(Obedientia), die Unterwerfung eines
Willens unter einen andern;
unterscheidet sich von
Folgsamkeit (s. d.)
dadurch, daß letztere das Gebotene freiwillig, ersterer dasselbe auch wider
Willen thut.
Thätiger und
leidender Gehorsam (O. activa et passiva), in der altprotest.
Dogmatik Bezeichnung der beiden
Stücke des Werkes
Christi: die stellvertretende
Gesetzeserfüllung und das stellvertretende Erleiden der
Strafe an unser Statt. S.
Versöhnung.
(Gehrung), das Zusammentreffen zweier
Flächen unter irgend einem
Winkel
[* 10] (Gehrungswinkel), z. B. an
Gesimsen.
Gerade
ist die Gehre, wenn dieFlächen unter einem rechten
Winkel zusammentreffen, so daß die den Gehrungswinkel
halbierende Gehrungslinie mit ihren
KantenWinkel von 45° bildet; schief, wenn die Bauteile unter einem spitzen oder stumpfen
Winkel aneinander stoßen. Für die gerade Gehrung, die bei Holzarbeiten sehr oft vorkommt, hat man verschiedene Gerätschaften,
z. B. das Gehrmaß, ein Anschlaglineal, dessen
Zunge mit dem
Klotz einen
Winkel von 45° bildet; die Gehrlade,
ein
Brett, worauf ein
Klotz befestigt ist, dessen innere Seite mit der Stoßkante des
Brettes denselben
Winkel von 45° bildet,
und an welches die zu bestoßende Gehre angelegt und mit dem Gehrhobel bearbeitet wird. Für schiefe
Gehren bedient
man sich eines Anschlaglineals mit beweglicher, stellbarer
Zunge. Sehr erleichtert wird die
Arbeit durch die Gehrungsschneidemaschine,
welche mittels einer schmalen
Säge,
[* 11] die sich innerhalb zweier verstellbarer
Führungen bewegt, jede beliebige Gehre zuschneidet.
Sehr künstliche
Gehren finden sich bei den
Holz- und Steinhauerarbeiten aus dem
Mittelalter.
Emanuel, Dichter, geb. zu
Lübeck
[* 20] als Sohn eines
Predigers, besuchte das
Gymnasium seiner Vaterstadt,
bezog dann die
UniversitätenBonn und
Berlin
[* 21] und wendete sich vom
Studium der
Theologie zu dem der klassischen und romanischen
Philologie. In
Berlin trat er in freundschaftliche Beziehungen zu
Chamisso,
Gaudy und namentlich zu dem Kunsthistoriker
FranzKugler, welche alle sein aufkeimendes poetisches
Talent schätzten und förderten. 1838 nahm er die
Stelle eines
Erziehers
im
Haus des russischen
Gesandten zu
Athen
[* 22] an, löste jedoch dies
Verhältnis nach einem Jahr wieder, blieb aber während des
nächstfolgendenJahres in
Athen, um seine philologischen und poetischen
Studien zu fördern, als deren
erste
Frucht die
Übertragungen griechischer Gedichte gelten durften, welche er gemeinsam mit seinem
FreundErnstCurtius unternahm,
und die als »Klassische
Studien«
(Bonn 1840) erschienen. Im
Sommer 1840 kehrte Geibel nach
Deutschland
[* 23] zurück, ließ bald darauf
zunächst die erste Sammlung seiner »Gedichte« (Berl.
1840; 100. Aufl., Stuttg. 1884) erscheinen und ging 1841 nach Escheberg
in
Kurhessen, dem
Gute des
Freiherrn von der
Malsburg, wo er die dort vorhandene reiche
Bibliothek spanischer Werke für seine
Studien benutzte. Seine Absicht war, sich für
romanische Sprachen an irgend einer deutschenUniversität
zu habilitieren. Inzwischen aber siegten seine poetischen
Neigungen und
Stimmungen über die wissenschaftlichen
Pläne. Er gab
seine »Zeitstimmen«
(Lübeck 1841, 3. Aufl. 1846) heraus, mit denen er in die
Reihen der »politischen« Dichter der 40er Jahre
trat, und in denen er sich im Gedicht »An
GeorgHerwegh« als leidenschaftlichen Gegner des poetisch-politischen
Radikalismus bekannte.
Während des
Winters 1842/43, welchen in seiner Vaterstadt verlebte, entstand seine dramatische Erstlingsarbeit, die
Tragödie
»König
Roderich« (Stuttg. 1843), von regelmäßigem
Bau, aber ohne dramatische
Gewalt und Schlagkraft der
Charakteristik. Im
J. 1843 erhielt Geibel von König
FriedrichWilhelm IV. von
Preußen
[* 24] einen mäßigen Jahresgehalt, der ihm aber
gestattete, in Unabhängigkeit seinen poetischen Bestrebungen zu leben.
Eben diese Bestrebungen begannen jetzt
Teilnahme in
weitern
Kreisen zu finden.
Größere Vertiefung und Selbständigkeit des Dichters zeigten schon diejenigen
Dichtungen, durch welche er die neuen
Auflagen
seines ersten
Bandes Gedichte vermehrte.
Noch energischer sprachen sich dieselben in seinen nächsten Veröffentlichungen,
den kräftigen
»ZwölfSonetten für
Schleswig-Holstein«
[* 25]
(Lübeck 1846) und dem kleinen farbenprächtigen
Epos »König
Sigurds
Brautfahrt« (Berl. 1846; 4. Aufl., Stuttg.
