Erscheinungen gehen können, bei anscheinend normalem Befinden des Körpers und Geistes auftreten und auch durch eine einseitige
Erregbarkeit von Gehirnteilen wohl erklärbar sind. Das Widersinnige in der Annahme, daß wirkliche Geister gesehen werder könnten,
liegt dabei weniger in dem Glauben, daß Geister existieren, als vielmehr in der Annahme, wenn solche immaterielle
Wesen wirklich existieren, mit ihnen auf materielle Weise, nämlich durch das körperliche Gefühls-, Gehörs- oder Tastorgan,
in Verkehr treten zu können.
Daher nehmen auch die modernen Geisterbeschwörer eine vorhergehende Materialisation der Geister an. Den Glauben an Geisterseherei teilen
nicht nur fast alle Religionen, sondern (mit Ausnahme derjenigen, welche die körperliche Materie für
das einzige Wirkliche erklären) sämtliche dualistische und spiritualistische Metaphysiker, mögen dieselben monistisch oder
pluralistisch sein, d. h. nur einen einzigen Geist (Allgeist) oder unzählige Einzelgeister (Monaden) anerkennen; von letzterer
Annahme aber haben sich mit Ausnahme der Geisterbeschwörer und Spiritisten wenigstens die Philosophen freigehalten.
Dieselben verwarfen die Annahme eines unmittelbaren Verkehrs mit der Geisterwelt entweder ganz, oder sie
ließen einen solchen doch nur auf immateriellem Weg durch ein innerliches Sehen, Hören oder Fühlen in mystischer Weise zu.
Ein solcher nur intellektueller Verkehr von Geist zu Geist kann wohl ein (allerdings problematisches) Sehertum des Geistes, auf
keine Weise jedoch Geisterseherei genannt werden. Diese umfaßt nur die Fälle, in welchen angeblich übersinnliche
Geister mit sinnlichem (leiblichem) Auge (Ohr, Tastorgan) wahrgenommen werden sollen.
Der Glaube an Geistererscheinungen spielt nicht nur in den meisten alten Religionen eine Rolle, wie z. B. bei Griechen, Römern,
Juden etc. (s. Nekromantie und Dämon), sondern hat sich auch im Christentum und um so leichter behaupten
können, als die ältern Kirchenväter, z. B. Lactantius, die Nekromantie geradezu als Beweismittel für die Fortdauer der Seelen
nach dem Tod, spätere Kirchenlehrer für das Dasein des Fegfeuers und des Teufels anriefen. Während es in neuerer Zeit schien,
als wollte die sogen. Aufklärungsperiode diesen Glauben unter den Kulturvölkern ausrotten, so daß er
nur noch in Volkssagen, wie die von den Sonntagskindern, denen die Gabe des Geistersehens angeboren sein sollte etc., fortleben
könnte, nahm derselbe vielmehr gegen Ende des vorigen Jahrhunderts einen neuen Aufschwung, den man wohl als eine Reaktion
gegen die Bemühungen der Aufklärer ansehen darf. Es kamen die Zeiten, in denen Swedenborg Anhänger für
seine durch den Verkehr mit Geistern erhaltenen religiösen Offenbarungen warb, in denen Lavater und Jung-Stilling versuchten,
eine neue Theorie für die Lehren der Geisterseherei aufzustellen.
Der erstere behauptet in seiner Übersetzung von Bonnets »Palingénésie« (1796) die sinnliche Wahrnehmbarkeit der
übersinnlichen Geisterwelt, indem er seine darauf bezügliche Theorie an Bonnets Lehre von der Unsterblichkeit des in feinerer
Gestalt als Nervengeist seine Seele auch nach dem Tod noch umhüllenden Körpers anschloß. Jung-Stilling aber sprach in seiner
Schrift »Leben und Verwandtschaft« (1778) als seine Überzeugung aus, daß Gott, eine Art von menschlicher
Gestalt annehmend, in die unbedeutendsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens unmittelbar eingreife und die Dinge in ganz
körperlich handgreiflicher Weise regiere.
