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ersten Stoß durch die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453). Da die Republik weder Kaffa noch Corsica [* 2] mehr behaupten konnte, so trat sie beide der Bank von St. Georg ab, welche die Verteidigung der bedrohten Kolonien übernahm. Um aber den Kämpfen der Parteien ein Ende zu machen, stellte sich die Republik abermals unter die Herrschaft des Königs von Frankreich, und nahm der als Statthalter des Königs nach Genua [* 3] gesandte Herzog Johann von Lothringen die Stadt für Frankreich in Besitz.
Aber auch diesmal dauerte die französische Herrschaft nicht lange: als 1461 der Herzog einen Zug gegen Neapel [* 4] unternahm, wurde sein Stellvertreter von den vereinigten Adorni und Fregosi zum Abzug genötigt, und der Erzbischof Paolo da Campo Fregoso, welcher den Aufstand angestiftet hatte, ließ sich hierauf 1463 selbst zum Dogen wählen und vereinigte so die höchste geistliche und weltliche Würde Genuas in Einer Person. 1464 trat jedoch der König Ludwig XI. von Frankreich seine Ansprüche auf an den Herzog Franz Sforza von Mailand [* 5] ab, und dieser eroberte mit Hilfe der genuesischen Großen die ganze Küste und endlich auch die Stadt.
Trotz wiederholter Unruhen blieben die Sforza Herren von Genua, bis 1499 mit Mailand auch Genua wieder unter die Botmäßigkeit der Franzosen kam. Ein unter dem zum Dogen gewählten Seidenfärber Paolo von Novi 1506-1507 gemachter Versuch, die Franzosen zu vertreiben, wurde von Ludwig XII. hart bestraft. Nach mannigfachen Verwickelungen wurde Ottaviano da Campo Fregoso 1515 von König Franz I. als sein Statthalter anerkannt. Dieser stand in dem Krieg Frankreichs gegen die Liga von Venedig [* 6] auf seiten des erstern, zog aber Genua dadurch eine Belagerung durch die Kaiserlichen (1522) zu, in deren Folge es von dem Marquis von Pescara und Prospero Colonna erobert und geplündert ward.
Der Doge ward gefangen und starb im Kerker. Nun verband sich Genua 1523 mit Kaiser Karl V., welcher die Wahl eines neuen Dogen in der Person Antoniotto Adornos gestattete. Zwar mußte Genua 1527 sich wieder dem König Franz I. unterwerfen; allein der Plan der Franzosen, in Savona eine Rivalin für Genua aufzustellen und den Mittelpunkt des Handels dorthin zu verlegen, veranlaßte den genuesischen Admiral Andrea Doria 1528, sich für Karl V. zu erklären, worauf die Franzosen Genua und Savona räumten. Karl V. erkannte Genua als unabhängigen Staat an und dehnte seine Hoheit über Savona und die ganze ligurische Küste aus.
Hierauf wurde unter Leitung Dorias die Verfassung reformiert. Die alten Adelsvereine wurden aufgelöst und an ihre Stelle 28 Zechen (alberghi, Herbergen) gesetzt, in welchen die Vertreter der einander befehdenden Geschlechter und Parteien gemischt waren; doch war das niedere Volk von den Zechen und somit auch von politischen Rechten ausgeschlossen. Aus diesen Zechen sollte ein Senat von 400 Mitgliedern gewählt werden, der neben der Wahl aller Staatsbehörden die Kontrolle über die gesamte Staatsleitung üben sollte.
Neben diesem Senat gab es noch einen engern Rat von 100 Mitgliedern. Dem Dogen stand die Signorie als fördernder, resp. beschränkender Beirat zur Seite. Sie bestand aus acht Mitgliedern, von denen stets je zwei im Dogenpalast, in unmittelbarer Nähe des Dogen, wohnen sollten. Die acht Procuratori del commune leiteten unter des Dogen Vorsitz die innere Staatsverwaltung kollegialisch; fünf Sindaci oder Zensoren hatten die Kontrolle der Exekutive und die Wahrung der neuen Verfassung zu üben.