1877),
aus. Nachdem Geibel den
Sommer 1843 in St. Goar am
Rhein im
¶
mehr
freundschaftlichen Verkehr mit Freiligrath verlebt, ging er 1844 nach Berlin, wo er für Mendelssohn-Bartholdy 1846 die Oper »Loreley«
(2. Aufl., Hannov. 1861) dichtete, welche wegen des frühen Todes des Komponisten leider unvollendet blieb, und veröffentlichte
bald darauf die zweite Sammlung seiner Gedichte, die »Juniuslieder« (Stuttg.
1848, 20. Aufl. 1873), die an poetischem Gehalt und künstlerischer Formvollendung die lyrischen und epischen
Darbietungen der ersten Sammlung weit überragten.
Blieb auch die Grundstimmung des Dichters weich und zuzeiten weichlich, so waren doch innige Empfindung, ein edler Ernst der
gesamten Lebensanschauung, Schwung der Phantasie und Reinheit der Form Vorzüge, die den Erfolg der »Juniuslieder«
zu einem vollberechtigten erhoben. Jene Kritiker, welche in Geibel nicht mehr erblicken wollten als den Lieblingslyriker junger
Damen, waren schon damals widerlegt und wurden es in der Zukunft noch mehr. 1851 ward Geibel durch König Maximilian II. von Bayern
[* 27] als Honorarprofessor der Ästhetik und Poetik an die UniversitätMünchen berufen.
Bald zum Kapitular des neugegründeten Maximiliansordens ernannt, in den persönlichen Adelstand erhoben, durch ein vertrautes
Verhältnis zu dem litteraturfreundlichen Herrscher ausgezeichnet, zum Mittelpunkt und Haupt jener poetischen Schule oder vielmehr
der dichterischen Genossenschaft erhoben, welche sich in den 50er Jahren in München sammelte, schien in seltener Weise vom Glück
begünstigt. Aber bereits 1855 verlor der Dichter seine geliebte jugendliche GattinAda, mit der er sich 1852 verheiratet hatte;
auch erwies sich das Klima
[* 28] von München seiner Gesundheit verderblich.
Schon vor dem Tode des KönigsMax lebte Geibel wieder einen Teil des Jahrs in Lübeck; 1869 legte er alle seine
Stellungen nieder und nahm wieder in Lübeck seinen bleibenden Wohnsitz. Hier starb er, in den letzten Jahren seines Lebens vielfach
kränkelnd, Für die ihm entzogene Pension aus der bayrischen Kabinettskasse hatte ihm König Wilhelm vonPreußen
einen entsprechenden Jahresgehalt verliehen. Geibels bedeutendster poetischer Aufschwung war während seines
Aufenthalts in München erfolgt. Mehr noch als seine Tragödie »Brunhild« (Stuttg. 1858, 4. Aufl. 1877) und das graziöse
Lustspiel »MeisterAndrea« (das. 1855, 2. Aufl. 1874) erwiesen die »Neuen Gedichte« (das. 1857, 12. Aufl. 1872) Geibels Berechtigung
zu einer hervorragenden Stellung in der deutschen Poesie.
Sämtliche Gedichte dieser dritten Sammlung erschienen tiefer, ernster, gewichtiger, dabei so formschön
wie die besten der frühern Bände. Neben der Innigkeit echter Lyrik, die in den Gedichten des Cyklus »Ada« gipfelte, sprachen
lyrisch-epische Meisterstücke, wie: der »Mythus vom Dampf«,
[* 29] »Babel«, »Der Bildhauer des Hadrian«, »Der Tod des Tiberius«, die
tiefste Eigentümlichkeit des gereiften Dichters vollendet aus. Ein gleich ernster Gehalt zeichnete auch
die »Gedichte und Gedenkblätter« (Stuttg.
1864, 6. Aufl. 1875),
die vierte Sammlung der Geibelschen Gedichte, aus, während die Sammlung seiner letzten Gedichte: »Spätherbstblätter«
(das. 1877),
nur noch einzelne vollendet schöne Lieder und ergreifende Bilder enthält. Während seines Münchener Aufenthalts
hatte Geibel im Verein mit PaulHeyse das »Spanische
[* 30] Liederbuch« (2. Aufl., Berl. 1852),
mit F. A. v. Schack den
»Romanzero der Spanier und Portugiesen« (Stuttg. 1860),
herausgegeben. Seit seiner Rückkehr nach Lübeck veröffentlichte er noch die preisgekrönte Tragödie »Sophonisbe« (Stuttg.
1869, 3. Aufl. 1877),
die größtenteils dem deutsch-französischen Krieg entstammten schwungvollen Zeitgedichte »Heroldsrufe«
(das. 1871, 4. Aufl. 1872),
das »Klassische Liederbuch; Griechen und Römer
[* 31] in deutscher Nachbildung« (Berl. 1875, 4. Aufl.
1882) und die kleinere Dichtung »Echtes Gold
[* 32] wird klar im Feuer« (Schwer. 1882). Geibels Bedeutung als Dichter
liegt wesentlich darin, daß er in einer zerfahrenen, dem Extremen zuneigenden Zeit künstlerisches Gleichmaß und geläuterte
Schönheit erstrebte und damit das Gewicht seines von Haus aus begrenzten Talents außerordentlich steigerte. Seine »Gesammelten
Werke« erschienen in 8 Bänden (Stuttg. 1883); seine »Briefe an Karl Freih. v. d. Malsburg« gab Duncker (Berl.
1885) heraus.