Diese und ähnliche Lehren fanden trotzdem, daß das Zeitalter der Aufklärung huldigte,
besonders in der Zeit von 1770 bis 1785 im
protestantischen Deutschland, wo sich in tonangebenden Kreisen im Gegensatz zu der französischen Frivolität
hier und da eine starke Neigung zu sentimental-religiöser Schwärmerei kundgab, williges Gehör, und es wird daher begreiflich,
wie Gaukler von Profession, ein Pater Gaßner, Cagliostro u. a., jahrelang das Interesse selbst der gebildeten Welt in Anspruch
nehmen konnten.
Einen weitern Aufschwung nahmen diese Phantastereien durch Mesmers angebliche Entdeckung des tierischen
Magnetismus, dessen vermeintliche Thatsachen mystischen und schwärmerischen, aber auch betrügerischen Bestrebungen ein willkommenes
Feld darboten. Seitdem hat sich der Glaube an die Möglichkeit eines Verkehrs mit der übersinnlichen Welt zu einer besondern
Doktrin entwickelt, die sich mehr und mehr von der Verbindung mit den alten Religionsvorstellungen losmacht
und einem auf diesem Verkehr begründeten neuen Religionssystem zustrebt, welches namentlich in Amerika einen großen Anhängerkreis
gewonnen hat. S. Spiritismus. Die sichtbaren und namentlich die ungerufen erscheinenden Schreckbilder bezeichnet man gewöhnlich
als Gespenster (s. d., dort auch die neuere Litteratur über Geistererscheinungen). Die ältere, sehr umfangreiche Litteratur
findet man bei Graesse, Bibliotheca magica et pneumatica (Leipz. 1843).
Vgl. Sierke, Schwärmer und Schwindler
des 18. Jahrhunderts (Leipz. 1874).
(griech. Charisma), in der urchristlichen Lehrsprache jede an die natürliche
Begabung sich anschließende, dieselbe steigernde Virtuosität, die in den Dienst der christlichen Gemeinschaft und ihrer Zwecke
tritt. Nach der Grundstelle 1. Kor. 12. bilden die in den verschiedensten Richtungen thätigen Charismen
die Organe, wodurch die Gemeinde existiert und am Leben erhalten wird. Bald nach der apostolischen Zeit finden wir die wesentlichsten
derselben, wie Leitung und Dienst in der Gemeinde, Seelsorge und Predigt, in Ämter verwandelt, die wunderbaren Geistesgaben aber
allmählich in den Hintergrund gedrängt.
(Seelenstörungen, Gemütskrankheiten, Psychosen, psychische Krankheiten), diejenigen Krankheiten, welche
sich durch Störungen im Gebiet der Sinneseindrücke, des Vorstellens, Wollens oder Handelns kundgeben. Da alle Thätigkeiten,
welche man vom philosophischen Gesichtspunkt aus dem »Geist« oder der »Seele« zuschreibt, von dem Zentralorgan des Nervensystems
und speziell von der grauen Substanz der Großhirnhemisphären geleistet werden, so müssen wir auch die
krankhaften Abweichungen dieser Verrichtungen von der Norm als Symptome dafür betrachten, daß die genannten Zentralstellen
des Gehirns krankhafte Veränderungen erfahren haben.
Bei einem Teil der Geisteskrankheiten werden diese anatomischen Veränderungen so bedeutend, daß man schon mit bloßem
Auge, z. B. an den verdickten Gehirnhäuten eines Alkoholtrinkers oder an der geschrumpften Hirnsubstanz
eines an paralytischer Geisteskrankheit Verstorbenen, mit Sicherheit Rückschlüsse auf diejenigen Krankheitserscheinungen
machen kann, welche bei Lebzeiten an diesen Kranken beobachtet wurden. In andern Fällen führt erst eine feine mikroskopische
Untersuchung zur Erkenntnis von Strukturveränderungen in diesem überaus komplizierten Organ; in einer dritten
Reihe von Geisteskrankheiten, sowohl solchen, welche durch eine gesteigerte Erregung (Tobsucht, Epilepsie), als auch solchen, welche durch Depression
ausgezeichnet waren, wie Hypochondrie,
mehr
Melancholie, war es bislang nicht möglich, bestimmte materielle Anomalien nachzuweisen. Dennoch ist es unzweifelhaft, daß
die Geisteskrankheiten auf krankhaften Veränderungen des Gehirns beruhen, mithin Gehirnleiden sind, ebenso wie die schmerzhaften Neuralgien
durch Veränderungen der Nervenfasern bedingt werden, obwohl diese Veränderungen in beiden Fällen erst dann anatomisch nachzuweisen
sind, wenn die nervöse Substanz bereits zerfallen und zu Grunde gegangen ist.