Andrea Doria, den seine Mitbürger zum lebenslänglichen Dogen machen wollten, schlug die Würde aus, wie er früher des Kaisers Anerbieten, ihm fürstliche Gewalt in Genua zu verschaffen, zurückgewiesen hatte, und setzte es durch, daß die Amtsdauer des Dogen auf zwei Jahre beschränkt wurde. Der erste Doge wurde Uberto Lazario de' Cattanei. Indessen beherrschte doch Doria als auf vier Jahre gewählter Zensor Dogen und Rat. Er schaffte und erhielt lange Ruhe, konnte aber den Faktionsgeist doch nicht völlig bannen.
Derselbe fand Nahrung in der Vorliebe des alternden Andrea für seinen herrschsüchtigen Neffen Gianettino Doria, von dem man fürchtete, er möchte mit Andreas Reichtümern auch dessen Macht erben. Dazu kam, daß in Genua, obwohl es von der Verbindung mit Spanien [* 7] große Vorteile zog, doch noch eine französische Partei unter dem Adel bestand, welche die Republik Frankreich wieder zuführen wollte. Dies und den Sturz Dorias hatte die Verschwörung Fieschis (s. d.) zum Zweck, welche in der Nacht vom 1. zum zum Ausbruch kam.
Die Verschwörung schlug fehl, und Andrea Doria behielt seinen Einfluß bis an seinen Tod (1560). Ein Krieg mit den Franzosen um Corsica endigte zu gunsten Genuas, dagegen ging 1566 Chios für Genua durch die Türken verloren. Da auch Cypern [* 8] an die Venezianer verloren ging, so blieb Ägypten [* 9] das einzige Land im Orient, nach welchem sich Genuas Handel richtete, der überdies durch die Entdeckungen der Spanier und Portugiesen einen starken Stoß bekam. Konflikte, welche allmählich wieder zwischen den alten und den unter Doria aufgenommenen Adelsfamilien entstanden, wobei die erstern an Spanien, die letztern an Frankreich sich anlehnten, führten zu einer neuen Verschwörung gegen den alten Adel, der eben im Begriff war, seine frühern Prärogativen fast unmerkbar wieder zu erringen.
Die Einmischung Spaniens und das Erscheinen Don Juan d'Austrias mit der spanischen Flotte (1575) verhinderten den Ausbruch der Verschwörung. Nachdem sich die Signorie von Genua einer schiedsrichterlichen Entscheidung durch den Papst, den Kaiser und den König von Spanien unterworfen, kam endlich als Resultat langer Unterhandlungen eine neue Verfassung zu stande, welche die Interessen beider Parteien ausgleichen sollte. Der alte Adel wurde seiner 1574 erzwungenen Prärogativen wieder beraubt und nun für immer der Unterschied zwischen altem und aggregiertem Adel aufgehoben und zugleich bestimmt, daß der Adel auch ferner einzelnen Würdigen als Belohnung erteilt werden konnte. Die 400 Senatoren sollten ohne Unterschied aus dem gesamten Adel gewählt und durch sie die Staatsämter besetzt werden. Die neue Verfassung war also eine streng aristokratische. Ganz getrennt von den Staatsstellen war die Verwaltung der St. Georgsbank.
