Geißlersche Röhre (Erscheinungen in mäßig und in stark verdünnter Luft)
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Weltruf. Er war auf dem Gebiet der physikalischen
Mechanik ein außerordentlich fruchtbarer Erfinder und lieferte den Forschern
die vortrefflichsten
Instrumente und Hilfsapparate. Seine hervorragendste Leistung ist die
Erfindung der nach ihm benannten
Röhren,
[* 2] an welche sich die Neuerfindung der Quecksilberluftpumpe
[* 3] knüpft. Zur Untersuchung der alkoholhaltigen
Flüssigkeiten
konstruierte er dasVaporimeter. 1868 ernannte ihn die
UniversitätBonn
[* 4] zum
Doktorhonoris causa. Er starb in
Bonn.
[* 1]Röhre (von dem Glaskünstler
Geißler ausgeführt, von
Plücker angegeben) nennt man eine zugeschmolzene
Glasröhre, welche ein sehr verdünntes
Gas enthält, und in welche an geeigneten
Stellen eingeschmolzene
Platin- oder Aluminiumdrähte
hineinragen, welche außerhalb mit
Ösen zum Einhängen von Zuleitungsdrähten versehen sind. Von den
zahlreichen und mannigfaltigen
Formen, welche man diesen
Röhren zu geben pflegt, ist eine der einfachsten in
[* 1]
Fig. 1 dargestellt.
Verbindet man die an ihren
Enden eingeschmolzenen Platindrähte, welche man
Elektroden nennt, mit denPolen
eines
Funkeninduktors (s.
Induktion)
[* 5] oder den
Elektroden einer
Influenzmaschine (s. d.), so entwickelt sich in der
Röhre eine
prachtvolle Lichterscheinung. Befindet sich mäßig (z. B. auf 1/300) verdünnte
Luft in der
Röhre, so erscheint der negative
Pol von einer zarten tiefblauen Lichthülle, dem Glimmlicht, umgeben; vom positiven
Pol aber ergießt sich eine
pfirsichblütrote Lichtgarbe durch die ganze
Röhre fast bis zur negativen Lichthülle, bleibt aber von dieser durch einen
dunkeln Zwischenraum getrennt; diese
Garbe zeigt sich häufig, namentlich wenn
Dämpfe von
Terpentinöl,
Schwefelkohlenstoff
oder andre brennbare
Gase
[* 6] in der
Röhre gegenwärtig sind, in eine
Reihe abwechselnd heller und dunkler
Schichten zerlegt, welche
zur
Achse der
Röhre senkrecht stehen und in wellenartiger
Bewegung vom positiven nach dem negativen
Pol fortzuschreiten scheinen.
Einem genäherten elektrischen
Strom oder einem
Magnet gegenüber verhält sich der positive
Strom wie ein beweglicher Stromleiter;
er wird z. B. von einem
Magnet abgelenkt nach denselben
Gesetzen wie ein beweglicher
Leitungsdraht (s.
Elektrodynamik)
[* 7] und kann in fortgesetzte
Umdrehung um einen
Magnet versetzt werden. Hierzu dient am bequemsten die Vorrichtung
[* 1]
Fig. 2;
in ein
eiförmiges Glasgefäß, in welchem die
Luft (mittels einer Quecksilberluftpumpe) hinreichend
verdünnt ist, ragt ein mit
einer Glashülle bedeckter Eisenstab E hinein;
der Lichtstrom ergießt sich parallel zum Eisenstab zwischen
den beiden Platinelektroden, deren eine
(a) am obern Ende des
Eies angebracht ist, während die andre (b) weiter unten den
Eisenstab ringförmig umgibt;
stellt man das
Ei
[* 8] auf den
Pol eines
Elektromagnets M, so wird der Eisenstab magnetisch, und der
Lichtstrom dreht sich nun um ihn in derselben
Weise, wie sich ein drehbar aufgehängter
Leitungsdraht um
einen
Magnet drehen würde;
Textfigur:
[* 1]
Fig. 2. Obgleich eine geißlersche Röhre ihr sanftes
Licht
[* 9] ohne
Unterbrechung auszustrahlen scheint, so besteht dasselbe doch
nur aus einer raschen Reihenfolge sehr kurz dauernder einzelner Entladungen, deren
Bilder, wenn sie in
unserm
Auge
[* 10] auf dieselbe
Stelle der
Netzhaut fallen, zu einem einzigen ununterbrochenen Lichteindruck verschmelzen; versetzt
man aber die
Röhre vermittelst einer
Schwungmaschine in rasche
Umdrehung um ihr eines Ende, so fallen die
Bilder der einzelnen
Entladungen auf verschiedeneStellen der
Netzhaut, und man erblickt einen aus vielen leuchtenden
Röhren
gebildeten prachtvollen
Stern.
Die
Farbe des positiven Lichtstroms ist je nach der
Beschaffenheit des in der
Röhre enthaltenen
Gases verschieden, z. B. in
Wasserstoffgas purpurrot, in
Kohlensäure grünlich.
Immer aber ist sein
Licht reich an jenen violetten und ultravioletten
Strahlen,
welche das als
»Fluoreszenz«
[* 11] bezeichnete Selbstleuchten des
Glases hervorzurufen im stande sind; indem
man Teile der
Röhre aus stark fluoreszierenden Glassorten, z. B. dem hellgrün leuchtenden
Uranglas, in zierlichen
Formen herstellt,
wird die Pracht und Mannigfaltigkeit der Lichterscheinungen noch bedeutend gesteigert.