Die Einteilung der Geisteskrankheiten ist demnach bis jetzt auf anatomischer Grundlage nicht zu machen. Die Gesetzgebungen haben seit den ältesten
Zeiten die Geisteskrankheit nahezu als eine Einheit angesehen, das römische Recht nennt dieselbe Dementia und unterscheidet
unter den Kranken nur die Mente capti (Wahnsinnigen im allgemeinen Sinn) und die Furiosi (Rasenden). Fast
alle deutschen Gesetzbücher sowie der Code civil haben mit wenigen Modifikationen die in Wahnsinn, Raserei und Blödsinn unterschieden,
während das preußische Strafgesetz (1851) überhaupt nur die Unterarten des Wahnsinns und Blödsinns gelten läßt.
Die vielen Schwierigkeiten, welche sich in der Praxis daraus ergeben, daß eine Fülle höchst verschiedener
Störungen in der Sphäre der Vorstellung oder des Handelns formell als Einheit betrachtet werden müssen, sind im § 51 des deutschen
Strafgesetzbuchs dadurch umgangen worden, daß für die forensische Frage der Zurechnungsfähigkeit fortab entscheidend ist,
ob die freie Willensbestimmung als vorhanden oder als ausgeschlossen zu betrachten ist. Im Sinn des Gesetzes
ist der Name der Geisteskrankheit also gleichbedeutend mit krankhafter Unfreiheit der Willensbestimmung.
Auf wissenschaftlicher Grundlage ist eine Einteilung der Geisteskrankheiten nur möglich, wenn man von der Erfahrung ausgeht, daß eine verhältnismäßig
kleine Anzahl krankhafter Symptome beobachtet wird, welche sich einzeln oder in gewisser bestimmter Reihenfolge
bei allen Geisteskranken wiederfindet. Diese Symptome heißen deshalb psychische Elementarstörungen oder elementare Anomalien.
Dazu zählen hauptsächlich die folgenden:
1) Sinnestäuschungen oder Halluzinationen, welche zu den häufigsten Symptomen bei Geisteskrankheiten gehören und entweder in die Sphäre des
Gesichts oder des Gehörs, seltener des Geruchs, Geschmacks oder Gefühls fallen. Wenn Halluzinationen im Bereich
des Sehorgans bestehen, so glauben die Kranken Personen, Tiere oder Gegenstände zu sehen, welche nicht dasind, und an diese
vermeintlichen Bilder knüpfen sich dann weitere Vorstellungen oder Impulse an, welche tausendfach verschieden sein können,
aber alle auf das Hauptsymptom der Gesichtshalluzinationen zurückzuführen sind. Bei Gehörshalluzinationen
sind es entweder einzelne Klänge oder Wörter, oder ganze Sätze, welche die Kranken zu hören glauben, und durch deren Inhalt
sie in fromme (religiöser Wahn) oder heitere (Delirium), in traurige oder angsterfüllte Stimmung (Verfolgungswahn) versetzt
werden.
2) Wahnvorstellungen, die Gesamtheit der verschiedenartigen irrigen Ideen und Kombinationen, welche aus
den Sinnestäuschungen entstehen. Man hat sie mit Recht als besondere Gruppe der Elementarstörungen aufgeführt, jedoch ist
es eine jetzt allseitig als irrig anerkannte Lehre, daß eine oder die andre Wahnvorstellung bei manchen sonst ganz gesunden
Personen auftreten könne und alsdann die Bedeutung einer selbständigen Geisteskrankheit (Monomanie oder fixe Idee) beanspruchen
dürfe.