Nun folgte eine längere Zeit der Ruhe, während welcher sich die Bürgerschaft dem Handel und der Industrie widmen konnte. 1624 erwarb Genua das Marquisat Zuccarello, auf welches auch der Herzog Karl Emanuel von Savoyen, mit Frankreich und Venedig verbündet, vergeblich Ansprüche erhob. Zu derselben Zeit wurde nach dem Beispiel Venedigs auch zu Genua das Tribunal der Staatsinquisition eingeführt. Eine Verschwörung, welche der Herzog von Savoyen 1628 durch Vachero, einen reichen Bürger, gegen den Adel erregte, wurde noch zeitig entdeckt. Vachero büßte sein Vorhaben, den Nichtadligen den ihnen durch die Verfassungen von 1528 und 1576 geraubten Anteil am Regiment gewaltsam zurückzuerobern, mit dem Tod. Zwischen dem Herzog und ¶
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der Republik entspannen sich infolgedessen Feindseligkeiten, die erst nach der Niederlage der Genuesen bei Voltaggio im Frieden zu Madrid [* 11] vom ausgeglichen wurden. Das Regiment des sich immer exklusiver abschließenden alten Adels wurde seitdem, gleichwie in Venedig, herrischer und mißtrauischer. Der Handel hatte bei der innern Ruhe zwar einen guten, wenn auch nicht mehr den frühern glänzenden Fortgang; die Republik bekümmerte sich wenig um die auswärtigen Händel, und wenn es geschah, so stand Genua immer auf der Seite Spaniens.
Ein neuer Krieg, der zwischen Savoyen und Genua 1672 wieder ausbrach, endigte durch Ludwigs XIV. von Frankreich Vermittelung mit der Zurückgabe des von dem Herzog besetzten Zuccarello an Genua Gefährlicher wurde ein Krieg mit Ludwig XIV. selbst, der, weil Genua Spanien gegen Frankreich mit Schiffen unterstützte und den französischen Truppen den Durchzug verweigerte, im Mai 1684 eine Flotte nach Genua schickte, welche die Auslieferung von vier neuen Galeeren forderte; zugleich sollte die Republik den König um Verzeihung bitten.
Als man sich nicht fügte, bombardierte die französische Flotte die Stadt vom 17.-22. Mai, wobei der Dogenpalast, die Schatzkammer, das Zeughaus und viele Privathäuser zerstört wurden, worauf die Republik, obwohl eine zur Hilfe abgesandte spanische Flotte herannahte und die Franzosen nach Plünderung der Vorstadt San Pietro d'Arena wegen Mangels an Munition abziehen mußten, den Forderungen Ludwigs XIV. willfahrte. Seitdem blieb Friede zwischen Genua und Frankreich.
Ein in Corsica 1729 durch die Erpressungen des Statthalters Penello veranlaßter Aufstand führte nach langen Kämpfen zur Abtretung der Insel an Frankreich gegen die Zahlung von 40 Mill. Livres Im J. 1745 verband sich Genua, weil Österreich [* 12] das 1713 von Karl VI. erkaufte Marquisat Finale an Sardinien [* 13] abtrat, gegen Österreich und Sardinien mit Spanien, Neapel und Frankreich und versprach, gegen 12,000 Thlr. Hilfsgelder 10,000 Mann zu stellen. Österreich nahm dafür grausame Rache, indem es die Stadt besetzte, den Dogen und die Senatoren zur Abbitte zwang u. 9 Mill. Gulden Kriegskontribution auferlegte.
Die Truppen erlaubten sich in Genua die größten Brutalitäten. Da brach ein Volksaufstand aus, bei welchem 8000 Österreicher getötet, verwundet oder gefangen und die übrigen aus dem Genuesischen verjagt wurden. Ein Versuch der Österreicher, die Stadt wiederzuerobern, wurde 1747 durch eine französisch-spanische Entsatzarmee vereitelt. Als sich nach der französischen Revolution die Heere der französischen Republik auch über Italien [* 14] verbreiteten, wollte Genua eine Zeitlang seine Neutralität behaupten, schloß jedoch, von den Engländern unter Nelson bedroht, mit Frankreich eine Übereinkunft zu Paris, [* 15] begab sich unter französischen Schutz, zahlte 2 Mill. Frank Kontribution und schoß andre 2 Mill. bis zum Frieden unverzinslich vor.
Als ein von den Franzosen begünstigter Volksaufstand gegen die Aristokratie ausbrach, kam es 22. Mai zu einer Konterrevolution, bei welcher der französische Gesandte Faypoult insultiert und mehrere Franzosen verwundet wurden. Hierauf zwang Bonaparte den Dogen und den Senat zum Vertrag vom 6. Juni; derselbe bestimmte, daß Genua eine demokratische Verfassung erhalten solle, welche angenommen wurde und in Kraft [* 16] trat. Zugleich nahm Genua den Namen der Ligurischen Republik an und erhielt einen Länderzuwachs von Piemont, so daß es über etwa 5500 qkm (100 QM.) gebot.
