mehr
Die Genealogie ist zuerst von den Deutschen in größerm Umfang bearbeitet worden. Seit dem Ende des 15. Jahrh. waren mehrere Gelehrte bemüht, den Stammbaum berühmter Geschlechter auszumitteln. Gutmütige Leichtgläubigkeit und Nachsicht gegen herkömmliche Vorurteile und Überlieferungen unterstützten die Eitelkeit der Großen, und die Forderungen ernster Forschung wurden von wenigen beachtet; daher die Ableitung mancher Adelsfamilien von altrömischen Geschlechtern. In diesem Sinn schrieben Genealogie Rüxner sein mythenreiches »Turnierbuch« (Simmern 1527) und Heinr. Zellius eine »Genealogia insignium imperatorum, regum et principum« (Königsb. 1563),
worin er den Ursprung fürstlicher Häuser von den Goten ableitete. Ihnen folgte Hier. Henniges, dessen »Theatrum genealogicum« in 5 Bänden, vollständig jetzt selten, zwar ohne Wert, doch fleißig ausgeschrieben ist. Berüchtigt wegen der Erfindungen ihres Verfassers sind die Schriften von Fr. de Rosière (um 1580), so daß es in Frankreich noch jetzt sprichwörtlich heißt: mentir comme un généalogiste. Eine gründlichere Darstellung erhielt zuerst die altrömische Familienkunde in dem Versuch von R. Strenius (gest. 1601) und in den gelungenern Arbeiten Glandorps. Auch Guilliman (gest. 1612) bewies in seiner Schrift »Habsburgica« urkundliche Treue, und Genealogie Bucelin hinterließ zahlreiche genealogische Werke, welche viel brauchbares Material enthalten. Das bedeutendste ist »Germania [* 2] topochronostemmatographica« (1655-78). Der richtige Weg kritischer Untersuchung wurde jedoch erst von A. du Chesne (gest. 1640) und vor allen von Pierre d'Hogier (gest. 1660) eingeschlagen, denen Anselm 1674, J. ^[Jean] de Laboureur 1683 und A. Lancelot 1716 in Frankreich, W. Dugdale 1675 in England folgten. In Deutschland [* 3] befolgten ein wissenschaftliches Verfahren zuerst Nik. Ritterhusius, welcher auf unverwerfliche urkundliche Beweise drang, und Philipp Jakob Spener, welcher Genealogie und Heraldik in ihrer Wechselwirkung verband. J. W. ^[Jacob Wilhelm] v. Imhof setzte das Werk des Ritterhusius nach dessen Grundsätzen fort, und ihm folgte J. D. ^[Johann David] Köhler. Die wichtigsten Werke des vorigen Jahrhunderts sind Hübners durch Vollständigkeit ausgezeichnete »Genealogische Tabellen« (Leipz. 1725-1733, 4 Bde.; neue Aufl. 1737-66),
denen Lenz »Erläuterungen« (das. 1756) und die Königin Sophia von Dänemark [* 4] »Supplementtafeln« (Kopenh. 1822-1824, 6 Lfgn.) hinzufügte;
Gebhardis »Genealogische Geschichte der erblichen Reichsstände in Deutschland« (Halle [* 5] 1776-85, 3 Bde.);
J. Ch. ^[Johann Christoph] Gatterers »Abriß der Genealogie« (Götting. 1788),
eine brauchbare wissenschaftliche Übersicht;
Kochs »Tables généalogiques des maisons souveraines de l'Europe« (deutsch, Berl. 1808).
Die besten neuern Werke sind Örtels »Genealogische Tabellen der germanischen und slawischen Völker im 19. Jahrhundert« (3. Aufl., Leipz. 1877),
Cohns »Stammtafeln zur Geschichte der deutschen Staaten und der Niederlande« [* 6] (Braunschw. 1871),
Grotes »Stammtafeln« (Leipz. 1877),
Hopfs »Historisch-genealogischer Atlas« [* 7] (Gotha [* 8] 1858-61, 2 Bde.) und Camill v. Behrs »Genealogie der in Europa [* 9] regierenden Fürstenhäuser« (2. Aufl., Leipz. 1870; dazu »Wappenbuch«, 1871). Einzelne Arbeiten in Beziehung auf Griechenland [* 10] und Rom [* 11] lieferten Steinbeck, Niebuhr, Huschke u. a.; für Deutschland J. G. ^[Johann Georg] v. Eckhard, M. E. v. Schließen, J. ^[Josef] v. Hormayr, Graf Stillfried-Rattonitz (Hohenzollern), [* 12] Frhr. v. Reitzenstein u. a. Für Frankreich sind Lesages (Las Casas) »Atlas historique généalogique, etc.« (Par. 1803, 1804, 1826) und »L'art de vérifier les dates, etc.« (das. 1820-1838),
für Italien [* 13] die Werke vom Grafen Pompeo Litta (gest. 1852) und dem Grafen Luigi Passerini zu nennen sowie die Arbeiten, welche das vom Cavaliere B. di Crollalanza in Pisa [* 14] seit 1874 herausgegebene »Giornale araldico-genealogico-diplomatico« enthält. Von den periodischen Werken sind die von Justus Perthes in Gotha jährlich herausgegebenen genealogischen Taschenbücher die wichtigsten, nämlich der in deutscher und französischer Sprache [* 15] erscheinende »Gothaische genealogische Hofkalender« (seit 1764),
mit dem das reichhaltige »Diplomatisch-statistische Jahrbuch« verbunden ist, das »Genealogische Taschenbuch der deutschen gräflichen Häuser« (seit 1825) und das der »deutschen freiherrlichen Häuser« (seit 1848). Ein »Genealogisches Taschenbuch der Ritter- und Adelsgeschlechter« erscheint seit 1876 in Brunn; für England sind die umfänglichern Jahrbücher von Burke (»Peerage and baronetage of the British empire«, 48. Jahrg. 1886), Debrett und von Lodge zu erwähnen.