Manche Irrenärzte sind sogar noch weiter gegangen und haben solche Triebe, welche
aus Halluzinationen und Wahnvorstellungen
hervorgehen, als besondere Arten von Monomanien gedeutet, woraus die Namen Kleptomanie (Diebstahlstrieb), Pyromanie (Trieb zur
Brandstiftung), Monomanie homicide (Selbstmordstrieb), Nympho- und Aidoiomanie (Geschlechtstrieb) entstanden sind; alle diese
Namen sind veraltet und nur geeignet, Mißverständnisse zu erwecken, seit es mit Sicherheit erkannt
ist, daß alle Personen, welche mit sogen. fixen Ideen behaftet sind, auch sonst nicht normale Individuen sind, sondern an
einer wirklichen Geisteskrankheit (meist Epilepsie) leiden, von welcher die fixe Idee nur ein Symptom ist.
Eine fernere Art der Elementarstörungen gehört der Sphäre des Empfindens, dem Gemütsleben an: 3) die
heitere Verstimmung, bei welcher die Personen mehr oder weniger andauernd in außerordentlicher Ausgelassenheit leben und einen
Frohsinn an den Tag legen, der meist irgend einer eingebildeten Idee entspringt, dem gesunden Verstand eines Beobachters aber
durchaus unmotiviert erscheint. Diese Anomalie geht oft ganz unvermittelt über in 4) die traurige Verstimmung,
bei welcher ein Alp auf den Kranken lastet und alles Denken und Fühlen von traurigen, sorgen- und kummervollen Ideen beherrscht
wird.
Als Elementarstörungen, welche hauptsächlich dem Gebiet der Intelligenz angehören, gelten 5) die Ideenflucht, ein Zustand,
bei welchem die Gedanken sich überstürzen, ein neuer auftaucht, bevor der erste ausgedacht und ausgesprochen
ist, 6) die Urteilsschwäche und 7) die Gedächtnisschwäche. Beide letztere faßt man oft zusammen als Schwachsinn oder in
den höchsten Graden als Blödsinn (stupor). Keine dieser aufgezählten wesentlichen sieben Gruppen elementarer psychischer Anomalien
ist nun an und für sich eine Psychose, d. h. wirkliche Geisteskrankheit, ja es ist sogar keine einzige
derselben ein sicheres Symptom, daß eine Geisteskrankheit dahinter stecken müsse.
Die ausgelassene Heiterkeit, in welche jemand durch den unverhofften Gewinn großer Reichtümer versetzt wird, kann in ihrer
äußern Erscheinung ganz dem Gebaren eines tobsüchtigen Irren gleichen, der tiefe Seelenschmerz eines schwer geprüften,
kummervollen Leidtragenden ist äußerlich nicht von dem Bild eines melancholischen Geisteskranken zu
unterscheiden, die Sinnestäuschungen eines Trunkenen oder eines im Typhusfieber delirierenden Kranken werden sogar von Krankenwärtern
und erfahrenen Laien nicht selten für Zeichen wahrer Geisteskrankheiten gehalten.
Nur die fortgesetzte Beobachtung der Symptome, durch welche sich ihre abnorme Dauer ergibt, durch welche
sich für die Verstimmungen deren Grundlosigkeit, Ungereimtheit herausstellt, ferner die umsichtige Beachtung aller vorausgegangenen
Ereignisse, Kenntnisnahme von der persönlichen und Familiengeschichte, körperliche Untersuchung etc.
können dazu führen, aus den genannten elementaren Anomalien den Schluß auf eine vorhandene Geisteskrankheit zu machen.
Die Geisteskrankheiten selbst sind demnach Krankheitsbilder (psychologische Formen), in welchen einzelne der erwähnten
Elementarstörungen in bestimmter typischer Weise aufeinander folgen oder nebeneinander bestehen oder in regelmäßigem Wechsel
wiederkehren. Nur durch die Erfahrung sind so im Lauf der Zeit die scheinbar regellosen Symptome gruppiert und geordnet worden,
und mit der Fülle der Beobachtungen und der Herausbildung der Psychiatrie als Spezialwissenschaft gewinnt
diese Gruppierung noch täglich an Schärfe und Feinheit. Die vielen populären Fremdwörter sind dem