ansehen zu verschaffen gewußt. Werner teilte die sämtlichen Formationen ausschließlich
in neptunische und vulkanische; die letztern, denen er nur eine ganz untergeordnete Rolle und zwar nur
in der Jetztzeit zuschrieb, leitete er von brennenden Kohlenflözen, sich zersetzenden Schwefelverbindungen etc. her; die
erstern waren ihm die wesentlichen Teile der Erdrinde. Er teilte sie wieder in Urgebirge, zu denen der bei sehr hohem Wasserstand
gebildete Granit, der bei niedrigerm entstandene Gneis, Glimmerschiefer u. dgl. nebst »Urkalk« und Serpentin,
endlich Thonschiefer gehören, auf welche dann bei wieder höherm Ansteigen des Wassers die Porphyre, Grünsteine, jüngern Serpentine
etc. folgen.
Auf die Periode des Urgebirges, hinsichtlich dessen Werner die Unklarheit wohl mit den meisten spätern Geologen teilen dürfte,
folgt das Übergangsgebirge, welches man jetzt als Silur und Devon
[* 25] unterscheidet. Die »ruhige« Ablagerung,
welche die kristallinischen Gesteine hervorgebracht haben sollte, kombiniert sich nach Werner in
dieser Zeit, in welcher die
ersten lebenden Wesen auftraten, mit einer mechanisch zerstörenden Wirkung des Wassers, welche Veranlassung zur Entstehung
der Grauwackengesteine (nebst Thonschiefer, Kieselschiefer, Kalkstein) und gleichzeitiger Grünsteine, Trappgesteine gibt.
Das Auffallendste an WernersSystem ist die Ausdehnung
[* 28] der »neptunischen« Bildungsweise auf die altvulkanischen
Gesteine. Die Reaktion gegen eine Ansicht, welche nur aus beschränktem Beobachtungsmaterial entsprungen war, konnte nicht ausbleiben.
Voigt (1793) eröffnete die Opposition mit der Behauptung, der Basalt müsse auf feurig-flüssigem Weg entstanden
sein, und bald stand dem Wernerschen Neptunismus eine »plutonistische« Schule gegenüber, welche sich im wesentlichen zu Huttons 1796 (in
kürzerm Auszug schon 1788) erschienener »Theorie der Erde« bekannte und mit dieser eine Entstehung unsers Planeten aus feurigem
Fluß annahm und dem »Plutonismus« und »Vulkanismus«, der »Reaktion des noch flüssigen Erdinnern gegen die
schon erstarrte Kruste«, eine mannigfaltige Rolle inBildung und Umbildung der Gesteine und Erdkonturen zusprach.
Werners größter Schüler, Leopold v. Buch (1774-1853), sagte sich nach Studium der erloschenen Vulkane
[* 29] in Zentralfrankreich vom
Neptunismus los und stand bald an der Spitze der gegensätzlichen Schule. Vielleicht niemals und in keiner
Wissenschaft ist der Einfluß einer einzelnen Persönlichkeit ein so großer und nachhaltiger gewesen wie derjenige Buchs in der
ersten Hälfte unsers Jahrhunderts auf die weitere Entwickelung der Geologie. Weite Reisen, scharfe Beobachtungsgabe, glänzendes Darstellungsvermögen,
alles gab Buch eine unbestrittene Führerschaft unter seinen Zeitgenossen, von ihm nicht selten bis zur
Unduldsamkeit gegen andre Meinungen ausgebeutet. A. v. Humboldt, Laplace, die Geologen Naumann, Freiesleben, Elie de Beaumont
u. v. a., die Zoologen und Paläontologen Cuvier, Lamarck und Brongniart, alle stimmten den IdeenBuchs mehr oder weniger unbedingt
bei oder waren selbständig zu ähnlichen Anschauungen gekommen.
Das Resultat war ein plutonistisches System, welches der innern Erdwärme und den Ausbrüchen des flüssigen Erdinnern die mannigfachsten
Rollen
[* 30] zuschrieb. Die Umbildung des Kalks zu Dolomit durch Magnesiadämpfe, die Zurückführung aller Hebungen und Senkungen auf
vulkanische Kräfte, die momentane Entstehung sogen. Erhebungskrater, die Bildung der Gebirge durch zentrale
Eruptionsmassen, das zeitweise Eintreten gewaltiger Katastrophen, welche epochenartig geologische Formationen zum Abschluß
bringen und jede Vermittelung zwischen zwei aufeinander folgenden Perioden verhindern, das dürften die extremsten Ansichten
sein, welche die Zeit der unbestrittenen Herrschaft des Plutonismus zu Tage gefördert hat. Langsam, Schritt für Schritt, sind
diese extravaganten Auswüchse einer in Beschaffung von Beobachtungsmaterial äußerst fruchtbaren Schule
abgestoßen worden, und sieht man sich nach den Mitteln¶