Wird die
Luft in einer
Röhre weiter verdünnt als in den gewöhnlichen Geißlerschen
Röhren, so dehnen
sich das bläuliche negative
Licht und der dunkle
Raum, der es vom positiven
Lichte trennt, immer weiter aus, das positive
Licht
aber zieht sich zurück und verschwindet endlich ganz. Jener dunkle
Raum läßt sich sehr schön zeigen mit
Hilfe der vonCrookes
angegebenen
Röhre
[* 1]
(Fig. 3), die in der Mitte eine runde
Platte aus Aluminiumblech als negativen
Pol und an den
Enden eingeschmolzene
Drähte enthält, welche mit dem positiven
Pol des
Funkeninduktors verbunden werden;
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man sieht von der mit bläulichem Licht umhüllten Platte den dunkeln Raum sich nach beiden Seiten hin etwa 3 cm weit erstrecken
bis zur scharfen Grenze des positiven Lichts. Während der positive Lichtstrom in einer gewöhnlichen Geißlerschen Röhre
wie ein beweglicher Stromleiter die Verbindung nach dem negativen Pol herstellt, sich stets nach diesem
hinwendet und allen etwa vorhandenen Krümmungen der Röhre folgt, pflanzt sich in Röhren, in denen die Luft bis auf ungefähr
ein Milliontel einer Atmosphäre verdünnt ist, das negative Licht nur in geraden Linien fort, welche senkrecht von der Oberfläche
der negativen Elektrode ausgehen und in ihrer Richtung durch die Lage der positiven Elektrode nicht im mindesten
beeinflußt werden. Dieses Verhalten hat Hittorf sehr einfach mittels der in
[* 12]
Fig. 4 dargestellten
Röhre veranschaulicht.
Die Platindrähte a und b sind in Glasröhrchen eingeschmolzen, so daß nur ihre eben geschliffenen Endflächen frei bleiben;
die Endfläche des Drahtes b ist von derjenigen des Drahtes a abgewendet. Macht man b negativ, a positiv,
so durchstrahlt das von der Endfläche b ausgehende negative Licht die Strecke b c, entfernt sich also immer mehr von dem positiven
Pol und dem die Streckea b erfüllenden positiven Licht. Macht man dagegen a negativ, b positiv, so krümmt
sich der positive Lichtstrang unmittelbar hinter der Endflächeb und nimmt die Richtung auf a; das negative Licht von a flutet
dagegen geradlinig fort und geht über b hinaus bis ans Ende c der Röhre, unbekümmert darum, daß es auf seinem Weg den
positiven Pol b kreuzt.
Crookes bediente sich zum Nachweis dieser Eigentümlichkeit des negativen Lichts der folgenden Einrichtung. In eine V-förmige
Röhre
[* 12]
(Fig. 5) sind drei Drähtea b c eingeschmolzen, deren jeder eine kleine kreisförmige Blechplatte trägt; setzt man
a mit dem negativen, b mit dem positiven Pol des Induktionsapparats in Verbindung, so pflanzt sich das
negative Licht in gerader Linie nur bis c fort, ohne dort um die Ecke zu biegen, und verbindet man a mit dem positiven, c mit
dem negativen Pol, so ergießt sich das negative Licht in der zur Polplatte senkrechten Richtung geradlinig nach b
hin, ohne sich um den bei a liegenden positiven Pol im geringsten zu kümmern. Es hat den Anschein, als ob
die Teilchen der
sehr verdünnten Luft von dem negativen Pol mit großer Gewalt senkrecht zur Polfläche fortgeschleudert werden und nun wie
Lichtstrahlen geradlinig dahinschießen.
Crookes hat daher die Materie in dem Zustand höchster Verdünnung, bei welcher sie dieses Verhalten zeigt,
als strahlende Materie bezeichnet. Da, wo die Strahlen des negativen Lichts auf die Glaswand des Gefäßes treffen, erregen sie
das Glas
[* 13] zu lebhaftem Selbstleuchten oder Phosphoreszieren; das ThüringerGlas, aus welchem diese Gefäße gewöhnlich verfertigt
werden, leuchtet hell apfelgrün, Uranglas dunkler grün, englisches Glas blau. Um die Phosphoreszenz
[* 14] andrer
Körper unter der Einwirkung des negativen Lichts zu beobachten, schließt man sie in Röhren wie
[* 12]
Fig. 6 ein; Rubin leuchtet
unter diesen Umständen mit roter Farbe, Kalkspat
[* 15] ebenfalls rot, Phenakit blau, Pektolith schwefelgelb, und gewisse Spielarten
von Diamant
[* 16] strahlen helles grünes Licht aus.
Der wesentliche Unterschied zwischen der elektrischen Entladung in mäßig verdünnter und sehr stark verdünnter Luft läßt
sich sehr auffallend an den beiden ganz gleichen, kugelförmigen Gefäßen
[* 12]
(Fig. 7 A und B) wahrnehmen, deren ersteres nur
bis zu einem gewöhnlichen Grade, das andre aber bis auf etwa ein Milliontel Atmosphäre ausgepumpt ist.
Verbindet man die Elektrode a, welche die Form einer Schale hat, mit dem negativen, die Elektroden b, c, d der Reihe nach mit
dem positiven Pol, so sieht man in dem ersten Gefäß
[* 17] einen roten Lichtstrom von dem jeweiligen positiven Pol
nach der negativen Polplatte sich ergießen und an dieser die blaue negative Lichthülle auftreten; in dem andern Gefäß
indes sieht man nichts von einer positiven Lichtgarbe; von dem schalenförmigen negativen Pol indes gehen die Strahlen des
negativen Lichts aus, laufen im Mittelpunkt der Kugel, von welcher die Schale ein Abschnitt ist, wie in einem
Brennpunkt zusammen, gehen darüber hinaus wieder kegelförmig auseinander und erzeugen auf der gegenüberliegenden Glaswand
einen Fleck grünen Phosphoreszenzlichts, der sich heiß anfühlt;