Dennoch war die Macht Genuas nur ein schwacher Schatten [* 17] der frühern. Die Seemacht bestand nur aus fünf Galeeren und einigen kleinern Fahrzeugen; mit ihren Handelsschiffen beschränkten sich die Genuesen auf den Besuch der Küsten des westlichen Mittelmeers. [* 18] Nur der Speditionshandel und das Wechselgeschäft waren noch von Bedeutung. Die Bank von Genua hatte zwar immer noch ihr Ansehen behauptet, indem sie große liegende Güter und ein Einkommen von über 10 Mill. Frank besaß, wurde aber bei der Vereinigung Genuas mit Frankreich aufgehoben.
Nachdem nämlich Genua, wo. Masséna befehligte, eine lange Belagerung durch die Österreicher von der Landseite und durch die englisch-neapolitanische Flotte von der Seeseite seit ausgehalten, zwar 4. Juni von den Österreichern besetzt, aber schon 16. Juni wieder aufgegeben worden war, wurde von der französischen Regierung eine neue Verfassung oktroyiert, 1805 aber nach dem von Senat und Volk 25. Mai ausgesprochenen Wunsch, die Ligurische Republik möchte dem französischen Reich einverleibt werden, durch ein kaiserliches Dekret vom 4. Juni diese Einverleibung der Republik in das französische Reich bestätigt und das Land in drei Departements geteilt. Genua teilte nun Frankreichs Geschick, und sein Handel lag, trotz der Erklärung des Hafens zum Freihafen, wie der von ganz Frankreich danieder.
Nach Napoleons Sturz (1814) erschien 17. April Lord Bentinck mit 9000 Mann vor der Stadt und erstürmte unter Beihilfe einer englischen Flotte die Forts, welche Genua deckten. Die französische Besatzung unter General Fresia kapitulierte (18. April) und räumte die Stadt, die nun von den Engländern besetzt wurde. Am 26. April stellte eine Proklamation des Lords Bentinck die Verfassung, die vor 1797 bestanden, unter einer provisorischen Regierung wieder her. Aber der Wiener Kongreß vereinigte 1815 die Republik unter dem Titel eines Herzogtums mit den Staaten des Königs von Sardinien, um dies gegen Frankreich zu kräftigen. Genua beteiligte sich an den revolutionären Bewegungen von 1821 und 1830 fast gar nicht. Erst im März 1849 entstanden auf die Kunde vom Abschluß des Waffenstillstandes zwischen Sardinien und Österreich und von der Auflösung der Deputiertenkammer in Turin [* 19] in Genua Unruhen. Volk und Nationalgarde bemächtigten sich der Forts und nötigten die Besatzung zum Abzug. Am 2. April traten der General Avezzana, Davide Morchio und Constantino Reta zu einer provisorischen Regierung zusammen, welche alsbald die Unabhängigkeit der Republik Genua proklamierte. Aber schon 4. April erschien der General La Marmora mit einer bedeutenden Truppenmacht vor der Stadt und besetzte nach einem ziemlich blutigen Gefecht die Forts und die wichtigsten Punkte der Stadt. Darauf bewilligte der König eine Amnestie, von der nur die bereits flüchtig gewordenen Führer des Aufstandes ausgeschlossen waren.
Vgl. Mailly (gest. 1721), Histoire de la république de Gênes jusqu'en 1694; Canale, Nuova storia della repubblica di Genova (Bd. 1-4, Flor. 1858-64; Bd. 5, bis 1550 reichend, Genua 1874);
Malleson, Studies from Genoese history (Lond. 1875);
Langer, Politische Geschichte Genuas und Pisas im 12. Jahrhundert (Leipz. 1882);
Heyck, Genua und seine Marine im Zeitalter der Kreuzzüge (Innsbr. 1886).